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Kurz und schmerzhaft
„Ey wat meinsse – wat is dat härteste, watte je gesehn hass?“
„Härteste? Meinsse Film? Oder jetz echt?“
„Wat hass du denn schon für harte Sachen gesehn …“
„Logo hab ich haate Sachen gesehn. Ich hab ma gesehn, wie se am Affenstrich ein Typ plattgemacht ham. So richtich. Mit allem Pipapo…“
„Echt?“
„Frach nich nach Sonnenschein.“ Rettich machte ein angewidertes Gesicht, leerte seine Bierdose und schleuderte sie in Richtung Sandkasten. Dann sah er Fichte an und legte zwei leicht gespreizte Finger an seinen Mund. Fichte holte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hemdtasche, warf sie ihm zu und bewunderte die Lässigkeit, mit der Rettich das Zippo mit dem Totenkopf auf – und zuschnappen ließ.
Die Beiden lungerten seit einer guten Stunde auf dem heruntergekommenen Spielplatz herum, rauchten, bohrten in der Nase und hatten bereits das zweite Sixpack angebrochen.
„Ach – tung! Penner von links …“ sagte Rettich. Er grinste und legte los.
„Willsse hier, du Aaasch! Mach dich wech, hier is privat, du Wichser!“ Mit dem Ellbogen stieß er seinen Kumpel in die Rippen und wieherte vor Lachen.
Der Mann, der den Spielplatz überqueren wollte, blieb stehen.
„Was war das?“
Der Kerl klang überhaupt nicht eingeschüchtert. Im Gegenteil. Aber Rettich konnte jetzt nicht mehr zurück. Obwohl sich in seinem Hirn eine ganz winzige und sehr leise Stimme zu Wort meldete, die ihm dringend empfahl, mit dem Blödsinn aufzuhören, musste er einfach weitermachen. Seine Ehre stand auf dem Spiel. Fichte würde den Respekt vor ihm verlieren und es den Anderen verklickern. Unmöglich. Er stand auf und nahm einen tiefen Zug.
„Wat dat war? Bisse taub, du Penner? Du sollss abzischen, sonns…“
„ Na? Kommt da noch was?“
„Lass ma, Rettich“, sagte Fichte. „Ich glaub, dat is der Falsche. Lass ma gut sein getz.“ Doch sein Freund war nicht mehr zu bremsen.
„Du kriss getz auffe Fresse, du Aaasch, wenne nich sooofort n Loch inne Luft machs.“ Rettich beglückwünschte sich selbst zu dieser rhetorischen Glanzleistung. Er lockerte seine Armmuskeln und machte einen Schritt auf den Burschen zu. Der weiße Irokese auf seinem Kopf, der nach Fichtes Ansicht eher einer räudigen Spülbürste glich, zitterte im Wind.
Dann sagte der Mann etwas, das die beiden nicht so schnell wieder vergessen würden.
„Sechs Richtige, wunderbar.“ Er legte die Entfernung zwischen sich und Rettich mit ein paar schnellen Schritten zurück, und bevor dieser reagieren konnte, verpasste er ihm einen kräftigen Fausthieb in die Magengrube. Rettich krümmte sich. Der weiße Iro beschrieb einen Bogen, um gleich darauf, als das rechte Knie des Mannes nach oben schoss, zurückzuschnellen. Rettich fiel um und blieb reglos neben der Rutsche liegen.
Die ganze Sache hatte nicht länger gedauert als fünf oder sechs Sekunden. Fichtes Kopf verschwand fast zwischen seinen Schultern, als ihn der Fremde ansah, und er hob seine Hände in Brusthöhe.
„Siehst du …“ sagte der unheimliche Kerl, „ … so kann’s gehen.“ Er wischte sich mit der Hand übers Knie und setzte kopfschüttelnd seinen Weg fort.
Als Rettich die Augen öffnete, blickte er in Fichtes grinsendes Gesicht.
„Wat gibs da zu lachen, du Aaasch?“
„Dat war dat härteste, wat ich je gesehn hab, Alter. Waaahnsinn. Echt.“