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Kreide, Zeit und Eisen
"Habe ich Sie in den letzten Monaten jemals enttäuscht?"
Frau Schrot vom Sekretariat der Universität Münster wirkte fast beleidigt. Dabei wollte Professor Josef Zarner nur wissen, warum er diesen Brief persönlich abholen sollte, obwohl seine Post doch seit seiner Emeritierung zu ihm nach Hause weitergeleitet wurde.
Nur dreimal seitdem ist er ins Büro gebeten worden. Offiziell sollte er den Empfang quittieren; insgeheim dachte er aber, Frau Schrot wollte einfach nur das Erstaunen in seinem Gesicht sehen. Das erste Mal war es eine Einladung zu einem Fernsehinterview gewesen. Dann ein Angebot für ein Buch, das er hätte schreiben sollen und nun dies.
Er hielt den ungeöffneten Brief vor sich und versuchte, den Inhalt zu erraten.
Unverfängliches, einfaches Couvert, weißes Briefpapier, abgestempelt im Briefzentrum Hamburg-Süd.
Warum Frau Schrot diesen Brief als wichtig erachtete, konnte der Professor nicht erkennen.
Er ging in die Caféteria im Gebäude gegenüber und nahm sich einen Moment mit seinem Kräutertee.
Dabei dachte er an all die anderen Briefe, Postkarten und Päckchen, die er im Laufe der letzten Jahre seit dem Fund bekommen hatte.
Einige waren plump und ordinär, andere elegant und voller Witz.
Er ist beschimpft worden oder die Schreiber hatten versuchten, in ihren Augen vernünftige Argumente zu finden. Entweder, warum seine Schlussfolgerungen falsch wären, warum er seine Forschungen in eine bestimmte Richtung hätte lenken müssen oder warum der Schreiber "es" doch schon immer gewusst hätte.
Andere Briefe quollen über vor Zitaten aus Bibel, Quran, Veden, Nostradamus' Prophezeiungen, Erinnerungen aus Atlantis und vergleichbaren Quellen.
Und dann haben natürlich auch die Hobbyarchäologen und Esoteriker geschrieben. Die hatten ihn hochleben lassen und konnten mit ihren eigenen Überzeugungen nicht hinter dem Berg halten. In einem Brief hatte der Verfasser gar behauptet, selbst von der Wega zu stammen und ihn gebeten, seine Forschungen einzustellen: Sie würden die Entwicklung der Menschheit behindern.
Daneben waren auch Zeitreise-Theorien, Aliens und natürlich Atlantis oder Mu sehr beliebt.
Als Professor für Archäologie und Altertumsforschung wusste er, wie vorschnell Schlussfolgerungen sein konnten und wie selten Fundstücke oder gar Fossilien tatsächlich gefunden wurden. Er wusste, dass die Geschichte der Erde keineswegs bis ins kleinste Detail erforscht war. Und vor allem, dass noch niemand wusste, was seine Funde wirklich bedeuteten.
Mittlerweile war ein kleines Büro eingerichtet worden, das die Schreiben bearbeitete:
Briefe wurden beantwortet, Infobroschüren wurden versandt, Drohungen an die Polizei weitergeleitet und jedes Schreiben fand seinen Weg in Statistik und Archiv.
Nun zögerte er, diesen einen Brief zu öffnen.
Die Zeitung, die noch auf dem Tisch lag, schob er beiseite. Irgendein Finanzskandal eines Königshauses erschütterte mal wieder die EU, Aufnahmen von einem Kometen, der von der Gravitation des Jupiters in Stücke gerissen wurde und ein Comic. Von dem Kometen wurde angenommen, er würde vom Jupiter eingefangen und später auf ihn stürzen. Das wäre das zweite derartige Ereignis innerhalb von 30 Jahren und wurde als möglicherweise großartiges Schauspiel gefeiert.
Beim Betrachten des Briefes kamen mal wieder die alten Erinnerungen hoch.
* * *
Drei Jahre war es her, dass der alles verändernde Anruf kam.
"Josef, kannst Du nach Leipzig fahren und Dir da etwas anschauen?" Karl Münzel, Vorsitzender des Instituts für Klassische und Frühchristliche Archäologie seiner Universität, bat ihn, sich einen Fund in einer Braunkohlegrube anzusehen.
Mitarbeiter im Braunkohleabbau von Schleenhain hatten einen Fund an das Landesamt für Denkmalpflege gemeldet und diese Meldung ist nach Münster weitergeleitet worden.
Also ließ Prof. Zarner seine aktuellen Arbeiten liegen und reiste in die Braunkohlegrube, etwa 20 km südlich von Leipzig. Er freute sich auf die Grube, denn schon immer fand er die mächtigen Schaufelradbagger faszinierend, die der Erde mit ihren riesigen Kreisschaufeln die Braunkohle entrissen. Er sah sich schon vor einem dieser Giganten stehen und Fotos machen.
Freilich geht bei einem solchen Abbau jedes Zeugnis der Vergangenheit verloren und der mangelnde Feinsinn lässt jeden Archäologen erschauern. Aber eben diese Gewalt ist auch außerordentlich anziehend, wenn man monate- oder gar jahrelang in einer Lehmkuhle sitzt und mit Zahnstocher, Pinsel und Blasebalg bewaffnet Sandkorn für Sandkorn entfernt.
