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Krabbengott
Mitten in einem großen Krabbenschwarm tat sich eine Krabbe durch besondere Eigenschaften hervor. Sie hatte einen übergroßen Überlebenswillen und trainierte jeden Tag viele Stunden, um den vielfältigen Gefahren des Meeres widerstehen zu können.
Die anderen Krabben nannten sie nach einiger Zeit“ unsere Meisterkrabbe“.
Nach und nach wuchsen immer neue Krabbengenerationen heran und die Meisterkrabbe hatte es irgendwie geschafft zu überleben und die Alten, welche sie schon kannten, als sie noch Kinder waren, nannten sie ehrfurchtsvoll „unsere Ahnin“.
Die Zeit verging und die Ahnin war verschwunden. Erst nach vielen Krabbenleben kehrte die Ahnin zurück und erzählte auf lebendige Weise alte Geschichten über ihre Abenteuer und über das Leben der Krabbenvorfahren. Die Nachkommen waren dermaßen verzückt, dass die Ahnin zur Prophetin wurde.
Die Prophetin ging auf Reisen, während die Zeit wie im Fluge verging. Die folgenden Generationen erzählten sich wundersame Geschichten über die Prophetin und allmählich wurde sie zum Mythos. Einzelne Krabben wollten sie gesehen haben, aber man tat das allgemein als Spinnerei ab.
Die Zeit und die wachsende Vorstellungskraft der Krabben machten aus der Prophetin schließlich den Krabbengott.
Hunderte Erdenjahre später hat sich das Antlitz der Erde völlig gewandelt. Der Meeresspiegel stieg immer weiter an und der Großteil der Landmasse war nun unter der Meeresoberfläche verschwunden. Nur die früheren Berge ragten als kleine Inseln aus dem Wasser.
Die Sonne brannte heiß vom Himmel und ein Fischer war nun schon einige Wochen ganz allein auf seiner Fangfahrt. Er zog sein Netz aus dem Wasser und neben alten Fahrradreifen, einem völlig verrosteten Toaster und einer brüchigen, gelben Ente aus Plastik, zog er nur Plastikmüll in sein kleines Boot. Es war ein mittelmäßiger Fang; immerhin, das Plastik konnte man verfeuern oder zu Öl raffinieren und damit konnte er dann weiterhin seinen kleinen Bootsmotor betreiben.
Als er seinen Fang sortierte und begutachtete, bemerkte er etwas zappelndes, kleines, welches er noch nie gesehen hatte. Er nahm es verwundert in seine schwielige, rissige Hand und schnupperte daran.
Der Geruch war so gut, dass ihm das Wasser im Munde zusammenlief. Er erinnerte sich an dieses alte, verwitterte Schild, auf dem dieses Wesen abgebildet war. Er bemerkte jedoch mit einiger Enttäuschung, dort war dieses Wesen viel größer dargestellt.
In seine allgemeine Gefühllosigkeit mischte sich dennoch ein Gefühl des wachsenden Appetits.
Während er schon an diesem Wesen lecken wollte, vermeinte er eine Stimme zu hören:„ Bitte verschone mich!“
Der Fischer sprach zu dem Wesen:„ Ich habe aber großen Appetit auf dich - warum sollte ich dich nicht an Ort und Stelle verspeisen?“
„Nun ja“, säuselte die Stimme:„ Ich bin der Letzte und der Einzige, aber ich werde auch der Erste sein. Meine Art nannte mich den Krabbengott.“
„Was soll das sinnlose Gewinsel?“, sprach der Fischer hart. „Was habe ich davon, wenn ich dich gehen lasse“.
„Siehst du die vielen Eier, die ich bei mir trage?“
Der Fischer schnupperte mit seiner alten, zerfurchten Nase daran. „ Die riechen aber lecker“. Es machte sich eine wahre Fresslust im Fischer breit.
„ Nein nicht - das sind meine Nachkommen und durch sie kommt wieder neues Leben in den Ozean."
Wann denn dieses der Fall sei, wollte der Fischer wissen, schon mit der Zunge gierig über seine Lippen fahrend.
Die flehende Stimme versprach, binnen fünf Jahren eine neue Generation von Krabben ins Leben zu lassen.
Bis dahin bin ich längst tot, murmelte der Fischer und nahm sein rostiges altes Fischermesser, mit dem er dem Wesen die Eier abkratzte und sich in den lechzenden Schlund schob. Ein kleiner Teil der Eier verfing sich in seinem zerzausten Bart und er roch daran. „Einfach fantastisch, dieser Geruch. Ich werde mir nie wieder meinen Bart waschen oder stutzen.“
Der Krabbengott schrie wie verrückt, doch es kam, wie es kommen musste.
Der Fischer nahm eine kleine verbeulte Pfanne, schöpfte mit ihr eine kleine Menge Meerwasser und setzte sie auf den funkensprühenden Gaskocher. der Krabbengott siedete bis er gar war und wurde von seinem Panzer befreit. Er mundete ganz vorzüglich. Ja dieser Geschmack sollte immer in Erinnerung des Fischers bleiben.
Plötzlich ging eine wundersame Veränderung mit dem Fischer vor. Er nahm in Rekord Geschwindigkeit die Gestalt des Krabbengottes an und fühlte eine Mission in sich - eine der Fortpflanzung. Er sprang ins Meer und war ganz beseelt davon, der Erste der vielen zu sein.
Doch dann besah er sich seine Umgebung und war sehr schockiert über den ganzen Unrat, den er erblickte. Nein, in seine solche Umwelt wollte er keine Nachkommen setzen. Das haben sie nun wirklich nicht verdient.
Er sprang mit aller Kraft zurück an Bord und vertrocknete in der glühenden Sonnenhitze.
….
Der Mond ging auf und schickte gleichgültig seine erkalteten Sonnenreflexionen zur leblosen Erde.