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La Familia 1
La Familia I
Michael schaute auf seine Armbanduhr. 17:57. Er lobte sich selbst für sein gutes Timing. Mann hatte ihm gesagt, er solle Punkt 18 Uhr am vereinbarten Treffpunkt sein. Nicht früher und nicht später. Und er sollte bloß keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das waren die einzigen Anweisungen. Michael wusste nicht, was ihn erwartete, aber er sah es als Chance. Als er von einem schwarzen Wagen aus seinen Gedanken gerissen wurde, blickte er erneut auf die Uhr; 18 Uhr und zwölf Sekunden. Einen Termin in der Innenstadt so genau einzuhalten, war nahezu unmöglich. Besonders zu dieser Tageszeit. Die Rushhour legte den Verkehr beinahe still.
Michael ging langsam zu dem Auto. Als er die Vordertür öffnen und sich auf den Beifahrersitz setzen wollte, bedeutete ihm der Fahrer, ein Mann mit kantigem Gesicht und eisblauen Augen, auf der Rückbank Platz zu nehmen. Michael befolgte die Anweisung. Sofort setzte sich der Wagen in Bewegung und schlängelte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit durch enge Nebenstraßen.
„Wohin fahren wir?“, brach Michael das Schweigen.
„Das werden Sie sehen, wenn wir dort sind.“ Die Stimme das Mannes im schwarzen Mantel klang rauchig, kratzig. Eiskalt.
„Und…wie lautet der Auftrag?“
„Keine Fragen.“ Der Ton des Fahrers ließ keine Widerrede zu.
Inzwischen war das schwarze Auto in die westliche Vorstadt vorgedrungen. Michael geriet bei dem Anblick der gemütlichen Einfamilienhäuser ins Schwärmen. Er hatte auch einmal in so einem Haus gelebt. Aber dann kam die Wende in seinem Leben.
Seine Freundin war im sechsten Monat schwanger und sie wollten bald heiraten. Doch eines Abends fuhr Michael in das Büro der Versicherungsgesellschaft bei der er arbeitete um wichtige Unterlagen zu holen. Als er wiederkam sah er erst Blaulicht und dann sein Haus in Flammen. Er sprang aus dem Auto und suchte nach seiner schwangeren Freundin, doch er erfuhr von einem der Feuerwehrmänner, dass sie an einer Rauchvergiftung gestorben war. An diesem Abend hatte Michael alles verloren. Er ertränkte nahm sich ein Appartment, doch die meiste Zeit verbrachte er in Kneipen. Er ertränke seine Trauer in Alkohol. Da er immer öfter angetrunken oder gar nicht zur Arbeit kam, wurde er gefeuert. So versaufte er seine Ersparnisse bis ihn eines Tages ein alter Freund anrief. Charlie. Nachdem dieser von seinen Problemen erfahren hatte, bot er ihm einen Job an. Michael war fest entschlossen ein neues Leben anzufangen, also sagte er zu. Doch bevor er eingestellt werden konnte, hatte er noch eine Art Aufnahmeprüfung zu bestehen. Nun war er auf dem zu dieser Prüfung.
Die Stimme des Fahrers riss ihn aus seiner Melancholie: „Wir sind da.“
Sie hatten neben einem der typischen Vorstadthäuser gehalten. Michael wollte aussteigen, doch er zögerte, da sein Fahrer auch noch im Wagen saß. Er blickte nach vorne. Der Mann im schwarzen Mantel, setzte sich einen schwarzen Hut auf den Kopf, dann streifte er sich dünne schwarze Handschuhe über die Hände und zu letzt…Michael spürte wie er blass er wurde. Der Kerl hatte schraubte tatsächlich in aller Seelenruhe einen Schalldämpfer auf eine silberne 9mm Kanone.
„Hey, wofür ist die denn gedacht?“
Der Mann drehte sich langsam um und musterte Michael mehrere Sekunden mit seinen Eisblauen Augen. Dann sagte er langsam:
„Ich sagte, k e i n e Fragen.“ Mit diesen Worten wandte er sich wieder nach vorn und stieg aus dem Auto. Michael tat es ihm gleich.
Es hatte während der Fahrt begonnen zu regnen. Es war starker, gerader Regen. Der Fahrer ging langsam zur Tür des Hauses. Er schien den strömenden Regen überhaupt nicht zu registrieren. Wenigstens hatte er einen Hut, im Gegensatz zu Michael. Als beide an der Tür waren, drückte der schwarze gekleidete mit den Killeraugen auf den Klingelknopf. Sekundenlange Stille, nur das gleichmäßige rauschen des Regens.
Dann eine leise Stimme von drinnen: „Kommen Sie herein. Es ist offen.“ Michaels Fahrer drückte die Klinke nach unten und drückte die Tür auf. Dann gingen beide langsam herein.
Im Wohnzimmer saß ein alter Mann in einem Schaukelstuhl. In seinem Mund eine Pfeiffe, im Hintergrund, Feuer im Kamin.
„Ich habe euch erwartet.“ Euch?
Michaels Begleiter sah sich in Ruhe um. Dann erhob er leise, seine Stimme: „Wieso George? Was haben sie dir dafür versprochen?“ Die Worte gingen Michael durch Mark und Bein. Sie waren mit eisiger Kälte gesprochen und doch lag viel Enttäuschung darin.
