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Lang lebe der König!

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06.02.2002
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Lang lebe der König!

„Lang lebe der König!“
„Wo Avignion steht, steht es auf ewig,“ rief der Kommandant von den Zinnen der Festung herab, und hunderte Kehlen erwiderten den Schwur; trotzig und lauthals, denn sie schrieen gegen ihre eigene Angst an. „Wo Avignion steht, steht es auf ewig!“
„Heil dem König!“
„Lang lebe Avignion!“
Ihre verzweifelten Schreie bestärkten nur um so mehr ihre Verlorenheit. Als sich der eiserne Würgegriff der Belagerer endgültig schloss, verstummten sie für immer.
Die trotzigen Mauern wurden zerschlagen. Sie boten keinen Schutz mehr. Sie bildeten eine infernalische Falle für diejenigen, welche den Ansturm auf die Wälle überstanden hatten. Ihr Blut sollte sich knöchelhoch an den kalten Steinen stauen.

Der alte Mann schien eins zu bilden mit dem wuchtigen Thron aus goldüberzogenem Ebenholz. Es machte den Anschein, als habe sich die Zeit in sein müdes Gesicht geschnitten, so wie sie sich in jenes Gestein furcht, welches nicht hart genug ist ihr zu trotzen. Seine müden Augen waren kaum geöffnet, noch geschlossen, sie wirkten kalt und erloschen, trübe und grau. Die schwere Krone beugte sein Haupt. Der alte Mann schien eins zu sein mit seinem Thron, so würdig und leblos wartete er.
Das Hauen, Stechen und Erschlagen drang nicht durch die dicken Marmorwände des königlichen Palastes. Während das Ende der Zeit über die Stadt hereinzubrechen schien, hatte sie zugleich ihre Bedeutung verloren in diesem Saale, setzte einen Moment aus.
Es war die Ruhe vor dem Sturm, der dem alten Mann galt und ringsherum tobte.
Die Zeit dehnte sich fast zur Ewigkeit, bis endlich ein dumpfes, gleichmäßiges Schlagen einsetzte. Als die riesigen Tore zum Königssaal schließlich unter den Stößen des Rammbocks zersplitterten, war der Sturm an seinem Ziel angekommen.
Der alte Mann hob langsam den Kopf, um ihm ins Auge zu blicken.
„Mein Sohn...?“
„Vater.“
Man muss nicht König sein, um am Verrat des eigenen Nachfolgers zu zerbrechen. Der Kronprinz hatte den Thron von Avignion endgültig erstürmt. Mit blutigem Schwert stand er vor dem alten Mann. Der Wahnsinn seiner Tat brannte in seinen Augen. Mit einer knappen, herrischen Geste befahl er seinen Mannen, ihn alleine zu lassen – dies war eine Sache zwischen Vater und Sohn.
„Bring es zuende, Alerion. Schlag mir die Krone von den Schultern.“
Die Stimme des Alten war klar und spröde zugleich.
Der Usurpator trat zwar näher an den Thron, ganz nahe, erhob jedoch die Klinge nicht. Lange trafen sich ihre Blicke, die trüben und die feurigen Augen.
Von draußen hörte man bereits das Geschrei der Sieger: der König ist tot, lang lebe der König.
„Ist das alles, Vater?“
„Das ist alles. Alles, was du so sehr wolltest. Alles, was du selbst deiner Gier geopfert hast. Bring es zuende. Denke immer daran: du hast dir alles genommen, was einst mein war.“
Die Schwertspitze schliff für einen Augenblick unschlüssig über den kalten Marmorboden. Das scharfe metallerne Geräusch schmerzte weniger als die Erkenntnis, die sich kurz in den jungen Augen brach. Er selber hatte sich alles genommen. Alles, was er wollte, das Königreich.
Trotzdem starb Avignion mit dem gekrönten Haupt.
Man spießte es auf den Giebel des Palastes, in dessen Thronsaal bald darauf Prinz Alerion die Krone erhielt. Die Krone über ein Avignion, welches er selbst zerschlagen hatte.

[ 01.06.2002, 01:16: Beitrag editiert von: Paranova ]

 

Hi Paranova,
warum sollte das hier nicht unter Fantasy stehen?
Passt meiner Meinung nach sehr gut, es müssen ja nicht immer Elfen, Trolle, etc. vorkommen.

