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Lachende Augen

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25.01.2003
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Lachende Augen

„Das sind nicht deine Augen,“ flüsterte seine kindliche, kaum hörbare Stimme.
„Doch, ich bin es,“ sagte ich mit einer so überzeugten Stimme, wie es mir möglich war. "Ich bin noch da."
„Deine Augen leuchten normalerweise vor Freude, jetzt leuchten sie nicht.“
„Ich bin auch nicht erfreut.“
„Und außerdem lachen deine Augen sonst immer. Heute nicht.“
„Meine Augen können nur lachen, wenn ich auch lache. Und ich lache nicht.“
„Dann lache!“ Ich musste kurz über die naive Konservation mit meinem kleinen Bruder lächeln.
„Jetzt haben sie gelächelt!“ rief der Kleine triumphierend aus.
„Meine Augen?“
„Ja.“
„Nein, mein Mund.“
„Aber dann lächeln auch deine Augen!“
Schweigen. Ich wartete darauf, dass mein Bruder noch etwas sagen würde. Doch er sah mich nur an. Verzweifelnd an meinem Ausdruck in den Augen, wartend auf eine Veränderung. Es war nur eine kleine Spalte der Fensterscheibe. Er vor dem Auto, ich in dem Auto. So einfach war das. So nah und bald so weit weg. Er verstand es noch nicht.
Die Fensterscheibe war abgedunkelt. Er konnte nur meine Augen sehen, die durch den oberen, kleinen Spalt durchguckten.
Das Schweigen wurde lauter, immer lauter.
„Warum kneifst du die Augen zu?“ fragte er. Guck mich nicht so an!
„Weil es unerträglich ist.“
„Was ist unerträglich?“ fragte er unwissend. Erst fünf, sagte ich mir. Ich machte die Autotüre auf, kniete mich vor vor ihm hin und umarmte ihn.
Der Fahrer steckte seinen Kopf durch das Fenster der Vordertür.
„Was ist jetzt? Wir müssen los!“
„Ja, einen Moment, bitte!“ ich nahm die kleine Hand von meinem Bruder und drehte sie in meiner hin und her. Er guckte mich immer noch an. Unausweichlich. Verschwörerisch. Es kam einfach über mich. „Erinnere dich an diesen Moment. Erinnere dich daran, dass du eine Schwester hast. Erinnere dich an diese Umarmung. Vergiss nicht dieses Haus, vergiss nicht, dass du hier mal Eltern hattest. Lass die Menschen, die dich gleich abholen zu deinen neuen Eltern machen. Aber vergiss die anderen niemals. Und erinnere dich an ...mich.“
„An deine Augen,“ sagte er. War es eine Frage oder eine Aussage? Ich schüttelte verständnislos den Kopf.
„Warum magst du Augen so gerne?“
„Weil Augen lachen können. Und deine Augen immer gelacht haben.“
OK, dachte ich mir. Wie auch immer. Er ist erst fünf.
„Sie werden irgendwann wieder lachen. Heute ist ein trauriger Tag. Aber es wird wieder schöne Tage geben.“ Er nickte heftig mit dem Kopf, mich dabei nicht aus den Augen lassend.
„Mögen deine Augen immer lachen,“ sagte ich leise. Wie dramatisch, dachte ich später. Was ist schon dramatisch? Und was ist das, was ich dort tun musste?
Der Mann im Auto hupte, ich stand auf, strich ihm über seine wuscheligen Haare und stieg ein.
Das Auto fuhr vom Hof.

„Herr Wrom? Hier ist eine Dame für sie an der Tür. Sie meint, sie wären mit ihr verwandt“
„Danke, Lillian, ich komme gleich,“ sagte der junge Mann und winkte die Haushälterin aus dem Zimmer. Seine Stirn war in Falten gerunzelt. All diese Papiere müsste er noch durchgehen und unterschreiben. Ein anstrengender Job. Aber er war selbstständig und es war ein schöner Job. Eine Dame an der Tür? Er würde am besten nachher noch mal in das Büro fahren und mit seiner Sekretärin reden. Welche Dame? Vielleicht ruft er auch noch mal bei Herrn Jullav an, um den morgigen Termin sicher zu machen. Nichts falsch machen im Job. Wer war jetzt noch mal an der Tür?
Er ging in die Eingangshalle. Das Haus war riesig, dachte er noch kurz. Dann sah er mich. Kurz aufblickend, überlegend und dann mit aufgerissenem Mund.
„Wie kannst du nach mehr als zwanzig Jahren immer noch so aussehen, wie damals auf unserem Hof?“ lachte ich. Er sagte nichts. Stand einfach nur da. Mit aufgerissenem Mund und großen Augen.
„Erinnerst du dich?“ fragte ich vorsichtig und leicht in Panik geratend. „Vielleicht erinnerst du dich nicht. Es ist lange her, du warst noch klein.“
Sein Blick war noch durchdringlicher als damals. War das überhaupt möglich?
„Ich bin, Gott, ich mein, wir beide sind, ich dachte mir, dass du dich vielleicht nicht erinnern würdest...“ ich redete so ein wirres Zeug. Seinem Blick ausweichend. Konnte es nicht aushalten in diese Augen zu sehen. Diese Augen, die mich die letzten Jahre verfolgt haben. In Träumen und Gedanken, gesucht in jedem Gesicht, das ich in meinem Leben begegnet war.
„Ich erinnere mich,“ sagte er mit einem Flüstern.
Schönere Tage, aber es war ein langer Weg. So weit weg und jetzt so nah.

 

Hi,

die Geschichte hat mir gut gefallen.
Aber es wirkt, als hättest Du Dir mehr dabei gedacht, weil Du einen riesigen Sprung machst und der letzte Satz auf eine Mitte verweist("der lange Weg"), die aber nicht beschrieben ist.

Die Protagonistin erzählt die Geschichte, aber gegen Schluss wechselst Du den Betrachter kurz. (Sicht des Jungen) Hat mich ein wenig verwirrt, ist aber vielleicht ja so gedacht?

So, dass war mein erster Kommentar auf kg.de. Ich hoffe ich habs nicht zu kritisch gesehen oder so...!


Bis dann
White Raven

 

Hallo White Raven,

danke für deine Antwort!
Du hast recht, ich habe die Geschichte extra ein bisschen verwirrend und mit kurzen Sätzen geschrieben. Sie sah erst ganz anders aus, mit langen Erklärungen und keinen Gedankengängen. Hab sie dann nochmal geändert und denke, so ist sie besser.

Du hast es auf keinen Fall zu kritisch gesehen. Kritik und Lob sind wichtig, also sag ruhig, was du denkst.

Lieben Gruß,
Eittirf

 

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