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Konstituierende Sitzung der Regierungs-Koalition

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08.12.2009
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Konstituierende Sitzung der Regierungs-Koalition

„Meine Damen, meine Herren! Ich erkläre hiermit diese Legislaturperiode mit der ersten Kabinetts-
sitzung unserer Regierungskoalition für eröffnet! Wir werden uns sogleich mit …“
„Augenblick, sehr verehrter Herr Präsident! Entschuldigen Sie vielmals! Es befindet sich etwas
im Argen – die Sitzordnung nämlich! Im geheimen Zusatz zu unserem Koalitionsvertrag wurde
festgehalten, dass Herr Schwafelhain-Läberburg niemals neben mir sitzt! Aber haargenau das ist
geschehen!“ Generalanklagend richtete Minister Treunicht-Luginsland seinen rechten Zeigefinger
nackt auf die Person links neben ihm.
„Es ist Ihnen doch freigestellt, sich woanders hinzusetzen, werter Herr Luginsland“, mokierte
sich der edel gekleidete Angezeigte. Er verdrehte seine Augen und schüttelte missbilligend den
dicken Kopf.
„Treunicht-Luginsland! Wenn ich bitten darf! Außerdem sitze ich hier richtig! Aber Sie …“
Der gewichtige Minister Schwafelhain-Läberburg nahm eine unverrückbare Position ein. „Das
könnte Ihnen so passen! Ich bin hier richtig, mein Herr! Aber Sie …“
„Und ob mir das hier passt, mein Herr! Aber Sie …“
„… beide setzen sich woanders hin!“, ging der Präsident resolut dazwischen. Diese Situation
kam ihm gerade recht, um sogleich aufzuzeigen, wer Herr im Hause war. Er stand eigens auf und
ging um den Tisch herum. Dann beugte er sich zwischen den beiden Kontrahenten vor, nahm
zweihändig deren Namensschilder, ging einmal nach rechts und einmal nach links an die Spitze
der mächtigen Tafel. Dort stellte er diese ab, nahm stattdessen die Aufsteller der dort sitzenden
Ministerinnen und ging wieder in die Mitte zu den beiden Streithähnen. Dort platzierte er vor
ihnen die beiden anderen Namenstafeln und setzte sich wieder in seinen Mahagoni-Sessel. Mur-
rend aber folgsam erhoben sich die vier Beteiligten und wechselten ihre Plätze am Kabinetts-
tisch. Der Präsident war zutiefst zufrieden – diese erste Machtprobe hatte er glatt gewonnen.
Doch Treunicht-Luginsland ließ nicht locker. „Der Protokollchef! Wer ist denn das überhaupt?
Das ist doch kein Versehen. Das hat jemand gemacht, der sogleich Zwietracht unter uns säen
will! Wo steckt der Kerl denn?“
„Kein Kerl! Tss, tss“, monierte die Vizepräsidentin und winkte beruhigend hinüber. „Die Dame
ist äußerst zuverlässig und hat sich seit Jahren hier bewährt.“
„Aha!“ Treunicht-Luginsland hieb mit der flachen Rechten auf die Tischkante. „Hab‘ ich‘s doch
gewusst. Die ist von der alten Truppe und will ihre früheren Marionetten wieder hier am Tisch
haben, mit denen sie auf diese Weise umspringen konnte. Doch da hat sie sich ganz gewaltig ge-
wickelt. Jetzt sind wir endlich dran und werden unser armes so verkohltes, dann geschrödertes
und nun ausgemerkeltes Gemeinwesen ab sofort wirklich in blühende Landschaften verwan-
deln!“
„Apropos. Verwandeln!“, räusperte sich der Präsident. „Genau das! Darum sind wir hier zu-
sammengekommen! Um nach all den verlorenen Jahren – dank unserer etlichen versagenden
Vorgängerregierungen – unseren verarmten Staat endlich in ein neues Paradies zu verwandeln!“
Euphorischer Applaus begleitete diesen Übergangsversuch zu den Tagesgeschäften. Im Gera-
schel der Blätter, die bereitgelegt wurden, ging das aufdringliche Fingerschnippen von Treu-
nicht-Luginsland fast unter. Der Präsident hob leicht genervt die Brauen und erteilte ergebend
zunickend das Wort.
„Ich beantrage, einen ganz wichtigen Punkt in die Tagesordnung aufzunehmen! Nämlich die ab-
sofortige Entlassung des Protokollkerls, ähm, der Protokollantin, also ich meine, die Protokoll-
scheffin!“
„Der Protokollchefin!“, ergeben hob der Präsident beide Hände und nickte müden Blicks seiner
Stellvertreterin zu. „Kommt auf die Tagesordnung. Letzter Punkt.“
Treunicht-Luginsland lehnte sich zufrieden zurück und lugte nach seinem Handy. Das nächste
Thema interessierte ihn nicht die Bohne. Er schrieb eine SMS: Müller! Absolut dringend! Be-
sorgen sie mir zur nächsten Pause diese Protokollchefin da! Mit der habe ich noch ein ordent-
liches Hähnchen zu rupfen!