Die Geschichte hinterlässt mich zwiegespalten. Einerseits gute (wenn auch nicht neue) Idee, gut erzählt, usw. - andererseits kommt mir das Ganze wie ein Grundgerüst vor. Alles ist sehr minialistisch gehalten, die Schlacht, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn, der Grund warum es zu dem Bruch kam und schließlich der Königsmord, das wird alles nur sehr knapp angeschnitten. Und auch die Erkenntnis des Sohnes kommt zu plötzlich.

Ein paar Sachen sind mir noch aufgefallen:

hunderte Kehlen erwiderten schreiend Schwur.
Hier hast Du ein Wort vergessen: "den Schwur"
Ihr Blut sollte sich knöchelhoch an den kalten Steinen stauen.
Ehrlich gesagt verstehe ich den Satz nicht ganz. Das Verb "stauen" kenne ich nur im Zusammenhang mit "anstauen" oder "verstauen", aber in meinen Augen passt hier beides nicht.
Thron aus goldüberzogenem Elbenholz.
Sicher, dass Du Elbenholz meinst? Oder doch evt. Ebenholz? Oder Eibenholz?
Alles, was du selbst deiner Gier geopfert.
"geopfert hast"
Mir ist bewusst, dass man hier das "hast" evt. weglassen kann, passt meiner Meinung nach allerdings nicht so zum restlichen Stil dieser Geschichte.

Wie gesagt, insgesamt nicht schlecht, aber auf jeden Fall ausbaufähig.

Ugh

[ 13.05.2002, 00:57: Beitrag editiert von: Bibliothekar ]

 

Hi Paranova,

wow, das hat mir jetzt echt gefallen! :thumbsup: Du beschreibst super die Stimmung; man sieht die Beiden richtig - und man hört die Schreie des Volkes... Super!

Da könntest Du echt was Größeres draus machen...

Gruß!
stephy

 

Vielen Dank erstmal,
Bibs, ich hab die angesprochenen Fehler verbessert
bis auf zwei.
- Warum sollte "stauen" nicht passen, wenn sich "Flüssigkeiten ansammeln"? Ich denke nur an Staubecken, Staumauer, Stausee...
- "Sicher, dass Du Elbenholz meinst? Oder doch evt. Ebenholz? Oder Eibenholz?"
Ehrlich gesagt fehlt mir die Erfahrung in Sachen Holz, aber "Elbenholz" war schon bewusst gewählt.
Kann aber durchaus verändert werden... was schlägst du vor?

Alles ist sehr minialistisch gehalten, die Schlacht, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn, der Grund warum es zu dem Bruch kam und schließlich der Königsmord, das wird alles nur sehr knapp angeschnitten.
Hm, tja, ich stand halt zwischen zwei Richtungen: einerseits verdichten, andererseits der Versuchung widerstehen, alles bis ins Kleinste Detail zu schildern: Die Schlacht war absichtlich knapp. Allein bei meiner letzten "Nosferatu"- Fantasygeschichte schrieb ich allein damit schnell meine 12 A4 Seiten voll, wollte das vermeiden.
Hauptgrund für den Bruch: Ehrgeiz, Machtgier. Wird aber glaub ich angedeutet. In der ersten Fassung gierte der Sohn nach mehr und verlor seine Menschlichkeit des ewigen Lebens willen...
das war mir aber dann doch zu abgefahren.
Aber falls ausbaufähig, freue ich mich über sämtliche Vorschläge!
Viele Grüße,
para

PS:
@Stephy:

und man hört die Schreie des Volkes... Super!
:D
Ach ja, wie gesagt: bin für alle "Ausbauvorschläge" offen.
para

PPS:
Bibs, wenn du sagst "die Erkenntnis des Sohnes kommt zu schnell" oder so... hm... wirklich?

[ 13.05.2002, 13:08: Beitrag editiert von: Paranova ]

 

Hi Paranova!

Zu dem Stauen:
Klar kann sich Blut anstauen .. öhm .. Blustausee? .. brrrr
Was mich nur an der Formulierungs stört, ist eben dass es sich anhört, als ob sich das Blut innerhalb der Mauern knöchelhoch anstaut. Und das ist mir zu übertrieben. Ich mein, stell Dir das mal bildlich vor, dass ein Burggelände von Blut überschwemmt ist.
Mhh..okay, ich gebe zu, das Bild hat was, aber es passt meiner Meinung einfach nicht zu der Handlung.

