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Kommunikation

Liz

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12.07.2002
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Kommunikation

Eines Tages – Samstag war es, glaube ich - kam ein Typ durchs Wohnzimmerfenster gesegelt und nahm auf meiner Couch Platz. Er sah irgendwie ganz gut aus – aber diese Erkenntnis trat in den Hintergrund, da er nicht der Reinlichste zu sein schien und auf meiner weißen Ledergarnitur mit seinen Händen Flecken hinterließ. Ich rannte also schleunigst in die Küche um einen Putzlappen zu organisieren und säuberte anschließend hastig die meiner Ansicht nach verursachte Katastrophe.

„Was willst du?“, fragte ich den Fleckenteufel unwillig und beschloss auf der Stelle, dem ungebetenen Gast die Tür zu weisen, mochte seine Ankunft aus den Lüften noch so dramatisch und beeindruckend erfolgt sein.

Mein Besucher stand auf, breitete seine grauen – ja, Sie haben schon richtig gelesen, grauen nicht weißen - Schwingen in meinem kleinen Wohnzimmer aus und rief theatralisch „Ich komme von Gott, Ungläubige! Meine Aufgabe ist es, dich zu diesem höheren Wesen, dem du Zeit deines Lebens in respektloser Weise begegnet bist, zu bekehren!“

„Hör mal“, sagte ich milde, „du verschwendest deine Zeit. Ich habe wirklich nicht den Nerv für eine Diskussion über irgendwelche höheren Wesen, Gott oder sonst jemand betreffend. Außerdem bin ich nicht respektlos – die ganze Sache geht mir einfach am Arsch vorbei, that`s it. Du verstehst? Also hol dich wieder runter und versuche deinen offensichtlichen Bluthochdruck zu senken, zu deinem Besten, wohlgemerkt.“

„Welch Frevel!“ rief der Gesandte Gottes zornig, und ich konnte darauf nur antworten: „Halt die Klappe und zieh Leine, wenn dir was nicht passt“, was nicht besonders höflich anmuten mag, aber ich gehöre nun einmal nicht zu den sensibelsten Menschen dieser Welt.

Darauf sackte der Engel oder was auch immer dieses Wesen darstellte, in sich zusammen und brach in Tränen aus. „Sorry“, murmelte ich schließlich peinlich berührt, denn irgendwie bekam ich Mitleid mit dem armen Verirrten.

Der Typ begann sich aufzuführen wie ein Wahnsinniger, er strampelte, ja trommelte mit den Fäusten auf meine arme, jungfräuliche Couchgarnitur (die wenigstens den Anforderungen Gottes entsprach, zu der Zeit in der diese Geschichte spielt, zumindest) ein, und ich saß daneben und konnte ihn nur hilflos anstarren.

„Ich halte euch alle miteinander nicht mehr aus!“, schrie der Engel in seiner Not. Ich verstand. Er war seines Jobs überdrüssig geworden. Logisch, wenn man nur Fehlschläge in einer Tour kassiert, kein Wunder, er schien ja so eine Art Vertreterposten im Himmel oder sonst wo zu haben, nur wollte offensichtlich kein Mensch die von ihm offerierten Dienstleistungen bzw. Produkte erstehen. „Also, mein Bester“, sagte ich in sanftem, aber energischen Tonfall, „ich würde dir vorschlagen, einen Berufswechsel anzustreben. Es gibt einige fundierte Online-Tests, die dir vielleicht eine Hilfestellung sein können. Aber vergiss nicht –diese Tests sind nicht mehr als eine kleine Orientierungshilfe, mehr können sie nicht leisten.“

Er sah auf, sein flehendes, Tränen überströmtes Gesicht lösten in mir nicht nur Mitgefühl aus, sondern auch den Drang, den Gesandten Gottes auf den richtigen Weg zu führen.

„Komm, guck doch mal, was das Internet so alles für dich bereit hält“, murmelte ich beruhigend meinem Gast zu, „setz dich einfach völlig stresslos mit der Sache auseinander. Gerade Gott muss doch Fremdbestimmung hassen, also hat er sicher nichts dagegen, wenn du dich weiterentwickelst, gerade dann, wenn du dich in deinem momentanen Beruf nur unglücklich fühlst“, sprach ich ihm Mut zu und führte ihn zu meinem PC.

Mein Gast war für die nächsten Stunden nicht ansprechbar, er war offenbar eifrig bei der Sache. Ich widmete mich inzwischen anderen Dingen, schob für ihn eine Tiefkühl-Pizza in den Ofen – da es mit meinen Kochkünsten nicht weit her war – und versorgte ihn auch mit Kaffee, Kuchen und Limonade. Abgesehen davon musste ich den Kerl energisch davon abhalten, diverse Objekte bei ebay zu ersteigern.

„Willst du wissen, welcher Beruf für mich passend wäre?“, rief er nach einiger Zeit und ich trollte mich ins Wohnzimmer, um seinen Worten die nötige Aufmerksamkeit schenken zu können. „Schieß los“, sagte ich neugierig und er kam meiner Aufforderung nach, sein Gesicht war vor Begeisterung leicht gerötet. „Laut diesem, von dir angepriesenen Test wäre ich der perfekte Tauchlehrer“, sagte mein Besucher, „Ich glaube, das würde mir wirklich Spaß machen! Ich werde sofort mit der Ausbildung anfangen.“

„Aber“, gab ich zu bedenken, „du solltest deinem jetzigen Arbeitgeber schon von deinen neuen Plänen Mitteilung machen. Du hast eventuell Anspruch auf Abfertigung und solche wichtigen Dinge. Du weißt schon. Ist zwar schön, dass du so euphorisch bist, aber darüber hinaus darfst du gewisse Formalismen nicht vergessen.“

Meine Worte schienen auf taube Ohren zu stoßen, der ehemalige Engel (oder was auch immer seine korrekte Berufsbezeichnung war) sprang auf, wirbelte mich im Kreis herum bis sich alles in meinem Kopf drehte, drückte mir links und rechts einen Kuss auf die Wange, und stürzte Richtung Fenster. Er drehte sich nochmals um, rief ein „Danke!“ in meine Richtung und flatterte hektisch davon.

