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Kreisläufe

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07.10.2006
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Kreisläufe

5:43, Sonne, Mond und Sterne

Empfindliche Geräte tasten mit Sensoren im Weltraum nach den abgestoßenen Teilen der Spaceshuttle, Raketen und Satelliten. Jede Unregelmäßigkeit der beobachteten Müllobjekte registriert die Maschine.
Als kleinere oder größere Metallbrocken umkreist der Weltraumschrott die Erde. Selten verleitet die Schwerkraft das Metall zu einem Besuch des blauen Planeten. Es ist scheinbar alles in Ordnung mit dem bespitzelten Müll.


6:05, eine Zecke weniger

Feuchte Nase, braunes Fell, buschiger Schwanz und Putzkralle. Mongozmaki Nummer 08, das bin ich.
Seit der Morgendämmerung sitze ich auf meinem Stammast und beobachte die Futterluke. Der Mensch mit der Plastikschüssel voller Früchte lässt wieder einmal auf sich warten. Bisher ein weiterer gewöhnlicher Tag in einer deprimierenden Anreihung gleichförmig verlaufender Tage. Dem unheimlichen Gesetz der Gewohnheit folgend, zieht die Wolkendecke über mir zu und hält sich nicht lange mit Drohungen auf. Ohne anzuklopfen platzt der unhöfliche Geselle Regen über mich herein und wirft seinen grauen Schleier über die Käfiganlage.
Ich krieche weiter unter das Blätterdach, um mich vor den Widrigkeiten der Witterung zu schützen. Trist und grau wie das Wetter, das ist mein Alltag. Nicht weiß, nicht schwarz. Sondern grau, ein grauer Einheitsbrei.

Das Quietschen der Käfigtür unterbricht mein melancholisches Gedankenspiel. Ich meine das Obst schon in den Krallen zu halten und meine Zähne in das saftige Fruchtfleisch schlagen zu können. Ich erinnere mich an die angenehme, süße Pampe zwischen meinen Backenzähnen und das wohltuende Sättigungsgefühl.
Um so größer ist meine Enttäuschung, als der Mensch in dem weißen Kittel mein Reich betritt und die Schüssel nicht bei sich trägt. Ohne Futter, sondern in Begleitung eines anderen Menschen zu erscheinen, ist sehr verdächtig. Mich beschleicht das ungute Gefühl, dass ich heute im Verschlag hätte bleiben sollen.
Trotz meiner Vorahnungen beschließe ich, mich über das fehlende Frühstück zu beschweren. Es lebe die Revolution!
„Du nennst dich Krone der Schöpfung und dann kannst du noch nicht einmal eine Schüssel füllen. Eine schöne Krone bist du“, beginne ich zu schimpfen.
Der Weißkittel ignoriert mich. Anscheinend ist er zu sehr in das Gespräch mit dem blau uniformierten Menschen vertieft. Das ist eine Abwechselung auf die ich gerne verzichte. Beharrlich kreische ich meinen Frust heraus und hüpfe bis der Ast unter meinen Füßen wackelt.
„Macht der Schimpanse das öfter?“ fragt der blau Uniformierte.
„Lemur, ich bin ein Lemur“, gifte ich weiter.
Das ist doch unglaublich, jetzt ignorieren mich beide Menschen.
„Nummer 08 ist ein wenig eigenwillig.“ Endlich schaut der unzuverlässige Obstlieferant zu mir hoch.
Geistesgegenwärtig ergreife ich die Gelegenheit, meine Bedürfnisse kundzutun. In großen Kreisen reibe ich meinen Bauch und esse eine unsichtbare Frucht. Die primitive Zeichensprache sollte selbst für einen Menschen leicht verständlich sein. Es bleibt ärgerlicherweise bei dem sollte. Nachdem ich die peinlichen Faxen einstelle, verliert der Weißkittel erneut das Interesse an meiner Wenigkeit. Dieser Mensch ist ein wankelmütiges Wesen. Sicherlich wehte er in einem seiner letzten Leben als Fahne mit dem Wind. An Übung fehlt es ihm offensichtlich nicht.
„Das Militär benötigt einen intelligenten Affen“, flüstert der Besucher.
Der Mensch in der Uniform schwitzt. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, den Anzugkragen hinunter zu den Achseln und entfaltet sich unter seinen Armen.
Warum er seine stinkenden Körperflüssigkeiten derartig auffällig präsentiert ist mir ein Rätsel. Ich spüre weder Gefahr noch Weibchen. Es riecht förmlich nach einer Verschwörung.
Raffiniert wie ich bin, durchschaue ich seinen Plan. Er will mich und meinen Familienverband mit seinen Ausdünstungen betäuben und entführen. Aber mit meinem Scharfsinn rechnet dieser miese Verbrecher nicht. Ich beobachte ihn weiter, bis ich im geeigneten Augenblick zuschlagen und seinen finsteren Plan durchkreuzen kann.
„Nummer 08 ist, relativ gesehen, intelligent“, antwortet der Forscher.
„Relativ gesehen könnten Menschen auch intelligent sein“, kecker ich.
Wieder ernte ich nur verständnislose Blicke.
„Fang ihn ein und steck ihn in einen Transportkäfig. Das Land braucht seine Dienste“, bellt der Militär.
Also das ist sein abscheuliches Vorhaben.
Die Aussicht, in den Transportkäfig gezwängt und einem Militär zu dienen, klingt mir nicht sehr erstrebenswert. Aber nur bei dem Gedanken, dass ein anderes Familienmitglied der menschlichen Willkür zum Opfer fällt, wird mir schlecht. Da ziehe ich es vor, mich zum Wohle der Gemeinschaft freiwillig zu opfern. Schon um meinen leeren Magen zu schonen. Hätte ich gefrühstückt, sähe meine Entscheidung sicherlich anders aus.
„Wofür werden die Dienste eines Eulemur mongoz gebraucht, wenn ich fragen darf?“, hakt der untreue Obstbringer nach.
„Das ist geheim, Top Secret, höchste Geheimhaltungsstufe.“
Der Militär bläht seinen enormen Brustkorb um weitere Zentimeter auf. Abzeichen und Medaillen klirren auf dem gespannten Stoff.
„Hat vielleicht dieses riesige unbekannte Flugobjekt vor der Sonne etwas damit zu tun?“
„Woher wissen sie das? Sie sind ein Spion. Kein Zivilist kann das wissen.“
Stumm zeigt der Forscher in den finsteren Himmel. Ein nicht zu übersehender Schatten wabert vor der Sonne.
„Ah, ja. Es ist größer geworden. Ja, sieht jeder gut. Der Punkt ist, wenn es nicht zerstört wird, stirbt früher oder später alles Leben der Erde. Dazu brauchen wir den Gorilla.“
Muss ich mich angesprochen fühlen?. Nervös kralle ich mich an den Baum. Vor wenigen Minuten sehnte ich mich nach einem aufregenderem Leben. Nun steht der Weltuntergang bevor. Ich bemühe mich, nicht in apathische Verzweifelung zu verfallen. Ein Lemur, zwei Lemure, drei Lemure, ganz ruhig und das Atmen nicht vergessen.
Manchmal zeigt das Schicksal eine merkwürdige Art von Humor.