Zum Elbenholz:
Ich hab nachgefragt, weil es (soviel ich weiß) kein Elbenholz gibt. Im ersten Moment dachte ich, dass Du Holz meinst, dass von Elben verarbeitet wurde, aber das würde nicht so zur Geschichte passen. Mach doch einfach Ebenholz daraus, das ist ein Sammelbegrif für dunkle und schwarze Hölzer.

Wie gesagt, die Geschichte kam mir persönlich mehr wie ein Grundgerüst vor. Es gibt tausend Storys, Filme die das selbe Thema haben. Das ist soweit auch nicht schlimm, aber was genau passiert bei Dir?
Ein Königssohn nimmt mit einer blutigen Schlacht die Burg seines Vaters ein und tötet diesen nach einem kurzen Zwiegespräch um selbst an die Macht zu kommen. Ende.
Verstehst Du was ich meine? Es ist schon gut geschrieben, aber es passiert einfach nicht viel.

Daher habe ich auch die zu schnelle Erkenntnis des Sohnes bemängelt. Wenn ich es richtig verstanden habe, bekommt er zum Schluß ja doch Zweifel an seinem Verhalten.
Weißt Du, er zieht wahrscheinlich jahrelang durchs Land um eine Armee zu bilden, macht sich dann auf den blutigen Weg zur Burg seines Vaters, tötet dort fast alle Menschen und schließlich auch seinen Vater.
Ich meine, dass sein neues Reich dann erstmal ziemlich zerstört ist, war ihm ja wohl klar. Und nur weil sein Vater - den er ja wohl über alles hassen muss - ihm das nochmal sagt, kommt dann auf einmal die große Erkenntnis?

Klar sind Kurzschlussreaktionen aufgrund von Hass, Neid, Wut, etc. möglich, die man dann im Nachhinein bereut. Aber das sind wie gesagt "Kurzschluss"-Reaktionen. Und meiner Meinung nach passt das eben nicht so gut zu einem schon lange Zeit stattfindeten Feldzug.

Ugh

 

Ein Königssohn nimmt mit einer blutigen Schlacht die Burg seines Vaters ein und tötet diesen nach einem kurzen Zwiegespräch um selbst an die Macht zu kommen. Ende.
Dabei wäre er als Sohn doch sowieso Thronerbe geworden/gewesen, oder? :confused: Konnt's wohl nicht erwarten, der Junge... :D

@ para

Da gibt's nichts zu verbessern (von meiner Seite aus). Wenn ich die Schreie mal hör, wenn ich die Bilder einer Geschichte mal seh', dann ist das das Höchste, was ich als Kompliment zu bieten habe. ;)

Gruß,
stephy

 

Hallo Paranova,

im Gegensatz zu meinen Vorschreibern bin ich nicht der Meinung, dass der Text zu kurz ist. Im Gegenteil: eine saubere, schlüssige Handlungslinie. Sehr gut! (Könnte vielleicht daran liegen, dass ich im Gegensatz zu den anderen den Text als "freie historische Nacherzählung" und nicht als Fantasy an sich betrachte.) Rechtschreibfehler sind mir, falls vorhanden, nicht negativ aufgefallen. Sehr schön. (Hm, "Elbenholz" – ich bezweifle, dass aus Elben ("Elb" = deutsch für "Elf") Holz gemacht wird ...)

Nach dem Positiven kommt jetzt das Negative: der Stil.

Mehrfach unvollständige Sätze im Groschenheftstil, dazu eine Sprachgewaltigkeit bis an die Grenze des Erträglichen. Nun ja – auf KG.de gab's schon schlimmere Geschichten, aber das ist keine Entschuldigung. (Kleine Nebenbemerkung: Es irritiert mich etwas, dass Bibliothekar dies nicht erwähnt hat. Ich hatte die gelinde Hoffnung gehabt, nach seinen Kritiken zu anderen Geschichten, in ihm einen in dieser Beziehung Gleichgesinnten zu finden.)

Mein Tipp und meine Bitte: Der Inhalt rechtfertigt ein gewisses Maß an Sprachgewaltigkeit, aber: weniger ist oft mehr. Verzichte auf diese billige, den Text herunterziehende Machart und zeige uns, dass du auch ohne gut erzählen kannst. Der Text ist es wert!

