Kontrolle
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Wir sehen in den Spiegel und er stylt sich die Haare so beschissen wie immer.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Er zieht sich diese dämlichen Klamotten an, die ich so Scheiße finde.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Jemand klopft an die Tür zu seinem Zimmer . Seine Mutter. Sie will wissen ob wir schon fertig für die Schule sind, in zehn Minuten fahren wir los. Er lächelt und sagt ihr er wäre gleich soweit. Er liebt seine Mutter. Ich nicht. Ich hasse diese blöde Kuh. Trotzdem, sie sieht nicht schlecht aus. Sobald ich die Kontrolle übernommen habe werde ich diese Schlampe ficken und ihr zeigen wer der Mann im Haus ist.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Wir sind fertig und wollen in die Küche, wir betreten den Flur und unser kleiner Bruder kommt uns entgegen. Er wünscht uns einen guten Morgen und ich würde ihm am liebsten die Kehle aufschlitzen.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Mein anderes, schwächliches Ich grüßt freundlich zurück, und wir gehen weiter in Richtung Küche. Er will einen Orangensaft trinken. So ein blödes Arschloch. Ich will lieber einen Schnaps.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Unser Vater sitzt noch am Küchentisch und liest noch seine Zeitung. Er grüßt uns und mein anderes, minderwertiges Ich grüßt zurück. Die beiden hatten vor kurzem noch Streit, haben sich aber schon fast wieder vertragen. So ein Schlappschwanz. Ich hätte ihm sofort sein Rückgrat raus gerissen und ihn damit verprügelt.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Die Mutter ruft nach allen Familienmitgliedern. Es geht los. Wir alle verlassen das Haus und steigen nach einander in den Wagen. Mein anderes Ich und Ich selbst sind die letzten die einsteigen. Er schnallt uns an, und die Mutter fährt los. Wir sehen raus und sehen die Häuser unserer Nachbarschaft vorbeiziehen. Ich sehe sein Spiegelbild in der Autofensterscheibe. Sehe seine Augen. Seine . . . funkelnden . . . blauen Augen; halt was ist das. Seine Augen . . . sehen sie mich etwa an. Nein. Nein, sicher nicht. Das wäre ja lächerlich. Dazu ist er nicht fähig.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Da, schon wieder. Seine Augen. Das ist unmöglich.
Er lächelt; nein,er grinst. Aber . . . grinst er etwa Mich an. Weiß er etwa über mich Bescheid. Nein. Nein das kann nicht sein.
Bald übernehme ich die Kontrolle, die Kontrolle über diesen Körper. Meinen Körper. Der, der mir seit meiner Geburt zusteht, mir aber vorenthalten wurde von Ihm: Meinem anderen Ich. Wieso hatte er die Kontrolle und nicht ich. Egal, bald übernehme ich die Kontrolle.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
Bald übernehme ich die Kontrolle.
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