11:47, zähle bis drei und halte die Luft an.

Mir fehlt das markante Kinn, der blonde Schopf und sicherlich auch die Aura des unfehlbar Guten. Trotzdem bin ich der zukünftige Erretter der menschlichen Zivilisation. Realistisch betrachtet, trägt die Unfähigkeit meiner Zunge, das Wort „Nein“ für Menschen verständlich zu formen, hauptsächlich zu meinem Heldentum bei.
Brav, wie ein gut dressierter Bettvorleger, hocke ich auf dem gepolsterten Sitz in der Rakete. Ein dickbauchiger Techniker hantiert an den Gurten über meiner Brust. Ja, selbst für einen Feuchtnasenaffen gelten die Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz. Nachdem der wandelnde Fettspeicher das einzige für ihn sichtbare Lebewesen mit seinem ausströmendem Schweißgeruch fast erstickte, betrachtet er zufrieden sein Werk. Sorgsam festgeschürt ringe ich nach Atem.
Das Getier auf meiner Haut, krabbelt, im Gegensatz zu mir, frei und ungebunden durch den dichten Felldschungel. Anscheinend fallen die Flöhe, meine treuen Parasiten, unter irgend eine absurde Sonderregelung.
Aus der runden Öffnung des weißen Raumanzuges, Weiß wie es sich für einen ordentlichen Helden gehört, strecke ich meinen Kopf und entdecke im innern der Kapsel einen Fernsehbildschirm über den der Nachrichtenkanal flimmert. Welch ein Luxus.
Bill John, er bezeichnet sich selbst gerne als den mächtigsten Mann der Welt, ging vor den Kameras seiner Berufung nach.
Reden halten: “Der Ball des Bösen verfinstert unsere von Gott gegebene Sonne. Das dürfen wir, als gute Christen, nicht zulassen. Wir sind verpflichtet unsere Nation und die Welt vor der Ausgeburt der Hölle zu schützen und wir können zuversichtlich sein. Unser Glaube ist unerschütterlich und die Entschlossenheit fest. Nach intensiven Gesprächen ist ein erfolgsversprechender Maßnahmenplan verabschiedet worden. Heute noch startet ein fähiger Mann in das All, mit dem Auftrag die gottlose Bedrohung zu vernichten. Mögen unsere Gebete ihn auf seinem Weg begleiten.“
Er erwähnte nicht, dass alle unbemannten Langstreckenraketen während der Ölkriege auf seinen Befehl hin verpulvert worden waren. Auch nicht, dass die weitere Existenz der Schöpfung seines geliebten Herrn von dem Verhalten eines pelzigen Tieres mit Daumen abhängt.
Natürlich nicht. Schließlich will er wieder gewählt werden.