Als er beim Tagebau ankam, wurde er bereits erwartet. Der Pressesprecher und der Mann, der den Fund gemacht hatte, führten ihn in einen vorbereiteten Raum. Jan Haas hieß der Finder und er beschrieb, was geschehen war:
"Als ich meinen routinemäßigen Kontrollgang über die Förderbänder machte, da sah ich eine von diesen Kugeln im Abraum. Hab es erst für einen Stein gehalten, aber die schimmerte irgendwie metallisch.
Wir finden allerhand in der Kohle, müssen Sie wissen. Manchmal Bäume, die noch nicht verkohlt sind. Steine sind selten, aber Metall war noch nie drinnen. Dann fielen mir die Bombenangriffe im zweiten Weltkrieg ein, vielleicht war die ja noch scharf. Da hab ich dann die Maschine gestoppt und meinen Chef angerufen."
An der Stelle übernahm der Pressesprecher.
Er begann damit, wie wichtig der Grube der Kontakt mit der Bevölkerung sei und dass sie sich immer freuten, der Öffentlichkeit mehr geben zu können als Energie und Arbeitsplätze.
Damit wies er auf einen Tisch in der Nähe, auf dem das Fundstück lag. Zarner hob es vor seine Augen und drehte es langsam. Es war etwa so groß wie ein Tennisball und überraschend schwer. Die Kugel roch nach Erde, Metall und Kohle. Die größtenteils rostrote Oberfläche war unangenehm rau, pockennarbig und kalt. An einigen Stellen schimmerte frech das Metall hervor. Erde und Sand waren grob entfernt worden.
"Haben Sie noch mehr davon gefunden?"
"Aber ja", kam von Schmenkhauer. "Wir haben 13 Kugeln gefunden. Alle von unterschiedlicher Größe, aber im Grunde genau wie die da", und zeigte auf die Kugel in Zarners Hand. Dann holte er zu einem Vortrag aus, dass an der Fundstelle nicht weiter gearbeitet würde und wie sehr der Geschäftsleitung an der Zusammenarbeit mit den Behörden läge.
"Was halten Sie davon, Herr Professor?", kam es aus Haas' Mund.
Aufmerksam betrachtete Zarner das Objekt und sagte, ohne darauf zu antworten: "Können Sie mir zeigen, wo Sie es gefunden haben?"
Ein Geländewagen brachte die drei zu der Fundstelle in der Grube. Zum Gefallen hielten sie kurz vor einem Schaufelradbagger außer Betrieb und der Pressesprecher machte ein Foto mit dem Professor und Jan Haas.
Als sie an der Stelle ankamen, staunte Prof. Zarner immer noch über die Ausmaße. Viele Meter reichte der Hang in die Höhe, an dem der Schaufelradbagger sich durch die Erde gefressen hatte.
"Ungefähr in der Höhe haben wir gegraben, als wir die Kugeln fanden." Haas wies auf einen Bereich zwischen zwei und vier Metern über dem Boden in der Wand.
Alle drei traten näher an den Hang und schauten ein wenig hilflos darauf herum. Schließlich nickte Zarner: "Ich weiß leider nicht, was das für Kugeln sind. Vermutlich sind sie etwa zwei- oder dreihundert Jahre alt. Möglicherweise älter, wenn sie im Torf lagen. Wäre interessant, wie sie in diese Tiefe kommen und ob da noch etwas anderes ist. Ich vermute aber, am wahrscheinlichsten sind es Kanonenkugeln, die bei den Arbeiten von weiter oben heruntergefallen sind. Vielleicht von der Völkerschlacht oder aus dem Dreißigjährigen Krieg." Als er das aussprach, trat in Jan Haas' Augen ein stolzes Leuchten, immerhin hatte er diesen "interessanten Fund" gemacht.
Zarner dagegen quälten die Gedanken, was wohl schon alles verloren war. Was in den Schmelzöfen verfeuert worden ist und nun als Schlacke irgendwo herumlag. Andererseits hätte man diese Kugeln ohne den Tagebau wohl nie gefunden.
Er bat um ein paar Tage, einige der Kugeln sowie ein paar Eimer Erde zu untersuchen. Außerdem sollte die Stelle vor Veränderung geschützt werden.
* * *
Drei Wochen später lagen die Untersuchungsergebnisse vor. Das Labor untersuchte den genauen Aufbau, maß Einschlüsse und prüfte die Kugeln und die mitgebrachte Erde zur Altersbestimmung auf radioaktive Isotope.
Die Ergebnisse waren erstaunlich.
Diese Kugeln waren definitiv keine Kanonenkugeln. Welchem Zweck sie sonst gedient haben mochten, war vollkommen unklar. Sie bestanden zu 99,6% aus reinem Eisen, der Rest waren Phosphor, Kohlenstoff und andere Spurenelemente. Kein Nickel, also konnte Meteoriteneisen ausgeschlossen werden. Eine solch hohe Reinheit ist erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts möglich und das warf wiederum die Frage auf, wie die Kugeln in diese Tiefe kamen. Denn die Verschmutzungen der Kugeln waren mit Sicherheit aus den tiefen Erdschichten. Eine Verschmutzung während der Abbauarbeiten konnte ausgeschlossen werden, dafür war der Dreck zu tief in die Narben gedrückt und mit dem Rost verzahnt.