In der ersten Pause eilte Schwafelhain-Läberburg in einen kleinen Innenhof, welchen eine hohe
Mauer vom unbedeutenden Rest dieses Landes abschirmte. Dort erwartete ihn bereits sein
persönlicher Referent Karl Schulze.
„Schulze! Na endlich! Sie ahnen ja nicht, was da drinnen los ist! Wie ich da kämpfen muss!“
„Sie tun‘s doch zum Wohle der Allgemeinheit! Ihr Einsatz ist doch sehr lobenswert!“
„Ach was. Red‘n se doch keinen Quatsch, Schulze! Wir müssen den anderen so geschickt rein-
regieren, dass wir die nächste Wahl gewinnen und alleine weiter machen können. Darum geht‘s!
Wir werden also alle Erfolge dieser Koalitionsregierung, als die ureigensten unserer eigenen
Partei verkaufen und …“
„Ähm, Herr Minister. Zum alleine regieren fehlen aber mindestens vierzig Prozent. Das ist doch
utopisch und …“
„Schulze! Seh‘n se! Jetzt beantworten Sie mir mal eine Frage: Warum sind Sie nur Referent und
ich Minister?“
„Ähm, hmm …“
„Seh‘n se! Schulze! Weil Sie keine Visionen haben. Visiooonen! Eingebungen! Realträume! Uto-
pien! Darum!“ Schwafelhain-Läberburg tat einen tiefen Lungenzug durch seine filterfreie Ziga-
rette. Durch die Empathie seiner letzten Worte bewegt, zog er unkonzentriert und begann zu
husten. Reflexartig klopfte ihm Referent Schulze sacht auf den Rücken und verstieg sich zu einer
unbesonnen Bemerkung.
„Als Umweltminister sollten Sie das lassen, denn …“
„Schulze! Was soll‘n der Quatsch auf einmal?“
„… mit gutem Beispiel vorangehen ist besser fürs Image und …“
„Ja, ja. Ich weiß, ich weiß. Aber zum Glück bin ich nicht der Gesundheitsminister! Ehe ich auf-
höre, pfeife ich nämlich lieber auf meinen Ruf. Und ich sag‘ Ihnen was, Schulze! Haben Sie
schon mal einen Wegweiser gesehen, der vor Ihnen hergeht? Seh‘n se! Schulze! Jetzt aber wieder
ab ins Büro mit Ihnen! Ich muss zurück in unsere bahnbrechende Sitzung!“
Schwafelhain-Läberburg schnippte den brennenden Stummel über die hohe Außenmauer. Darin
hatte er Übung. Ärgerlich sah er mit abschirmender Hand zur sengenden Sonne hoch – es hatte
seit vier Wochen nicht mehr geregnet.
„Der Zweck dieser Koalition ist einzig und allein, unserem Parteiziel der absoluten Stimmen-
mehrheit näher zu kommen!“, impfte er sich innerlich seine epochemachende Mauer-Taktik für den Sitzungsfortgang ein.

In der großen Pause ging der Präsident mit weiten Schritten in sein Büro oberhalb des Sitzungs-
saals und erwartete gespannt den allerneuesten Bericht von einem seiner treuen Mitarbeiter,
Herrn Werner Meier.
„Die aktuelle Erhebung hat ergeben, dass wir durch die Maßnahme, welche nach der Pause be-
schlossen werden soll, nicht nur einen, sondern sogar zwei Prozentpunkte zulegen würden und
…“
„Bestens! Meier! Großartig!“ Der Präsident hatte die Hände auf dem Rücken zusammen gelegt und wiegte, mit sich und der Welt zufrieden, auf seinen Absätzen.
„… auch unsere beiden Koalitionspartner jeweils drei Punkte dazu gewinnen. Somit haben wir
…“
„Waaas? Die legen um drei zu und wir nur um zwei?“
„Ja! So sieht es aus. Ist doch gut – sieben Prozent mehr für die Koalition!“
„Ach was. Reden Sie doch keinen Quatsch, Meier! So geht das aber nicht. Das ist unser Wahl-
versprechen gewesen, dass wir nun umsetzen wollen! Haben das denn die Heinis da draußen
immer noch nicht kapiert? Dass die anderen Fritzen hier am Tisch nur an unserer Lokomotive
dran hängen. Nee, nee, so geht das nicht. Wir kippen daher die ganze Sache! Dann haben sie es
halt nicht besser verdient, diese Ignoranten!“
„Aber Herr Präsident! Dieser Beschluss wäre ein echter Segen für das ganze Volk!“
„Durchaus, durchaus. Primär haben wir‘s aber versprochen, um die Wahl mit absoluter Mehrheit
zu gewinnen! Und was geschieht? Sie zwingen uns in eine Koalition! Eigentlich sind wir daher
gar nicht mehr verpflichtet, unsere Versprechen zu erfüllen! Und als Krönung des Ganzen wollen
sie den anderen drei Prozent …! Die haben doch einen Knall, die da draußen! Also nee!“ Der
Präsident brüllte fast vor Empörung. „Wir schenken doch unseren schmarotzenden Koalitionären
nicht drei Prozent!“
„Ähm, nur eins, Herr Präsident. Wir haben doch auch zwei dazu! Aber Herr Präsident! Es ist
doch zum Wohle des gesamten Staates! Für eine so gute Sache können wir doch mal …“
„Meier! Sie sehen das viel zu kleinkariert! Das ist ab sofort out! Aus! Vorbei! Finito!
Meier! Machen Sie, dass Sie sofort in Ihr Büro kommen! Ich muss in die Sitzung zurück und
weiterhin die Weichen für unser aller Zukunft stellen!“
Auf dem Rückweg treppab seufzte der Präsident tief auf, senkte enttäuscht den Kopf und mur-
melte: „Undank ist der Welten Lohn!“

