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Lars

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26.08.2002
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Lars

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Zwar liebte Lars als kleiner Junge Deutsch, Mathematik und Erdkunde nicht, aber er ging dennoch gerne in die Schule - wegen der vielen Mitschüler, die er in der Pause misshandeln konnte. Besonders diese Streber, die im Unterricht immer die richtigen Antworten hatten. Aber Muskeln hatten sie nicht wie er, was ihr Pech war.
Als er in der Achten seinem Banknachbarn Schröder aus Versehen beide Hände brach, bestellten die Lehrer Lars’ Eltern in die Sprechstunde, und dann sagten die Eltern: „Junge, wenn du nicht im Unterricht aufpasst, wird aus dir nichts werden.“
Aber Lars war schon damals stärker als sein Vater, und seine Hausaufgaben machte ja Schröder, als er nach acht Wochen wieder schreiben konnte.

Es machte Lars auch nix aus, dass seine Eltern ihm das Taschengeld kürzten: Ein paar Jungs aus den höheren Klassen gaben ihm Kohle, wenn sie zusehen durften, wie er jemandem die Fresse polierte. Einer von ihnen wettete auf ihn, wenn er gegen andere antrat, und gab ihm den Tipp mit dem Boxverein, wo man lernen konnte, mit noch besserer Technik Fressen zu polieren. Und je mehr und schöner er die Fressen polierte, desto größer wurde das Publikum, das ihm zujubelte, wenn er im Ring dem Gegner so lange gegen die Birne drosch, bis dieser bewusstlos und blutig wie ein geköpftes Huhn zu Boden stürzte.
Es gab viele Leute mit viel Kohle, die sie nicht sinnvoll loswerden konnten und sie dann ausgaben „um den Kampf zu sehen“. Noch lieber hätten sie es zwar gehabt, wenn die modernen Gladiatoren namens ‚Boxer’ auch Spieße und Schwerter benutzen hätten dürfen wie in den echt guten alten Zeiten, aber auch so ging’s, und Lars wurde berühmt und reich und ein Idol für die Jugend. Fernsehanstalten stritten sich darum, wer es live senden durfte, wie er jemanden niederhaute wie damals auf dem Schulhof, nur dass jetzt viele Prominente zuschauten, keine Lehrer rumnörgelten und es erlaubt und toll und eine ‚Kunst’ war (obwohl Lars den Unterschied nicht begriff. Nämlich hatten die Leute trotzdem immer noch was dagegen, wenn er gelegentlich auch privat jemandem schlug, zum Beispiel seine Frau, wenn sie nicht parierte).

Wenigstens war er beliebter als Schröder, der übrigens manchmal zuschauen kam (wahrscheinlich, weil er froh war, dass Lars inzwischen jemand anderen misshandelte). Und mehr Kohle hatte Lars auch als Schröder, obwohl er früher nicht im Unterricht aufgepasst hatte. Weil Lars nämlich Europameister im Schwergewichts-Misshandeln geworden war, aber Schröder nur irgendwas mit Bundeskanzleien machte (oder so irgendwas).

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Gute Geschichte - wenn ich mir auch beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass der Schröder so eine Vorgeschichte hat. Wie wäre es mit F. März??

Gruß, Alli

 

Hallo FlicFlac,

muntere kleine Satire, die mir gefallen hat. Wenn ichs richtig deute, geht es darin, nicht nur um Gewalt, sondern auch den Werteverfall. Jemand, der ansich nichts kann als sich zu prügeln, mal flapsig gesagt, der kann trotzdem mehr Beachtung bekommen als jemand, der was tut oder jemand, der ansich wirklich an den Schalthebeln der Macht steht?
Eventuell ist der Plot insoweit nicht ganz stimmig zuende gedacht.

Klär mich mal bitte auf.
Jedenfalls würde als satirische Aussage ja schon reichen, wenn du die Gewalt anprangern wolltest und die Möglichkeiten, die wir alle ihr geben, sich zu entwickeln. Sollte also keinesfalls Gemecker wegen des Plots meinerseits sein.

