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L & R ll

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15.03.2008
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L & R ll

Rico kletterte die letzten Streben des metallenen Turmes hinauf. Von oben hatte er einen herrlichen Ausblick über die Brachlandschaft der umliegenden Industrieruinen. Er drückte seinen Körper eng an den kalten Stahl, spürte die angespannten Muskeln unter seiner Trainigsjacke. Die Fingerkuppen waren schon taub vor Kälte. Mit der Linken fingerte er einen Fotoapparat aus seiner Hose und machte eine Aufnahme von dem Schriftzug, den er mit knalligen Farben auf den mausgrauen Betonboden gepinselt hatte: Lotte, das ist für dich. Zeit und Gefühl.
Der Wind zerrte an seinen Anziehsachen und ließ die Hosenbeine flattern. Hier oben würde er schnell auskühlen, lange konnte Rico nicht bleiben.
Die Dächer der langen Lagerhallen waren teilweise eingestürzt, das meiste Metall war durchgerostet, hölzerne Bohlen und Dielen faulten. Wurzeln wölbten den Asphalt oder durchbrachen ihn sogar, Unkräuter schossen aus den Rissen im Beton, eine nackte Baumkrone lugte aus einer Halle heraus.

Rico blickte rundherum und saugte die Eindrücke urbaner Landschaft in sich auf, die an die schon so oft versprochene Apokalypse erinnerte. Das Alte Europa mit seiner zweitausendjährigen Tradition im Weltuntergang. Einige wenige mochten das Armageddon tatsächlich fürchten – Rico interessierte gerade eine andere Frage: Er würde gern die Gesellschaft aufschneiden wie eine Torte und aus dem Querschnitt ablesen, wie viele sich wünschten, alles hätte ein Ende. Die verrückte Reise einer überkomplexen Weltkugel, die volles Karacho über das Möbiusband der Gegenwart rollte und mit jeder Umdrehung mehr Fahrt aufnahm. Eine Dynamik, von der die Augen und der gesunde Menschenverstand sagten, sie wäre unmöglich.
Vernünftiges Verhalten in dieser Umwelt – Rico hielt es für möglich, aber nicht für nötig. Er sah sich noch einmal um, bevor er vorsichtig herunterkletterte und die Malutensilien versteckte, bevor er im Nieselregen nach Hause ging.

Ferrum. Lebensschichten. 29.11.2011

Am nächsten Tag ging er zum Media Markt und druckte das Foto aus, steckte das Bild in einen Umschlag und warf es in Lottes Briefkasten. Sie steckte mitten in einer umfangreichen Recherche und wünschte keine Störung, hatte sie gestern geschrieben. Er war sicher, sie würde sich bald wieder melden. Rico wusste, woran er bei Lotte war: Er hatte sie verstanden. Sie waren noch nicht lange zusammen, aber Lotte brauchte jemanden und er war da. Einfache Sache. Sie hatte schnell Nähe zugelassen und Vertrauen aufgebaut. In ihr war ein Vakuum gewesen und er hatte nichts weiter tun müssen, als den Platz auszufüllen. Ohne besondere Initiative seinerseits - es hatte gereicht, keine besonderen Fehler zu machen. Bald hatte er einen Vorschlag gemacht, den er jeder Frau nach einer Weile machte. Von dem abhing, ob er blieb oder ging; je nachdem, ob sie darauf einging oder ihn ablehnte. Lotte hatte sich darauf eingelassen. Sie war sogar begeistert gewesen von der Aussicht, Spiele zu spielen. Verschiedene Spiele, manchmal wilde Spiele, aber mit klaren Regeln.
Rico kaufte sich am Hauptbahnhof einen Macchiato (Cap & Mac 3 Euro), trank ihn im Stehen, scannte die vorbeieilende Masse und musterte ein paar Menschen genauer, die wegen ihres Gangs oder sonst einer Besonderheit sein Interesse weckten.
Er skizzierte den Lebenslauf eines großen, breitschultrigen Mannes mit mächtigem Schnauzbart, der in einer seiner Schaufelhände eine abgewetzte Ledertasche trug. Und spann den Faden weiter, erschuf eine kleine Familie um den Vierschrot, und brachte ihn dann in eine Situation, in der der Mann mit der Ledertasche zwischen seinem Leben und dem seiner Liebsten wählen musste. Heute entschied sich Ricos Figur ausnahmsweise dafür, das Leben der anderen zu retten, dafür ließ Rico die Figur einen besonders langsamen und ekligen Tod sterben. Dann bestellte er noch einen Mac. Samstag, irgendein Advent.

Nacheinander riefen Vater und Mutter an, wie stets am Samstag zwischen achtzehn und zwanzig Uhr. Rico versuchte die Gespräche knapp zu halten, ohne unhöflich zu sein, und zog danach los. Ein wirklich freies Leben könnte man erst führen, wenn alle nahen Verwandten tot wären. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Lebensführung immer auch von Rücksicht auf das eigene Fleisch und Blut geprägt. In Ricos Augen wogen die finanziellen und sozialen Vorteile, einer Familie anzugehören, diese Fesseln nicht auf. Aber daran ließ sich kaum etwas ändern, manche Situationen mussten ausgehalten werden. Er packte seine Nikon ein und ging in den leichten Schneefall hinaus, um eins der szenigen Quartiere auf Bilder abzusuchen. Da war die Hoffnung, auch in diesem Winter clevere streetart nachweisen zu können.
Zwischen dem vierten und fünften Foto bekam er eine SMS. Anscheinend war Lotte nähebedürftig, sie erwähnte es mit keinem Wort, aber ihr Ton verriet sie. Wenig später kündigte der doppelte Piepton eine weitere Nachricht an. Die war schlichter gehalten: Du musst kommen, jetzt.
Ruhig Blut, schrieb er zurück und stapfte durch den Matsch hinter einem Gebüsch, um ein Anti-Atom-Graffiti abzuknipsen. Von denen könnte er fast eine 2011er-Serie präsentieren. Dieses war das vierzehnte Motiv. Ein Typ in Nadelstreifen und Gasmaske, der auf einem Fass mit dem Warnzeichen saß und Scheine zählte. Knips.
Auf dem Rückweg breiteten sich Kribbeln und Wärme knapp über seinem Geschlecht aus. 'Scheiß auf ruhiges Blut', dachte er, während die Flocken auf ihn fielen. Morgen ist ein Gerücht, Lust will gelebt werden.

Totalste Geilheit.

Ihr Zimmer mit den klassischen Schwarzweiß-Kontrasten. Das Doppelbett, der schlankbeinige Schreibtisch, die aufgeräumten Flächen: transparente Freundlichkeit. Ein wohlgeordnetes Leben, in dem alles seinen Platz hatte, in dem es nichts zu verbergen gab.
Lotte hatte mehrere Socken übereinander angezogen, das gehörte zu ihrem Wohlfühlritual. Er begrüßte sie mit einem schnellen Kuss und setzte sich auf den Rand des Bettes, ließ sich heiße Schokolade machen und hörte mit einem Ohr: von einer niedlichen Schildkröte, die Lotte im TV gesehen hatte und die sie gerne als Haustier hätte. Geplapper, wie süß.
So kannte er Lotte bisher nicht, sie senkte ein weiteres Schild. Rico spürte die Kälte des Fußbodens in seine Füße kriechen und das Getränk Kehle und Magen wärmen. Er überlegte, wie sich ihre Haut unter diesem unförmigen Jogginganzug anfühlen würde und machte einen Witz über Schildkröten, als er den Kakaobecher abstellte. Sie lachte nicht, was ihm gefiel. Wahrscheinlich war es ohnehin ein schlechter Witz gewesen, er wusste nicht, wie gute Witze gehen.
Zwischen den ersten beiden Küssen bedankte sie sich für das Foto. Erst wusste er nicht, wovon sie sprach, und später, als es ihm einfiel, sagte er nichts dazu. Sie spielte mit seiner Zunge, schob seine Hand beiseite. Warum zierte sie sich jetzt, nachdem er sofort hatte kommen sollen?
Er tat als ginge er auf das Spiel ein, nutzte aber die erstbeste Gelegenheit, ihre Rechte mit den Handschellen, die an der eisernen Querstange befestigt waren, ans Bett zu fesseln. Er zog in wenigen Sekunden die Jogginghose über Arsch und Knöchel herunter. "Du willst spielen", sagte er, "okay."
Lotte strampelte und schlug mit ihrer freien Hand nach ihm, ihr Gesicht war gerötet, die Augen blitzten wütend, als er ihr ins Gesicht blickte. "Du brauchst nur 'Stopp' zu sagen", erinnerte er sie, "dann höre ich sofort auf. Das weißt du." Sie reagierte nicht, wehrte sich aber weiterhin, wehrte sich erfolgreich dagegen, dass er ihren Slip auszog - sie erwischte ihn mit dem Fuß an der Schulter und trat Rico vom Bett. Wegen der Heftigkeit des Tritts bekam er den Eindruck, ihre Wut wäre echt, aber möglicherweise war sie auch nur gut gespielt. Jedenfalls war sie in dieser Position, mit einem gefesselten Arm, kein Gegner für ihn.
Rico schob ihren Pullover hoch und stülpte ihn über ihr Gesicht, hockte sich über ihren Oberkörper und fesselte den freien Arm mit dem Ärmel an die Stange. Er zerriss den Slip, damit sie ihn nicht wieder vom Bett treten könnte, drückte ihre Beine auseinander und spürte die erwartete Feuchtigkeit an seinen Fingerspitzen. Sie wäre nicht erregt, wenn sie es nicht wollte, dachte er, und öffnete schnell seine Hose. Beim Eindringen verkrampfte sie, und er hätte sie fast erneut erinnert, dass sie nur 'Stopp' zu sagen bräuchte.
Nach dem Akt starrte sie schweigend an die Zimmerdecke. Ihre Rechte hing weiter in der Handschelle, obwohl die längst geöffnet war. Rico fragte, warum sie schwieg. Lotte antwortete nicht.
Er stellte sich in Shorts ans Fenster, öffnete es und rauchte eine. Diese eine Zigarette hatte sie ihm in ihrem Zimmer, das ein Nichtraucherzimmer war, gestattet. Und mehr als diese Zigarette hatte er in ihrem Zimmer nie zu rauchen begehrt; er hatte Regeln und Grenzen stets respektiert. Sie hätte nur etwas sagen müssen, dachte er und zitterte, als der über seine Haut streichende Winterwind den dünnen Schweißfilm trocknete.

Ferrum Ground Control.

Sie sprach immer noch nicht. Starrte an die Decke, lag seltsam verdreht da, wie eine Puppe. Es sah unbequem aus. "Du bist jetzt vielleicht lieber allein, oder? Ich gehe noch mal los." Rico zog sich schnell an, gab ihr noch einen Kuss auf den Mund, den sie nicht erwiderte, und schloss leise die Tür hinter sich.