Zwei weitere Überraschungen folgten.
Die Kugeln wiesen Reste von Blei auf, das die Kugel einst umschlossen haben könnte. Damit hatte man es nicht mehr einfach mit einer Eisenkugel zu tun, sondern mit einem Objekt, das relativ eindeutig künstlich hergestellt worden ist. Schließlich ist kein natürlicher Prozess vorstellbar, der Kugeln fast reinen Eisens bildet und diese mit einer Bleischicht überzieht.
Der Theorie des Menschengemachten allerdings widersprach die Datierung. Die Messungen radioaktiver Isotope in Eisen, Blei und dem umgebenden Material wiesen ein Alter von 62 bis 69 Millionen Jahren nach. Dass sie überhaupt diese Zeit überdauert hatten, war erstaunlich. Die Bleischicht, eine dünne Rostschicht und schließlich die Sauerstoffarmut im Boden müssen ein vollständiges Zersetzen verhindert haben.
Das Fazit der Kollegen war elektrisierend, aber gemahnte auch zur Vorsicht: "Entweder haben wir hier etwas wirklich Aufregendes vorliegen, einen großen Irrtum oder das Ergebnis eines sehr gewieften Witzboldes."
* * *
Der Antrag auf Feldforschung wurde relativ zügig bearbeitet und schon im Oktober des selben Jahres konnten erste Ausgrabungen beginnen. Zunächst ging es nur darum, die Funde zu bestätigen und wegen des großen Aufwandes zu prüfen, ob sich weitere Forschung hier lohnte.
Neben Prof. Zarner war auch Dr. Judith Fuchs mit einer Handvoll ihrer Studenten vor Ort. Die Gerüchte aus den Labors erzeugten die Aura eines Abenteuers, dem die Studenten beiwohnen konnten. Dr. Fuchs war abgebrühter und wollte vor allem eine Referenz mit Prof. Zarner in ihrer Vita haben. Sie schaute zu Zarner auf, was dieser sehr genoss.
Sie war Paläobiologin und befasste sich hauptsächlich mit dem frühen Känozoikum, dem Aufstieg der Säugetiere. Also die Zeit nach dem Meteoriteneinschlag, der die Ära der Dinosaurier beendet hatte. Hauptsächlich wurde sie wegen des geschätzten Alters um Hilfe gebeten, denn die vermutete Tiefe und die vorläufigen Datierungen deuteten eine zeitliche Nähe zum großen Einschlag an und damit lag dieser Fund möglicherweise innerhalb ihres Fachgebiets oder ein wenig früher.
Als sie die Ausgrabungsstätte zum ersten Mal sah, wurde sie noch blasser, als sie ohnehin schon war: Sie befanden sich an der Unterkante einer etwa vierzehn Meter starken Braunkohleschicht. Aus ihrer Erfahrung wusste sie, dass man eigentlich alles darüber mit abtragen musste, um den geschichtlichen Zusammenhang rekonstruieren zu können. Das kam in diesem Fall aber nicht in Frage, es würde für den Zweck der Relevanzeinschätzung viel zu lange dauern. So einigte man sich darauf, vier horizontale Stollen in das Erdreich zu graben und zu schauen, was man fand. Das Angebot von Jan Haas, mit einem kleinen Bagger zu helfen, wurde dankend abgelehnt.
Gegen Ende der zweiten Woche kam eine Studentin von Dr. Fuchs in den von der Grube zur Verfügung gestellten Bürocontainer, der unweit der Stollen stand. Ihre Hose und Stiefel waren dreckverschmiert und trotz ihrer zur Schau gestellten Coolness konnte sie ihre Aufregung kaum verbergen.
"Herr Professor, Frau Doktor. Ich glaube, ich habe etwas gefunden. Nach drei Metern liegen Kugeln verschiedener Größe. Sie ähneln sehr den Referenzen. Und da ist noch etwas Anderes. Vielleicht wollen Sie sich das selbst ansehen?"
Beide sprangen auf und folgten der Studentin zur Grabung. Der Stolleneingang war mit Zeltplanen überdacht, um Regen und Sonne abzuhalten. Im Hintergrund war das Brummen des Stromgenerators und der Lärm des restlichen Tagebaus zu hören. Der Stollen selbst hatte eine Höhe von zwei Metern und eine Breite von etwas über 1,30 Metern, so konnte eine Person auch mit Werkzeug einigermaßen komfortabel hindurchgehen. Links und rechts stützten Streben die Stahlplatten, die ein Abrutschen der Decke verhinderten. LED-Scheinwerfer erhellten das Stolleninnere, denn schon in zwei Metern Tiefe verschluckten die Wände das meiste Licht und es drang nur sehr wenig des strahlenden Sonnenscheins bis hierher.
Am Ende des Stollens war die Erde zu einem flachen Tisch in Kniehöhe abgetragen. Beim Graben wurde immer zunächst ein Teil an der Oberkante der vor ihnen liegenden Wand herausgeschnitten und durchsucht. Dann arbeitete man sich von dieser Lücke seitwärts bis zur Wand, so dass sich eine Stufe ergab. Diese Stufe wurde dann Zentimeter für Zentimeter abwärts fortgekratzt, bis der Boden erreicht war. Dann ging es wieder von vorn los. Gelegentlich wurde zu dritt eine weitere Stahlplatte zur Absicherung an der Decke positioniert und abgestützt.