14:16, Kaffee oder Tee.

Seekrank von der Sternenfahrt steige ich nach der Landung auf der fremden Bedrohung aus der Rakete. Mongozmaki Nummer 08, der erste Lemur im Weltraum. Das klingt tröstlich.
Zwischen meinen Pfoten tickt der Sprengkörpergleichmäßig vorwärts. Schüchtern und leise, als ob er sich für seine Aufgabe schäme. Ich erinnere mich an die Instruktionen der Militärs und suche die Mitte des Flugobjektes. Dort soll ich die Bombe ablegen.
Das besagte Objekt gleicht einem Planeten der Kategorie kugeliger Schrottplatz. Große und kleine Metallteile jeglicher Form vereinigen sich zu einem dampfenden Erdenzwillig aus Weltraummüll. Sollte ich den Sprengsatz etwa verbuddeln müssen? Schließlich befindet sich die Mitte einer Kugel im Innern derselben. Noch bin ich unschlüssig.
Einige Schritte und Überlegungen später passiere ich die einzige Erhebung der Umgebung, eine senkrecht verkeilte Metallplatte. Plötzlich springt hinter der Platte ein Junge mit eindeutig ungesunder Hautfarbe hervor und grinst mich frech an.
Instinktiv flüchte ich vor den gebleckten Milchzähnen und
hechte auf einen Ersatzbaum, die scharfkantige Platte. Laut keckernd versuche ich den potentiellen Fressfeind zu vertreiben. Was dachte ich mir nur dabei, alleine ins Weltall zu fliegen? Ich hätte darauf bestehen sollen, dass meine Familie mich begleitet.
„Was bist du denn für einer?“ krähte das kränkliche Bürschchen.
Erstaunt stelle ich die Verteidigungsschreie ein. Er ist zwar nur ein Junges, aber ein Mensch, und er spricht mit mir. Sehr ungewöhnlich.
„Ich bin ein Feuchtnasenaffe, Mongozmaki Nummer 08“, antworte ich.
„Ich bin Klausi.“
Und was machst du hier?“
„Ich wohne hier.“
„Im Müll?“
„Ja.“
„Warum?“
„Meine Familie und ich, wir leben davon.“
„Tatsächlich?“
„Von den Essensresten aus dem fliegendem Zimmer“, ergänzt der Junge und deutet auf die weit entfernt kreisende Raumstation.
„Wie kommt ihr denn hier her?“
„Der Lehrer sagt immer, vor langer Zeit da flog der Müll sinnlos im All rum und dann beschloss er sich zu dem Müllbrocken zusammen zu fügen und die große Sonne sorgte für Leben“, rezitiert Klausi.
Seine Grimasse verrät mir, dass er anscheinend nicht sehr viel von dieser Theorie hält und ihn jetzt viel mehr der Inhalt seiner Nase interessiert.
„Wie viele von euch leben denn auf dem Müllbrocken?“
„Ich weiß nicht. Wenn du mit mir ins Dorf kommst, kannst du gerne nachzählen.“
Nachzählen? Das hört sich gar nicht gut an. Ich ahne, dass eine Volkszählung einiges mehr als drei Dörfler ergeben muss. Ich folge Klausi in das Mülldorf, die tickende Bombe in den Pfoten mahnt mich zur Eile. Was soll ich nur tun?
Das erwähnte Dorf stellt sich als eine mitleiderregende Ansammlung windschiefer Blechhütten heraus. Zwischen den notdürftig zusammengezimmerten Wohnungen staksen kränkliche Menschen und picken Nahrungsreste aus dem Müll. Vielleicht wäre es für sie eine Gnade, mit dem Müllklumpen im All zu verpuffen. Ich schüttele meinen Kopf, um zur Besinnung zu kommen und den Menschengedanken zu verscheuchen.
„Da sind wir.“ Stolz breitet der Junge seine dürren Ärmchen aus.
Ich nicke freundlich, da mir oberflächliche Schmeicheleien der Kategorie schöner Wohnen fehl am Platze erscheinen.
„Jetzt kannst du uns alle zählen“, lacht er und winkt überschwänglich seine Artgenossen herbei.
„Seht mal, was ich gefunden habe!“
Ob nur ein Bewohner oder über dreißig mit dem Müllberg explodieren, ist meinem Gewissen schnuppe. Fieberhaft arbeite ich an einer Lösung des Problems. Wenn der Müllklumpen nicht verschwindet, gehen erst die Pflanzen auf der Erde ein und dann stirbt jeder atmende Organismus an Sauerstoffmangel. Um das Leben auf der Erde zu retten, muss also der Müllklumpen verschwinden. Aber was passiert mit Klausi, seiner Familie und all den Anderen? Ich kann sie doch nicht mit in die Luft sprengen. Das ist eine wirklich verzwickte Lage.
