Kwark und sein Herz, das keine Ruhe geben wollte
Etwas zog mich fort, fort an ein Ziel, an dem ich vielleicht schon mal war, aber mich überhaupt nicht daran erinnern konnte, jemals da gewesen zu sein. Es war völlig unerklärlich für mich, einen jungen unerfahrenen Frosch. Ich lebte jetzt schon fast ein Jahr an diesem Tümpel, gemeinsam mit vielen anderen Tieren. Mein bester Freund war Henry, ein dicker alter Molch, der schon Jahre vor mir hier wohnte. Er kannte sich bestens in diesem Gewässer aus und hatte mir schon in vielen Situationen aus der Patsche geholfen. Zum Beispiel, als zum ersten Mal seit meiner Ankunft der Storch durchs Wasser gewatet war, um Nahrung zu suchen, vorzugsweise natürlich Amphibien, wie Henry und ich welche waren. Henry hatte mir die besten und nützlichsten Verstecke gezeigt, um vor unserem langbeinigen Feind verschont zu bleiben. Und diese Situation war nicht die einzige, in der ich von Henry gelernt hatte. Diese Tatsache machte es mir nicht gerade leichter, Henry mitzuteilen, dass ich fortgehen musste.
"Ich kann es mir nicht erklären, Henry. Es ist wie ein Ziehen in der Brust, das mich fortruft und nicht möchte, dass ich hierbleibe. Es ist ein unangenehmes Gefühl, das mich nicht in Ruhe lässt."
Der alte Molch streckte sich gemütlich auf seinem großen Stein aus und reckte den Kopf in die Aprilsonne.
"Nun, Kwark, junger Freund, wenn dein Fernweh so groß ist, wirst du ihm nachgeben müssen."
"Aber eigentlich will ich doch gar nicht weg, Henry. Weg von dir und dem gemütlichen kleinen Tümpel. Ich würde dich nur ungern zurücklassen!" Ich seufzte tief und blickte von meinem Seerosenblatt aus betrübt ins Wasser.
"Na na, wer sagt denn, dass es ein Abschied für immer sein wird? Du selbst sagst, dass du nicht wirklich weißt, was dich in die Ferne zieht. Wenn es dir dort, wo du hingehen wirst, nicht gefällt, hindet dich sicher niemand daran, wieder an unseren Tümpel zurückzukehren."
Ich sah meinen alten Freund eindringlich an und überlegte.
"Du meinst also, ich soll einfach drauflos marschieren?" fragte ich dann, als ich glaubte, Henry richtig verstanden zu haben.
"Sicher. Wenn du unterwegs niemals vergisst, auf dein Herz zu hören, kann nichts schief gehen", lächelte Henry mich an. Es schien ihm tatsächlich nichts auszumachen, mich ziehen zu lassen. Im Gegenteil, er ermunterte mich und war wohl sehr zuversichtlich, dass all das einen besonderen Grund haben musste.
Schon ein paar Minuten später war ich auf dem Weg, frohen Mutes, aber ziellos, hatte ich doch keine Ahnung, wo mein Herz mich hinführen würde.
Als ich einen Tag und eine Nacht gewandert war, kam ich an ein großes Feld. Ich beschloss, im Gras neben einem großen Loch in der Erde eine kleine Pause zu machen. Ich schnappte gerade nach ein paar Mücken, die um meinen Kopf schwirrten, als mit einem mal ein Tier aus dem Loch schaute. Es war grau, hatte eine Menge Fell, eine neugierige Nase und lange Ohren.
"Hey, du hast mein Frühstück verjagt! Wer bist du überhaupt?" schimpfte ich.
"Ich bin eine Häsin und heiße Jana. Und wer und was bist du?" fragte das komische Tier.
"Ich bin ein Frosch und heiße Kwark. Ich bin auf der Durchreise", antwortete ich.
"Wo willst du denn hin?" fragte Jana.
"Das weiß ich nicht so genau. Ich lasse mich von meinem Herz leiten", antwortete ich.
"Dann bleib doch bei mir. In meiner Höhle ist Platz für zwei und ich habe gerne Gesellschaft", sagte Jana.
