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Kraft durch Arbeit
Wenn du mir ein ´sehr gut` nach Hause bringst, darfst du dir den Film mit deinem Bruder morgen ansehen.
Ich war acht Jahre alt, als mein Vater sein Motivationsprogramm bei mir startete.
Wenn du vor Mitternacht zurück bist, bekommst du von mir eine Konzertkarte geschenkt.
Ich war dreizehn Jahre alt, als die Sache zunehmends interessanter wurde.
Kümmere dich heute Nachmittag um die Hecke im Garten und erledige den Haushaltsputz, dann sind Mama und ich am Wochenende nicht da und bekommen nichts davon mit, wenn du vorhaben solltest, vielleicht ein paar Freunde zum Feiern hierher einzuladen.
Ich war siebzehn, als meine Selbständigkeit langsam aber sicher beunruhigende Formen annahm.
Ich habe deine Blicke gesehen. Mach die verdammte Abschlussprüfung und du kannst die neue Haushälterin durchvögeln, bis sie nicht mehr weiss, ob Warschau im Osten oder Westen liegt. No Limits auf ewig. Ich regel das für dich.
Ich war fünfundzwanzig, aufgewachsen in einem der wohlhabendsten Elternhäuser der Stadt und Paradebeispiel einer heuchlerischen Elite-Gesellschaft, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Welt in tiefe Finsternis zu stürzen; aber bitte mit Stil und geschütteltem Martini im Diamantglas.
Mein Schwanz war hart wie Blei und meine Noten zogen den Durchschnitt eines kompletten Semesters hoch auf Wolke sieben.
Überprüfe noch das Produktdesign und terminiere das endgültige Meeting auf Dienstag. Wir haben noch immer keine vorab Pläne aus der Konstruktion. Regel das mit Zürich und tritt denen in den Arsch, bis die Rosette den Goldzahn verschluckt. Ich will Ergebnisse. Wenn ich zurück aus London bin, bringe ich ordentlich was zum wegschnupfen mit, aber nur, wenn du jetzt endlich mal ein wenig Herzblut zeigst, mein Sohn.
Ich bin vierunddreißig Jahre alt und beobachte Nachts gebannt das Firmament. Welch eine Fehlbetitelung, der Ewigkeit den Namen von Korruption und Arroganz zu verleihen; respektive dieser urgewaltigen Schönheit ihre Macht zu rauben, in dem sich der Zusammenschluss machthungriger Sklaventreiber formschön ´Firma` nennt.
Der Konzern verlangt nach seinem Dschinn. Multi-Nationale Aktionäre reiben mit zittrigen Händen über die Wunderlampe einer dritten Welt und befördern Dämonen wie mich in ein fahles Rampenlicht.
Wir versprechen den Menschen einen Traum von Globalisierung und ertränken sie gleichzeitig im Blau eines Himmels, dem wir aus gezwungener Gesetzgebung heraus eine Gnadenfrist erteilen, bloß um ihn anschließend innerhalb ökologischer Rahmenbedingungen häppchenweise in die USA zu verkaufen.
Wenn jemals etwas göttliches in mir gewesen ist, dann haben es die Tabletten und das Koks neutralisiert. Ich bin kein böser Mensch; ich bin angepasst. Der größte Clou des Teufels und so weiter. Standard Reinigung des Gewissens mit Spenden, deren weiterer Weg nicht zu meinen Problemen zählt. Eine geschlossene Fabrik ist maximale Gewinnausschöpfung, die Entlassung von Mitarbeiten nur harmlose Geschäftsprozessoptimierung. Kern- und Hilfsprozess. Wörter; sich auflösende Aspirin-Tabletten in einem Glas Wasser. Benchmarking zur Verbesserung innerbetrieblicher Abläufe; das Erlangen eines Öko-Audits; bloß kalte Begriffe. Diese Denkweise macht es einem leichter, nicht durchzudrehen. Ich will gar nicht wissen, wieviele Menschen aufgrund meiner Entscheidungsgewalt schon verhungern mussten. Sie sind Statistik. Jede Sekunde verendet eine bestimmte Anzahl unglücklich situierter Individuen. Sie fallen vom Sekundenzeiger einer gnadenlos tickernden Uhr mit präziser Mechanik und landen auf dem Boden der unabänderbaren Tatsachen. Umfrage- und Normwerte. Es ist leichter zu ertragen, wenn man die einstürzenden Twin-Tower als tragisches Ereignis sieht. Der Einzug der wahren Realität diesseits der Grenzen von westlicher Sentimentalität.