Immer mehr graugesichtige Müllmenschen versammeln sich um uns und betrachten mich, den Fremdling, neugierig. Vielleicht hoffen sie auf zur Abwechslung mal nicht angekaute Lebensmittel. Leider ist mein einziges Gastgeschenk eine scharfe Bombe, die ihren Müllbrocken samt Bewohner bald in Asche verwandeln wird. Schuldbewusst schaue ich in die erwartungsvolle Menge.
„Das ist meine Mama“, stellt mir Klausi ein schmuddeliges Menschenweibchen vor, das mich verzückt anstiert.
Ich rechne jeden Augenblick damit, von den Worten "ach ist der süß" begleitet getätschelt und herzlich liebkost zu werden. Ähnlich seltsame Anwandlungen zeigten sich mir mehrmals bei menschlichen Erdenweibchen, deren Mutterinstinkte bei einer zwanglosen Begegnung über mich hereinbrachen. Die Befreiung aus den liebeshungrigen Armen artete regelmäßig in hitzige Kämpfe aus. Eine zerknautschte Nase und einen kläglich abgeknickten Schwanz trug ich aus den Sympathiekriegen davon. Ich könnte mich mit Recht als alten Veteranen bezeichnen.
Risiko oder Flucht? Anstandshalber gehe ich das Risiko ein und stehe meinen Maki.
„Guten Tag“, hebe ich die Pfote im luftdichten Handschuh.
„Du bist aber ein niedlicher Kerl.“
„Dankeschön.“ Ich spanne meine Muskeln bis aufs Äußerste, um einer eventuellen Umarmung blitzschnell zu entkommen.
„Ich möchte dich gerne zu einem Willkommensessen einladen.“
„Ich nehme die Einladung natürlich gerne an“, antworte ich und entspanne mich ein wenig.
Einer Streichelattacke seitens des Menschenweibchens bin ich entgangen, aber wie viel Zeit bleibt noch bis die Bombe explodiert? Das gemeine Ding tickt stoisch weiter, obwohl mein Magen mir in den Kniekehlen hängt und ich sogar Secondhand Lebensmittel nicht verschmähen würde. Hol`s der Mensch, ich muss etwas essen.
Beherzt greife ich in den zusammengetragenen Haufen angebrochener Astronautennahrung und schlecke das Innere der Tüte aus. Joghurt – Kirscharoma. Den grünen Schimmer über meinem Mahl ignoriere ich lieber.
Das Dorf der Müllbrockler sitzt in geselliger Runde versammelt und unterhält sich fröhlich. Jeder bedient sich an der mitgebrachten Restenahrung. Angesteckt von der gelösten Atmosphäre albere ich mit Klausi herum.
„Möchtest du Tee oder Kaffee? Kaffee müsste ich noch suchen“, erkundigt sich das Mütterlein.
Ich wiege noch das Für und Wider dieser schwerwiegenden Frage ab, als unerwartet ein riesiger Schatten über uns hinweg saust. Ich reiße meinen Kopf hoch und erkenne ein gigantisches Metallstück mit der originellen Aufschrift "Jimmy was here", bevor es gewaltig krachend in dem Müllberg einschlägt. Der Planet bebt unter der hinterhältigen Breitseite.
Ohne eine Antwort auf meine existenzielle Frage zu finden, poltere ich über den zitternden Boden. Die Bombe gleitet mir aus den Krallen, durchbricht das Schwerefeld des riesigen Schrottklumpens und saust schwerelos der Sonne entgegen. Manche Dinge erledigen sich eben von selbst.
Besoffen schwankt der Müllbrocken durch den dunklen Raum, schlingert der Erde entgegen. Ihre Schwerkraft packt den gewachsenen Schrottklumpen und zerrt ihn zu sich. Ich begreife, dass die wilde Fahrt unweigerlich in einer Kollision enden würde.
Ohne zu zögern führe ich das verunsicherte Müllvolk in die Rakete. Es bleibt nicht viel Zeit, bis sich der Planet vollends in seine Einzelteile auflöst. Geschäftig hantiere ich mit den leuchtenden Knöpfen und lese Anzeigen ab. Nach etlichen Versuchen und irrtümlich gedrückter Knöpfe hebt die Rakete ruckelnd ab. Unter uns zerbirst das Mülltopia auf den Atmosphären der Erde und verstreut sich über den gesamten Planeten. An der Fensterscheibe der Kapsel drückt sich Klausi die Nase platt.
„Jetzt sieht es da aus wie bei uns zu Hause“, schreit er begeistert.