Aus der Fläche schauten bereits drei verkrustete Kugeln aus dem Boden. Eine mit den Ausmaßen eines Tennisballs, die beiden anderen etwa halb so groß. Im Boden steckte noch ein Gegenstand, der nicht ganz zu erkennen war. Aber eine Kugel war es nicht. Dr. Fuchs ließ sich Pinsel und Spitzkelle geben und machte sich an die Arbeit. Die beiden anderen verließen den Stollen, um genügend Licht und Sauerstoff zu lassen.
Nach einer viertel Stunde kam sie etwas atemlos aus dem Stollen und hatte zwei Gegenstände auf der flachen Hand liegen. Es waren ein Ring und ein zu einer acht verdrehter, weiterer Ring. Beide waren gleich groß und eindeutig Artefakte.
"Ich war so frei, diesen Fund in den Plan einzutragen. Schauen Sie sich das an, eindeutig menschlich. Aber es lag unter der Kohle, in Schichten vor oder während des Einschlags. Wie kommt es hier herunter? Diese Schichten sind weit vor dem Menschen entstanden."
"Könnten sie hindurch gesickert sein? Wenn es hier einen Sumpf gab, meine ich." Die Studentin wirkte etwas schüchtern, als sie das fragte. Eigentlich kannte sie die Antwort.
"Ich will nichts ausschließen, aber normalerweise kann so etwas nicht passieren. Ein metertiefer Sumpf wird zu einer dünnen Schicht dieser Kohle komprimiert. Wenn überhaupt, dann hätten sie an der Oberkante sein müssen." Sie schaute zum vierzehn Meter weiter oben liegende Ende der Kohleschicht.
"Wir müssen diese Ringe untersuchen, ob sie die gleichen Eigenschaften aufweisen wie die Kugeln."
Nach diesem Fund ging es Schlag auf Schlag. Es war gerade so, als hätten sie sich durch eine leere Stelle gegraben, um nun fündig zu werden.
Die Funde wurden sofort in einen digitalen Grabungsplan eingetragen, der alle Erdschichten, Auffälligkeiten des Bodens und natürlich die Funde selbst als Marker in einem 3D-Raster darstellte. Einmal in der Woche überbrachte ein Kurier die Fundstücke an das Institut. Dort wurden sie gründlich gereinigt, in einem 3D-Scanner digitalisiert und im Grabungsplan, anstelle der Markierung, in der korrekten Ausrichtung eingefügt. Der Grabungsplan vor Ort wurde immer nachts mit dem Plan im Institut synchronisiert. So wussten die Mitarbeiter in Münster jeden Morgen von den Funden des Vortages. Und in der Grube standen die zusätzlichen Informationen zu chemischer Zusammensetzung, Masse, Oberflächenstruktur, geschätztem Alter, Besonderheiten und so weiter tagesaktuell zur Verfügung. Jeder der Beteiligten konnte dazu Notizen vermerken, Fundstücke miteinander in Beziehung setzen, auffällige Formationen hervorheben und vieles mehr.
Außerdem erleichterte die 3D-Darstellung eine Interpretation erheblich.
Im November hatten sie die Stollen bis auf die geplante Tiefe von zwölf Metern voran getrieben. Zusätzliche drei Stollen brachten vergleichbare Funde zu Tage. Dann musste die Grabung eingestellt werden.
Die geplante Zeit war abgelaufen, außerdem wurde es allmählich zu kalt und zu windig.
* * *
Nach der aufregenden und anstrengenden Feldarbeit erwarteten Prof. Zarner und Dr. Fuchs die Aufarbeitung des Gefundenen.
Die bis dahin bekannten Fakten waren:
Die Verteilung der Funde war nicht zufällig, sie waren immer konzentriert angeordnet. Es wirkte, als läge der Anordnung ein Muster zugrunde. Eines, das noch nicht verstanden wurde, aber erkennbar war.
Die Liste der Fundstücke war lang und vielfältig, kein einziges Stück konnte mit Bekanntem in Verbindung gebracht werden. Alle Stücke wurden knapp unterhalb der Kohleschicht gefunden. Die Datierung war mittlerweile genauer und das Alter wurde auf 66,5 - 67 Mio. Jahre geschätzt. Sie waren also knapp vor oder während des vernichtenden Meteoriteneinschlags und seiner Auswirkungen entstanden. Bis auf wenige Ausnahmen bestanden sie aus hochreinem Eisen, das ursprünglich mit einer wenige Millimeter dicken Bleischicht umgeben war. Das Blei war größtenteils im Laufe der Zeit abgeschabt worden und das Eisen war oberflächlich teilweise verrostet.
Es gab die schon bekannten Kugeln von der Größe eines Tischtennisballs bis zum Handball.
Daneben wurden Stangen und Bolzen in verschiedenen Dicken und Längen gefunden.
Aufsehenerregend waren Schalen und Becher. Diese waren mittlerweile von Verunreinigungen befreit und klar als Gefäße erkennbar. Sie waren gleichmäßig geformt, wenn man von den Deformierungen durch die Jahrmillionen absah.
Ringe, vier bis acht Zentimeter im Außendurchmesser, das Material etwa fünf Millimeter stark. Neben den normalen Ringen wurden andere gefunden, die so verdreht waren, dass sie die Form einer Acht zeigten. Alle Ringe waren durch den enormen Druck deformiert, aber die ursprüngliche Form ließ sich, wie bei allen Stücken, gut erkennen.