Klaus

 

@ StarScratcher

Also ohne jetzt eine Diskussion heraufbeschwören zu wollen, aber den Stil dieser Geschichte fand ich gerade gut; man muß nichts zweimal bzw. dreimal lesen, um es zu kapieren; Paranova schreibt offen und "ehrlich" (ich benutze das Wort gerne in diesem Zusammenhang), was gemeint ist. Und das schätze ich sehr. Ist mir jedenfalls Millionenmal lieber als Geschichten, die (für mich) schwülstige Wörter enthalten (und komplizierte Sätze,für die man den Doktortitel der Sprachwissenschaften braucht, um sie verstehen zu können), wie z.B. "gelinde" (das hast Du vorhin benutzt :D ), "welche", "obgleich", "obschon" etc. etc. etc.

Ich liebe es, wenn ein Autor ehrlich und direkt genau das sagt, was er meint - ohne große Umschweife, ohne mittelalterlichem Schreibstil und ohne nur ja nicht die Umgangssprache benutzen zu wollen... :)

Gruß,
stephy

 

Vielen Dank euch beiden!
@starScratcher:

im Gegensatz zu meinen Vorschreibern bin ich nicht der Meinung, dass der Text zu kurz ist. Im Gegenteil: eine saubere, schlüssige Handlungslinie. Sehr gut!
Das ist schön!
Rechtschreibfehler sind mir, falls vorhanden, nicht negativ aufgefallen. Sehr schön. (Hm, "Elbenholz" – ich bezweifle, dass aus Elben ("Elb" = deutsch für "Elf") Holz gemacht wird ...)
Ich hoffe, es gibt keien Rächtschraibfeeler!
Und mit dem Elbenholz... beuge ich mich der massiven Kritik. Es lebe das dunkler, schwarze Ebenholz!
Nach dem Positiven kommt jetzt das Negative: der Stil.
Mehrfach unvollständige Sätze im Groschenheftstil, dazu eine Sprachgewaltigkeit bis an die Grenze des Erträglichen.
Autsch! Das sitzt!
Hm, auf Sprachgewalt verzichten... ist mir noch nie aufgefallen, kann gut textspezifisch (schreibt man des so?) sein. Meine Bitte wäre, mir ein paar Stellen zu zitieren, damit ich echt merke, was genau gemeint ist (*richtigverstehnwill*),
okay?
Viele Grüße,
para

@stephy
Hm, was schön ist:
Du sprichst an, dass ich gerade keine komplizieren Sätze und böse Worte wie "welche"
benutze. Das ist schön, denn das waren zwei derbe Schwachstellen!
Auch auf die Verwendung von "mittelalterlichem Stil" hab ich erst im letzten Moment verzichtet. Hihi, hätt´ ich wohl eh nicht gut hingekriegt, dünkt mich.

Vielen Dank noch mal und gute Nacht ( müde ),
para

Nachtrag für Bibs:
Das Bild mit dem Blut ist übrigens gar nicht von mir. Ich hab es von mittelalterlichen Chronisten, die schrieben, bei der Eroberung Jerusalems habe man kniehoch im Blut gestanden.

[ 14.05.2002, 13:28: Beitrag editiert von: Paranova ]

 

Also wenn Du mich fragst, Para, dann laß die Geschichte so, wie sie ist - ich denke, sie spricht für sich. Ich persönlich mag zwar am liebsten Autoren aus dem 19. Jahrhundert, aber die schreiben nicht gar so schwülstig wie viele Autoren in der heutigen Zeit. :D Das hat schon 'nen Hauch Ironie, was? :D

Aber ich will jetzt StarScratchers Meinung nicht putt machen. Jeder spricht halt so für sich! Und wenn er es gerne "sprachgewandt" (na ja; was ist sprachgewand daran, einen mittelalterlichen Stil zu benutzen? :confused: ) mag, dann ist das voll und ganz in Ordnung!

Gruß!
stephy

 

Hallo Paranova,

"sprachgewaltig" ist ein Text in meinem Verständnis, wenn der Autor die Worte, Sätze und den Sprachrhythmus so gewählt hat, dass der Text "deklamierbar" ist. Ich stelle mir dann immer einen Bühnenschauspieler vor, der den Text mit entsprechender Gestik und Betonung theatralisch vorträgt. "Übermäßig sprachgewaltig" ist ein Text, wenn das (imaginäre) Publikum sich dabei vor Lachen auf dem Boden wälzt. (Was vom Autor in den allerseltensten Fällen beabsichtigt ist.) Dein Text bewegt sich meiner Meinung nach so an der Grenze. Die Beurteilung hängt natürlich vom persönlichen Sprachempfinden ab und ist deshalb sehr subjektiv.