18:09 und drei Monate später, Schatzi hol die Kinder rein.

Der Weltraummüll verglühte nicht irgendwo zwischen den Magnetfeldern oder in den Atmosphären. Nein, das Material widersetzte sich hartnäckig den physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Reibung und kehrte in katastrophalen Ausmaßen zu seinem Schöpfer zurück. Große, kleine, dicke, dünne Metallplatten, ausrangierte Satelliten, ehemalige Solarflügel und angefressene Shuttlereste prasselten dicht an dicht auf die Erde nieder.
Selbst nach den vergangenen drei Monaten höre ich morgens noch das verräterische Knirschen zur Seite geräumter Blechteile.
Der Zufall oder auch glückliche Fügung ließ die Rettungskapsel meiner Rakete nahe einer Insel im indischen Ozean niedersinken. Von einem wildlebendem Makirudel erfuhr ich schließlich, dass es mich und die Müllmenschen nach Moheli verschlagen hatte. Auf dem vulkanischem Bergrücken der Insel erstreckte sich ein üppiger Regenwald, in dem sich Früchte aller Art verbargen. Zahlreiche Süßwasserquellen speisten die prachtvolle Pflanzenwelt. Dieser Ort schien nur aus einem einzigen Grund zu existieren und zwar, um für Mongozmakis eine besonders angenehme Heimstätte zu sein. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
Vollgefressen sitze ich auf dem unteren Ast eines Urwaldgiganten und lausche dem Geplapper von Klausi. Seine Eltern vergraben wieder einmal das innere der Früchte. Klausi ist vollkommen begeistert von ihrem Tun. Er schildert mir die Form und Größe des Gemüses, das sie in einem Jahr ernten könnten und wie viel es sein wird, wenn sie den Boden gut wässern.
Warum sie sich gerade diese mühselige Art der Nahrungsgewinnung von den eingeborenen Menschen abgucken, erschließt sich mir nicht ganz. Ich ziehe es vor, mein Essen sofort vom Baum zu pflücken, anstatt Drei zu fällen und Einen zu pflanzen, von dem ich das Obst ernte.
Dieses absurde Verhalten ist natürlich nur ein schwacher Abklatsch der Erlebnisse während meiner Weltraumodyssee und erschüttert mich nicht im geringsten. Manchmal vermisse ich sogar das verrückte Gebaren der sogenannten zivilisierten Spezies.
Seit ich in die Freiheit des grünen Dickichts gespült wurde, ist mein einziger Kontakt zur städtischen Menschenwelt ein fast scheintotes Radio. Der Besitzer, ein alter Bauer, stellt in der Abenddämmerung regelmäßig den Nachrichtensender ein.
Durch die moosbewachsenen Zweige sehe ich den alten Mann das Radio schütteln und die Antenne in unnatürliche Positionen zwängen. Aus einem leisen Rauschen formen sich zögerlich klar vernehmbare Worte.
Als schadenfroher Optimist hoffe ich auf ein paar Lacher. Vielleicht wird wieder über die Erfolge der Aufräumtrupps berichtet. Statt der spaßigen Berichte, kündigt der seriöse Tenor des Nachrichtensprechers jedoch eine überaus wichtige Ansprache des mächtigsten Mannes der Welt an.
Die geschwollene Rede einer mir altbekannten Stimme dringt an mein Ohr.
Ich ahne Übles: Christen und Heiden, unsere Welt, wie wir sie heute kennen, ist bedroht. Bedroht von der diabolischen Sonne. Ihre Strahlen der Vernichtung treffen uns mit ungebremster Härte. Doch nach intensiven Gesprächen verabschiedeten wir einen Maßnahmeplan zur Bewältigung des Problems. Ein fähiger Mann wird in den Weltraum fliegen und vor dem brennendem Teufelswerk einen Schutzschild platzieren. Unsere Gebete begleiten ihn.“
Bill John erwähnte nicht, dass der fehlende Weltraummüll vor der Sonne die Ursache der extremen Hitze ist und der Schild aus ein und demselben Schrott bestehen wird, der die Sonne ehemals verdunkelte.
Natürlich nicht.

