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Kurz und schmerzhaft

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29.03.2013
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Kurz und schmerzhaft

„Ey wat meinsse – wat is dat härteste, watte je gesehn hass?“
„Härteste? Meinsse Film? Oder jetz echt?“
„Wat hass du denn schon für harte Sachen gesehn …“
„Logo hab ich haate Sachen gesehn. Ich hab ma gesehn, wie se am Affenstrich ein Typ plattgemacht ham. So richtich. Mit allem Pipapo…“
„Echt?“
„Frach nich nach Sonnenschein.“ Rettich machte ein angewidertes Gesicht, leerte seine Bierdose und schleuderte sie in Richtung Sandkasten. Dann sah er Fichte an und legte zwei leicht gespreizte Finger an seinen Mund. Fichte holte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hemdtasche, warf sie ihm zu und bewunderte die Lässigkeit, mit der Rettich das Zippo mit dem Totenkopf auf – und zuschnappen ließ.
Die Beiden lungerten seit einer guten Stunde auf dem heruntergekommenen Spielplatz herum, rauchten, bohrten in der Nase und hatten bereits das zweite Sixpack angebrochen.
„Ach – tung! Penner von links …“ sagte Rettich. Er grinste und legte los.
„Willsse hier, du Aaasch! Mach dich wech, hier is privat, du Wichser!“ Mit dem Ellbogen stieß er seinen Kumpel in die Rippen und wieherte vor Lachen.
Der Mann, der den Spielplatz überqueren wollte, blieb stehen.
„Was war das?“
Der Kerl klang überhaupt nicht eingeschüchtert. Im Gegenteil. Aber Rettich konnte jetzt nicht mehr zurück. Obwohl sich in seinem Hirn eine ganz winzige und sehr leise Stimme zu Wort meldete, die ihm dringend empfahl, mit dem Blödsinn aufzuhören, musste er einfach weitermachen. Seine Ehre stand auf dem Spiel. Fichte würde den Respekt vor ihm verlieren und es den Anderen verklickern. Unmöglich. Er stand auf und nahm einen tiefen Zug.
„Wat dat war? Bisse taub, du Penner? Du sollss abzischen, sonns…“
„ Na? Kommt da noch was?“
„Lass ma, Rettich“, sagte Fichte. „Ich glaub, dat is der Falsche. Lass ma gut sein getz.“ Doch sein Freund war nicht mehr zu bremsen.
„Du kriss getz auffe Fresse, du Aaasch, wenne nich sooofort n Loch inne Luft machs.“ Rettich beglückwünschte sich selbst zu dieser rhetorischen Glanzleistung. Er lockerte seine Armmuskeln und machte einen Schritt auf den Burschen zu. Der weiße Irokese auf seinem Kopf, der nach Fichtes Ansicht eher einer räudigen Spülbürste glich, zitterte im Wind.
Dann sagte der Mann etwas, das die beiden nicht so schnell wieder vergessen würden.
„Sechs Richtige, wunderbar.“ Er legte die Entfernung zwischen sich und Rettich mit ein paar schnellen Schritten zurück, und bevor dieser reagieren konnte, verpasste er ihm einen kräftigen Fausthieb in die Magengrube. Rettich krümmte sich. Der weiße Iro beschrieb einen Bogen, um gleich darauf, als das rechte Knie des Mannes nach oben schoss, zurückzuschnellen. Rettich fiel um und blieb reglos neben der Rutsche liegen.
Die ganze Sache hatte nicht länger gedauert als fünf oder sechs Sekunden. Fichtes Kopf verschwand fast zwischen seinen Schultern, als ihn der Fremde ansah, und er hob seine Hände in Brusthöhe.
„Siehst du …“ sagte der unheimliche Kerl, „ … so kann’s gehen.“ Er wischte sich mit der Hand übers Knie und setzte kopfschüttelnd seinen Weg fort.