Beim intensiveren Durchgehen sind mir übrigens noch ein paar Fehler aufgefallen, die mir beim ersten, flüchtigen Lesen entgangen sind ...

Hier also die ausführlichere Kritik:

"Wo Avignion steht, steht es auf ewig," [",] schrie der Kommandant von den Zinnen der Festung herab, und hunderte Kehlen erwiderten schreiend [den] Schwur. Sie schrieen es heraus, trotzig und lauthals, denn sie schrieen gegen ihre eigene Angst an.
Vier Mal "schreien". Stelle dir den erwähnten Schauspieler vor, der diese Sätze vorträgt. Wie soll er die Wörter betonen, ohne dass das Publikum bereits beim dritten "schreien" anfängt zu kichern? ("schreien" streichen oder ersetzen. Außerdem "ihn" statt "es")

Alternative Formulierung: "Wo Avignion steht, steht es auf ewig", rief der Kommandant von den Zinnen der Festung herab, und Hunderte von Kehlen erwiderten den Schwur, trotzig und lauthals, denn sie schrieen an gegen ihre eigene Angst.

Ihre verzweifelten Rufe bestärkten nur um so mehr ihre Verlorenheit. Als sich der eiserne Würgegriff der Belagerer endgültig schloss, verstummten sie für immer. Die trotzigen Mauern wurden zerschlagen. Sie boten keinen Schutz mehr. Sie bildeten eine infernalische Falle für diejenigen, welche den Ansturm auf die Wälle überstanden hatten. Ihr Blut sollte sich knöchelhoch an den kalten Steinen stauen.
Rufe sind nicht dasselbe wir Schreie. Wortwiederholung "mehr" und "trotzig".

Der alte Mann schien eins zu bilden mit dem wuchtigen Thron aus goldüberzogenem Elbenholz. Es schien, die Zeit habe sich in sein müdes Gesicht geschnitten, so wie sie sich in jenes Gestein furcht, welches nicht hart genug ist ihr zu trotzen. Seine trüben Augen waren kaum geöffnet, noch kaum geschlossen, sie wirkten kalt und erloschen, grau. Die schwere [Last der] Krone beugte sein Haupt. Der alte Mann schien eins zu bilden mit seinem Thron, so würdig und leblos wartete er.
Besser: "eins zu sein". Wortwiederholung "trotzig". Besser: "Die Zeit hatte sich ..." Satzwiederholung "Der alte Mann schien eins zu bilden mit seinem Thron".

"Seine trüben Augen waren kaum geöffnet, noch kaum geschlossen, sie wirkten kalt und erloschen, grau." - Zuviel "kaum". "Trübe" klingt nach "blind". Besser: "Seine müden Augen waren kaum geöffnet, noch geschlossen".

Der Aneinanderreihung "kalt und erloschen, grau" suggeriert, dass "grau" eine Fortführung in der Reihe "kalt, erloschen, ..." ist, was nicht richtig ist.

Das Hauen, Stechen, Erschlagen, Kreischen und Niederbrennen drang nicht durch die dicken Marmorwände des Königssaals. Während das Ende der Zeit über die Stadt hereinzubrechen schien, hatte sie zugleich ihre Bedeutung verloren in diesem Saale, setzte einen Moment aus. Die Ruhe vor dem Sturm, der dem alten Mann galt und ringsherum tobte.
Auch hier passt die Reihe "Hauen, Stechen, Erschlagen, Kreischen und Niederbrennen" nicht zusammen. Es ist weder eine Klimax noch Antiklimax. ("Kreischen und Niederbrennen" streichen.) Wortwiederholung "schien", "Saal". Unvollständiger Satz "setzte einen Moment aus". Vorschlag: Raffen zu "Während das Ende der Zeit über die Stadt hereinzubrechen schien, hatte sie hier ihre Bedeutung verloren."

"Die Ruhe vor dem Sturm" ist ebenfalls ein unvollständiger Satz. Ein simples "Es war die ..." behebt diesen Mangel.

Die Zeit dehnte sich fast zur Ewigkeit, bis endlich ein dumpfes, gleichmäßiges Schlagen einsetzte. Als die riesigen Tore zum Königssaal endlich unter den Stößen des Rammbocks zersplitterten, war der Sturm an seinem Ziel angekommen.

Der alte Mann hob langsam den Kopf, um ihm ins Auge zu blicken.