Eine Kette, bestehend aus drei Kettengliedern. Das erste und das letzte Kettenglied waren in der äußeren Biegung geborsten oder verrostet, weswegen die Kette nur drei Glieder hatte. Ein weiteres Kettenglied wurde in unmittelbarer Nähe gefunden. Die vier Glieder waren im Ganzen 33 Zentimeter lang.
Ein Stück, das "Hammerkopf" genannt wurde. Es handelte sich um ein Stück Eisen, das frappierend an einen Hammerkopf erinnerte, nur anstelle des Loches war eine Verjüngung in der Mitte des Materials. So, als wäre das Objekt irgendwo festgebunden gewesen. Die Idee, dass es sich tatsächlich um einen Hammer handelte, war sehr beliebt. Schließlich ist es ein so grundsätzliches Werkzeug, dass wohl jede Kultur einen solchen benutzt haben musste.
Daneben gab es auffällige, quaderförmige Steine. Mineralogische Analysen zeigten, dass einige dieser Steine aus Kilometern entfernt liegenden Gegenden stammten. Die künstliche Bearbeitung war noch nicht gesichert, wurde aber allgemein angenommen.
Und dann war da noch der Fund, der später die Gerüchte anheizen sollte, Menschen hätten doch Dinosaurier gejagt: eine kleine Ansammlung fossiler Knochen. Als diese gefunden wurden, freute sich besonders Dr. Fuchs, denn damit war sie wieder in ihrem eigentlichen Element. Doch die Ergebnisse der Untersuchungen waren verwirrend. Bei den Knochen handelte es sich um einige Wirbel, Rippen und Fingerknochen einer bislang unbekannten Saurierart. Ein neuer Vertreter der Coelurosauria; also jener Arten, aus denen später die Vögel hervorgingen. Das hätte sie eigentlich vor Freude springen lassen sollen, dieses Mal aber vertieften sie das Rätsel nur noch. Denn eigentlich hatte sie gehofft, dank der Beutetiere dieser Kultur die Zeit eingrenzen zu können.
Sie ging alle Möglichkeiten durch, um diesen Fund auf orthodoxe Weise zu erklären:
Hatte sich hier doch jemand einen schlechten und zudem immens aufwendigen Scherz erlaubt? Ausgeschlossen, sie hatten sehr vorsichtig und nach allen Regeln der Kunst gearbeitet. Allein die Tiefe und das darüberliegende Material schlossen ein Einwirken in jüngerer Zeit aus.
Hatten Menschen doch Dinosaurier gejagt? Sind alle Annahmen über das Alter der Menschen falsch? Nein, die Evidenzen für die Richtigkeit der Theorien zur Menschwerdung waren erdrückend und ließen einen solch großen Irrtum nicht zu. Es ging immerhin um einen Unterschied von vielen Millionen Jahren.
Gab es unerkannte Bewegungen im Gestein, die die Fundstücke durcheinander brachten? Eine Anfrage in der Geologischen Fakultät zeigte bald, dass die Gegend zu stabil für eine solche Annahme war.
Sind die Stücke vielleicht doch versunken? Auch die Antwort darauf fiel ernüchternd aus: Die Braunkohleschichten waren schon viele Meter dick und fest, als der Mensch sich auf den Weg nach Europa machte. Nichts hätte da hindurch sickern können.
Damit war sie mit ihrem Latein am Ende.
Jeder der Beteiligten trug sich mit ähnlichen Gedanken, niemand hatte befriedigende Antworten auf die Fragen.
Sie kamen nicht weiter.
An einem Morgen, nachdem der Professor sich mit einem Freund beratschlagt hatte, fiel die Entscheidung: Er würde alle sicheren Fakten veröffentlichen und seinen Mitarbeitern grünes Licht geben, in der Öffentlichkeit darüber zu reden. Aber er nahm von jedem Einzelnen das Versprechen ab, bei den Fakten zu bleiben. Niemand sollte sich an Ratespielen beteiligen. Und falls Spekulationen aufkamen, sollten diese durch harte Fakten geprüft werden.
Jeder stimmte zu, denn alle erhofften sich von diesem Schritt Erkenntnisse, die das Geheimnis lüften halfen. Niemand rechnete mit der Reaktion, die folgte.
* * *
Dr. Fuchs und Prof. Zarner schrieben gemeinsam den Aufsatz, der möglichst kurz und präzise darlegen sollte, was sie gefunden hatten. Er sollte die internationale Paläowissenschaft anregen, an der Lösung des Rätsels mitzuwirken.
"Im Sommer 2016 wurden in einem Braunkohletagebaugebiet in 15 Metern Tiefe unter den Braunkohleschichten möglicherweise interessante Funde gemacht (Fundliste im Appendix). Die Fundtiefe, der stratigraphische Aufbau und radiologische Untersuchungen sowohl der Fundstücke, als auch der Umgebung, deuten auf ein Alter von 66,5 bis 67 Mio. Jahren hin. Die Herkunft ist ungeklärt.
Formen und Fundmuster weisen keine Ähnlichkeiten zu bekannten Kulturen auf …"
Die beiden hatten den Artikel so sachlich verfasst, wie es ihnen nur möglich war. Sie hatten nichts verschwiegen, auch die Knochen wurden erwähnt - wenn auch in einem Nebensatz, da ihnen die Brisanz dieses Details nur zu bewusst war.