In meiner Jugend sah ich pralle Brüste und runde Hüften. Gut riechendes Fleisch, übergossen von Tränen des Ekels. Weiss Gott, ich nahm sie mir, alle Frauen die um ihre Existenz fürchteten; mir ihre Dienste zukommen ließen, um ihren Eltern weiterhin gutes Vorbild zu sein, wo auch immer diese dahin vegetieren mochten.
Die Tentakel des Konzerns erwürgen den Globus. Raus ins All, zu den Sternen...zu den Sternen!
"Warte noch kurz, Vater!"
Da ist es, sein verschmitztes Lächeln.
"Ja?", raunt er.
"Ich habe ein paar Gäste eingeladen. Ein Bankett, ganz für dich allein sozusagen."
"Was soll der Scheiss? Hast du was eingeworfen? Du weisst, ich habe Verpflichtungen!"
Und wie du die hast, Scheisskerl!
Ich pfeife einen hellen Ton und sie kommen herein, die hungrigen Mäuler; Nutznießer unserer glorreichen Firmenphilosophie. Unter ihnen ist die schöne Tochter des Stammeshäuptlings.
"Wenn du jetzt sofort eine Überweisung in Höhe sämtlicher von dir getätigter Privatentnahmen in Richtung einer kleinen Stadt in Süd-Afrika veranlasst, kannst du sie bumsen. Ich sehe doch deine Blicke und ich weiss, wie verrückt du nach dunkelhäutigen Mösen bist."
"Bist du total durchgeknallt, du Arschloch? Was machen all die Nigger hier?"
"Tsts...aber Vater. Du weisst doch, Erfolg durch Motivation. Logge dich auf deinem Bankkonto ein."
Zu meinem Erstaunen bringe ich ihn schneller zur Vernunft, als angenommen.
Er hat Angst, ja, aber er sieht das Ganze auch als eine Art Prüfung. Ich habe seine Herausforderungen stets bestanden und er will dem nicht nachstehen.
Im Anschluss eines wirklich beachtlichen Geldtransfers, zieht er sich mit der leibhaftigen Wucht von einer Frau in sein Schlafgemach zurück.
Die restliche Sippschaft steht dumm im Raum herum und starrt mich an. Ich will ja ein guter Mensch sein; allein daher habe ich sie extra mit meiner Privatmaschine hierher einfliegen lassen. Sie wirken so unterentwickelt auf mich und plötzlich sehe ich in ihnen nicht mehr als Zahlen und Statistiken. Nutzlose Auswertungen. Ich werde wütend, greife nach dem besten und härtesten, was ich auf die Schnelle finden kann und buche sie ad absurdum.
Anschließend geselle ich mich zu meinem Vater und seinem Vergnügungsobjekt. Sie ist Soll, er ist Haben. Beide Bestandteil einer beachtlichen Schlussbilanz. Das schwarze Fleisch fließt als Mehrung auf mein Gewinn- und Verlustkonto, der alte Greiss kommt auf erledigte Verbindlichkeiten, schließlich genießt er sein Honorar bereits.
Nachdem wir fertig sind, reden wir kaum miteinander.
"Du hast die anderen nicht totgeschlagen, oder?"
"Keine Klagen, sie sind bloß ausgenockt."
Er überlegt kurz und schaut mich dann an.
"Das ist gut mein Sohn, das ist gut."