„Sie wollten mich und Julia nach Europa bringen und uns eine neue Identität verschaffen. Wir hätten endlich unsre Ruhe gehabt. Ich hätte meinen Lebensabend in Frieden verbringen können.“ Der alte Mann mit dem weißen Vollbart sprach langsam. Seine Stimme klang resigniert.
„Tja, den Rest kannst du dir sicher denken Robert.“ Aha, Robert. „Gar nichts hab ich bekommen. Sie hatten meine Informationen und ich hatte gar nichts.“ Der Alte hatte Michael bisher noch keines Blickes gewürdigt.
Robert ergriff wieder das Wort: „Wo ist er? Und wo ist der Stoff?“
„Was hab ich davon wenn ich es dir sage Robert?“
Robert blickte den Alten mit durchdringendem Blick an, sagte aber kein Wort. Sekundenlanges Schweigen. Michael, der etwas abseits, in der Nähe der Wand stand, kam jede Sekunde wie eine Ewigkeit vor. Er konnte sich das alles nicht erklären. Wozu war er überhaupt da? Was war das für ein Test? Was war Robert für ein Typ. Tief in seinem Unterbewusstsein wusste er es, aber er ließ den Gedanken nicht zu.
„Okay, im alten Lagerhaus. 9.Straße Ecke Washington Boulevard.“
„Danke Harry.“
„So, jetzt tu was du tun musst“ Der Alte sprach die Worte ohne ein Anzeichen von Emotionen.
Robert ging langsam an Harry vorbei, bis er hinter ihm war.
„Hey! Nicht so. erweis mir wenigstens die letzte Ehre!“
Michael brach der Schweiß aus. Er wusste nicht was das alles sollte, er wusste nicht was er tun sollte.
Robert umrundete den Schaukelstuhl erneut, bis er genau vor dem Alten Mann stand. Dieser tat einen letzten Zug aus seiner Pfeife, dann legte er sie langsam auf den Tisch neben sich.
Die beiden schauten sich tief in die Augen. Harry nickte kaum merklich. Der Mann in Schwarz griff in eine Manteltasche. Er zog die Pistole heraus und richtete sie langsam auf den wehrlosen Mann im Schaukelstuhl. Dieser brach mit fester Stimme das unerträgliche Schweigen: „Wir hatten wirklich gute Zeiten.“ Es klang als ob er seinen Enkeln von den guten alten Zeiten erzählte.
„Oh ja, die hatten wir.“ Die Pistole war immer noch fest auf Harrys Kopf gerichtet. Roberts Hand zitterte kein bisschen. Michael fühlte sich unglaublich hilflos. Er wusste er konnte nichts tun. Sein Herz hämmerte und Sturzbäche aus Schweiß liefen ihm den Rücken entlang.
Die Männer vor ihm schauten sich immer noch fest in die Augen.
„Sag meiner Frau, dass ich sie liebe.“ Nun endlich zeigte der Mann Emotionen. Seine Stimme brach.
Dann ein kurzes Aufblitzen, ein leises Zischen, dann eine Blutfontäne. Michaels Nackenhaare stellten sich auf, er glaubte sein Herz müsse jede Sekunde zerspringen. Robert senkte die Pistole langsam, während der Schaukelstuhl unaufhörlich das tat wofür er gemacht war. Schaukeln. Harrys Kopf war nach hinten gerissen worden, er hing hinter der Lehne herunter. Das Blut tropfte langsam aus dem kleinen Loch in der Stirn.
Michael glaubte Kotzen zu müssen. Da stand er nun. Hatte keine Ahnung warum dieser Mann sterben musste. Hilflos. Machtlos. Er brauchte Antworten.
Robert betrachtete die ausgiebig. Es herrschte wieder Stille. Nur das Knistern des Kamins und das Tropfen des Wassers von der Hutkrämpe des Mörders.
„Gehen wir.“ Die Stimme klang ruhig. Als ob nichts geschehen wäre.
Der Regen war unverändert stark. Und es war kalt. Sehr kalt.
Als sie beide wieder im Auto saßen sagte Robert: „Er hat einmal für den Don gearbeitet. Aber vor kurzem hat er uns verraten. Irgendwelche möchte gern Gangster haben ihm das blaue vom Himmel erzählt, um zu erfahren wann und wo eine unsrer Drogenlieferungen stattfindet. Die Schweine haben sich die Drogen geschnappt und Harry sitzen lassen. Das hatte er wahrscheinlich erwartet, aber er hat es nicht bei uns ausgehalten. Er war nicht gemacht für so ein Leben. Darum ist er das Risiko eingegangen.“
„Wieso erzählen Sie mir das? Ich könnte Sie einbuchten lassen. Ich könnte euch alle, wer immer ihr seid, einbuchten lassen.“
„Nein, du steckst mit drin. Du hast den Mord zugelassen. Und genau darum hast du den Test auch bestanden. Du wirst bei uns aufgenommen. Ich werde dem Don von dir erzählen. Und übrigens glaube ich kaum, dass es Irgendjemand jemals fertig bringt, eine ganze Mafiafamilie ins Gefängnis zu bringen.“