'Wir leben in einer großartigen Zeit', dachte Rico, als er zufrieden unter Lichterketten und an hell und warm erleuchteten Weihnachtsmarktbuden vorbei lustwandelte; an einem Glühweinstand blieb er stehen und trank einen Becher mit Schuss. Er kam mit einem Mann ins Gespräch, der allein zu sein schien, ein Handelsreisender für hochpreisige Haushaltswaren, der Rico zwei weitere Becher bezahlte, damit der sich seine Geschichten anhörte.
Mit den ersten schwankenden Schritten vom Stand weg fiel Rico auf, dass er ganz schön einen im Turm hatte. Es begann zu schneien. Nach kurzer Zeit war sein wollener schwarzer Kurzmantel weiß. Rico zog die Handschuhe aus, um die Flocken auf der Handinnenseite spüren zu können.

 

Ey yo, ich habe eine Geschichte geschrieben. Ich hatte mir voll den geilen Text als Kommentar dazu ausgedacht, aber nachdem ich ihn schrieb und las, dachte ich: Nee. Der fehlende Drink zum Mittag wirft mich völlig aus der Bahn. Wie auch immer.

 

Guten Abend Kubus,

ich hab keinen Plan, was mir der Titel sagen soll :D - also dieses Ii, wofür das steht.

Und ich habe auch keinen Plan, was mir der zweite Absatz sagen will und wo da der Zusammenhang zum Rest der Geschichte liegt. Aber gut, sollen sich damit Leute befassen, die Spaß an solchen Gedanken haben. Ich übergehe den einfach aus Bequemlichkeit oder meines Lesevergnügens wegen.
Also, wenn ich durch die kubischen Geistesdings durch bin, dann fängt der Text an, für mich interessant zu werden. Und ja, das war er.

Der Typ ist mir schon von Beginn an unsympathisch. Lotte war einfach zu bekommen und auch sonst, ist sie nicht weiter anstrengend. Also, wer so über die Frau denkt, die er vor kurzem erst getroffen hat, der ist schon kalt. Ich glaub ja, mit Gefühl ist da nicht viel. Von wegen - Zeit und Gefühl in einer von Menschen verlassenen Gegend.

Bald hatte er ihr den Vorschlag gemacht, den er jeder Frau nach einer Weile machte, und von dem, je nachdem, ob sie darauf einging oder ihn ablehnte, abhing, ob er blieb oder ging.

Das ist auch echt schräg. Okay, passt dann doch zu Abschnitt zwei :

Und ist es möglich, in dieser nach Untergang stinkenden Zeit, nicht dekadent zu sein, sondern nach Werten und Prinzipien zu leben? Rico hielt es für möglich, aber nicht für nötig.

Hätte es aber nicht gebraucht, denn allein dieser Einstieg in die Lotte-Geschichte stigmatisiert ihn zu einem egoistischen, auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichteten Typen.

Er skizzierte den Lebenslauf eines großen, breitschultrigen Mannes mit mächtigem Schnauzbart, der in einer seiner Schaufelhände eine abgewetzte Ledertasche trug. Und spann den Faden weiter, erschuf eine kleine Familie um den Vierschrot, und brachte ihn dann in eine Situation, in der der Mann mit der Ledertasche zwischen seinem Leben und dem seiner Liebsten wählen musste. Heute entschied sich Ricos Figur ausnahmsweise dafür, das Leben der anderen zu retten, dafür ließ Rico die Figur einen besonders langsamen und ekligen Tod sterben. Dann bestellte er noch einen Mac. Samstag, irgendein Advent.

Solche Schicksalsentwürfe können ja wirklich nett sein. Also, der hier ist auch unterhaltsam, ich weiß nur nicht, inwieweit er mit der Geschichte verbunden ist. Was er mir über Rico sagt - dass er sich langsame, eklige Tode ausdenken kann? Also, wenn es das ist, das er makabere Gedanken in seinem Köpfchen hegt, dann solltest Du mehr Zeilen auf den Tod verwenden, anstatt ihn nur anzusagen.

Totalste Geilheit

Der Abschnitt ist schon hart. Man weiß ja als Leser, bis zu der Stelle wo sie verkrampft, auch nicht so recht, wie man Lotte zu deuten hat. Obwohl der Fußtritt, da war ich schon gewillt, mich ihr anzuschließen. Aber so richtig erst beim Verkrampfen. Und ich frage mich die ganze Zeit, warum die Frau nicht Stopp sagt? Warum sie sich das gibt? Ihr Körper spricht doch eine sehr eindeutige Sprache, aber sie selbst weiß nicht so recht, was sie da grad will. Setzt sich ja später fort - wenn sie nicht so recht weiß, was sie von diesem Spiel halten soll. Also, die Frau bekomme ich nicht zusammen.

'Wir leben in einer großartigen Zeit', dachte Rico, als er zufrieden unter Lichterketten und an hell und warm erleuchteten Weihnachtsmarktbuden vorbei lustwandelte; an einem Glühweinstand blieb er stehen und trank einen Becher mit Schuss.

Der Typ ist so - ääh!

"Ich wollte, dass du aufhörst", sagte sie. "Aber ich konnte nichts sagen. Die Angst hat mir die Kehle zugeschnürt."

Ach so. Wovor hatte sie denn Angst? Das sie Stopp sagt und er trotzdem weitermacht? Deswegen lässt sie ihn von Hause aus gewähren? Ganz seltsam, die Lotte.

"Ich kann damit nicht einfach so leben, Rico, der Abend wird im Laufe der Zeit nicht kleiner, sondern größer. Und du hilfst mir nicht, kein Stück. Nicht mal eine Entschuldigung."
"Möchtest du angelogen werden? Ich kann das für dich tun."

Jou. Der ist mal geradeaus. Gegen den sträubt sich alles in mir. Insofern gut gezeichnet.

"Nur damit du es weißt: Mit einer Anzeige würdest du nie durchkommen."
"Das ist dein Beitrag?"
"Dass dich das Spiel überfordert hat, ist nicht meine Schuld."

Und dann entlässt Du mich auch noch mit so 'nem Spruch. Du bist fies! Echt jetzt. Diesen Typen will man doch in so ein Atommüllfass packen und dann entsorgen.

Das Ende befriedigt mich nicht wirklich. Klar, Du treibst sein Verhalten auf die Spitze, zeigst ihn in seiner beschissenen, kranken Kleingeistigkeit, aber irgendwie - weiß nicht, war mir der Schluss zu früh. Keine Ahnung was noch hätte kommen sollen/können. Ne Entwicklung wäre nicht schlecht gewesen, also eine Charakterliche. Das Foto am Anfang rettet ihn nicht wirklich. Das ist ja auch nur gemacht, damit sie sich von ihm stören lässt. Also der ist von Anfang bis Ende ein Antiheld. So Figuren hab ich ja auch. Geb ich zu. So eindimensionale. Was nicht heißt, dass ich glücklich über sie bin ;).
Und Lotte, ja, die stellt mir ja mehr Fragen, als dass ich an ihr Interesse haben könnte.

Also, die Geschichte, die ist schwer für mich einzuordnen. Ich finde die Idee gut, dieses Rollenspiel und das Missverständnis. Ich habe die über den größten Teil auch interessiert gelesen und fand Rico auch stark gezeichnet - ich habe den ja richtig gefressen. Aber so als Gesamtkomposition ist sie mir zu ungleichgewichtet. Zu viel Anfang und zu wenig Ende. Das hat natürlich stark mit meinen Vorlieben zu tun. Ich lese eben gern Handlung, und da ist am Anfang ja nicht so viel. Der ist ja eher statisch.

So viel von mir.
Lieben Gruß Fliege

 

Wo sind die restlichen Zweidrittel der Geschichte, hmmm?

 

Starke Geschichte, ich hätte aber bei

Rico zog sich schnell an, gab ihr noch einen Kuss auf den Mund, den sie nicht erwiderte, und schloss leise die Tür hinter sich.

abgebrochen. Das, was danach kommt schwächt die Story, macht sie harmloser, verdaulicher.

Wir sind beide Hamburger- wieviel Du Dir angesehen hast, weiss ich nicht, ich kenne Szenen, wo das, was Du hier schilderst ein ziemlich harmloses Spiel wäre. Es war trotzdem schwer erträglich für mich, weil es ein so trauriges Spiel ist, zwei die einander missverstehen, so dass, was als Abenteuer beginnt, als Katastrophe endet. Ich identifiziere mich in solchen Geschichten unwillkürlich mit dem Opfer.

Unsympathisch ist der der "Täter" hier nicht aus meiner Sicht, in der Geschichte meint er es nicht böse, es ist eine Vergewaltigung aus Versehen. Sprachlich ist das sehr gut gemacht, der betuliche Schluß, die Auflösung dürfte aus meiner Sicht wegbleiben.

Ich glaube nicht, dass die beiden später telefonieren würden. Wahrscheinlicher wären zwei alternative Schlüße: einer in dem sie die Vergewaltigung anzeigt oder sich rächt. Der andere, dass sie nie wieder mit ihm sprechen wird.

 

Hallo Kubus

Interessante Geschichte, wobei ich das „li“ auch nicht verstanden habe. Persöhnlich habe ich es mit „liiert“ übersetzt. Aber sei’s drum, das ist nur ein kleines Fragezeichen bei einem Text der viel zum Nachdenken einlädt.
Spannend fand ich, wie Du Rico in Szene gesetzt hast. Irgendwie legt er so eine neunmalkluge Lebensart an den Tag, die ihn über die breite Masse hebt und andererseits extrem unsympathisch macht.
Hm, je mehr ich darüber nachdenke umso komplexer wird der Kerl für mich. Künstlerische Typen legen selten so ein Machogehabe an den Tag. Und dann diese Widersprüchlichkeit von liebgewonnen Grenzen und dem Streben nach Freiheit. Eine wirklich komplexe Figur und eine sehr vielschichtige Geschichte! Respekt!
Andererseits funktioniert die Geschichte mit ihrer Hintergründigkeit auch nur mit so einem widersprüchlichen Kerl – den ich im Nachhinein als Egomanen bezeichnen möchte.


Wie viele Aporien kann das Durchschnittshirn durchdenken

Noch so ein Highlight: Aporien!
Geschichten bei denen ich ein Wort nachschlagen muss, hinterlassen bei mir automatisch einen guten Eindruck. Wobei ich mittlerweile etwas darüber stolpere, denn Aporien bedeuten doch soviel wie „Ausweglosigkeit“, oder flapsig „Sackgasse“ – und Sackgassen durchdenkt man nicht. Ich meine zwar zu wissen, was Du ausdrücken wolltest, aber … na ja vllt. magst Du es (mir) noch mal genauer erklären.
Ansonsten ist es sprachlich wirklich sehr sauber geschrieben und sehr angenehm zu lesen. Nur thematisch liegt es leider nicht ganz auf meinem Sender, dass ich es dennoch zu Ende gelesen habe spricht für Dich.

