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Konfirmation
Die Konfirmation ist ein wichtiger Tag im Leben eines Jugendlichen. Auch, wenn sie heute nicht mehr denselben Stellenwert hat wie früher, ist sie mehr oder weniger der Übergang ins Erwachsenenleben.
Ich erinnere mich noch an meine eigene Konfirmation. Sie scheint mir Ewigkeiten her zu sein.
Ich stand damals vor dem Altar, erinnerte mich an die Hand des Pastors auf meinem Haar, das frisch gewaschen in der Sonne schimmert wie poliertes Mahagoni.
Das neue Kostüm saß eng, ich wusste, dass ich gut aussah, damals. Ein Lederstreifen zog sich über seine Vorderseite, der Blazer war tailliert geschnitten. Heute passt es mir nicht mehr, obwohl ich seit damals nicht viel gewachsen bin - körperlich.
Nach dem Gottesdienst nahmen die anderen Konfirmanden und ich die Glückwünsche unserer Familien entgegen. Im strahlenden Sonnenlicht vor der Kirche, zwischen deren weißen Mauersteinen kleine gelbe Blumen wuchsen.
Jetzt seien wir Erwachsene, bekräftigt in unserem Glauben an Gott und das Gute im Menschen bestärkt und gefestigt.
Aber ich fühlte mich nicht besonders bestärkt und gefestigt. Den Konfirmandenunterricht habe ich abgesessen wie eine lästige Pflichtübung, immer den neuen Computer vor Augen. Damals träumte ich von vierstelligen Hertzzahlen, während der Pastor versuchte, mir Träume vom Weltfrieden einzuhauchen. Ich träumte davon, endlich Counterstrike spielen zu können, während der Pastor sagte, ich solle meinen Nächsten lieben wie mich selbst.
Nach dem Händeschütteln ging es in den Pastoratsgarten, wo wir vor der kitschig blühenden Magnolie Fotos machten, die uns für immer an diesen großen Tag erinnern sollten. Wenn ich mir die Fotos ansehe, sehe ich ein Kind, das in die Kamera strahlt, sich auf die Geschenke und das Geld und den neuen PC freut. Nach den Gruppen- und Einzelfotos ging es ab nach Hause, mit der ganzen Konfirmationsgesellschaft, wo im Wohnzimmer die Geschenke bereits aufgestapelt waren und ein kleiner Haufen von Briefumschlägen auf dem kleinen Beistelltisch nur auf mich wartete.
Nach der stolzen Zählung kam ich auf fast 4000 DM. Der neue PC nahm vor meinen Augen bereits Gestalt an, ein glänzendes weißes Gehäuse mit zwei CD-Rom-Laufwerken und einem Diskettenlaufwerk.
Ich hatte viele Geschenke bekommen, und mein großer Bruder mixte Drinks. Eine Sektflasche nach der anderen wurde geöffnet, und immer wieder wurde darauf angestoßen, dass ich jetzt im Kreis der Erwachsenen Mitglied geworden sei. Mein bester Freund, der ein wenig neidisch in der Ecke stand, trank zusammen mit meinen kleinen Brüdern Kindersekt.
Ich hielt eine Rede, dann gab es Essen, ein geliefertes Menü. Meine Eltern hatten sogar daran gedacht, eine Hilfskraft für die Küche anzuheuern, die fleißig Gläser spülte.
Gegen Abend wurde die Stimmung beschwipster und ausgelassener. Mein Onkel drohte, mich mit Hilfe einer Flasche voll Whiskey unter den Tisch zu befördern. Mein Vater hinderte ihn daran, und die beiden begannen eine freundschaftliche Knufferei.
Irgendwann wollten die ersten Gäste gehen. Ich stand in der Ecke, zuzzelte an meinem Barcadi-Osaft und sah ihnen hinterher, in der rechten Tasche meines Blazers das beruhigende Gewicht von 2765 DM und 55 Pfennigen, die gegen meine Hüfte schlugen, wenn ich mich bewegte.
Auch als alle, sogar die hartnäckigsten, Gäste verschwunden waren, das Wohnzimmer aussah wie ein Schlachtfeld, die arme Katze sich das vergossene Bier aus dem Fell geleckt hatte, die Topfpflanzen die Zigarrettenasche als Dünger beigemischt bekommen hatten und mein Bruder sich einen Splitter eines zerbrochenen Glases aus dem Fuß gezogen hatte, fühlte ich mich kein bisschen erwachsen.
Ich fühlte mich nur beschwippst und ziemlich müde.