Der Aufsatz wurde in wenigen Fachpublikationen und auf der Webseite der Universität veröffentlicht, wo die Leser ihm nur wenig Bedeutung gaben. Es geschah relativ häufig, dass etwas vermeintlich Bahnbrechendes sich später als schlichter Interpretationsfehler erwies. Dieser Fall schien zu haarsträubend, der Fehler würde bestimmt bald gefunden werden.
Es dauerte ein paar Wochen, dann fand ein junger Wissenschaftsjournalist den Aufsatz und fand ihn interessant genug, einen Artikel darüber zu verfassen und diesen verschiedenen Zeitungen, populärwissenschaftlichen Blättern und Webseiten anzubieten.
Die Reaktionen waren anfangs verhalten. Erst, als ein renommiertes Blatt den Artikel auf seine Webseite nahm, überschlugen sich die Reaktionen. Nicht nur Wissenschaftsblätter, auch Tageszeitungen, Archäologieclubs, scheinbar jeder interessierte sich für diesen Artikel.
Schon am nächsten Tag war auf einem bemerkenswerten Teil der Tageszeitungen in Mitteleuropa als Leitartikel, oder zumindest sehr prominent, eine Bearbeitung des Artikels zu finden. Am darauffolgenden Tag auch in Nord- uind Mittelamerika sowie in Japan. Die Social-Media-Plattformen verbreiteten die Geschichte in Windeseile um die ganze Welt.
Die meisten Schreiber schienen sich auf wenige Hinweise zu stützen und daraus eine reißerische Geschichte zu formen, die das Bild in der Öffentlichkeit prägte. Gern wurden die Artikel von großformatigen Illustrationen begleitet, die Menschen auf Dinosaurierjagd oder anders herum zeigten. Die meisten Überschriften waren Variationen von:
"Menschheit Millionen Jahre älter als gedacht!", "Neue menschliche Art gefunden!" oder "Haben wir doch Dinosaurier gejagt?".
* * *
"Jetzt Karl, wann sonst? Jetzt haben wir die öffentliche Aufmerksamkeit und können Gelder für weitere Grabungen beantragen. Allein das öffentliche Interesse wird dafür sorgen, dass wir herausfinden können, was da wirklich ist."
Am Morgen der ersten Berichte in Tageszeitungen hatte Karl Münzel, der den Professor ursprünglich nach Leipzig geschickt hatte, diesen in sein Büro gebeten. Hier versuchte Zarner nun, Geld für weitere Forschungen und Grabungen zu erhalten.
Beide Männer waren sich einig, dass hinter den verwirrenden Funden nichts anderes steckte als ein bisher unbekanntes Phänomen. Und niemand teilte die Meinungen der Massen, die seit diesem Morgen die E-Mail-Postfächer der Universität, des Professors und auch die der anderen Mitarbeiter fluteten. Münzel hatte ein paar der E-Mails ausgedruckt und las vor:
"Ich komme gleich zu Sache: Ich hab ähnliche Funde in der Kiesgrube nahe von unserm Dorf gemacht. Sie sind wie die Bilder und Beschreibungen aus der Zeitung und ich biete sie ihnen für 2000 Euro pro Kilogram an. Im Anhang finden Sie Bilder …"
"Guten Tag,
ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich die Entwicklung der Wissenschaft hin zu wahrem Wissen erfreut. Endlich kommen Sie der Wahrheit auf die Spur und schon bald ist der Beweis für das Intelligent Design erbracht. …"
"Jenes Volk hat den Sündenfall begangen und Gott hat sie mit dem Meteoriten bestraft. Büßet und klaget, denn auch Ihr werdet untergehen. …"
Und so weiter und so fort.
"Josef, ich habe nur ein paar ausgedruckt, um einen Querschnitt zu erhalten. Die Schlimmsten habe ich direkt gelöscht", er fuhr sich mit einer Hand übers Kinn. "Hör zu, wir haben zwar eine Öffentlichkeit. Aber das Einzige, was die wollen, ist uns entweder scheitern sehen oder einen Beweis gegen die Evolution. Wir bekommen eine solch aufwendige Suche einfach nicht finanziert."
Münzel wirkte ehrlich niedergeschlagen und fuhr fort: "Es müssten zunächst Tonnen von Kohle entfernt werden, bevor wir überhaupt anfangen könnten … Die Wahrheit ist: wir bekommen einfach nicht genügend Geld bewilligt, solange wir nur den Ursprung von ein paar Metallklumpen suchen. Außerdem ist die öffentliche Meinung nicht gerade förderlich, niemand will esoterische Forschung fördern."
"Was kann denn ich für die Presse! Unser Aufsatz ist fundiert und zeigt den Stand der Forschung. Es könnte unser Weltbild revolutionieren oder zumindest eine unbekanntes Phänomen aufdecken, wir müssen dem nachgehen."
"Oder es könnte sich als Riesenirrtum herausstellen! Ach Josef, niemand macht Dir einen Vorwurf. Ich will doch selbst wissen, was Ihr da gefunden habt und habe den Schritt an die Öffentlichkeit befürwortet. Aber wir bekommen weitere Forschung einfach nicht finanziert. Es ist schlicht zu teuer."