Noch eine Anmerkung: Das zweite Telefongespräch finde ich überflüssig. Erstens kommen nicht wirklich neue Informationen hinzu und zweitens schwächt es die Wirkung des ersten Telefongesprächs ab.
Persönlich hätte ich folgenden Schlusssatz favorisiert:

"Nichts und", sagte sie. Eine Zeitlang schwieg wie. Dann legte sie den Hörer auf.

Was soll danach auch noch kommen? Der Kern der Geschichte liegt für mich in den aufgezeigten Widersprüchlichkeiten.
Er liebt die Freiheit - Er fesselt sie
Er liebt Regeln - Aber Regeln begrenzen die Freiheit
Er ist ein Freigeist - besteht aber darauf, dass nur das Wort "STOP" das Spiel (Vergewaltigung) beendet.

Soviel zu meiner Lesart.

Viele Grüße

Mothman

 

Hallo Kubus

Erst stöhnte ich, schon wieder solche Subtitel, und dazu noch ein Titel, der erst entschlüsselt werden will. Doch schon im ersten Absatz fing mich diese Szene ein:

Mit der Linken fingerte er einen Fotoapparat aus seiner Hose und machte eine Aufnahme von dem Schriftzug, den er mit knalligen Farben auf den mausgrauen Betonboden gepinselt hatte: Lotte, das ist für dich. Zeit und Gefühl.

Damit hing ich endgültig am Angelhaken, da mir die Vorstellung gefiel.

Der Wind zerrte an seinen Anziehsachen und ließ die Hosenbeine flattern.

Anziehsachen, entsetzte ich mich, welche Wortbildung, wenn man es wohlklingend ausdrücken kann. Doch es ist Kunst, wie mich YouTube belehrte: [ame]http://www.youtube.com/watch?v=-lJlrrh8L_0[/ame]

Bald hatte er ihr den Vorschlag gemacht, den er jeder Frau nach einer Weile machte, und von dem, je nachdem, ob sie darauf einging oder ihn ablehnte, abhing, ob er blieb oder ging.

Dies ist einer dieser schönen Sätze, die mir beim Lesen echt kubistisch erscheinen, da sie den Sinn formal gliedern, um die sich bildenden Werte miteinander in Einklang zu bringen.

Das Spiel artete aus, „das Möbiusband der Gegenwart rollte“, die Grenzen verwischten. „Eine Dynamik, von der die Augen und der gesunde Menschenverstand sagten, sie wäre unmöglich“. Und plötzlich war Rico in jener Situation, da sich die Frage von zu Beginn für ihn beantwortete, das Ende war da.
Eine seltsame und doch bekannte Konstellation, die sich hier erfüllte. Den letzten Sinn habe ich wohl nicht entschlüsselt, doch dies ist mir nicht störend, so bleibt es suchend in Erinnerung, was wohl noch dahinter stehen mag.

Die Geschichte war mir spannend und unterhaltsam zu lesen, wenn auch teils bestückt mit Begriffen, über die ich nachdenken musste. Im Alltag doch etwas Abhebendes.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Er ist ein Freigeist - besteht aber darauf, dass nur das Wort "STOP" das Spiel (Vergewaltigung) beendet.

Diese Spiele funktionieren nur mit Grenzüberschreitung und deswegen braucht es ein Ritual für den Abbruch. "Stop" als Wort ist wahrscheinlich nicht so brauchbar, normalerweise nimmt man eines, das sehr selten ist, damit der Partner nicht im Moment der Lust ausversehen das Alltagswort gebraucht und sich damit um das Spiel bringt.

"Armageddon" ist relativ verbreitet. Bei Spielen, in denen geknebelt wird o.ä. gibt es dann ritualisierte Gesten, die das Ende anzeigen- mehrfaches Klopfen, oder eine Handgeste usw.

Strampeln, sich wehren usw.- ist Bestandteil vieler Spiele und im Rahmen der getroffenen Vereinbahrungen KEIN Signal für das Ende des Spieles, dann auch kein Anzeichen dafür, dass derjenigs mit der Situation unzufrieden wäre. Es geht dabei ja um Lustgewinn durch Machtausübung und teilweise auch Schmerz.

 

Hallo Kubus,

mir hat deine Geschichte gefallen.

Hier sind ja verschiedene Sachen in der Geschichte gebündelt: Fotographie, Streetart, Moral, Sex, Beziehung etc. Und das schöne ist, die Elemente passen so gut zu einander. Das bedingt sich alles und gibt ein tolles Gesamtbild.

Allein schon die ersten zwei Absätze.
Da wird ja Moderne, Weltuntergang und verlorene Bedeutung der Moral als große, allgemeine Themen aufgeboten. Und die verbinden sich so schön mit Rico. Er mit seiner postmodernen Distanz, der alles beobachtet (als Fotograph, passt sehr gut - ähnlich wie bei den Katastrophen: wir fotographieren, aber wir helfen nicht - ist zu mindest eine Sichtweise auf diesen Beruf). Und diese Gleichgültigkeit gegenüber der Katastrophe bzw. eigentlich weniger Gleichgültigkeit als viel mehr Erwartung.
Das Alles wird über das Foto mit Lotte verbunden. (Und wieder diese Distanz, für mich jedenfalls klingt die Botschaft ziemlich interlektuell unterkühlt.)
Für mich führt Rico die Katastrophe mit seinem Spiel halbbewusst herbei bzw. er legt es drauf an. Er will Grenzen austesten und schämt sich nicht, wenn er dabei Menschen verletzt. Er versteht es nichtmal. Für ihn gerät eigentlich das ganze Leben zum Spiel. Er beobachtet, wo er beobachten will und interagiert nur, wenn es ihm passt bzw. nimmt sich dann, was er will. Da ist nichts in der Geschichte, was ihn zu etwas zwingt, was ihn wirklich berührt. (Auch die Eltern sind ja nur lästig.) Für ihn funktioniert alles nach seinen selbstgesetzten Regeln.
Ein ziemliches Arschloch also. Aber auf die Länge faszinierend genug. (Liegt auch etwas daran, dass Lotte nicht so viel Profil hat, das reduziert bei mir das Mitleid. Ist aber nicht negativ à la sie ist mir zu unbedeutend, blaß, ich kann die Figur nicht greifen. Sonder passt für mich zu dieser Geschichte.)

eine nackte Baumkrone lugte aus einer Halle heraus.
Wie lange soll das denn schon verfallen? Ich meine Bäume brauchen ihre Zeit. Bin mir nicht völlig sicher, aber da es sich wohl um einen Laubbaum handelt + die Höhe von Fabrikhallen, scheint mir das um einen Prozess von mind. 30 Jahren zu handeln. Kann mich hier aber irren, wollte es nur anmerken, da es mir aufgefallen.

die wegen ihres Gangs oder sonst einer Besonderheit sein Interesse weckten.
Hier klingt der zweite Teil so beliebig. Ich fände etwas konkretes wieder schön.

Fazit: Schöne postmoderne Geschichte. Hat mir gut gefallen. Und unterstell nicht immer den Leser, dass er so leidet, bei deinen Sachen. ;) Das gehört manchmal dazu.

Gruß,
Kew

 

Lotte, das ist für dich. Zeit und Gefühl.
[...]
Er … nutzte … die erstbeste Gelegenheit, ihre Rechte mit den Handschellen, die an der eisernen Querstange befestigt waren, ans Bett zu fesseln.
Zwischen diesen beiden Zitaten findet sich eine Darstellung moderner Spielkultur – bei der Inflation an „Kulturen“ sollte jeder froh sein, wenn mal einer sich unkultiviert gibt –

lieber Kubus,

die es in sich hat. Was zunächst wie eine doppelte Liebeserklärung wirkt

Lotte, das ist für dich. Zeit und Gefühl –
Auf den Boden gepinselt und fotografisch reproduziert, wird weder Lotte mit Goethe noch Mann verbinden, sondern Rico, einen streetartist, so meine ich, der aus weiter Ferne aus einer anderen Deiner Geschichten ausgestiegen zu sein scheint - scheinbar gezähmt.

Ja, die Titel haben’s in sich, sind aber nicht undeutbar, wie wir schon an den Anfangsbuchstaben von Personal und deren Beziehung erkennen sollten, wenn sie daherkommen als ein

L & R Ii,
gar als
Totalste Geilheit,
als gäbe es zu „gänzlich“ eine Steigerung. Aber warum soll der Umgangssprache in kein[st]er Weise möglich sein, was es nicht gibt? Ein Utopismus passend zur jammernden Apokalyptik des
Alte[n] Europa,
als wäre dies ein Markenname: die Großschreibung des Adjektivs, doch zurück zur Untergangsstimmung, die durch die Markenbezeichnung verstärkt werden kann – wobei abschließend bemerkt werden darf: die alten Hellenen haben vielleicht den Begriff, nicht aber den Weltuntergang erfunden (aktuell: der Maya Kalender), denn alle Hochkulturen wie schon deren Vorläufer kennen den Weltuntergang und erleben ihn spätestens, wenn ihre Zivilisation verschwindet oder in einer andern aufgeht. Wie lang mag unsere noch halten? In jedem Fall kürzer als der Schrott, den wir hinterlassen.

Ganz modisch (oder modern?) kommt gelegentliche Werbung daher, wir sind doch nicht blöd, wie beim

Media Markt,
womit man nicht so sehr seine Beschränktheit beweist sondern eher seinen Herdentrieb -
warum nicht Unser Platz oder Schlecker?, dass ich mir zu dem klugen Satz (ohne alle Ironie)
Ein wirklich freies Leben könnte man erst führen, wenn alle nahen Verwandten tot wären,
mit Karl Kraus antworte: „Familiengefühle zieht man nur bei besonderen Gelegenheiten an. // Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben. // Das Wort »Familienbande« hat einen Beigeschmack von Wahrheit“, usw.
Vor allem andern aber sollte man Eltern grundsätzlich verbieten!

Dem modischen Schnickschnack stellen sich dann gelingende Altertümer wie aus ferner Zeit entgegen:

Anziehsachen -
ein Wort aus dem modernen Antiquariat und somit wider den Zeitgeist. Ein Ausdruck, den insbesondere mein Mütterchen ihrem Erstgeborenen um die Ohren „haute“, wenn er mal wieder liederlich gekleidet war.

Unkräuter
im Gegensatz zum missglückten Superlativ (s. o.) eine gelungene Wortschöpfung, denn Unkraut erscheint wie Möbel, Bengel usw. all-einsam wie in der Mehrzahl gleichermaßen als Möbel oder Bengel, nicht aber das Kraut. Wer da die Deutungshoheit hat, definiert das eine wie das andere Kraut als Unkraut und wirft die Vielfalt in einen Pott mit Abfall, weil es missfällt oder wenig bekömmlich ist wie Ungeziefer.

