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Lang lebe der König
Ich gehe langsam die hölzerne Treppe hinauf, stelle mich auf die Falltür, lasse mir die kalte Schlinge um den Hals legen, richte meinen Blick auf die Zuschauer und sage mit lauter, fester Stimme: „Der König ist tot, lang lebe der König.“
Der Henker zieht an dem Hebel und der Boden lässt unter meinen Füßen nach.
Lang lebe der König.
Ich grinste den Mistkerl ein letztes Mal an, bevor ich mein Visier herunterklappte und mich darauf vorbereite ihn von seinem lächerlichen Gaul zu fegen.
Er gab seinem Pferd die Sporen, ich machte es ihm gleich und spannte alle Muskeln an. Wir preschten aufeinander zu, ich zielte mit meiner Lanze auf seine Brust, machte mich für den Aufprall bereit und fand mich im Dreck wieder. Mein Pferd trabte langsam aus und er reckte die Reste seiner zerbrochenen Lanze siegestrunken in den Himmel. Die Menge jubelte und schnell setzen sich die Rufe „Lang lebe Sir Arthur!“ und „Hoch lebe Arthur“ durch und kämpfen um die alleinige Dominanz auf dem bunt geschmückten Turnierplatz.
Nach einer Weile stand der König auf, breitete die Arme aus und brachte somit die Leute zum Schweigen.
„Ich habe es dir doch gesagt, mein lieber Ilian“, rief er mit einem selbstgefälligen Lächeln, „Du bist nicht unbesiegbar, genauso, wie ich damals auch.“
Er wandte sich meinen Herausforderer zu.
„Und Ihr, Sir Arthur“, verkündete er, „Werdet als neues Oberhaupt reich belohnt werden. Das Turnier ist hiermit beendet!“
Er klatschte in die Hände und ging dann langsam, immer noch lächelnd, die Tribüne hinunter, direkt auf mich zu. Gerade als ich mich wieder aufgerichtet und den Dreck von meiner Rüstung gewischt hatte, kam er bei mir an.
„Wir sehen uns dann heute Abend beim Festmahl, mit dem Geld!“, sagte er, indem er den letzten Teil besonders betonte, drehte sich auf dem Absatz um und ging in Richtung der Kutschen davon.
Lang lebe der König
Humpelnd trat ich in die private Halle des Königs. Nur noch dieser und Sir Doyle saßen noch an der Tafel, die vor zwei Glocke wohl noch reich gedeckt war, und unterhielten sich miteinander.
„Ihr seid spät, Paladin!“, begrüßte mich Doyle trocken.
„Verzeiht mir, der Herr, eure Majestät, ich musste noch zum Medikus“, erklärte ich und deutete entschuldigend auf mein geschientes Bein.
„Setzt dich doch bitte“, rief der König über die Tafel hinweg und deutete auf den Platzt gegenüber von Doyle. Ich humpelte um den robusten, schmucklosen Tisch herum und ließ mich erleichtert auf den weich gepolsterten Stuhl fallen.
„Das Geld?“, fragte König Wilhelm in einem misstrauischen Ton, „Wo ist es?“
„Hier“, grummelte ich und knallte einen prall gefüllten Beutel auf den Tisch, „Wie wir es abgemacht ha…“
Was war das? Schritte? Niemand war hereingekommen. Ich drehte mich langsam um und sah einen Knüppel auf mich zukommen.
„Fasst ihn, bevor er wieder aufwacht!“, weckte mich ein Befehl von der anderen Seite der Halle. Ich schreckte hoch und sah Doyle hinter drei Palastwachen, die auf mich zu stürmten und griff nach meinen Degen. Er war nicht da. Panisch schaute ich mich um und fand das Geschenk des Königs in dessen Brust wieder.
Der König ist tot.
„Nein!“, schrie ich panisch, „Nein! Ich war das nicht, ich schwöre es! Last mich los! Nein! Ich sage euch doch, ich wammh…“
Ein Knebel brachte mich zum Schweigen.