Röchelnd fährt das Radio fort, belanglose Informationen auszuspucken, während ich mein Fell nach Ungeziefer absuche. Als der Landwirt den stotternden Kasten ausstellt, wienere ich mit der Zunge bereits über meinen Bauch.
„Fährst du den Müll wieder wegbringen?“ fragt mich Klausi plötzlich.
Schreck lass nach, ich hatte nicht daran gedacht, welche Art von fähigen Männern die Menschen bevorzugen. Aber mit mir können sie nicht mehr rechnen.
„Heiße ich etwa Sisyphos?“
Nein, du bist doch Mongozmaki Nummer 08“, belehrt mich der kleine Naseweiß.
„Ganz genau“, antworte ich und lehne mich in freudiger Erwartung zurück.
Morgen erfahre ich dann wahrscheinlich wieder mehr über die Aufräumtrupps. Die, für Andere unbegreiflich, spontan motiviert ans Werk gehen.

 

Hallo vita,
ich bin mir nicht sicher in welche Rubrik die Kg passt...
und deponier sie nach alter Gewohnheit erstmal hier :Pfeif:
Wenn sie deiner Meinung nach woanders besser hinpasst, kann die Kg ja notfalls verschoben werden.

Viele Grüße

A.Merg

 

Hallo A.Merg!

Der Text gehört eindeutig nach SF, ich verschiebe dann mal, okay? ;)

 

Blaine schrieb:
Der Text gehört eindeutig nach SF, ich verschiebe dann mal, okay? ;)
So so, eindeutig also. Aber gut, für diese Geschichte passt wohl "SF-Satire" am besten.

Hallo A. Merg & willkommen in der Ess-, äh, SF-Ecke!

Zunächst: Deine Sprache ist ambitioniert und Du machst das nicht schlecht. Stellenweise gute Wortwahl, die den Protagonisten angemessen darstellt, sehr sympathisch zudem. Nur manchmal rutschst Du ein wenig daneben, ich habe Dir einige Stellen unten aufgezählt, andere musst Du selbst noch finden.
Rechtschreibung und Zeichensetzung sind okay, könnten aber noch besser sein. Schau nochmal durch.

Zum Inhalt: Fand ich richtig gut. Eine gelungene Satire und dabei kurzweilig und witzig zu lesen. Gefehlt hat mir nur eine Erklärung, wie die Leute da hinaufgekommen sind. Ich meine, Menschen entwickeln sich auf einem Müllhaufen ja nicht in Ko-Evolution ... hmm, müssen es eigentlich Menschen sein? Was wäre mit gestrandeten Außerirdischen, intelligenten Kakadus oder kaputten Robotern? Deren Anwesenheit wäre wesentlich leichter zu erklären.

Insgesamt eine gut gelungene SF-Satire mit ganz kleinen, leicht behebbaren Schwächen.

Grüße,
Naut

Liste:

Um so größer ist meine Enttäuschung
hakt der untreue Obstbringer nach
Er hat ja keine Hacke dabei ;)
„Woher weißt du das? Du bist ein Spion. Kein Zivilist kann das wissen.“
Stumm zeigt der Forscher in den finsteren Himmel. Ein nicht zu übersehender Schatten wabert vor der Sonne.
„Ah, ja. Es ist größer geworden. Ja, sieht jeder gut.
Warum duzen sich die beiden plötzlich? Außerdem finde ich die Szene zu dick aufgetragen, wenn man das Teil schon bei Tag gut sieht, sind die Zeitungen & Nachrichten voll davon.
Das Getier auf meiner Haut, krabbelt, im Gegensatz zu mir, frei und ungebunden durch den dichten Felldschungel. Anscheinend fallen die Flöhe, meine treuen Parasiten, unter irgend eine absurde Sonderregelung.
Bin mir unsicher, aber ich denke, in einem modernen Zoo sollten die Lemuren nicht allzu verfloht sein.
Heute noch startet ein fähiger Mann ins All
"In das" klingt ungelenk.
mit dem Auftrag das Monsterding zu vernichten
"Monsterding" klingt nicht authentisch. Insgesamt ist die Rede nicht ganz glaubwürdig. Höre Dir ein paar Reden von G.W. Bush an, er würde vermutlich eher "die widernatürliche Monströsität" (that monstrosity against nature) oder so etwas sagen.
Er erwähnte nicht, dass alle unbemannten Langstreckenraketen während der Ölkriege auf seinen Befehl hin verpulvert worden waren.
Wozu auch? Selbst eine Interkontinentalrakete kann kein Ziel in einem Erd- (geschweige denn Solar-) Orbit ansteuern, weil sie niemals auf Fluchtgeschwindigkeit kommt. Selbst SDI, wenn es denn voll ausgebaut wäre, hülfe da wenig. Die Erde ist, allen Behauptungen von "Independance Day" oder "Armageddon" zum Trotz, nicht für interplanetare "Verteidigung" ausgerüstet.
als ob er sich für seine Aufgabe schäme
gleicht einem schwebenden Planeten
Außerdem: Was ist ein "schwebender" Planet? Schweben ist etwas, das man entweder in der Athmosphäre tut, oder aber im Raum, dann aber nur, wenn es für das bezeichnete Objekt nicht selbstverständlich ist. Schwebender Planet klingt für mich wie "stehendes Haus".
den Worten ach ist der süß begleitet getätschelt
Setz "ach, ist der süß" in lieber Anführungszeichen.
aus dem Sympathiekriegen
Im ersten Moment dachte ich, Du meintest die "Sympathiekriege" :D Seht, das ist Obi Wan Kenobi, Veteran der Sympathiekriege!
Ich denke "Sympathiebekundungen" wäre hier passender.
Aufschrift Here was Jimmy
Auch hier lieber Anführungszeichen. Außerdem muss es "Jimmy was here" heißen.
durchbricht das Magnetfeld des riesigen Schrottklumpens
Entweder sind der Lemur und die Müllbewohner aus Eisen, oder Du meinst an dieser Stelle "Schwerefeld".
zerbirst das Mülltopia auf den Atmosphären der Erde und verstreut sich über den gesamten Planeten. An der Fensterscheibe der Kapsel drückt sich Klausi die Nase platt.
„Jetzt sieht es da aus wie bei uns zu Hause“, schreit er begeistert.
Erstmal ein Lob, dass Du den Müllhaufen zerbröseln lässt. Das ist entweder gut recherchiert, oder Du hast instinktiv etwas sehr richtig gemacht. ;) Und: Was für eine tolle Stelle! :thumbsup: :rotfl:
Als schadenfroher Optimist

 

Ein recht unterhaltsames, tendenziell satirisches Weltraummärchen wird hier brav bis flapsig präsentiert. Recht flott geschrieben, mit (naja, recht simpler) Aussage, ohne den moralischen Zeigefinger allzu heftig zu schwingen. Fraglos wurde hier einer Groteske auf Kosten jeglichen Realismus der Vorzug gegeben, ich würde fast von einem Comic sprechen (Typus: Lustige Taschebücher), denn als glaubwürdige Story geht der Text keinesfalls durch - der Inhalt ist physikalisch vollkommen schwachsinnig und logisch höchst unplausibel. Ich hoffe, dass das niemandem entgangen ist (man weiß ja nie ;) ).
Ein paar sprachliche Stolpersteine stören das Lesevergnügen.

Fazit: sprachlich okay; inhaltlich eine recht amüsante Groteske, die mangels Bösartigkeit nicht im Gedächtnis bleibt.

Uwe
:cool:

 
Zuletzt bearbeitet:

Salut Naut und Uwe Post,

@ Naut:

Zum Inhalt: Fand ich richtig gut. Eine gelungene Satire und dabei kurzweilig und witzig zu lesen.

Dankeschön :D

Gefehlt hat mir nur eine Erklärung, wie die Leute da hinaufgekommen sind. Ich meine, Menschen entwickeln sich auf einem Müllhaufen ja nicht in Ko-Evolution ... hmm, müssen es eigentlich Menschen sein? Was wäre mit gestrandeten Außerirdischen, intelligenten Kakadus oder kaputten Robotern? Deren Anwesenheit wäre wesentlich leichter zu erklären.