Nun sind die Unkräuter auch den lebenswerten Kräutern gleichgestellt. Das ist eine Art grammatischer Emanzipation, dringlicher als jede Frauenquote.

Die Kleinkrämerseele muss nahezu verhungern:

Wieviel Absurdität verträgt die Weltgesellschaft?
Wie viel … Klappt doch anschließend, warum nicht hier schon?
Er tatKOMMA als ginge er auf das Spiel ein, …

Deine Geschichten werden zwar gegenüber den poetischen Anfängen immer kunstloser, aber auch in ihrer schmucklosen Form gefallen sie i. d. R. – wie hier (obwohl ich weder Freund wäre der Darstellungen intimer Praktiken oder auch nur des intimsten Horrors).

Gruß & schönes Wochenende wünscht der

Friedel

 

He Fliege,

zweiter Absatz beispielsweise gehört für mich mit zur Atmosphäre und zur Zeichnung eines Typen, dem man abnimmt, dass der so denkt und fühlt, dass es nachher zu der Totalsten Geilheit kommen kann.

Titel und Zwischentitel sollen einerseits neugierig machen, ein bestimmtes Ästhetikempfinden ansprechen, und aber auch einen lockeren Bezug zur Geschichte aufweisen. Der Titel war anders geplant, eigentlich sollte er heißen L & R II, so wie römisch zwei, ich muss zu früh von der Taste gerutscht sein. tut mir leid, dass ihr jetzt darüber nachgedacht habt. hoffentlich nicht zu lange.

Ich glaub ja, mit Gefühl ist da nicht viel. Von wegen - Zeit und Gefühl in einer von Menschen verlassenen Gegend.

Nein, seine Sache ist eher die Simulation von Verhaltensweisen, die bestimmte Gefühle vortäuschen. Er ist ja als Menschenfänger gezeichnet, aber Lotte macht es ihm schon relativ leicht.

denn allein dieser Einstieg in die Lotte-Geschichte stigmatisiert ihn zu einem egoistischen, auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichteten Typen.

so wie achtzig Prozent der Leute sind, die dazu in der Lage sind und die die Möglichkeit haben. die meisten verbergen es nur besser.

Was er mir über Rico sagt - dass er sich langsame, eklige Tode ausdenken kann?

es sagt ja zumindest, dass er ein Typ ist, der auf diese Weise freie Zeit verbringt. komm schon, Fliege, du weißt doch, dass hier nicht alles unbedingt nötiger Baustein ist. ich lege die Geschichten nicht so an, dass jeder Absatz eine spezifische Funktion hat.

Und ich frage mich die ganze Zeit, warum die Frau nicht Stopp sagt? Warum sie sich das gibt? Ihr Körper spricht doch eine sehr eindeutige Sprache, aber sie selbst weiß nicht so recht, was sie da grad will.

Schlüsselfrage. deine Deutung hatte ich nicht auf dem Schirm, dass sie nicht weiß, was sie will in diesem Moment, obwohl ich diese mögliche Lesart hätte sehen müssen. warum sollte sie nicht die Wahrheit sagen in diesem Telefonat? ich stelle sie mir als jemanden vor, die in dieser Situation wirklich vor Angst nicht sprechen konnte, so im Dunkeln, mit diesem Pullover überm Gesicht, gefesselten Händen. mit einem Typen, der dein Freund ist, in dessen Gegenwart du dich wohl fühlst, dem du vertraust, aber auf einmal bringt er dich in diese Situation.

Ach so. Wovor hatte sie denn Angst? Das sie Stopp sagt und er trotzdem weitermacht? Deswegen lässt sie ihn von Hause aus gewähren? Ganz seltsam, die Lotte.

warum weiterdenken? warum nicht einfach vor dem, was folgt?

Und dann entlässt Du mich auch noch mit so 'nem Spruch. Du bist fies! Echt jetzt. Diesen Typen will man doch in so ein Atommüllfass packen und dann entsorgen.

er scheint gelungen zu sein. gut. :)

Aber so als Gesamtkomposition ist sie mir zu ungleichgewichtet. Zu viel Anfang und zu wenig Ende. Das hat natürlich stark mit meinen Vorlieben zu tun. Ich lese eben gern Handlung, und da ist am Anfang ja nicht so viel. Der ist ja eher statisch.

ja, okay. ich habe darauf geachtet, noch auf der ersten Seite zum Eigentlichen zu kommen. Problem war mir fielen noch so viele Sätze beim letzten Überarbeiten ein, die ich richtig gut fand und die ich auch für interessant hielt. aber ich habe an dem Ungleichgewicht gearbeitet und einiges an Gelaber rausgeschnitten, aber den USB-Dick gerade nicht dabei. nächstes Mal. danke Fliege.

Lieber Gruß,
Kubus

Wo sind die restlichen Zweidrittel der Geschichte, hmmm?

Ey MissesBlack, wenn du immer diese Zwischenruferei bringst, wird das nichts mit der Integration! zieht den Hut vor der Schreiberin von Yusuf ihre Schwestern: Kubus

Wir sind beide Hamburger- wieviel Du Dir angesehen hast, weiss ich nicht, ich kenne Szenen, wo das, was Du hier schilderst ein ziemlich harmloses Spiel wäre. Es war trotzdem schwer erträglich für mich, weil es ein so trauriges Spiel ist, zwei die einander missverstehen, so dass, was als Abenteuer beginnt, als Katastrophe endet. Ich identifiziere mich in solchen Geschichten unwillkürlich mit dem Opfer.

Unsympathisch ist der der "Täter" hier nicht aus meiner Sicht, in der Geschichte meint er es nicht böse, es ist eine Vergewaltigung aus Versehen. Sprachlich ist das sehr gut gemacht, der betuliche Schluß, die Auflösung dürfte aus meiner Sicht wegbleiben.

psssst, bloß kein Rambazamba. man hört so was manchmal und liest die Werbung auf den Kiezen, ne, diese Parties mit Darkrooms und Cruising, Swinger-Parties mit Dominanz- und Fesselspielchen. oder die Warnungen zB dass hübsche Bengel wie ich nicht in den Darkroom vom Berghain sollten.

die Telefongespräche könnten wegbleiben, dein letzter Satz funktionierte als Schluss. gut gesehn! ich habe darüber nachgedacht, und mich entschieden, es so zu lassen.

Vergewaltigung aus Versehen? verstehe ich als provokante Aussage.

Danke fürs Interesse, ich muss erst mal weiter.

Kubus

 

Moin Kubus,
diese Geschichte hat mir von all deinen anderen (zumindest, die ich gelesen habe) bisher am besten gefallen.
Die Telefonate fand ich allerdings überflüssig und aufgesetzt.

Die fehlende Empathie des Typen kam (schrecklich) gut rüber, sie war mir auch nachvollziehbar (da tendenziell oft bei Männern zu beobachten, wenn auch nicht mit diesen Konsequenzen), aber die Motivation von Lotte, mit einem solchen Typen etwas anzufangen und sich auch noch bewusst auf die „Spielchen“ einzulassen, konnte ich nicht nachvollziehen. Ganz klar, sie wird ja auch nicht beschrieben, sprich, sie fehlt mir.

Wenn ich das richtig verstanden habe, hatte Lotte doch durchaus die Handschellen schon am Bett und die sind nicht von Rico mitgebracht worden. Wenn dem so ist, verstehe ich nicht ganz, warum sie nicht auf eine solche Situation vorbereitet war. Damit will ich keinesfalls die Vergewaltigung schönreden, sondern lediglich nach Lottes Gedankenwelt fragen. Eine Vergewaltigungsszene ausschließlich aus Sicht des Vergewaltigers zu schreiben, reicht mir hier bei diesem Text nicht aus. Mir fehlt da Lotte, ihre Gedanken, Gefühle … ansonsten ist sie nur anonymes Opfer, eines von hunderttausenden und eben nicht Lotte, die …

Herzlichst Heiner

PS. Die weltanschaulichen Erörterungen (die ich mal für Ricos Ansichten halte) passten für mich durchaus in die Geschichte und rundeten das Bild von Rico gut ab.

 

psssst, bloß kein Rambazamba.

Ich glaube im Noodles in der Schanzenstrasse ist einmal monatlich Anfängertreff/Stammtisch für SM Interessierte, zumindest vor 10 Jahren war das mal so. Hat mir meine damalige Mitbewohnerin, eine promisk lebende Lesbe erzählt.

Mit einer Polizistin war ich auch mal im Cafe Sittsam auf nen Kakao (das ist keine Umschreibung, ich rede von dem schokoladigen Heissgetränk und nichts anderem), das es aber nicht mehr zu geben scheint. Dort geschahen seltsame Dinge, eine Frau stellte sich neben uns und jammerte, sie sei schon zu lange nicht mehr ordentlich gefickt worden. Am Tresen war ein junger Mann angekettet. Seltsam für mich, lustig auch. Die Polizistin war ein ehemaliger Mann, volloperiert. Gibt ne Menge Dinge, die jemand wie ich, der aus der Provinz kommt, so nicht vermutet hätte.

Ich glaube es war im Edeka (schwuler Club nähe Hans Albers Platz) bei der Geburtstagsfeier eines ehemaligen Arbeitskollegen (ein Grafiker)- ich ging Pinkeln und während ich vor dem Urinal stand rauschte hinter mir ein Päärchen (gemischt, Frau und Mann) rein und legte im Stehen los mit ner echt schrägen Nummer.

Sowas halt. All das und mehr vertrage ich grinsend, aber das schiefgegangene Spiel aus der Geschichte- ist traurig. Passiert sicherlich nicht selten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Mothman!
du warst auch schon ein paar Tage nicht mehr auf KG unterwegs, oder? Schön dich mal wieder hier zu lesen.

Hm, je mehr ich darüber nachdenke umso komplexer wird der Kerl für mich. Künstlerische Typen legen selten so ein Machogehabe an den Tag. Und dann diese Widersprüchlichkeit von liebgewonnen Grenzen und dem Streben nach Freiheit.

das freut mich, wenn der zum Nachdenken anregt! Wirkt auf den ersten Blick sicher inkongruent, wenn man das Künstlerklischee über das vom Macho legt. Menschen sind widersprüchlich, in sich und in Absicht und Verhalten. Zwei Seelen, ach ... und so weiter. Normalerweise versteht man Küntlertypen eher so als androgyne Individuen mit wuscheligem Haar und weichem Blick und dazu passt dann so auf dicke Hose machen nicht, dieser ganze sexistische Hip-Hop-Habitus, der ... für Rico schon ein bisschen zu weit geht. aber ich verstehe den Gedanken, bzw kann damit was anfangen.