Der König ist tot.
Die Wachen trugen mich vom dritten Stock des Palastes, in dem sich der private Saal der Herrscherfamilie…
Der König ist tot.
…befand, bis in den Keller, zu den Verließen. Ich wurde in die hinterste Zelle geworfen und zwei Wachen blieben vor der Gittertür stehen. Hustend spuckte ich den Knebel aus und schlug verzweifelt gegen die Gittertür.
„Ich war das nicht, ich wurde niedergeschlagen, dass muss Doyle gewesen sein, ich bin unschuldig!“
Keuchend hielt ich in der Bewegung inne und ließ mich an der Zellen Wand zu Boden gleiten.
Der König ist tot.
„Bitte lasst mich raus“, flehte ich leise, „Ihr müsst mir glauben, ich war das nicht, ich schwöre es, lasst mich hier raus.“
Eine Wache drehte sich zu mir um und grinste mich hämisch an.
„Das warst du. Du hast den König erstochen und Sir Doyle konnte dich überwältigen, bevor du auch noch ihn töten konntest. Das werden die Leute denken.“
„Du Verräter!“, schrie ich hysterisch und sprang wieder auf, „Eine Verschwörung, Hochverrat, Ketzer! Hängen werdet ihr, hängen!“
„Nein, du wirst hängen!“, brüllte der Wächter wütend, um mich zu übertönen und drehte sich wieder um.
Der König ist tot, lang…
Ich versuchte zu schlafen, aber in der Zelle gab es nicht einmal etwas altes Stroh. Ich zog meinen teuren Wams aus und legte ihn unter meinen Kopf. Die Steine des schiefen Bodens stachen mir in den Rücken und an Schlaf war nicht zu denken.
„Verrat!“, murmelte ich, „Verschwörung… ihr werdet hängen.“
Kurz lag ich still.
„Hängen werdet ihr!“, brüllte ich plötzlich.
„Halt endlich dein Maul!“, brüllte einer der zwei Wächter zurück, welche die ersten beiden vor gut einer Glocke abgelöst hatten und jetzt genervt Würfel spielten.
Der König ist tot, lang…
Doyle trat an meine Zelle. Ich sah auf und versuchte etwas Spöttisches zu sagen: „Was für eine Ehre, hohen Besuch bekomme ich selten“
„Spart euch das, Paladin“, grummelte Doyle und machte eine wegwischende Handbewegung, „Ich nehme an du weißt, dass du den neunen König bestätigen musst?“
„Und was passiert, wenn ich das nicht mache? Werde ich dann zweimal gehängt?“
„Ich sagte ihr sollt euch so etwas sparen. Ihr werdet nur einmal hingerichtet, aber vorher könntet ihr euch ja ein wenig mit Conan unterhalten.“
Ich wurde bleich.
„Das würdet ihr nicht wagen“, versuchte ich mir mit zitternder Stimme Mut zuzureden, „Ich… ich bin nach wie vor der Paladin. Das ist un… ungeheuerlich. I… Ihr könnt das nicht tun.“
„Ich kann so einiges, jetzt, ich den Königsmörder bezwungen habe. Schließlich bin ich Anwärter auf den Thron.“
„Ihr wagt es?“, schrie ich wutentbrannt, „Ihr wagt es jetzt auch noch nach Wilhelms Zepter zu greifen? Abschaum! Ihr seid Abschaum!“
Nur langsam konnte ich wieder zügeln.
„Conan“, sagte er nur böse grinsend, drehte sich um und ging davon. Langsam setzte ich mich wieder hin und lehnte mich gegen die kalte Zellen Wand.
Der König ist tot, lang lebe…
Es krachte im Gang und ich stellte mich an die eiserne Gittertür, um einen Blick auf die Geschehnisse draußen zu erhaschen. Am anderen Ende der Verließe wurde jemand unter großen Widerstand in eine Zelle gezerrt. Ich meinte Sir Underwood, ein Freund und Befürworter von Doyle, zu erkennen.