Lieben Gruß
lakita

 

Hallo Lakita!


Eventuell ist der Plot insoweit nicht ganz stimmig zuende gedacht.

Bitte gib mir da einen konkreten Hinweis!

Jedenfalls würde als satirische Aussage ja schon reichen, wenn du die Gewalt anprangern wolltest und die Möglichkeiten, die wir alle ihr geben, sich zu entwickeln.

Ja, ich zielte da drauf. Auf dem Schulhof intervenieren Lehrer, wenn sichs die Schüler in die Fresse geben, und Samstag abends hocken die Prominenten im ZDF-Studio und schwärmen vom "Kampf" -

Boxen ist meiner Meinung nach eben kein Sport, sondern öffentliche, legalisierte Körperverletzung. (Das Beschädigen des Kopfes ist kein unerwünschter Nebeneffekt, sondern ZIEL der meisten Handlungen).

LG,
Flic

 

Hallo FlicFlac,

also mit der eventuellen Unstimmigkeit meinte ich, dass es nicht so ganz gradlinig gewesen wäre, wenn du einen Boxer mit einem Politiker verglichen hättest bzw. zum Thema der Satire genommen hättest. Das erschien mir in puncto Machtausübung doch nicht ganz vergleichbar.

Da wusste ich aber noch nicht, dass dein Plot tatsächlich primär auf die Bedeutung, die Körperverletzungen haben, und die Doppelmoral der Bürger abzielte.

Stimmt: Boxen ist Körperverletzung mit gegenseitiger Einwilligung und es spricht Bände, dass die Boxer (meist) keinen Kopfschutz, aber regelmäßig einen Unterleibsschutz tragen. Mehr sag ich dazu jetzt mal besser nicht. :D

Trotzdem, ich möchte nicht irgendwann wegen Scheinheiligkeit unnötig verlängert im Fegefeuer schmoren, bekenne ich mich zur Klitschko-Fangruppe, was schlicht daran liegt, dass die Kerls ne Zeitlang gleich nebenan ihren Boxstall hatten und man sich früher beim Joggen im Park höflich grüßte. *angeb* :D Nee, ist wirklich so, die beiden Brüder sind höfliche Kerle, die lassen sich sogar im Ring auspusten und anderen den Vortritt. :D

Lieben Gruß
lakita

 

es spricht Bände, dass die Boxer (meist) keinen Kopfschutz, aber regelmäßig einen Unterleibsschutz tragen. Mehr sag ich dazu jetzt mal besser nicht.

Man muss Prioritäten setzen.

Übrigens geht mein Text nicht auf Boxer los (finde an den Klitschkos auch nix unsympathisches) - sondern allein darauf:

Wir versuchen eine zivilisierte Gesellschaft aufzubauen, indem wir Kinder erziehen, die ihre Konflikte gewaltfrei lösen sollen und zelebrieren zur besten Sendezeit öffentlich-rechtlich, wie sich zwei Leute die Fresse blutig hauen und wahrscheinlich auch gesundheitlich Schaden zufügen. Dabei wird das Ganze zur "Kunst" hochstilisiert. Das nenne ich mehr als Ambivalenz! Wir hieven primitives Steinzeitgeprügel mit digitaler Technologie in den Alltag des TV-Konsumenten. Ich finde das... eklig.

Ich hatte da mal ein Bild ausgeschnitten. Eine blutig geschlagene Boxervisage, Risswunden im Gesicht, halb weggedroschenes Kinn und schrieb darunter: "Homo sapiens erfreut sich nach 60.000 Jahren Entwicklung an Sport"

 

Isch habs auch net so verstanden, dass du den Boxsport zum ausschließlichen Ziel gemacht hast.
Es geht allgemein um diese bürgerliche Doppelmoral.
Und um unser aller Blödheit.