Geschichten bei denen ich ein Wort nachschlagen muss, hinterlassen bei mir automatisch einen guten Eindruck.

okay, irgendwie müssen wir es hinkriegen, dass diese Einstellung ansteckend ist. zusammen können wir alles erreichen. :D

Aporien - ich versuche mal aus dem Gedächtnis zu rekonstuiren, was ich darüber weiß.
Sackgasse im Denken geht in die richtige Richtung, denke ich. eine Aporie durchdenken, bedeutet meines Wissens, ein Problem logisch und Schritt für Schritt zu durchdenken, obwohl man im Vorhinein weiß, dass es unlösbar ist.

Noch eine Anmerkung: Das zweite Telefongespräch finde ich überflüssig. Erstens kommen nicht wirklich neue Informationen hinzu und zweitens schwächt es die Wirkung des ersten Telefongesprächs ab.
Persönlich hätte ich folgenden Schlusssatz favorisiert:

okay, ist ganz oben auf der Überarbeiten-Liste! ich weiß noch nicht, ob ich eins oder beide oder keins der Telefongespräche kicke. auch wenn man sich damit den Ruf einhandelt, eh zu machen, was man will.
ich meine Geschichten schreiben sollte kein demokratischer Prozess sein, also der Autor ist zwar tot, aber dieser Zombie sollte schon Diktator seiner Geschichten sein. deswegen ändere ich auch manche Sachen nicht, obwohl fast alle sagen, ich sollte. da ist manchmal schon Gruppendruck zu spüren. viele Punkte ändere ich auch.

Was soll danach auch noch kommen? Der Kern der Geschichte liegt für mich in den aufgezeigten Widersprüchlichkeiten.

hm, mhhm, hmmme. :)

Vielen Dank und viele Grüße - hat mich sehr gefreut!

Hi Anakreon,

Erst stöhnte ich, schon wieder solche Subtitel, und dazu noch ein Titel, der erst entschlüsselt werden will. Doch schon im ersten Absatz fing mich diese Szene ein:

ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. ist ja nicht gerade selten, dass die Leute stöhnen und ächzen, wenn sie meine Geschichten lesen, und dann schon beim Titel. :D :(

Damit hing ich endgültig am Angelhaken, da mir die Vorstellung gefiel.

es ist nie zu spät, so was für seine Frau zu tun. Frau Anakreon würde bestimmt Augen machen. :)

Anziehsachen, entsetzte ich mich, welche Wortbildung, wenn man es wohlklingend ausdrücken kann. Doch es ist Kunst, wie mich YouTube belehrte:

jaha, die Muddi meines besten Freundes damals im Ruhrgebiet sagte stets Anziehsachen zur Kleidung. eine überflüssige und niedliche Unterscheidung.

Ich hab hier im Rechenzentrum keine Kopfhörer. Film funzt gerade nicht. hol ich bei Gelegenheit nach, du hast doch auch dieses Filmchen aus der Anfangszeit des Kinos mal gepostet, der war klasse. Irgendein Franzose, nicht Meliere.

Dies ist einer dieser schönen Sätze, die mir beim Lesen echt kubistisch erscheinen, da sie den Sinn formal gliedern, um die sich bildenden Werte miteinander in Einklang zu bringen.

klingt gut. müsste man nicht kubisch schreiben, um es vom Kubismus in der Malerei abzugrenzen. Ginge das überhaupt, das Wort so zu bilden?

Die Geschichte war mir spannend und unterhaltsam zu lesen, wenn auch teils bestückt mit Begriffen, über die ich nachdenken musste. Im Alltag doch etwas Abhebendes.

danke, ich fühle mich aufgebaut. meine Güte, einen Moment hatte ich echt das Gefühl, alles wäre Mist gewesen, einfach alles. weiß gar nicht, wo das herkam. ich nehme das als Anlass, das Teil noch Sonstige schieben zu lassen, die Verlegenheitskategorie. Alltag macht gerade keinen Sinn für mich.

Schöner Gruß

Strampeln, sich wehren usw.- ist Bestandteil vieler Spiele und im Rahmen der getroffenen Vereinbahrungen KEIN Signal für das Ende des Spieles, dann auch kein Anzeichen dafür, dass derjenigs mit der Situation unzufrieden wäre. Es geht dabei ja um Lustgewinn durch Machtausübung und teilweise auch Schmerz.

ja. dass entweder Rico denkt, das gehört zum Spiel; oder dass Lotte zwar eine Rolle spielen will, aber danach merkt, dass das Spiel von ihren Gefühlen ernst genommen wird.
wenn man den Kick haben will, muss man schon was riskieren, den gibts ja nicht auf dem Fernsehsessel, wenn die Füße in einem Duftbad mit Kieferngeruch liegen und die spannendste Frage ist, über welches Programm man sich heute abend ärgern will. aber da ist dann eben auch die Gefahr, ist klar, je höher das Risiko, desto größer der Kick, also der Lustgewinn, aber eben auch die Gefahr. wollt ich mal wieder dran erinnert haben.

Hey Kew,

Da wird ja Moderne, Weltuntergang und verlorene Bedeutung der Moral als große, allgemeine Themen aufgeboten. Und die verbinden sich so schön mit Rico. Er mit seiner postmodernen Distanz, der alles beobachtet (als Fotograph, passt sehr gut - ähnlich wie bei den Katastrophen: wir fotographieren, aber wir helfen nicht - ist zu mindest eine Sichtweise auf diesen Beruf). Und diese Gleichgültigkeit gegenüber der Katastrophe bzw. eigentlich weniger Gleichgültigkeit als viel mehr Erwartung.
Das Alles wird über das Foto mit Lotte verbunden. (Und wieder diese Distanz, für mich jedenfalls klingt die Botschaft ziemlich interlektuell unterkühlt.)
Für mich führt Rico die Katastrophe mit seinem Spiel halbbewusst herbei bzw. er legt es drauf an. Er will Grenzen austesten und schämt sich nicht, wenn er dabei Menschen verletzt. Er versteht es nichtmal. Für ihn gerät eigentlich das ganze Leben zum Spiel. Er beobachtet, wo er beobachten will und interagiert nur, wenn es ihm passt bzw. nimmt sich dann, was er will. Da ist nichts in der Geschichte, was ihn zu etwas zwingt, was ihn wirklich berührt. (Auch die Eltern sind ja nur lästig.) Für ihn funktioniert alles nach seinen selbstgesetzten Regeln.
Ein ziemliches Arschloch also. Aber auf die Länge faszinierend genug. (Liegt auch etwas daran, dass Lotte nicht so viel Profil hat, das reduziert bei mir das Mitleid. Ist aber nicht negativ à la sie ist mir zu unbedeutend, blaß, ich kann die Figur nicht greifen. Sonder passt für mich zu dieser Geschichte.)

Das ist eine spannende Interpretation. Die Themen sind ja zeitlose, die deutschen Expressionisten hatten doch diese Untergangsstimmung, vor fast genau hundert Jahren. aber die Nennung von Streetart bspw macht ja klar, dass das im dritten Jahrtausend stattfindet. und dann kann man wohl von Postmoderne sprechen, ich frage mich gerade einmal mehr, was das bedeuten soll - da sind so viele verschiedene Denker und Schreiber mit diesem Stempel versehen worden ... die Distanz, ja, Zeitgenossen, die das Leben und die Erde und alles drin als Happening verstehen. Katastrophen-, Rauschgift-, und Sextourismus, und überall die Kamera draufhalten, die sich heimlich freuen, wenn sie Augen- und Ohrenzeugen von Katastrophen oder wenigstens Straßenschlachten werden, weil endlich mal was los ist. ich bin ja bei Krawallen und Demos und solchen Events nur, weil ich über die schreiben will, die so drauf sind.
hm, ich denke, das ist eine Minderheit, und Rico ein profilierter Vertreter dieser Minderheit, man kann sie vllt gefühlskalten Teil der relativ großen Gruppe der Hedonisten nennen. die aber sicher wachsen wird. man wird doch in unserer Gesellschaft, alter Hut, ich weiß, voll drauf getrimmt, kein Mitleid zu haben, die Ellbogen auszufahren usw. und sicher auch durch die Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten, fast kostenlos ständig zu fotografieren und zu filmen, bekommt das Leben mehr und mehr etwas Kulissenhaftes. und in einem Film, wo man zufällig die Hauptrolle spielt, ist Unterhaltung für die meisten wichtiger als Moral. so kann man sich das vorstellen, eben so ein wiederkehrendes Thema von Postmodernen wie Baudrillard - die Macht der Bilder. eine Macht, die Adbuster zum Beispiel gegen ihre Urheber zu drehen versuchen mit den Mitteln der Guerilla-Kommunikation.

Wie lange soll das denn schon verfallen? Ich meine Bäume brauchen ihre Zeit. Bin mir nicht völlig sicher, aber da es sich wohl um einen Laubbaum handelt + die Höhe von Fabrikhallen, scheint mir das um einen Prozess von mind. 30 Jahren zu handeln. Kann mich hier aber irren, wollte es nur anmerken, da es mir aufgefallen.

ja, das Problem fiel mir beim Schreiben auch auf - die Ideen in diesem kurzen Absatz stammen auch aus diesem Buch: http://www.amazon.de/Die-Welt-ohne-uns-unbevölkerte/dp/3492051324
War wichtig zu lesen für jemanden wie mich, der die Menschheit zwischendurch mal für ein schlimmes Krebsgeschwür hielt, dass die meisten Hinterlassenschaften des Menschen relativ schnell verschwinden werden. am längsten sollen laut seiner Prognose Plastik und natürlich atomare Verbindungen überdauern. die meisten Städte würden laut Weisman sehr schnell verfallen, als Beispiel nennt der eine verlassene zypriotische Grenzstadt. na, also ich denke, dass so ein Baum innerhalb von zehn, zwanzig Jahren durchaus so groß sein könnte. und könnte ja auch ein Nadelbaum sein ;-)

Hier klingt der zweite Teil so beliebig. Ich fände etwas konkretes wieder schön.

Fazit: Schöne postmoderne Geschichte. Hat mir gut gefallen. Und unterstell nicht immer den Leser, dass er so leidet, bei deinen Sachen. Das gehört manchmal dazu.


hey! wenn aber die Leser den Kommentar ächzend und stöhnend beginnen und als Fazit schreiben, diese Geschichte wäre eine weniger große Zumutung als zB die berüchtigten Pixelwelten! :D aber du hast ja Recht, ich bräuchte wieder etwas mehr postmoderne Distanz, zur Zeit falle ich in jede Situation als wäre ich frisch in die Welt geworfen worden. danke für deine Einschätzung, Kew.

PS: zur Auffrischung: Wer Postmoderne sagt, muss auch DeLillo und vor allem Bolano sagen! dass die in der FW-Begeisterung nicht untergehen.