„Du Verräter!“, schrie er hysterisch, während er auf einen Punkt auf der Treppe hinunter zu den Verließen starrte, der sich nicht in meinen Blickwinkel befand, „Ich habe dir vertraut und dir immer geholfen! Das kannst du nicht tun! Nein! Nein!“
Die Zellen Tür schlug zu.
Der König ist tot, lang lebe…
„He, Ilian, wach auf!“
Ich schreckte hoch. Vor mir stand Conan, hinter ihm, mit verschränkten Armen, Doyle. Ich krabbelte panisch in die hintere Ecke und flehte: „Bitte, tut das nicht, ich werde machen, was ihr wollt. Bitte.“
„Ihr müsst einfach nur, bevor ihr hängt, die Worte sagen, nichts weiter.“, sagte Doyle grimmig.
„Aber ihr habt Wilhelm umgebracht!“, begehrte ich auf.
„Dann hol doch bitte die Instrumente, Conan.“, bat mein Gegenüber mit einem spitzen Lächeln.
„Tut mir leid, Ilian“, entschuldigte sich der Angesprochene und ging langsam davon.
„Hört auf. Ich… ich mach es, ich schwöre es, nur das nicht, tut mir das nicht an.“
„Ihr werdet es also sagen?“
„J…ja. Ja!“, verkündete ich und straffte meine Schultern.
„Conan!“, rief Doyle dem Folterknecht hinterher und hörte mich aufatmen, „Ich gebe dir nur eine Glocke.“
Der König ist tot, lang lebe der…
Nach Atem ringend lag ich auf dem harten Steinboden und versuchte meine Finger wieder zu richten
„Sei endlich leise!“, rief einer der Wachen, ich glaube er gehörte zur dritten Schicht, „Wir wollen hier Schach spielen.“
Als Antwort hustete ich gequält. Wie war ich nur in diese Situation gekommen?
Lang lebe der König.
Der König ist tot.
Der König ist tot, lang…
Der König ist tot, lang lebe…
Der König ist tot, lang lebe der…
Der König ist…
Das Lachen des Wächters riss mich aus meinen Gedanken.
„Jetzt heult er auch noch“
Ich hustete rasselnd und versuchte mich zusammenzureißen, schließlich war ich der Paladin des Königs.
Ein Mann betrat den Gang und lief in meine Richtung. Als er näher kam erkannte ich ihn als den Schreiber des obersten Richters. Er stellte sich den Wachen vor und diese schlossen meine Zelle auf.
„Sir Ilian von Thurgau, Paladin des Königs, langjähriges Oberhaupt des Ritter Ordens. Nach euch wird im Gericht verlangt. Falls ihr euch widersetzen solltet, verurteilt ihr euch selbst vorzeitig zu Tode.“
Ich nickte niedergeschlagen und ließ mich von den Wachen packen. Sie schleiften mich aus dem Palast, geführt von dem Schreiber, der hin und wieder in Laufschritt verfiel, bis zum Gerichtshof, der sich am Ende der Prachtstraße befand. Passanten säumten den Weg dorthin, von denen die meisten sonst hier nicht einmal Zutritt hatten, und warfen mit faulen Früchten nach mir. Ich traute mich nicht einmal den Tomaten, Birnen und Äpfeln auszuweichen, da Ich befürchtete, dass dies als Widerstand angesehen werden könnte.
Ich wurde ins Gericht geführt, auf den Platz des Angeklagten gesetzt und mit einer Geste deutlich gemacht, dass es mir nicht erlaubt war zu sprechen.
„Sir Ilian“, sprach mich der oberste Richter an, während seine lächerlich hohe Perücke hin und her wackelte, „Ihr seit des Königsmordes angeklagt. Habt ihr etwas zu eurer Verteidigung zu sagen?“
Noch einmal wurde ich diskret mit einer Geste zum Schweigen gebracht, während ich mir das letzte Tomatenstück aus den Haaren wischte.
