Krankenhaus
Krankenhaus
Hiiiiilfeeee!!!
Ich weiss nicht wo ich bin! In meinem Kopf pocht ein dumpfer Schmerz. Ich mache die Augen auf, schliesse sie aber sofort wieder, weil mich ein grelles Etwas in den Augen schmerzt. Vorsichtig öffne ich sie nochmals. Langsam gewöhne ich mich an das blendende Licht, das den ganzen Raum erhellt. Ich kann erkennen, dass alles um mich herum weiss ist. Die Decke ist weiss, die Wände, der Boden, ja sogar meine Bettdecke. Warum liege ich überhaupt im Bett? Und ich habe Durst. Ich will mich aufsetzten, lasse mich aber sofort zurückgleiten, als ein scharfer Schmerz durch meinen Kopf zuckt. Plötzlich steht jemand in weisser Schürze vor mir. Gerase als ich mich frage, wer das die, fängt die Person, ein Mann mit freundlichem Gesicht, an zu sprechen. Er stellt sich als Doktor Weissmann vor. Er sei zuständig für Unfallopfer. Jetzt endlich wird mir klar, dass ich im Krankenhaus liege. Ich sehe schreckliche Bilder vor meinem geistigen Auge. Ich mit meinem Freund auf dem Mofa, beide besoffen, das Ungetüm, das uns rasend schnell entgegen kam, Bremsen kreischten, ich schrie. Dann weiss ich nichts mehr.
Jetzt liege ich also auf der Station für Unfallopfer im 5. Stock. Vom Arzt habe ich erfahren, dass ich eine schwere Gehirnerschütterung und einen komplizierten Beinbruch erlitten habe. Aber das sei alles nur halb so schlimm. Das werde rasch heilen. Schlimmer sei, sagte Herr Doktor Weissmann, dass mein Nasenbein gebrochen ist und, nach allen vergeblichen Versuchen der Chirurgen, es gerade zu richten, nie mehr schön zusammen wachsen würde. Auch hinterliesse die Operation eine grosse, weisse Narbe schräg über die Nase.
Das ist ein echter Schock für mich. So kann ich mich nicht mehr blicken lassen. Was denken das alle meine Freunde dazu? Wahrscheinlich finden sie mich zu hässlich mit der Narbe, als dass die mich noch in ihrer Clique dulden würden.
Mittlerweile haben sie mir den Kopfverband abgenommen, aber die Nase und das Bein sind immer noch eingegipst. Aufstehen kommt leider noch nicht in Frage und mir ist schrecklich langweilig nach all den Tagen im Bett. Am Wochenende kamen meine Eltern mich besuchen; und mein Freund. Er hatte sich wie durch ein Wunder nur den Arm gebrochen. Ich glaube ich muss wirklich entstellt aussehen, denn er ist mit einer billigen Ausrede so schnell als möglich wieder von hier verschwunden. Seither ist niemand mehr von meiner Clique hier aufgetaucht. Ich liege hier, mir ist langweilig und niemand besucht mich. Hat mich überhaupt noch jemand gern? Will sich denn niemand um mich kümmern? Warum lebe ich überhaupt noch? ES würde ja doch niemand bemerken, wenn ich nicht mehr hier wäre. Gerade als ich anfange all dem Glaube zu schenken, reisst mich das Läuten des Telephons aus den scheusslichen Gedanken. Ach, eigentlich möchte ich überhaupt mit niemandem sprechen. „Drrrrrring!!“ Schon wieder das dumme Ding. Gegen meinen Willen nehme ich ab. Am andern Ende höre ich die Stimme meines Freundes. Er entschuldigt sich wortreich, dass so lange niemand gekommen sei. Es stünden einige grosse Klassenarbeiten bevor, sie hätten zu Pauken.
So langsam werde ich wütend! Ich fahre ihn an: Halt doch deinen Mund. Mit diesen billigen Ausreden kommst du nicht davon. Ich weiss, dass ihr mich wegen meiner Nase nicht mehr mögt!!“ Dann knalle ich den Hörer auf die Gabel. Sofort verfalle ich wieder in nachdenkliches Schweigen.
Die Stunde ist gekommen, in der ich meinen Plan verwirklichen werde. Keiner der Stationsschwestern würde es auch nur in den Sinn kommen, um diese Tageszeit bei mir vorbeizuschauen. Die ärztlichen Visiten haben bereits heute morgen stattgefunden. Ich krame also den Brief, gerichtet an meine Eltern, meine Clique und an alle die ich kenne, hervor und lege ihn auf mein Kopfkissen. Ich nehme meine Krücken. Nach dem vielen Liegen muss ich meine ganzen Kraftreserven aufbringen, bis ich am Fenster angelangt bin. Jetzt muss ich mich aber dringend Ausruhen. Na gut. Diese klitzekleine Pause gönne ich mir vor dem Paradies. Nun aber rasch. Ich lehne die Krücken an die Wand und hieve mein eingegipstes Bein über das geöffnete Fenster. Draussen im Flur höre ich Stimmen. Hoffentlich besucht mich ausgerechnet jetzt niemand. Ach nein, wer will schon ein besoffenes, hässliches Mädchen wie mich besuchen. Niemand! Oder doch? Die Stimmen kommen näher. Schnell das andere Bein über den Sims. Jetzt sitze ich rittlings auf dem Fensterrahmen. Ein kleiner Stoss mit den Händen, und schon ginge es 5 Stockwerke nach unten, auf der Strasse. Ich sehe nach unten. Das ist schon verdammt hoch. Ich schliesse die Augen. Plötzlich geht die Tür auf und jemand ruft: „Ta tata tata ta!“