Die Einschränkung "fast" würde ich streichen. Wortwiederholung "endlich".

Mal was positives: Die Metapher mit dem Sturm, die jetzt durch den Sohn real wird, gefällt mir sehr gut.

Man muss nicht König sein, um am Verrat des eigenen Nachfolgers zu zerbrechen. Der Kronprinz hatte den Thron von Avignion endgültig erstürmt. Mit blutigem Schwert stand er vor dem alten Mann. Der Wahnsinn seiner Tat brannte in seinen Augen. Mit einer knappen, herrischen Geste befahl er seinen Mannen, ihn alleine zu lassen - dies war eine Sache zwischen Vater und Sohn.
"erstürmt" ist hier jetzt eine unschöne Wortwiederholung. "Der Wahnsinn ..." wiederum finde ich sehr gelungen.

Der Usurpator trat zwar näher an den Thron, ganz nahe, erhob jedoch die Klinge nicht. Lange trafen sich ihre Blicke, die trüben und die feurigen Augen.
"Müde" statt "trübe" (s.o.).

Die Schwertspitze schliff für einen Moment unschlüssig über den kalten Marmorboden. Das Geräusch schmerzte weniger als die Erkenntnis, die sich kurz in den jungen Augen brach. Er selber hatte sich alles genommen. Alles, was er wollte,[:] das Königreich.
Sehr schön: "Die Schwertspitze schliff unschlüssig über den kalten Marmorboden". (Personifizierungen [hier: der Schwertspitze] sind immer mit Vorsicht zu genießen. Aber das hinter "unschlüssig" stehende Bild ergibt sich sofort.) Unschön hingegen: "für einen Moment". (Der Ausdruck ist zu "modern". Streichen.) (Na gut, mein Herkunftwörterbuch sagt, dass der Gebrauch von "Moment" ins 17., 18. Jhdt. zurückreicht. Der Ausdruck ist also nicht zu "modern". Er wirkt nur zu "modern". ;) )

Dabei belasse ich es erst einmal. <hüstel> Der Text hat noch ein paar weitere Sätze, die mir nicht wirklich gefallen, bei denen mir aber kein passender Kommentar eingefallen ist. ;)

<g> Erstaunlich, was man alles findet, wenn man anfängt zu suchen.

Klaus
(der mit Stephy mit Sicherheit keine Diskussion anfangen wird, weil er von vornherein gegen deren, hm, etwas "verquerer" Denkweise keine Chance hätte)

 

@ StarScratcher

Was meinst denn Du aber mit diesen Worten:

(der mit Stephy mit Sicherheit keine Diskussion anfangen wird, weil er von vornherein gegen deren, hm, etwas "verquerer" Denkweise keine Chance hätte)
Was ist denn eine "verquere" Denkweise? :susp: :rolleyes: :shy:

Aber in einem Punkt sind wir uns einig; Diskussion nützt nix... :D

Gruß!
stephy

 

Super StarScratcher,
Danke für die Arbeit. Manche Sachen waren jedoch auch durchaus beabsichtigt, z.B. gewisse Wiederholungen... meinst du nicht des wär mir auch aufgefallen?
Wollt halt ein wenig experimentieren. Der Schneider hats in Schlafes Bruder noch doller getrieben, nur da hieltens alle für genial.
:whocares:
Deine Anmerkungen sind es auf jeden Fall wert, erst morgen nochmal durchgegangen zu werden ( muss wach sein dafür )!
Machs gut,
para

 

Hey StarScratcher,
hab mir endlich deine Vorschläge zur Brust genommen. Da es sich, wie du sagtest, größtenteils um subjektives Sprachempfinden handelt, wurden mache Sachen nicht geändert, zu wenigen fiel mir keine brauchbare Alternative ein.
Ich hoffe trotzdem, dass du die neue Version akzeptieren kannst.
- Die Wortwiederholungen mit "trotzig" wurden nicht geändert, weil auch Trotz m.E. eine zentrale Bedeutung hat und sie nicht besonders auffallen.
- Jene mit "schien" blieben bis auf eine Ausnahme für mich unkorrigierbar.
- Du schlägst selber "riefen" als Ersatz für "schreien" vor, sagst aber an anderer Stelle, es wäre nicht das gleiche. Der Ruf bleibt, um nicht mehr zu schreien. Allerdings wurde das Geschrei reduziert, schweren Herzens.
- Es war mit Hauen, Stechen... usw. keine Klimax beabsichtigt, jedoch habe ich umgestellt.
- "Es war" die Ruhe vor dem Sturm. Jedoch habe ich ansonsten vermieden, zuoft "hatte" oder "waren" zu benutzen ( alte Schwachstelle )
- "müde" und "trübe" wurden hoffentlich durch die Verbesserungen miteinander versöhnt.
Bei "trübe" haben wir vielleicht verschiedene Auffassungen.
- Es gibt noch mehr Verbesserungen, um deiner Mühe Rechnung zu tragen. Lies am besten selbst!