Ich nahm ihr Angebot gerne an. Vielleicht war ihre Höhle ja mein unbekanntes Ziel.
Jana war wirklich sehr nett zu mir und ihre Höhle war tatsächlich sehr geräumig, doch als ich hineingeklettert war, hörte mein Herz noch immer nicht auf, mich weiter zu ziehen. Ich verabschiedete mich von meiner neuen Freundin und machte mich wieder auf den Weg.
Als ich zwei Tage und zwei Nächte gewandert war, kam ich an einen großen Wald. Ich beschloss, auf einer dicken Baumwurzel Pause zu machen. Ich schnappte nach ein paar Fliegen, die um meinen Kopf summten, als mit einem Mal über mir jemand zwitscherte. Das Tier war braun, hate eine Menge Federn und einen spitzen Schnabel.
"Hey, du hast mein Mitagessen verjagt. Wer bist du überhaupt?" schimpfte ich.
"Ich bin ein Vogel und heiße Tine. Und wer und was bist du?" fragte das komische Tier.
"Ich bin ein Frosch und heiße Kwark. Ich bin auf der Durchreise", antwortete ich.
"Wo willst du denn hin?" fragte Tine.
"Das weiß ich nicht so genau. Ich lasse mich von meinem Herz leiten", antwortete ich.
"Dann bleib doch bei mir. In meinem Nest ist Platz für zwei und ich habe gerne Gesellschaft", sagte Tine.
Ich nahm ihr Angebot gerne an. Vielleicht war ihr Nest ja mein unbekanntes Ziel.
Tine war sehr nett zu mir und ihr Nest war wirklich sehr geräumig, doch als ich hineingeklettert war, hörte mein Herz noch immer nicht auf, mich weiter zu ziehen. Ich verabschiedete mich von meiner neuen Freundin und machte mich wieder auf den Weg.
Als ich drei Tage und drei Nächte gewandert war, kam ich an einen großen Teich, der mir seltsam bekannt vorkam. Ich beschloss, am Ufer eine Pause zu machen. Ich schnappte gerade nach einer dicken Libelle, als mit einem Mal ein grünes Etwas vor meine Nase hüpfte.
"Hey, du hast mein Abendessen..." begann ich, doch ich konnte nicht weiter sprechen. Ich blickte in das wunderschönste Froschmädchengesicht, das ich jemals gesehen hatte. Und ich hatte es tatsächlich vorher schon einmal gesehen.
"Marga Quark, was machst du denn hier?" fragte ich meine beste Freundin aus Kaulquappentagen.
"Ich bin zurückgekommen, weil ich ein unerklärliches Verlangen hatte, hier her zu kommen. Jetzt wo ich dich sehe, wird mir klar, warum. Wir sind in diesem Teich zur Welt gekommen, weißt du noch?" quakte sie sanft.
Ich blickte mich um. Und wirklich. Hier wurden wir geboren. Mir kam plötzlich jede Wasserpflanze bekannt vor.
"Wollen wir uns alles noch einmal genau ansehen? Wenn du möchtest, nehme ich dich huckepack", sagte Marga. Ich nahm ihr Angebot ohne Zögern an.Marga war ja viel größer als ich.
Als sie sich mit mir auf ihrem Rücken ins Wasser gleiten ließ, fühlte ich, dass ich gefunden hatte, wonach mein Herz gesucht hatte.
Nach unserem aufregenden Ausflug in unserem Heimatteich gab mir mein Herz zu verstehen, dass mein Abenteuer an dieser Stelle beendet sein würde. Ich musste meine Rückreise zu Henry und dem Tümpel antreten. In diesem Teich hier war ich zwar geboren worden, aber ich fühlte mich nicht zu Hause.
Auch Marga verabschiedete sich von mir, um wieder zurück in ihre jetzige Heimat zu ziehen. Aber ich schwor mir, von nun an jedes Jahr zur gleichen Zeit an meinen Geburtsteich zurückzukehren und dort Marga oder vielleicht ein anderes nettes Froschmädchen, das ich aus meiner Kindheit kannte, wieder zu treffen.