Die Kubus Unlimited dankt für ihr Interesse und hofft, Sie hatten ein paar feine Minuten abseits der Alltagsrealität!
wenn Ihnen das Lesen dieser Geschichte Freude bereitet hat, und sie gerade keine Zeit für einen Kommentar haben, können Sie dieser Freude durch eine Spende auf das KG-Konto Ausdruck verleihen, das sozusagen das Lesen solcher Geschichte auch in Zukunft ermöglichen soll. http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?p=583743#post583743

see ya,
YouCube

PS: hätte schon was, die Geschichte mit diesen Sätzen enden zu lassen: "Es begann zu schneien. Nach kurzer Zeit war sein wollener schwarzer Kurzmantel weiß. Rico zog die Handschuhe aus, um die Flocken auf der Handinnenseite spüren zu können." Die Empfindsamkeit für die schönen kleinen Dinge des Lebens nach seiner 'Nummer' verleihte Rico endgültig psychopathische Züge. sehr reizvoll, diese Variation.

 

Die Empfindsamkeit für die schönen kleinen Dinge des Lebens nach seiner 'Nummer' verleihte Rico endgültig psychopathische Züge. sehr reizvoll, diese Variation.

Weiss gar nicht ob das so psychopathisch wäre- wir Menschen sind seltsam und ambivalent in unseren Empfindungen. Es wäre jedenfalls spannender als der jetzige, sehr vorsichtige und unnötig gefällige Schluss.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kubus!

Mir gefällt die Geschichte gut. Das erste Kapitel erzeugt Stimmung. Die Umgebung passt zu Rico; die kaputte Welt, das Kalte, das Industrielle um ihn herum. Das passt zu seinem Charakter. Flutscht, passt. Die Sätze gefallen mir, die sind einfach zu lesen und erzeugen Bilder.

Rico kaufte sich am Hauptbahnhof einen Macchiato (Cap & Mac 3 Euro), trank ihn im Stehen, scannte die vorbeieilende Masse und musterte ein paar Menschen genauer, die wegen ihres Gangs oder sonst einer Besonderheit sein Interesse weckten.
Er skizzierte den Lebenslauf eines großen, breitschultrigen Mannes mit mächtigem Schnauzbart, der in einer seiner Schaufelhände eine abgewetzte Ledertasche trug. Und spann den Faden weiter, erschuf eine kleine Familie um den Vierschrot, und brachte ihn dann in eine Situation, in der der Mann mit der Ledertasche zwischen seinem Leben und dem seiner Liebsten wählen musste. Heute entschied sich Ricos Figur ausnahmsweise dafür, das Leben der anderen zu retten, dafür ließ Rico die Figur einen besonders langsamen und ekligen Tod sterben. Dann bestellte er noch einen Mac. Samstag, irgendein Advent.
Empfinde ich als gelungene Charakterisierung. Der letzte Satz hat Kraft in diesem Zusammenhang:
Samstag, irgendein Advent
. gefällt mir.

Auch das:

Da war die Hoffnung, auch in diesem Winter clevere streetart nachweisen zu können. Noch gehörten die Adbuster und Sprayer und Figürchenaufsteller und weiß der Fuchs, wie sich die verschiedenen Artisten nannten, zu der kreativsten Kunstszene überhaupt, und bis das in ein, zwei Jahren, wenn das Geld und der Mainstream die Originalität und Kreativität endgültig ausgeschwemmt hatten, erledigt war, gab es noch viel zu entdecken, umsonst und draußen.
Sehr schön, vielleicht etwas voll irgendwie, aber man kann es trotzdem beim ersten mal lesen verstehen, das ist mir persönlich wichtig.

Ein Typ in Nadelstreifen und Gasmaske, der auf einem Fass mit dem Warnzeichen saß und Scheine zählte. Knips.
sehe ich vor mir, funktioniert sehr gut.

Er begrüßte sie mit einem schnellen Kuss und setzte sich auf den Rand des Bettes, ließ sich heiße Schokolade machen und hörte mit einem Ohr: von einer niedlichen Schildkröte, die Lotte im TV gesehen hatte und die sie gerne als Haustier hätte. Geplapper, wie süß.
Da hat mich der Doppelpunkt gestört.

Zwischen den ersten beiden Küssen bedankte sie sich für das Foto. Erst wusste er nicht, wovon sie sprach, und später, als es ihm einfiel, sagte er nichts dazu. Sie spielte mit seiner Zunge, schubste seine Hand beiseite. Warum zierte sie sich jetzt, nachdem er sofort kommen sollte?
Da hats mich bisschen rausgehauen. Warum wundert er sich darüber, dass sie seine Hand wegschubst? Er rechnet doch mit so einem Spiel. Da müsste er doch eher denken, ja, jetzt gehts los.

ihr Gesicht war gerötet, die Augen blitzten wütend, als er ihr ins Gesicht blickte
hier ist sie in Fahrt, sie ist nicht ängstlich, Lotte schlägt und ihr Blick ist wütend. Dann könnte sie doch auch stopp brüllen, dachte ich da.

Er zerriss den Slip, damit sie ihn nicht wieder vom Bett treten könnte, drückte ihre Beine auseinander und spürte die erwartete Feuchtigkeit an seinen Fingerspitzen. Sie wäre nicht erregt, wenn sie es nicht wollte, dachte er, und öffnete schnell seine Hose. Beim Eindringen verkrampfte sie, und er hätte sie fast erneut erinnert, dass sie nur 'Stopp' zu sagen bräuchte.
Das ist hart, aber ich finde diesen Moment gut beschrieben.
Nach dem Akt starrte sie schweigend an die Zimmerdecke. Ihre Rechte hing weiter in der Handschelle, obwohl die längst geöffnet war. Rico fragte, warum sie schwieg. Lotte antwortete nicht.
gut

Und mehr als diese Zigarette hatte er in ihrem Zimmer nie zu rauchen begehrt; er hatte Regeln und Grenzen stets respektiert. Sie hätte nur etwas sagen müssen, dachte er und zitterte, als der über seine Haut streichende Winterwind den dünnen Schweißfilm trocknete.
Auch gut, da wirds mir irgendwie unwohl, es wirkt. Aber das Wort begehrt stört mich. Passt mir nicht zum Ton.

Rico zog die Handschuhe aus, um die Flocken auf der Handinnenseite spüren zu können.
Das wäre mein letzter Satz.
Gruß

Lolloskjewitsch

 

Hallo Kubus

müsste man nicht kubisch schreiben, um es vom Kubismus in der Malerei abzugrenzen. Ginge das überhaupt, das Wort so zu bilden?

Eine schwerwiegende Frage, die du da aufwirfst, da der Begriff Kubisch sowohl von der Mathematik als auch von der Kristallographie synonym für Kubus bereits beansprucht wird.

Aber du hast recht, die Übertragung von Begriffen der Bildenden Kunst auf andere Künste gelten als höchst problematisch und werden meist kritisiert, wenn sie auftreten. Entgegen dem wurden dennoch zwei Ballettstücke dem Kubismus zugerechnet, „Le sacre du printemps“ von Igor Strawinsky und „Parade“ von Erik Satie. In der Literatur kam es nie zu einer solchen Deutung.

Insofern musst du meine kubistische Deutung als ein Akt von Willkür verstehen, gehöre ich doch nicht dem Kreis erhabener Kritiker vor eigenen Gnaden an, die die Erwägung einer solchen Aussage ernsthaft in Betracht ziehen dürfen. Als Kennzeichen für ausgewählte Sätze, in Anlehnung an den Künstlernamen, relativiert sich aber eine Kritik an dessen Verwendung, denn Nomen est Omen. Also Kubistisch oder Kubisch, es ist eine Frage der Wertigkeit.

es ist nie zu spät, so was für seine Frau zu tun. Frau Anakreon würde bestimmt Augen machen.

Jetzt Hintersinne ich mich, woher du die Empfindungen meiner Frau so genau kennst. Ich werde ihr wohl den Chatroom sperren müssen, sofern sie ein solchen hat. Aber ob sie das zulassen wird?

meine Güte, einen Moment hatte ich echt das Gefühl, alles wäre Mist gewesen, einfach alles.

Es muss wohl an deinem Mut zu Grenzüberschreitungen liegen, die Kanten des Kubus verlieren sich, und trotzdem gehst du weiter. Aber das ist doch auch gut so, viele schöpfen ihre Grenzen nie aus und sind dann um diese Erfahrung ärmer.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Auf Wunsch des Autors aus „Alltag“ nach „Sonstige“.

Hmmpf … den Titel ändern in L & R II funktioniert nicht. Zwei Großbuchstaben direkt nacheinander scheint die Forensoftware zu verweigern.
Ich frag mal nach.

LG
Asterix

Nachtrag
Zwischenlösung:
Habe nun zwei kleine el = ll benutzt. Sieht nicht so fein aus wie II
Was sagst du dazu, lieber Kubus?

 

Kubus, Kubus, Kubus.

*'König einer untergehenden Welt', dachte Rico.

Das ist für mich kitschige Poesie, aber wichtiger ist hier: denkt man so von sich? Okay, vielleicht ist ja Rico überheblich und bisschen größenwahnsinnig und meint, alles durchschaut zu haben und alles unter Kontrolle zu haben. Ich finde es trotzdem grenzwertig sowas von sich zu denken.

Lotte, das ist für dich. Zeit und Gefühl.
Das ist bitter, wenn man das Ende bedenkt. Zeit und Gefühl scheint er nicht zu haben, und Zeitgefühl erst recht nicht. :P
Die Dächer der langen Lagerhallen waren teilweise eingestürzt, das meiste Metall war durchgerostet, hölzerne Bohlen und Dielen faulten. Wurzeln wölbten den Asphalt oder durchbrachen ihn sogar, Unkräuter schossen aus den Rissen im Beton, eine nackte Baumkrone lugte aus einer Halle heraus.*

Mag sein, dass es Geschmackssache ist, aber ich kann so Landschaftsbeschreibungen überhaupt nicht ausstehen, erst recht nicht, wenn sie ganz am Anfang gesetzt sind. Ich will was über die Figuren lesen, nicht über Dinge, die im Verlaufe der Geschichte auch gar nicht mehr auftauchen. Was sagt uns jetzt diese Beschreibung, da war mal ein Industrieviertel oder Gebiet, die Rest sind lange nicht beseitigt und mit diesen Resten machen Kamikazekünstler street art, von der kritischen Sorte und Rico pinselt da einen Liebesbeweis an den bröckeligen Mauern. Droht da echte Gefahr, also setzt er sich in Gefahr aus, um seine Liebe zu beweisen, gut, das Dach könnte einstürzen, aber es ist doch wirklich minimal gehalten.

Rico blickte rundherum und saugte die Eindrücke urbaner Landschaft in sich auf, die an die schon so oft versprochene Apokalypse erinnerte. Das Alte Europa mit seiner zweitausendjährigen Tradition im Weltuntergang. Einige wenige mochten das Armageddon tatsächlich fürchten – Rico interessierte gerade eine andere Frage: Er würde gern die Gesellschaft aufschneiden wie eine Torte und aus dem Querschnitt ablesen, wie viele sich*wünschten, alles hätte ein Ende.