Treunicht-Luginsland ließ sich nach der Sitzung zu seinem Ministerium fahren. Mit dem Fahr-
stuhl, neuerdings für ihn allein reserviert, fuhr er in den siebten Stock und ging beschwingt in die
Zimmerfluchten seines Büros. Kurz nach ihm erreichte sein Vertrauter Jürgen Müller ebenfalls
das Büro und nahm, noch keuchend von den Treppen, vor dem schweren Tisch fast Habachtstel-
lung ein.
„Müller! Schauen Sie nach den Faxen. Ist das Sitzungs-Protokoll schon da?“
Müller japste und eilte. Müller fand und nickte freudig. Müller hielt strahlend dem Minister das
Blatt hin.
„Schon gut, Mann! Lesen Sie‘s. Ich weiß doch, was geschehen ist!“
Müller las und sein Gesicht wurde immer länger. Müller lässt sich vernehmen. „Sämtliche
Punkte der Tagesordnung wurden ergebnislos vertagt!“
„MÜLLER!“ Treunicht-Luginsland war schier am Verzweifeln. „Haben sie denn gar keine
Augen im Kopf? Oder was?“
„Wie? Äh …“
„UNTEN! GANZ unten!“
„Ah ja. Der nachträglich aufgenommene Punkt ‚Entlassung der Protokollchefin‘.“ Müller hält
sich das Blatt näher an die Augen. „Um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden, wurde der
Punkt einstimmig angenommen und der sofort herbeizitierten Dame durch den Präsidenten die
fristlose Kündigung ausgesprochen.“
„Jaaawolll! Müller! Mann! So begreifen Sie doch endlich!“
„Bitte?“
„MÜÜÜLLER! Wissen Sie denn nicht, was das bedeutet?
„Ähm …“
„Der einzige Beschluss wurde von MIR erwirkt, zum Wohle MEINER Partei natürlich! EIN-
STIMMIG, Müller! Ist das nicht ein fantastischer Anfang? Ja, das ist wahrhaft der Beginn einer
neuen Ära!“ Treunicht-Luginsland war am Ende seiner Beherrschung. Er fiel seinem Referenten
um den Hals und schluchzte vor Ergriffenheit auf.

Ende​

 

Guten Abend kinnison,

wir haben es immer gewusst: Spitzenpolitiker denken nur an ihre eigenen albernen Persönlichkeiten und das Wohl der Partei. Der Rest ist ihnen egal. Und große Männer haben Assistenten, die sie herumkommandieren. Und das Wertesystem solcher Leute unterscheidet sich sehr von unserem. Sie sind verkorkst. :)

So gesehen bietet deine Geschichte nichts Neues. Sprachlich fand ichs ganz ordentlich, vom Aufbau, der Spannung und dem Inhalt her eher mau.

Beste Grüße,

Berg

 

Hallo Berg,
ich habe mich genau an die 'Betriebsanleitung' gehalten, die diese Rubrik Satire einleitet. Geht wohl nicht.
Beste Grüße
kinnison

 
Zuletzt bearbeitet:

>Müller! Schauen Sie nach den Faxen."

Deine konstituierende Sitzung,

lieber kinnison,

ist nix außer Anhäufung von Vorurteilen –
welche schon durch Namen wie Schwafelhain-Läberburg/Treunicht-Luginsland „vor“gegeben werden –
und Krimskrams, Mischmasch und
fürwahr Wirrwarr von der Generalanklage bis zum nackten Zeigefinger (hoffentlich friert dem nicht!),
vom Mahagoni-Sessel bis zur tiefsten Zufriedenheit,
über ts, ts (fehlte noch ein aufmunterndes „mit zwo s, soviel Zeit muss sein!“), aha, ähm, hm …

Kurz: Kindskram!

Wenn dann Konstruktionen anstehen wie
>Treunicht-Luginsland war schier am Verzweifeln<,
die manch einer so sprechen wird, also durchaus in der wörtlichen Rede auftauchen könn(t)e, die ich gerne als German gerundium bezeichnete, ist ein Höhepunkt erreicht.

Das einleitende Zitat hieße besser: "Müller/kinnison! Lassen Sie die Faxen. ...“

Nix für ungut

Friedel

 

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