Es ist auch nicht akzeptabel, dass es mittlerweile Shops gibt, in dem diese Mittel von Anna Bolika verkauft werden. Wo soll denn das enden?
Dass wir in den Baumärkten breitere Türen samt Rahmen kaufen können, damit die Heinis wieder durch die Türen passen? :D
Es passieren verdammt viele brutale Dinge im Namen des Sports. Fang bei den Tieren an oder werden die Pferde etwa nicht gequält, damit sie keine Angst mehr vor Hindernissen haben, über die sie springen müssen?
Geht beim Fussball statistisch betrachtet nicht auch ne Menge Körpermaterial zu Schaden und zwar mehr als bei anderen Sportarten? Es ist irrwitzig, wir sind einerseits so fortschrittlich, dass wir mit minimalsten Verletzungen größtmögliche Operationen durchführen können, aber bei vielen Sportarten hat sich noch nichts in puncto Brutalität verändert,nicht wahr? Ist eigentlich Stoff für sehr viel mehr Satiren.

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Klaus, erst mal danke für das Statement zum Inhalt.

Du bringst hier in unzulässiger Weise einen miesen Schlägertypen mit dem Boxsport in Verbindung. Boxer sind keine Schläger, von Ausnahmen wie Graciano Roccigiani mal abgesehen, aber so etwas gibt es immer und überall.

Nun, wie ist das zu verstehen... "sind keine/es gibt keine, außer: "

Ich weiß auch nicht, was an einer Satire unzulässig sein sollte (siehe Tucholsky) und leider auch nicht wen ich verunglimpfe. Mein Plot geht gar nicht in erster Linie gegen Boxertypen, insofern ist die Story fiktiv; es geht darum, was eine Öffentlichkeit scheinheilig damit zelebriert. Wie du schon sagtest, die eine Gewalt wird verpönt, die andere gefeiert. Ich behaupte, Gewalt an sich - egal ob mit oder ohne Regeln - sollte verboten werden. Die Jungs auf dem Schulhof können da nämlich ganz schlecht differenzieren, so wie mein Lars auf dem Schulhof. Und es ist Gewalt, jemandem mit Schlägen gegen den Kopf das Kiefer zu brechen wie vor kurzem geschehen - wobei dann sogar noch weitergeboxt wurde mit gebrochenem Kiefer; das wirklich Kotzige daran sind aber nicht die Boxer, sondern die hübsch gekleideten Prominenten wie sie außen rumsitzen und in die Kameras strahlen, während die Kacke gezeigt wird.

Man hat Typen wie Lars schon in Kampfsportvereine geschickt, durchaus erfolgreich, aber nicht weil sie dort gelernt haben, dem anderen „noch besser die Fresse zu polieren“, sondern weil sie dort gelernt haben, sich zu benehmen, Regeln einzuhalten und andere zu achten und zu respektieren.

Aus meiner Arbeit als Pädagoge mit "schwierigen Jungs" habe ich da leider auch andere Erfahrungen. Das Jugendamt zahlte da auch den Boxverein um beim Aggressionen-Abbauen zu helfen; willst du wissen, wie viele Anzeigen wegen Körperverletzung ich auf den Tisch bekam, wo ich dachte, scheiße, wenn die das nicht noch gelernt hätten, hätte auch das Opfer eine Chance gehabt?
Und willst du wissen, wieviele Ex-Amateur Boxer hier in Frankfurt genau da arbeiten: Finanzen eintreiben und Rotlichtmilieu?

Was will der in einem Boxverein. Dort lernt man definitiv nicht, wie man „anderen noch besser die Fresse poliert“, dort lernt man zuerst mal Regeln und Disziplin. Boxen ist nicht Tennis. Im Tennis kann man am Sonntag ein lustiges Kaffeedoppel spielen, Boxen setzt ein hohes Maß an Fitness voraus, das erfordert zuerst mal ein hartes körperliches Training, Fleiß, Ausdauer und Disziplin.

Das habe ich auch schon oft gehört: Wie schwierig Boxen ist und wie diszipliniert man da sein muss etc, aber als "Entschuldigung", das Sich-gegen-den-Kopf-dreschen öffentlich zu zeigen und zu feiern, das BOXEN letztlich bleibt, scheint es mir dennoch nicht geeignet - das ist Tünche.