Ach ja:

Erstaunlich, was man alles findet, wenn man anfängt zu suchen.
Das kenne ich gut.

Vielen Dank, ab heute sogar von Junkie zu Junkie.
Steffen

 

Hallo Paranova,

Die Wortwiederholungen mit "trotzig" wurden nicht geändert, weil auch Trotz m.E. eine zentrale Bedeutung hat und sie nicht besonders auffallen.
Du weißt es, ich weiß es: Diese Aussage ist nicht mehr als eine billige Ausrede.

Du schlägst selber "riefen" als Ersatz für "schreien" vor, sagst aber an anderer Stelle, es wäre nicht das gleiche.
Zweites ist richtig. Erstes wäre trotzdem möglich, weil das Ersetzen des ersten "schrie" durch "rief" passend ist ("schrie der Kommandant von den Zinnen der Festung herab" -> "rief der Kommandant von den Zinnen der Festung herab"), während es bei "Ihre verzweifelten Schreie bestärkten nur um so mehr ihre Verlorenheit" in "Ihre verzweifelten Rufe bestärkten nur um so mehr ihre Verlorenheit" nicht geht. In diesem Fall ist der Bedeutungsunterschied zu groß. (Du hast hier meiner Meinung nach eine Verschlimmbesserung vorgenommen.)

Es war mit Hauen, Stechen... usw. keine Klimax beabsichtigt, jedoch habe ich umgestellt.
Ob eine Klimax als stilistisches Mittel beabsichtigt war oder nicht, ist vollkommen uninteressant. Entscheidend ist das Lesegefühl. Und das besagt ganz einfach bei (fast) allen Lesern, dass bei einer Aneinanderreihung von Wörtern eine "Linie" erwartet wird. Es liest sich einfach besser. Es ist weniger hakelig. Und das ist ein Ziel, denke ich: einen möglichst gut lesbaren Text zu erzeugen.

Hm – "Das Kreischen und Niederbrennen, Hauen, Stechen und Erschlagen" – Die Reihe "Hauen, Stechen und Erschlagen" ist in Ordnung. Aber … Durch das "und" erzeugst du das Wortpaar "Kreischen und Niederbrennen". Dummerweise passen diese beiden Wörter inhaltlich nicht zusammen. Eine Verschlimmbesserung.

"müde" und "trübe" wurden hoffentlich durch die Verbesserungen miteinander versöhnt.
Wieder zwei Wortpaare: "kalt und erloschen, trübe und grau". Hier passen die Paare. Sie ergänzen sich gegenseitig, sie geben sich gegenseitig eine Bedeutung. Während in deiner Erstfassung das "trübe" auch als "blind" hätte verstanden werden können, wird hier deutlich, dass "trübe" (und abstrakt "grau") als emotionaler Augenausdruck gemeint ist. Diese Änderung finde ich sehr gelungen (<eg> falls trübe und grau als emotionaler Augenausdruck gemeint waren). Nebenbei bemerkt: "kalt und erloschen, trübe und grau" ist eine Antiklimax. Sprich den Satz und du wirst feststellen, dass du ihn zum Ende entsprechend weniger betont ausklingen lässt.

Anmerkung: Ich habe den neuen Text nur so weit gelesen, wie es für die Beantwortung deiner Anmerkungen nötig war. (Jedenfalls im Moment.)

Klaus

 

Naja, wenigsten eine Verbesserung ist schon mal gelungen... bin im Moment nicht derartig frisch, da direkt vom Open Air, aber ich werde mich dransetzten...
Schlimmverbesserungen solltens ja nun mal nicht werden!
Steffen

NACHTRAG:
Starscratcher, die beiden von dir bemängelten "Schlimmverbesserungen" wurden editiert!

[ 01.06.2002, 01:18: Beitrag editiert von: Paranova ]

 

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