Als Rettich die Augen öffnete, blickte er in Fichtes grinsendes Gesicht.
„Wat gibs da zu lachen, du Aaasch?“
Dat war dat härteste, wat ich je gesehn hab, Alter. Waaahnsinn. Echt.“

 

Hallo myisrael!
Freut mich sehr, dass Dich die Geschichte amüsiert hat! Schön zu hören, besser gesagt, zu lesen.... Mehr kann man eigentlich nicht verlangen. Was die drei Sätze am Ende betrifft - ich wollte das Ding rund machen, indem ich mit dem letzten Satz den ersten beantworte : ...wat is dat härteste... Dat war dat härteste ...
Mit Rettich und Fichte wird's wohl auch irgendwann weitergehen.
Schöne Grüße,
Harry

 

Ja hasse nich gesehn,
statt immer Ärger mit Harry, bissken Ärger für’n Hedderich,

aba ers’ ma’ Tachchen,

robotharry –

und häätzlich willkomm’n hiersälbz’, schliezlich simma unz noch nich’ begechnet! –,
wie’t im Pottlatein klingen maach,

wänne aba die „watte“ mit’m Komma versiehz, dann muzze dat auch fürn „Ey, hey, hi“ oder auch „Äh“ vornweck tun. Kuck dich dat ma' an:

„Ey[,] wat meinsse – wat is dat härteste, watte je gesehn hass?“
Verstehze?
Da folchze, oppe willz oda nich’, die Hoochgrammatick mit seine Komaregeln, wobei de dat Probleem zwischen „meinsse wat“ durchn Aufstrich – kwatsch, watt binnich widda fürn Schälm - ’n Beistrich als’ne korrekte Alte’native zum Koma gelöst hass'.

Nach’m Koma noch’n anners Relikt auze olle Rechtschreibung

schoß
lautlich korrekt schoss, sons' wäre't ja'n Schooß.

Bissken wat zur eigenen Schreibe von dich, etwa det Possessivpronomens, wie hier

… und legte zwei leicht gespreizte Finger an seinen Mund.
Warum dat dann, wenn jeda weiß, wessen Mund gemeint is'?
Ähnlich hier
Fichte holte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hemdtasche …
Ja leck mich doch inne Täsch!
Da gäb’et aba’n Donnerwetter, entlarvt’er sich als’n Taschendieb anne fremde Tasch womöglich von meine Omma! Da wär ich abba ..., kannze dich schon denken, wat?

Aba dat wär ers’ ma’n Kulturschock für die alle hier, wennze ’ne würde-Konstrukzion ersetz’n tätez:

Fichte würde den Respekt vor ihm verlieren und es den Anderen verklickern.
Wat wär dat für’n Schocker (trauze Dich doch ma und bizze direkt in’nen Horror, ne?! Is' nich' so?) hier statt det umgangssprachlichen ein ordentliches Konjunktiv irrealis-Konstrukt hinzuleg’n:
Fichte [verlöre] den Respekt vor ihm […] und es den Anderen verklickern.
Gut, der Macker da wär vonne Socken und bekäm'e Klappe nich' mehr zu.

Dat war’t für getz.
Bis’n annermal sacht’er

Friedel

 

Hallo Friedrichard!
Schön, dass es sie gibt - die Beschützer der deutschen Sprache! Ich werde ab sofort meine Bemühungen um korrekte und vorbildliche Kommasetzung verdoppeln. Was sage ich - verdreifachen. Versprochen.
Grüße
Harry

 

Hallo harrytherobot,

habe deine kleine Geschichte Kurz und schmerzhaft mit Vergnügen gelesen.
Ist ja nicht so einfach, Dialekt zu Papier zu bringen.

M.E. gibt es eine Schwachstelle im Text; nämlich hier:
Dann sagte der Mann etwas, das die beiden nicht so schnell wieder vergessen würden. „Sechs Richtige, wunderbar.“ Er legte die Entfernung zwischen sich und Rettich mit ein paar schnellen Schritten zurück, und bevor dieser reagieren konnte, verpasste er ihm einen kräftigen Fausthieb in die Magengrube.

Das geht – zumindest mir – zu schnell über die Bühne. Zum einen ist mir nicht ganz klar, ob Sechs Richtige das einzige ist, was der Mann spricht. Zum anderen erschließt sich mir der Sinn der Aussage nicht zu hundert Prozent. Der Fremde sucht also selbst Streit und ist froh darüber, dass er von Rettich provoziert wird? Hier solltest du mMn entweder ausführlicher erzählen und/ oder zusätzlichen Dialog einbauen.