Mag sein, dass man Regeln und Disziplin erlernt in einem Boxverein, aber sind das Werte an sich? Oder spielt es nicht auch eine Rolle, was damit geschieht? Um ein hartes Beispiel zu nennen, ich denke auch in der Hitlerjugend damals hat man all das gelernt: sich-Einordnen, Regeln, Disziplin, Ausdauer, Fleiß, Fitness - heißt das, dass ich das dann auch inhaltlich gut finden soll, was da gemacht wird??
M. E. dienen solche Sätze dazu, etwas zu beschönigen. Beim Boxen, eben anders als bei Judo oder Fußball, ist das Verletzen nicht unerwünschter Nebeneffekt, sondern Ziel der Handlungen (man schlägt gegen den Kopf des Gegners).

Aber nochmal: Die Figur des Lars sollte zeigen, dass es den Konsumenten letztlich egal ist, wie das alles sich auf den Schulhof auswirkt... ich habe keine realen Boxer angegriffen oder verunglimpft und auch nicht Boxer an sich. Da tut mir jeder leid, der in dieser Gladiatorenmaschine zwar nicht mehr sein Leben, aber seine Gesundheit riskiert.

Wir sind halt Barbaren geblieben, nur tragen wir jetzt Anzüge.

 

Hallo FlicFlac,

inhaltlich fand ich deine Satire gut, sprachlich jedoch leider nicht ganz. Es sind für mich viele Holperer drin, wie zum Beispiel:

Aber Muskeln hatten sie nicht wie er
Das finde ich ungelenk. Zwar ist natürlich klar, was gemeint ist, aber man kann diesen Satz auch so lesen, dass er meint, weder sie noch Lars hätten Muskeln.
Es machte Lars auch nix aus
nichts
Es gab viele Leute mit viel Kohle, die sie nicht sinnvoll loswerden konnten und sie dann ausgaben „um den Kampf zu sehen“.
ausgabenKOMMA
wenn die modernen Gladiatoren namens ‚Boxer’ auch Spieße und Schwerter benutzen hätten dürfen
dürften
Fernsehanstalten stritten sich darum, wer es live senden durfte, wie er jemanden niederhaute
Finde ich auch nicht sehr gelungen. Vorschlag: Fernsehanstalten stritten sich um die Rechte, live zu senden, wie er jemanden niederboxte
Fernsehanstalten stritten sich darum, wer es live senden durfte, wie er jemanden niederhaute wie damals auf dem Schulhof, nur dass jetzt viele Prominente zuschauten, keine Lehrer rumnörgelten und es erlaubt und toll und eine ‚Kunst’ war
Nach Schulhof würde ich einen neuen Satz beginnen, das danach hat ja gar nichts mehr mit den Fernsehanstalten zu tun.
begriff. Nämlich hatten die Leute trotzdem immer noch was dagegen, wenn er gelegentlich auch privat jemandem schlug, zum Beispiel seine Frau, wenn sie nicht parierte).
Ich würde den Satz umstellen, sodass "Nämlich" nicht mehr am Anfang steht.
Wenigstens war er beliebter als Schröder, der übrigens manchmal zuschauen kam
zum Zuschauen
aber Schröder nur irgendwas mit Bundeskanzleien machte (oder so irgendwas).
redundant, würde die Klammer weglassen.

Bruder Tserk

 

Hallo FF

ein schneller Happen, dein text. Aber als solcher hat er mir ganz gut gemundet. Nichts, das lange in Erinnerung bleiben wird, aber für den Augenblick "angenehm" bissig.
Letztlich mehr Anekdote als wirklich Geschichte, so mein vordergründiger Eindruck. Auch als Witz wäre dein post nett zu erzählen. Hm. Naja, wie gesagt, als Häppchen für Zwischendurch ganz nett.

grüßlichst
weltenläufer

 

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