Ich finde so abgeklärte Figuren anstrengend. Die Kritik ist immer gleich, sie ist so pauschal gehalten, hier wird gleich die ganze europäische Gesellschaft kritisiert bzw. diese ständige westliche Angst vor einem Untergang, aber es ist so halbwarm gehalten, so bisschen auch hochnäsig, so ein: ich hab alles durchschaut, aber das, was die Figur durchschaut hat, findet man in jedem x-beliebigen Blog, der sich mit gesellschaftskritischen Themen befasst.
Wahrscheinlich hast du gerade keine Ahnung, wovon ich spreche. :D Also, ich würde mir echt mal bei deiner nächsten Geschichte wünschen, dass du den Fokus nur auf die Figuren legst, was sie so antreibt, was sie interessiert, was ihre Befürchtungen sind, bestimmt nicht der Untergang Euroopas. :P Also bitte. Wann spricht oder denkt man über solche Themen nach, wenn man im Freundeskreis ist, sich bisschen wichtig machen will oder ein Buch über dieses Thema liest, aber nicht, wenn man auf einem maroden Gebäude steht und der Freundin einen Liebesbeweis erbringt.
Wieviel Absurdität verträgt die Weltgesellschaft? Wie viele Aporien kann das Durchschnittshirn durchdenken, bevor die Sicherungen durchbrennen? Und ist es möglich, in dieser nach Untergang stinkenden Zeit, nicht dekadent zu sein, sondern nach Werten und Prinzipien zu leben? Rico hielt es für möglich, aber nicht für nötig. Er kletterte vorsichtig herunter und versteckte die Malutensilien, bevor er im Nieselregen nach Hause ging.

:sick:
Bald hatte er ihr den Vorschlag gemacht, den er jeder Frau nach einer Weile machte, und von dem, je nachdem, ob sie darauf einging oder ihn ablehnte, abhing, ob er blieb oder ging. Lotte hatte sich darauf eingelassen, sie war sogar begeistert gewesen von der Aussicht, Spiele zu spielen. Verschiedene Spiele, manchmal wilde Spiele, aber mit klaren Regeln.*

Szenen! Ich will von den wilden Spielen mit den klaren Regeln lesen!
Und spann den Faden weiter, erschuf eine kleine Familie um den Vierschrot, und brachte ihn dann in eine Situation, in der der Mann mit der Ledertasche zwischen seinem Leben und dem seiner Liebsten wählen musste. Heute entschied sich Ricos Figur ausnahmsweise dafür, das Leben der anderen zu retten, dafür ließ Rico die Figur einen besonders langsamen und ekligen Tod sterben. Dann bestellte er noch einen Mac. Samstag, irgendein Advent.

Konkreter bitte. Was ist das für eine Situation, in der er sich entscheiden muss? Und was ist ein ekliger Tod für Rico? Mit so Details werden deine Figuren lebendiger, es ist zwar nur ein Passant, aber wenn du dir da schon keine Mühe gibst und immer so abstrakt bleibst. Ja, pff, dann kann der Absatz auch weg. Das einzig Interessante an dem Absatz ist, dass der Mann Schaufelhände hat und Rico sich gerne mit anderen beschäftigt als mit sich. Kann ich verstehen, das spart Nerven, aber ich will unbedingt diesen Rico kennen lernen. Auf einer reinen platonisch-literarischen Ebene. :P

Ein wirklich freies Leben könnte man erst führen, wenn alle nahen Verwandten tot wären.*

Das ist doch krass, sowas zu denken und zu fühlen. Und wenn man dann als Autor konsequent sein will, dann muss man das auch zeigen. Die Telefonate mit Mama und Papa kommen dem schon nah, aber nicht so ganz.

Sie spielte mit seiner Zunge, schubste seine Hand beiseite. Warum zierte sie sich jetzt, nachdem er sofort kommen sollte?

Ich mag diese ganze Szene, wie er da ankommt und sofort loslegen will, die hat aber ihre Wohlfühlsocken an, macht ihm Kakao, erzählt von süßen Schildkröten. Die Frau will doch nur bisschen kuscheln und Wärme spüren, also, so lese ich das. Aber gut, wenn die immer nur wilde Spiele gespielt haben … tja, aber ich weiß ja nicht, wie das sonst mit denen abläuft, ich kann das nicht beurteilen, inwiefern wer sich komisch oder daneben benimmt.

*

"Du brauchst nur 'Stopp' zu sagen", erinnerte er sie, "dann höre ich sofort auf. Das weißt du." Sie reagierte nicht, wehrte sich aber weiterhin, wehrte sich erfolgreich dagegen, dass er ihren Slip auszog, sie erwischte ihn mit dem Fuß an der Schulter und trat Rico vom Bett. Wegen der Heftigkeit des Tritts bekam er den Eindruck, ihre Wut wäre echt, aber möglicherweise war sie auch nur gut gespielt. Jedenfalls war sie in dieser Position, mit einem gefesselten Arm, kein Gegner für ihn.

Es ist ja schon fast kindisch, dass sie nix sagen will. Andererseits ist das aber eine dumme Situation, auf die sie sich eingelassen hat, sie will vielleicht ein anderes Spiel spielen: nennt sich Beziehung. :P Aber sie hat ihn zu sich eingeladen. Für mich wäre es jetzt wichtig zu wissen, wie Lotte sonst war. Ich kann jetzt tausend Möglichkeiten durchgehen, warum sie nicht Stopp gesagt hat, warum sie ihn statt dessen schlägt, warum er das nicht sieht, usw. usf. Es wäre aber schon nett gewesen, wenn du vorher etwas über ihre Beziehung gesagt hättest. Es reicht nicht zu sagen, dass sie sich darauf einlässt, vielleicht wollte sie das auch mal probieren, vielleicht wollte sie nicht prüde wirken, sondern total abenteuerlustig, vielleicht dachte sie, sie würde den Typen verlieren, wenn sie nicht einwilligt, aber mit einem Vielleicht gebe ich mich nicht zufrieden.

Rico schob ihren Pullover hoch und stülpte ihn über ihr Gesicht, hockte sich über ihren Oberkörper und fesselte den freien Arm mit dem Ärmel an die Stange. Er zerriss den Slip, damit sie ihn nicht wieder vom Bett treten könnte, drückte ihre Beine auseinander und spürte die erwartete Feuchtigkeit an seinen Fingerspitzen. Sie wäre nicht erregt, wenn sie es nicht wollte, dachte er, und öffnete schnell seine Hose. Beim Eindringen verkrampfte sie, und er hätte sie fast erneut erinnert, dass sie nur 'Stopp' zu sagen bräuchte.

Das nenn ich Figurennähe. Ernsthaft, das gefällt mir. Ich kann mir die ganze Situation gut vorstellen.

Er stellte sich in Shorts ans Fenster, öffnete es und rauchte eine. Diese eine Zigarette hatte sie ihm in ihrem Zimmer, das ein Nichtraucherzimmer war, gestattet. Und mehr als diese Zigarette hatte er in ihrem Zimmer nie zu rauchen begehrt; er hatte Regeln und Grenzen stets respektiert. Sie hätte nur etwas sagen müssen, dachte er und zitterte, als der über seine Haut streichende Winterwind den dünnen Schweißfilm trocknete

Das mag ich auch. Wie da die Zigarette zum Metapher für das wilde Spiel wird.

"Ich konnte nicht wissen, was dieses Spiel für Folgen haben kann."
"Das ist Teil jedes spannenden Spiels."

Lol.

Okay.
Ich finde die Geschichte von der Aufteilung her etwas unglücklich gemacht. Du gönnst irgendwelchen Industriebeschreibungen zwei, drei Absätze, und wenn es dann darum geht, die Beziehung zu beschreiben, dann geschieht das in ein paar Nebensätzen und wenn dann die Bombe platzt, die Figuren sich da Vorwürfe an den Kopf werfen, da gehst du dann raus. Deswegen auch mein Zwischenruf, die Geschichte ist für mich nicht beendet, da fehlt mehr als die Hälfte. Das war für mich bis dahin alles Intro und bisschen vom Mittelteil. Die Telefonate sind so eine Notlösung. Man könnte sagen, gut, Rico lässt das gar nicht an sich rankommen, nach dieser Nummer denkt er sogar, dass die Welt ein toller Platz wäre, so als wär nix passiert. Man könnte aber auch aus dieser halben Geschichte eine ganze machen. Wie geht die Frau jetzt damit um, wie kommt sie auf den Gedanken, dass das eine Vergewaltigung war? Und wichtiger ist natürlich, was davor war, wie die sich kennen gelernt haben, wie sie auf das 'wilde Spiel' gekommen sind, wieso er so eine Befriedigung daran findet. Ach, da fehlt so viel, finde ich.
Also, der Mittelteil gefällt mir, weils szenisch ist, weil man die Figuren bei ihrem Tun beobachten kann, das davor mit dem Industrieteil, das ist so das obligatorische Sich-Gedanken-machen über eine Sache, die man sowieso nicht ändern kann und auch nicht ändern will, weil man ja irgendwo daran verdient – siehe street art. Und sein Lösungsvorschlag ist dann, die Welt untergehen zu lassen und dann eine neue Gesellschaft mit neuen Wertvorstellungen aufbauen. Dabei wäre Rico der erste, der verschwinden müsste. :D Ich finde die Figur interessant, weil sie so paradox ist, einerseits kritisiert er den Wandel in der Welt und in der Gesellschaft, andererseits ist er das Produkt dieser kalten Welt, er besitzt weder Zeit noch Gefühl, um es Lotte zu geben, auch wenn er es ihr quasi verspricht. Das interpretiert sie offenbar falsch, sie meint eine andere Seite von ihm entdeckt zu haben und öffnet sich ihm. Rico ist 'ne heiße Luftblase, sonst nix.
Ich hätte die Geschichte gelungener gefunden, wenn da weniger Gedanken über Europa und der Gesellschaft wären, dafür umso figurenbezogener.
Ich geh jetzt auch ein wildes Spiel spielen, PS3. Yeah!

