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musikalische Inspiration: Suga (BTS) - Seesaw
Krankenhaus
Da war ein Haus in mir drin. Es versprach mir Heilung. Ich lebte darin. Es hatte nur ein paar Zimmer. Am Anfang ging ich in alle hinein, sah mir alles an, sah Staub Schicht um Schicht alles unter sich bedecken, sah den tropfenden Wasserhahn, sah den Schmutz im Wasser, die kaputten Schränke, das vermoderte Holz, doch kein Werkzeug. Ich sah die Federn in der Matratze und die löchrige Decke auf ihr.
Darauf zu liegen, konnte nicht bequem sein.
Darunter zu liegen, konnte nicht warm sein.
Doch das Haus versprach mir Heilung.
So schlimm konnte es nicht sein.
Schlimmer als das Nichts konnte nichts sein.
Also legte ich mich auf die Matratze, unter die Decke,
lag da tagein, tagaus, in den Tag hinein.
So unbequem war es gar nicht.
So kalt fühlte es sich nicht an.
Sonnenstrahlen drangen durch die kaputten Lamellen, waren die einzige Licht- und Wärmequelle. Das Licht versprach Trost, wollte mich rauslocken, doch waren es nicht leere Versprechungen? War es nicht die Welt da draußen gewesen, die mich hier hineingescheucht hatte? Manchmal drangen Geräusche durch eine zerbrochene Ecke der Fensterscheibe. Manchmal glaubte ich sie wiederzuerkennen, manchmal klangen sie völlig fremd. Irgendwann erkannte ich einen Rhythmus, irgendwann spürte ich ein Flattern in der Brust, irgendwann hörte ich die Melodie und dann die Worte, die sie sprach. Viele Stimmen hatten zu mir gesprochen, viele Male hörte ich auf sie und genauso oft hörten sie irgendwann auf zu reden, bis alle verstummten. Ich hatte ihnen vertraut, an sie geglaubt und auf sie gebaut, doch jedes Mal wurde mir der Boden unter den Füßen weggerissen. Ich fiel und als ich landete, stand ich vor diesem Krankenhaus, das Heilung versprach.
Doch diesmal war es anders. Diesmal redete die Stimme eine andere Sprache, diesmal lockte sie nicht, diesmal bewegte sie etwas in mir ohne zu versprechen, diesmal redete sie mit mir, statt zu mir, diesmal sagt sie: „Ich mache dasselbe durch wie du, trotzdem stehe ich hier. Du kriegst das auch hin. Trau dich.“
Irgendwann stand ich auf und ergriff die rostige Klinke, öffnete die Tür und ging hinaus. Noch bevor die Tür ins Schloss fallen konnte, hörte ich wie das morsche Holz leidvoll knarzte. Das Haus ächzte, das Geräusch schwill an, grölte und donnerte hinter mir wie eine Warnung nicht wiederzukehren. Es schepperte gewaltig, die Laute brausten auf, ließen den Boden erzittern und mich losrennen. Ich blickte über die Schulter und sah die Wände wie bei einem Kartenhaus zusammenbrechen.
Die Stimme trieb mich weg von dort, sang immer lauter und lauter, ließ mich rennen, immer weiter und weiter. Ich erkannte das Ziel nicht, wusste nicht wohin, ließ mich einfach nur leiten, bis ich mich irgendwann umdrehte und das kranke Haus nicht mehr sah. Stattdessen sah ich viele andere, die denselben Weg gingen, die laut sangen, in derselben Sprache und wusste, ich ging diesen Weg nie allein.