Naja da hast du Recht, wie wäre es mit kaputten Kakadurobotern, die einen Hang zur Philosophie der Metaphysik pflegen. Geschaffen von drei gelangweilten, russischen Astronauten?

Insgesamt eine gut gelungene SF-Satire mit ganz kleinen, leicht behebbaren Schwächen.

Zu den Schwächen:

Einige offensichtliche Fehler, die du mir in deiner Liste aufgezeigt hast, habe ich schon korrigiert.

Aber über diese hier muss ich noch etwas Nachgrübeln:

Das Getier auf meiner Haut, krabbelt, im Gegensatz zu mir, frei und ungebunden durch den dichten Felldschungel. Anscheinend fallen die Flöhe, meine treuen Parasiten, unter irgend eine absurde Sonderregelung.

Bin mir unsicher, aber ich denke, in einem modernen Zoo sollten die Lemuren nicht allzu verfloht sein.


Also meine Katze hat sich trotz allem doch den einen oder anderen Floh eingefangen und die ist ein Einzelkind !
Deshalb recherchier ich lieber nochmal was sich Zootiere so alles einfangen können bevor ich die Stelle lösche oder stehen lasse. :google:

Er erwähnte nicht, dass alle unbemannten Langstreckenraketen während der Ölkriege auf seinen Befehl hin verpulvert worden waren.

Er erwähnte nicht, dass alle unbemannten Langstreckenraketen während der Ölkriege auf seinen Befehl hin verpulvert worden waren.

Wozu auch? Selbst eine Interkontinentalrakete kann kein Ziel in einem Erd- (geschweige denn Solar-) Orbit ansteuern, weil sie niemals auf Fluchtgeschwindigkeit kommt. Selbst SDI, wenn es denn voll ausgebaut wäre, hülfe da wenig. Die Erde ist, allen Behauptungen von "Independance Day" oder "Armageddon" zum Trotz, nicht für interplanetare "Verteidigung" ausgerüstet.


Ah ja, keine Ahnug... :Pfeif:
Ich fand der waffenverschwendende, verlogene Politiker gehörte da hin und die Bemerkung passte irgendwie zum Thema.
Nachdem ich den Affen, verzeihung Lemur, in einen Raumanzug steckte, war das für mich der kleinste logische Makel.

mit dem Auftrag das Monsterding zu vernichten

"Monsterding" klingt nicht authentisch. Insgesamt ist die Rede nicht ganz glaubwürdig. Höre Dir ein paar Reden von G.W. Bush an, er würde vermutlich eher "die widernatürliche Monströsität" (that monstrosity against nature) oder so etwas sagen.


Mmh gut, werde es mal versuchen.
-Was man nicht alles tut für die Kunst?

aus dem Sympathiekriegen

Im ersten Moment dachte ich, Du meintest die "Sympathiekriege" Seht, das ist Obi Wan Kenobi, Veteran der Sympathiekriege!
Ich denke "Sympathiebekundungen" wäre hier passender.


Die Sympathiekriege, ein plumpes Wortspiel meinerseits, lasse ich so stehen.
Was würden all die altgedienten Lemuren der Antikuschelbrigade sagen, wenn ich ihr leidvolles Schicksal so mir nichts dir nichts unterschlagen würde? :lol:

Erstmal ein Lob, dass Du den Müllhaufen zerbröseln lässt. Das ist entweder gut recherchiert, oder Du hast instinktiv etwas sehr richtig gemacht. Und: Was für eine tolle Stelle!

Diese Loberei geht ja runter wie Öl. :D

-Recherchiert? Oh ja ich bin ein richtiger Müllkenner. :klug:

@ Uwe Post:

- der Inhalt ist physikalisch vollkommen schwachsinnig und logisch höchst unplausibel

Dankeschön, dann habe ich mein Ziel anscheinend erreicht. :lol:

Fazit: sprachlich okay; inhaltlich eine recht amüsante Groteske, die mangels Bösartigkeit nicht im Gedächtnis bleibt.

Dieses "mangels bösartigkeit" stört mich irgendwie. Ich weiß nicht wie, aber wo ist denn meine Axt? :baddevil:


Viele Grüße
A.Merg

 

Noch ein Hinweis an alle, die denken, dass sich die Kg wie ein Comic liest.

Ich habe ganz spontan eine zu der Geschichte passende Zeichnung in mein Profilbild gesetzt. :p


Viele Grüße
A.Merg

 

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