Ebenfalls das Finale kommt mir zu abrupt. Da ist jetzt nichts drin enthalten, was mich aufhorchen lässt. Die Story endet halt. Okay.

Rettich u. Fichte sind natürlich sehr gute Namen. Gefallen mir.

Alles in allem eine unterhaltsame Geschichte.

Vg sinuhe

 

Hallo Sinuhe!
Schön, dass Dir die Geschichte gefallen hat. Freue mich immer über ein Lob ( kann man ja nie genug bekommen... ).
Du hast das schon richtig erkannt - der Fremde hat sich in der Tat über Rettichs Pöbeleien gefreut und die Gelegenheit genutzt, um mal seinerseits ein bißchen Frust abzubauen. Er hätte auch 'Wunderbar - ist ja wie Weihnachten' oder ähnliches sagen können. Vielleicht war der Tag für ihn bis zu diesem Zeitpunkt nicht so optimal gelaufen - wer weiß?
Die Auseinandersetzung habe ich bewußt nicht ausführlicher beschrieben. Sie sollte eben (s. Titel ) kurz und knackig sein. Kleine Geschichte - kurzer Höhepunkt. Kurzgeschichte eben. Danke Dir für deinen Kommentar.
Schöne Grüße
Harry

 

harrytherobot schrieb:
Freue mich immer über ein Lob ( kann man ja nie genug bekommen... ).

Du sagst es, harrytherobot,
und mich nur deshalb nicht zu deinem Text zu äußern, weil er eh schon von den Vorkommies gelobt wurde und Friedel schon alle Fehlerchen rausgesucht hat, wäre eigentlich ziemlich ignorant von mir.

Also: auch mir gefiel deine Geschichte ausgesprochen gut, sie ist schön komponiert, hat genau die richtige Länge, das genau richtige Maß an Action und ist obendrein auf eine fiese Art witzig. Schlichtweg genial fand ich die (poetisch-floralen) Namen der beiden Maulhelden. Ja, da haut, im doppelten Wortsinn, alles hin.
Bis auf das Ende, da schließe ich mich myisrael an. Die letzten drei Zeilen lassen das Ganze ein bisschen zu einem Witz verflachen, die braucht‘s für mein Gefühl nicht, ich mein, die Geschichte ist kurz genug, dass man sich als Leser am Ende noch an die Anfangssequenz erinnert und durchaus imstande ist, sich die Schlusspointe sozusagen selbst zu konstruieren.

… und setzte kopfschüttelnd seinen Weg fort.

Das wäre doch ein hübscher Schlusssatz.

Ja, hat mir echt Spaß gemacht, Harry!

offshore

 

Hallo, ernst Offshore!
So viele anerkennende Worte für so eine kleine Story - you made my day! Das sollte erstmal für ein paar Tage reichen... Vielen Dank für's lesen und kommentieren. Habe gerade nicht so viel Zeit und muß mich kurz fassen.
Schöne Grüße und bis demnächst
Harry

 

Hallo Harry,

da isser ja wieder, mein Freund Rettich!
(Auch wenn diese Geschichte zeitlich vor der gepostet wurde, die ich zuerst gelesen habe.)


Der weiße Irokese auf seinem Kopf, der nach Fichtes Ansicht eher einer räudigen Spülbürste glich, zitterte im Wind.

Das ist so gut! Hab meinen Kaffee verschüttet vor lachen.

Ich finde der Schluss macht es Rund. Ohne die letzten drei Sätze würde mir was fehlen.


Gerne mehr

Karakum

 

Hallo Karakum,
Auch mit diesem Kommentar hast Du mir den Tag verschönt. Wunderbar. Irgendwas scheine ich mit den Rettich-Geschichten richtig gemacht zu haben. Ich find's schön, das Du mit den drei letzten Sätzen einverstanden bist. Dass Du dich beim Lesen bekleckert hast, ist zwar bedauerlich, freut mich aber (aus hoffentlich nachvollziehbaren Gründen) trotzdem.
Herzliche Grüße
Harry

 

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