Der Professor fühlte sich unwohl. Er war mitverantwortlich für diese Aufregung. Andererseits erwartete er noch weit Aufregenderes, wenn weiter gesucht wurde. "Das gibt sich wieder", versuchte er, zu beruhigen: "Aber wir müssen dort weiter graben. Was, wenn es doch …", er unterbrach sich schnell. Münzel beäugte ihn kurz und fuhr dann fort.
"Erst einmal habe ich den Fundort als archäologisch wertvoll deklariert. Damit sind Veränderungen untersagt und wir müssen nicht befürchten, dass unwiederbringliche Beweise in den Schmelzofen wandern."
Am Ende des Gesprächs war es klar: Es gab innerhalb der nächsten Jahre keine aus öffentlicher Hand finanzierte Grabung im notwendigen Umfang. Die Fundstelle war weiterhin geschützt, auch wenn sich das Kohleunternehmen mit allen Mitteln dagegen gewehrt hatte. Und Prof. Zarner hatte sich mit den bisherigen Funden zufrieden zu geben.
* * *
Er erwachte wieder aus den Erinnerungen und starrte auf den formlosen Brief in der Hand, von dem die Sekretärin Frau Schrot meinte, der hätte was.
Er riss ihn auf und ein dezentes, professionell wirkendes Briefpapier empfing ihn. Seitliche Infospalte mit mehreren internationalen Anschriften, Web-Adresse, soziale Netzwerke, Telefonnummern, Kontoverbindungen, Gerichtssitz, etc.
"Sehr geehrter Herr Professor Zarner,
mein Name ist Susanne Piecek. Ich bin Sprecherin der Gruppe Science For People (SfP).
Unser Hauptanliegen ist es, den Dialog zwischen der Wissenschaftswelt und dem interessierten Bürger zu intensivieren. Im Fokus liegt dabei jene Forschung, die es im normalen wissenschaftlichen Alltag schwer hat. Falls Sie Genaueres lesen möchten, empfehle ich Ihnen unsere Webseite www.science-for-people.com.
Ich schreibe Ihnen, weil Ihre Arbeit für erheblichen Wirbel, auch in unseren Reihen, gesorgt hat. Wir sind der Überzeugung, dass Ihre Forschung unbedingt fortgeführt werden muss, um die wirklichen Hintergründe zu finden.
Wir wissen aus sicherer Quelle, dass eine weitere Grabung nicht ausreichend finanziert werden würde.
Daher bieten wir Ihnen an, die Finanzierung Ihrer Arbeit abzusichern. Wir haben unter unseren Mitgliedern einige äußerst finanzstarke und neugierige Menschen, was uns einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Spielraum gibt.
Wir bieten Ihnen an, die offenen Kosten für den Kauf eines beträchtlichen Teiles des Geländes, sowie für Personal-, Material- und Transportkosten zu tragen. Mit der Landesregierung und dem Tagebauunternehmen sind wir bereits im Gespräch und sind zuversichtlich.
Sollten Sie an unserem Angebot Interesse haben, rufen Sie mich einfach an.
Mit freundlichem Gruß
Susanne Piecek"
Erst als die Teetasse, die er unbemerkt zur Seite schob, am Boden zerschellte, erwachte er wieder aus seinem Staunen.
Die Zeitung fiel darauf und saugte sich mit dem Tee zu einem hässlichen Papiermatsch voll.
* * *
Zweieinhalb Jahre nach dem Brief saßen Professor Zarner und Dr. Fuchs mit einigen Studenten und Doktoranden im selben Bürocontainer, in dem sie schon fünf Jahre zuvor gesessen hatten.
Beim Treffen mit Science for People hatte sich herausgestellt, dass die Gruppe tatsächlich nur die Finanzierung sichern wollte und keine von Prof. Zarners medienverdorbenen Fantasien wahr wurden. Die wissenschaftliche Unabhängigkeit und die schnelle, uneingeschränkte Veröffentlichung waren die Gegenleistungen für die Unterstützung.
Damit hatte er seinem früheren Team und vielen Neuen ruhigen Gewissens gut bezahlte Stellen anbieten können, was die meisten gern angenommen hatten.
Der Braunkohlegrube Schleenhain ist die Fundstelle samt der umgebenden Fläche von 700*700 Metern abgekauft worden. Sie hatten sogar einen guten Preis bekommen, da der Vertrag beinhaltete, die gesamte gefundene Braunkohle an das Förderunternehmen abzuführen.
Zunächst wurde durch magnetoskopische Untersuchungen und Sonarmessungen geprüft, ob der große Aufwand gerechtfertigt war. Die Ergebnisse waren erwartungsgemäß positiv und schließlich wurde die Freilegung des Geländes beschlossen. Bei diesen Arbeiten zeigte sich die beeindruckende finanzielle Potenz der Gruppe Science For People. Über der Fundstelle, auf dem bislang unberührten Boden, wurden zwei 700 Meter lange Schienen parallel in 650 Metern Entfernung voneinander in Fundamenten fixiert. Ein flacher Bogen spannte sich von einer Schiene zur anderen. Dieser Bogen konnte motorisiert über die Schienen geführt werden und so ergab sich die gigantische Version eines Portalkrans. An dem Bogen wurde ein zehn Meter breites Schabeisen mit großer Präzision über den Boden geführt, das abgeschabte Material wurde über ein Förderband an die Betreibergesellschaft der Grube abgeführt. Auf den frisch abgeschabten Bahnen liefen einige Mitarbeiter über die Kohle und schauten, ob sich etwas Unerwartetes fand. Auf diese Weise wurde die Kohle zügig aber vorsichtig entfernt. In der Braunkohle wurde nichts Aufregendes gefunden, nur einige Holzreste bestätigten den normalen, zeitlichen Ablauf der Ablagerungen.