JoBlack

 

Guten Tag Herr Friedrichard,

bei der Inflation an „Kulturen“ sollte jeder froh sein, wenn mal einer sich unkultiviert gibt –

es sollte mehr Kongruenz zwischen Darstellung und Dasein geben. bei den Linken würde man diejenigen, die schon wieder einer neue Subsubkultur gründen wollen, als Spalter bezeichnen.

sondern Rico, einen streetartist, so meine ich, der aus weiter Ferne aus einer anderen Deiner Geschichten ausgestiegen zu sein scheint - scheinbar gezähmt.

ja, was Quinn als Versatzstücke bezeichnet, sind Variationen bestimmter Themen. ein Unterschied. ja, Streetart, mttlw ziehen alle möglichen Leute los, um das urbane Umfeld zu verändern. ist ja immer so eine Sache, wenn etwas, das man mit Leidenschaft verfolgt, massenkompatibel wird. am Mainstream an sich ist nichts schlechtes, sondern an der Art, wie der Mainstream meistens die kreativen Quellen überspült.
Rico geht so Richtung echter Fiesling, was ich bisher nicht hatte. der hat keinen Kompass, der ihm hätte sagen müssen, dass die Regeln in der Situation nicht greifen. oder er wusste das, und hat trotzdem eine andere Richtung eingeschlagen, auf die Regeln pochend.

denn alle Hochkulturen wie schon deren Vorläufer kennen den Weltuntergang und erleben ihn spätestens, wenn ihre Zivilisation verschwindet

Noahs Flut in der Bibel vermuten sie als Überschwemmung des Zweistromlands. oder da gibt es doch diese fortgeschrittene Ackerbaukultur im südlichen Nordamerika, die innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums verschwunden sind, obwohl die vergleichsweise hochentwickelt waren. mich würde mal interessieren, ob der Weltuntergang bei anderen Kulturen ebenfalls so präsent ist, wie bei uns. diese Untergangsfantasien scheinen mir bei uns schon sehr ausgeprägt zu sein. bspw ungefähr vor hundert Jahren die den ersten WK vorfühlenden Expressionisten ...

Wie lang mag unsere noch halten?

die Prognose könnte sich verbessern, wenn wir die Entwicklungen entschleunigen würden, so lange wir noch in der Lage sind, die Dynamiken zu beeinflussen. bevor uns die computerisierten Eigendynamiken über den Kopf wachsen. wir haben ja auch viel Gutes und Erhaltenswertes geschaffen, aber alle müssten mal nen Schritt zurückgehen, und sich in Ruhe ansehen, was los ist und was man tun sollte. nicht immer nur den Entwicklungen hinterherhecheln.

Ganz modisch (oder modern?) kommt gelegentliche Werbung daher, wir sind doch nicht blöd, wie beim

es spielt fast keine Rolle, ob ich in einer Geschichte werbe oder nicht. aber für die Atmosphäre der Geschichte können die Namen, mit denen wir alle zu leben gezwungen sind, schon wichtig sein. ein wichtiger Puzzelstein.

Familiengefühle zieht man nur bei besonderen Gelegenheiten an. // Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben. // Das Wort »Familienbande« hat einen Beigeschmack von Wahrheit“, usw.

der Fackelkraus hat kein Blatt vor den Mund genommen. einige Expressionisten haben ihn als Licht in der Dunkelheit ihrer Zeit verstanden, wie du vllt weißt, Trakl zB hat ihm Verse gewidmet. heutzutage würde man die gemeinhin als unerträglich pathetisch bezeichnen. aber es machte die Literatur ärmer, wenn man so einen Gestus ersatzlos streichen würde, weil die herrschende Meinung meint, der wäre nicht mehr zeitgemäß, oder kitschig.

ein Wort aus dem modernen Antiquariat und somit wider den Zeitgeist. Ein Ausdruck, den insbesondere mein Mütterchen ihrem Erstgeborenen um die Ohren „haute“, wenn er mal wieder liederlich gekleidet war.

interessant! ist das im Ruhrgebiet üblich, oder war es das? ich hörte es in Essen, aber ich dachte, das wäre eine Eigenart der Ma meines Freundes.

Nun sind die Unkräuter auch den lebenswerten Kräutern gleichgestellt. Das ist eine Art grammatischer Emanzipation, dringlicher als jede Frauenquote.

ich habe das Gefühl, dass sich die Gesellschaft in diese Richtung bewegt. das wäre doch mal eine positive Entwicklung! ich hoffe, das ist allgemein so und nicht nur in den Habitaten, die meine Heimaten sind.

Wie viel … Klappt doch anschließend, warum nicht hier schon?

ist doch ein Unterschied, ob wieviel oder wie viel ... oder sollte man das offiziell nur auf eine Art schreiben? ich schlage nachher mal nach.

obwohl ich weder Freund wäre der Darstellungen intimer Praktiken oder auch nur des intimsten Horrors).

ich habe keine Furcht vor expliziter Gewalt- oder Sexdarstellung, aber die ist für mich kein Wert an sich, die sollten wohldosiert und passend sein, da bin ich sicher unzeitgemäß. keine Lust, meinen Kopf zu zerbrechen, um ungebrochene Tabus zu finden und diese Tabubrüche besonders eklig und brutal auszumalen.

Deine Geschichten werden zwar gegenüber den poetischen Anfängen immer kunstloser, aber auch in ihrer schmucklosen Form gefallen sie

ich verstehe poetische Sprache als Wert an sich, aber dieses Spiel mit der Form verstellt mitunter den Blick auf den Inhalt. freut mich, dass es gefiel!

Gruß und schöne zweite Wochenhälfte,
Kubus

Hallo Heiner,

Die fehlende Empathie des Typen kam (schrecklich) gut rüber, sie war mir auch nachvollziehbar (da tendenziell oft bei Männern zu beobachten, wenn auch nicht mit diesen Konsequenzen)

Frauen wurden auf Empathie getrimmt. Wo soll denn die Empathie herkommen, wenn die meisten Männer keinen Grund hatten, die zu entwickeln? mittlerweile sind ja die ersten Serien frauenverstehender Männchen dressiert worden. gut ist gut.

aber die Motivation von Lotte, mit einem solchen Typen etwas anzufangen und sich auch noch bewusst auf die „Spielchen“ einzulassen, konnte ich nicht nachvollziehen. Ganz klar, sie wird ja auch nicht beschrieben, sprich, sie fehlt mir.

ich finde Lotte hier nicht so wichtig, sie hat eine Nebenrolle. mir ging es um Rico, und dieses Spiel, um die eine Szene, in der sie schweigt, und warum sie schweigen könnte, und um die Frage, ob regelkonformes Verhalten den inneren Kompass ersetzen kann. sie ist nur insoweit gezeichnet, dass es nachvollziehbar wird, dass sie sich auf ihn und das Spiel einlässt.

Wenn dem so ist, verstehe ich nicht ganz, warum sie nicht auf eine solche Situation vorbereitet war.

mein Punkt hier ist, dass man sich auf solche Spiele nicht letztgültig vorbereiten kann. dass die außer Kontrolle geraten können. Menschen sind ja keine Computer, das weiß doch hier jeder. ist es nicht vorstellbar für euch, dass auch eine taffe junge Frau, die sich bewusst auf das Prinzip dieses Spiels eingelassen hat und es auch ein paar Mal cool durchspielte, an einen Punkt gerät, an dem das nicht mehr funktioniert? schlicht gesagt: erst hat sie mit der Angst gespielt, dann hat die Angst mit ihr gespielt.

Eine Vergewaltigungsszene ausschließlich aus Sicht des Vergewaltigers zu schreiben, reicht mir hier bei diesem Text nicht aus. Mir fehlt da Lotte, ihre Gedanken, Gefühle … ansonsten ist sie nur anonymes Opfer, eines von hunderttausenden und eben nicht Lotte, die …

das ist manchmal seltsam, von Lesern zu hören, ihnen würde etwas fehlen oder etwas anderes wäre zu viel. es ist klar, dass man bestimmte Erwartungen mitbringt, aber ich fände es wünschenswert, wenn man die nach dem Lesen erst mal zu vergessen versucht, und bei den Punkten ansetzt, die der Text bietet. 1. klingt dein Einwand nach einem moralischen, aber ich muss hier keine sauberen Geschichten abliefern, das ist so eine KG.de-Falle, in die man schnell tappt: Dass man sympathische, nette, freundliche Geschichten abliefert, weil sich bei denen keiner unwohl fühlen muss, wenn er die liked. 2. würde ich mir das zehnmal überlegen, bevor ich eine Vergewaltigungsszene aus der Sicht einer Frau schreibe, das ist ein einziger Fallstrick.

Die weltanschaulichen Erörterungen (die ich mal für Ricos Ansichten halte) passten für mich durchaus in die Geschichte und rundeten das Bild von Rico gut ab.

das ist gut. die gehören aber zum Erzähler, der hier fast nicht von Rico zu unterscheiden ist, wenn Rico etwas denkt, ist das ja gekennzeichnet.

Grüße,
Kubus

@ tammtamm: die Schanze vor zehn Jahren wäre genau mein Viertel gewesen, nach dem, was man so hört. ist ja schon länger Mode, von der Schanze als Gentrifizierungsopfer zu sprechen, und dass es dort nicht mehr so gut wie früher wäre. das kann ich nicht beurteilen, aber was ich weiß:
letzten Samstag war hier voll geiles Wetter, mit Frühlingsgeruch, und ich war in der Schanze mit Buddy Gassi gehen, da konnte ich von fliegenden Händler den "Spartakist" kaufen, eine trotzkistische Zeitschrift mit linker Agit-Prop-Rhetorik par Excellence! auf der Titelseite die Schlagzeile: Nieder mit der EU! Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa! und vor der Fack Backtory saßen altgediente Punks und Skins und laberten über die kapitalistische Unterwanderung ihres Viertels und was man dagegen tun könnte. das war echt Gelaber. irgendwann kam so ein Hippietyp an und fragte, wo man hier was zu kiffen kriegen könnte, und die anderen meinten, sie warten selbst -
also da zeigt sich die Schanze sexy!
kann man leider nicht für eine Geschichte verwenden, weil es dann heißt, man würde Klischees verwenden; da muss man dann eine literarische Wirklichkeit erfinden, die differenzierter als die übliche ist. Und hoffen, dass die Wechselwirkungen funktionieren?
ich Sonntagsbesucher finde die Gegensätze in der Schanze sehr lebendig. die Rote Flora mit all den Antikapitalisten, Kommunisten, Trotzkisten, MOdepunks und sonstigen Mitläufern und gleich in Sichtweite Fräulein Wunder mit der Schaufensterwerbung Kauf dich glücklich. trotzdem ist mein Kiez, Sankt Georg, der geilste Kiez Hamburgs. man hat hier schon Kreuzberger erlebt, die mit leuchtenden Augen in das Café kommen, wo ich Service bin, und die sagen, es wäre hier fast wie in Berlin! was aus derem Mund das größtmögliche Kompliment sein dürfte. ;-)

Sowas halt. All das und mehr vertrage ich grinsend, aber das schiefgegangene Spiel aus der Geschichte- ist traurig.

klar, sollen die Leute doch miteinander machen, was sie wollen. so lange es niemandem schadet und alle ihren Spaß dabei haben. ich habe hier den Punkt gesucht, wo die Praxis der schönen Theorie in die Quere kommt.

Danke euch fürs Feedback!

Kubus

 

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