„Gut. Dann erteile ich nun dem Zeugen Sir Doyle das Wort.“
Der Mistkerl erhob sich, nahm seinen Hut in gespielter Unruhe vom Kopf und knetete ihn in seinen Händen.
„Also… Äh… nur ich und der arme König waren noch im Saal und haben uns über das Turnier unterhalten. Dann kam Sir Ilian hinein und war bereits wütend, weil er nicht mehr Oberhaupt der Ritter war. Er hat sich gesetzt und der König hat ihn nach Geld gefragt. Die beiden hatten wohl gewettet, wer das Turnier gewinnt. Also hat er einen Beutel voller Gold auf den Tisch geknallt, Wilhelm hat ihn sich angesehen und gesagt, es wäre zu wenig. Darauf ist ein Streit ausgebrochen, und Ilian hat den König getötet, ich… ich glaube mit seinem Degen. Dann… ähm… einen Moment bitte.“
Doyle zog ein Taschentuch aus seinem Wams und tat so, als würde er sich Tränen aus den Augen wischen.
„So, … äh… er hat also den König erstochen und wollte gerade auf mich zustürmen, als ich ihn mit einer Weinkaraffe niedergeschlagen habe und die Wachen hohlen konnte. Und da Wilhelm uns keinen Erben hinterlassen hat und Sir Underwood verschwunden ist muss ich jetzt auch noch die Bürde der Krone tragen. Und alles nur wegen einer verdammten Wette!“
Er setzte sich wieder, erneut eine imaginäre Träne aus den Augen wischend.
„Vielen dank. Haben sie etwas dazu zu sagen, Sir Ilian?“
Ich sagte nichts, doch in mir kochte es.
„Gut, dann wird sich die Jury nun zur Beratung zurückziehen“
„Ich verurteile Sir Ilian von Thurgau zum Tode am Strick. Das Urteil muss innerhalb von 48 Glocken vollzogen werden.“
Ich wurde in eine kleine Kammer mit einem schlichten Schreibtisch geführt, auf dem eine große Feder, reichlich Papier und Tinte lagen.
„Ihr bekommt die Möglichkeit etwas nieder zuschreiben. Egal ob Testament, Chronik oder was auch immer, es liegt bei euch. Wenn ihr fertig seid klopft einfach an der Tür.“, sagte der Schreiber des Richters und verließ den Raum.
Falls jemand dies lesen sollte, der nicht von Doyle beeinflusst wird, bitte verbreitet das Bild eines Paladins von mir, der seinen König nie etwas Derartiges antun würde. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, bin ich ihm zu diesem Zeitpunkt nach wie vor treu ergeben. Doch ich bin trotz allem ein Mensch. Aus diesem Grund werde ich Doyle die Worte geben, die er so begehrt. Keiner soll mich nicht nur als Königsmörder, sondern auch noch als den Paladin, der den Thron verweisen ließ, in Erinnerung behalten. Ich bitte dich um Vergebung, wer auch immer du bist, dafür, dass ich dieses Monster auf den Thron gelassen habe.
Die Tür geht auf und ich trete auf den reich geschmückten Tempel Platz. Diesmal fliegen mir keine wütenden Rufe und faule Früchte entgegen, es starren mir nur ängstliche und gespannte Gesichter an. Ich gehe langsam die hölzerne Treppe hinauf, stelle mich auf die Falltür, lasse mir die kalte Schlinge um den Hals legen, richte meinen Blick auf die Zuschauer, die sich fragen, ob ich den Thron verwaisen lasse, erblicke Doyle, der mit den anderen hohen Herren auf einem kleinen Podest sitzt, und sage mit lauter, fester Stimme: „Der König ist tot, lang lebe der König.“
Der Henker zieht an dem Hebel und der Boden lässt unter meinen Füßen nach.