Was auch immer dort unten gefunden worden ist, es hat den Dinokiller nicht überlebt.
Als die Braunkohle abgetragen war und die 15 Meter hohen, steilen Wände gesichert, wurde von Hand weiter gegraben.
Bodensonar fand knapp unter der angestrebten Tiefe flache Steinquader mit mehreren Quadratmetern Fläche. Das Ganze wirkte wie ein Grundriss einer Siedlung mit Wegen, Flächen und Gebäudefundamenten.
Neben den Kugeln und Stäben, an die man sich schon fast gewöhnt hatte, sorgte ein Fundort für besondere Aufregung. Die Stelle, an der die Knochen gefunden wurden, lagen dem Team besonders am Herzen, und so wurde hier zuerst gründlich gesucht. Und sie wurden reich belohnt.
Viele vollständige Skelette waren gefunden worden. Sie gehörten zu derselben Spezies, wie der frühere Fund. Auffällig waren ihre Anordnung und Position sowie ihre ungewöhnlich großen Schädel. Die drei Meter langen, raptorenähnlichen Skelette waren mit etwa zwei Metern Abstand voneinander in einem Halbkreis von zwölf Metern im Radius positioniert. Im Abstand von vier Metern befand sich ein weiterer Halbkreis mit Skeletten und dann noch einer im gleichen Abstand. Alle wurden auf einer Steinplatte hockend gefunden. Den Hals eingerollt, den Kopf in unnatürlichem Winkel nach oben gebogen. Bei jedem Skelett wurden jeweils sechs runde und sechs 8-förmige Ringe sowie Reste von Draht gefunden. Eines hatte einen Metallstab durch die Schnauze getrieben. Bei einigen Skeletten wurden Anzeichen für Zivilisationskrankheiten durch einseitige Ernährung, aber auch geheilte Brüche und Bohrungen gefunden. Einige der Krallen waren mit eingeritzten Wellen und Kreismustern verziert. Einem Skelett fehlte genau jeder zweite Zahn, ein anderes hatte die Krallen gestutzt und abgerundet. Fast alle waren sehr alt geworden.
Im Mittelpunkt des Halbkreises war eine zwei Meter hohe, aufrecht stehende, eiserne Säule positioniert.
"Ich bitte Sie, Herr Professor. Ein Friedhof?" Dr. Fuchs war wütend. Einerseits, weil der Prof. von Dinosauriern sprach wie von einer untergegangenen Kultur. Andererseits, weil sich dieser Schluss geradezu aufdrängte und er widerstrebte ihr zutiefst.
"Die eigentliche Frage," begann Zarner, "die mich schon lange umtreibt, ist die, warum sie gerade zu diesem Zeitpunkt auftauchten. 150 Millionen Jahre lebte die Gruppe der Coelurosauria auf der Erde und erst kurz vor dem Ende taucht eine offensichtlich intelligente Art auf. Warum?"
Gemurmel aus der Gruppe, philosophische und religiöse Ideen waren im Zusammenhang mit dem Fund verpönt.
Prof. Zarner setzte wieder an: "Wir haben eindeutige, mehrfache und unabhängige Datierungen. Wir sind uns alle einig, dass Menschen hiermit nichts zu tun haben, richtig?"
"Richtig", wurde ihm beigepflichtet.
"Nicht mal welche aus Atlantis." Belustigtes Grinsen, zustimmendes Nicken.
"Wer also sollte sonst Bestattungen durchgeführt, Metalle bearbeitet, Operationen ausgeführt und Steine bearbeitet haben, wenn nicht diese - Tiere will ich eigentlich nicht mehr sagen. Wenn es nicht diesen Killermeteoriten gegeben hätte, dann hätten sie sich weiterentwickelt. Wer weiß, wie es jetzt hier aussähe."
"Das mag ja sein", fiel ihm Dr. Fuchs ins Wort: "Aber aus diesem Zufall eine Verbindung zum Kometen aufzubauen ist doch sehr weit hergeholt."
Sie sprach von den Meldungen, nach denen der Komet, der vom Jupiter zerrissen wurde, die Erde kreuzen würde.
In drei Jahren, so hieß es, würde er unseren Planeten erreichen. Der Schwarm bestand aus mindestens zwanzig Stücken zwischen drei und dreißig Kilometern im Durchmesser. Obwohl noch keine genauen Berechnungen vorlagen, galten schon wegen des "Schrotflinten-Effekts" mindestens zwei oder drei Treffer als wahrscheinlich. Ob der Schwarm abgewehrt werden konnte, wurde heiß diskutiert. Aber realistisch betrachtet war einfach zu wenig Zeit.
Der Professor sagte: "Die Ähnlichkeiten sind zu auffällig. Ich glaube an keinen Zufall, warum also gerade jetzt?" Und plötzlich wurde es ihm klar.