Ich schloss die Fensterläden und machte mich über die Reste der Pizza her. Ich fühlte mich gut – hatte ich doch jemandem mit völlig unbedeutendem Aufwand helfen können. Ob der ehemalige Engel in Zukunft glücklich sein würde? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.

Was zählte, war der Moment, als mein ehemaliger Gast vor Lebendigkeit und Freude förmlich zu sprühen schien. Auch war nicht von der Hand zu weisen, dass ihm der Job als Tauchlehrer gut bekommen würde, speziell, was seine Kommunikationsfreudigkeit aber auch seine Reinlichkeit anging – letzterer Gedanke kam mir kurzfristig, als ich meine Wohnung von Grund auf säuberte und speziell die Schmutzflecken an den Wohnzimmerfenstern entfernte. Gut, dass ich auf ein wirklich sagenhaft günstiges Angebot von BILLA aufmerksam geworden war und mir mit meiner Vorteils-Card Zugang zu wirksamen und günstigen Reinigungsprodukten geschaffen hatte.

Meistens ist es eine Wohltat, ein praktisch veranlagter Mensch zu sein.

 

Hallo Liz,

die flotte Sprache mit satirischen Anklängen hat mir gut gefallen. Ich find auch gut, wenn solche Texte in `Philo´ stehen, es muß ja nicht immer alles gedankenschwer ausgedrückt werden. Etwas mehr Auseinandersetzung mit dem Thema Kommunikation zwischen Mensch und Gott hätte ich mir schon gewünscht (wenn man schon `mal einen Engel zum interviewen hat... ). Aber eigentlich ist Deine Beschreibung schon gut getroffen: Viele Leute verschanzen sich hinter einem gewissen Pragmatismus, um sich mit der Gottfrage nicht auseinandersetzen zu müssen. Im Alltag ist so eine praktische Veranlagung auch meistens erfolgreich.
Das kommt mir jetzt direkt gesellschaftskritisch vor, aber das war wahrscheinlich nicht Deine Intension.
Noch eine Anmerkung: „Anspruch auf“ Abfindung.
Heißt die Couchgarnitur `Maria´ ? (Gute Idee).

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

hallo liz!

jep, tolle geschichte! interessante weise, an das thema "glaube" heranzugehen. besonders gut gelungen ist die darstellung des gegensatzes zwischen dem doch sehr emotionalen engel und der protagonisten, mit ihrer ausgeprägten ader fürs praktische. aber gerade damit hilft sie ja dem "höheren wesen" weiter. die charaktäre sind wirklich gut herausgearbeitet.

die geschichte ist auch mit ziemlich viel humor geschrieben. einige highlights aus meiner sicht:

„Ich halte euch alle miteinander nicht mehr aus!“, schrie der Engel in seiner Not. Ich verstand. Er war seines Jobs überdrüssig geworden.
naja, so leicht dürfte sein job wirklich nicht sein, in der heutigen zeit .. :-)
Abgesehen davon musste ich den Kerl energisch davon abhalten, diverse Objekte bei ebay zu ersteigern.
super einfall! der ist echt eine liebenswerte nervensäge, dieser "engel"
Du hast eventuell Anspruch auf Abfertigung und solche wichtigen Dinge.
naja, und da kommt wieder der realitätssinn der protagonisten gut rüber ..

tolle geschichte, sowohl von der idee her als auch von der umsetzung!

lg
klara

 

Heja Woltochinon,

danke für deine positiven Worte zu der Geschichte :).
Gesellschaftskritisch wollte ich jedoch keinesfalls sein, mit der Gottfrage will ich mich auch nicht näher auseinandersetzen als eingefleischte Atheistin. Bin eher so der naturwissenschaftlich angehauchte Typ ...

Heißt die Couchgarnitur `Maria´ ? (Gute Idee)

Eine gute Idee von DIR! Mir selber wäre das nämlich nicht eingefallen. :cool:
_____

Heja Klara,

schön, dass du die Story auf diese Weise interpretierst, genau das wollte ich herausarbeiten: verträumter emotional veranlagter Engel trifft auf eine staubtrockene Person, die mit beiden Beinen fest im Leben steht. Beide sind in verschiedenen Welten beheimatet, kommen aber letzt endlich gut miteinander zurecht. Der Engel fliegt voller Tatendrang davon, und die Protagonistin ist glücklich, ihm eine kleine Hilfestellung gegeben zu haben.

Liebe Grüße an euch Beide
Liz

 

Hallo Liz!

Wirklich eine witzig geschriebene Geschichte! - Ich meine: Die beiden ergänzen sich perfekt...:D

...nur zwei:

"Ich glaube, dass würde mir wirklich Spaß machen!"
- das

"Formalismen"
- Formalitäten

Alles liebe,
Susi

PS.: In der Kürze liegt die Würze. ;)

 

Heho Susi,

freut mich, dass du die Geschichte witzig fandest :).
Jo, die zwei geben kein übles Gespann ab.

Na aber "Formalismen" gibt es glaub ich schon ...

Liebe Grüße
Liz

 

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