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Serie Kommissar Zufall - Tempolimit

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08.09.2024
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Kommissar Zufall - Tempolimit

Katharina küsste mich wach. „Aufstehen, Herr Hauptkommissar.“
Ich hatte noch tief und fest geschlafen. „Was? Was ist denn los?“, grummelte ich.
„Der Urlaub ist leider vorbei, mein Schatz.“
„Oh ...“
Die drei Wochen Hochzeitsreise auf Madeira waren ein Traum. Der Mai neigte sich dem Ende. Am Zweiten hatten wir geheiratet, zwei Tage später ging der Flieger. Vorgestern kamen wir zurück.

Um kurz nach neun erreichte ich das Revier. Es war noch genauso ruhig wie vor meinem Urlaub.
Nach einigen Augenblicken kam Sabrina aus dem Nachbarbüro zu mir herüber. „Guten Morgen, Bernd.“
„Guten Morgen, Sabrina.“ Ich schaute an ihr vorbei in ihr Büro. „Saskia noch nicht da?“
Die beiden Damen waren meine Stellvertreterinnen.
„Die hat ab heute zwei Wochen Urlaub.“
Ich lachte. „Wer hat das denn genehmigt? Nee, alles klar. Was war denn hier so los?“
„Nur Kleinigkeiten, wie schon die letzten Monate. Auf jeden Fall keine Kapitalverbrechen.“
„Na, na, beschreie es nicht. Gleich klingelt das Telefon, und dann meldet einer einen Mord. Nee, lieber nicht.“
„Es ist doch schön, dass es mal ein bisschen friedlicher zugeht in diesem beschaulichen Städtchen. In den letzten drei Jahren war hier wirklich genug zu tun.“
„Das ist wahr. Aktuell ist also nichts vorhanden, was uns Sorge machen müsste?“
„Nichts.“
„Das ist schön. Dann kann ich mich erstmal wieder an diesen Schreibtisch hier gewöhnen. Der Urlaub war herrlich.“
„Dann leb dich erstmal wieder ein.“
„Mache ich.“
Sabrina ging zurück in ihr Büro.
Mein Telefon klingelte. Ich erschrak. Dann nahm ich ab: „Ja, bitte?“
„Schneider hier. Ich habe eine Frau in der Leitung. Sie möchte den Revierleiter sprechen.“
Na ja, dachte ich, ist gerade nichts los, dann mache ich das mal. Schneider verband mich mit der Anruferin.
„Guten Morgen. Hauptkommissar Bernd Zufall. Was kann ich für Sie tun?“
„Guten Tag. Hier ist Marion Schiffers. Ich … Ich vermisse meinen Freund. Er wollte heute zu mir kommen, aber er ist noch nicht da. Ich erreiche ihn auch nicht. Ich habe Sorge, dass da etwas passiert ist.“
„Wie weit ist denn seine Anreise? Steht er vielleicht im allmorgendlichen Stau? Wäre an einem Montag gewiss nicht ungewöhnlich.“
„Nein, nein. Die Fahrt dauert weniger als eine Stunde. Und um kurz nach sieben Uhr rief er mich an, dass er sich auf den Weg macht. Er war das Wochenende bei seinen Eltern, müssen Sie wissen. War wegen irgendeiner privaten Sache, die sie allein besprechen wollten. Um halb acht wollte er seinen Wagen aus der Werkstatt abholen und dann zu mir kommen. Da hätte er längst hier sein müssen.“
„Jetzt ist es nach neun. Das ist schon etwas lange. Da gebe ich Ihnen recht. Dennoch weiß ich nicht, ob es nach so kurzer Zeit schon angebracht ist, gleich die Polizei zu informieren.“
„Ich erreiche ihn nicht.“ Ihre Stimme klang ängstlich. „Bitte. Er fährt immer so schnell. Nicht, dass er einen Unfall hatte. Er hätte sich gemeldet, wenn er später käme.“
Es klopfte an meiner Tür. „Moment, Frau Schiffers.“ Ich hielt die Hand vor das Telefon. „Herein.“
Kollege Achim Weyde kam herein. Als ich ihn fragend anschaute, flüsterte er: „Tödlicher Unfall auf der Talstraße.“
Ich nickte, wandte mich wieder an meine Anruferin. Sie hatte schließlich ihre Sorge vor einem Unfall geäußert. Wäre fatal, wenn es ausgerechnet der von Achim aufgenommene wäre. „Frau Schiffers? Ich nehme das mal auf. Wie heißt denn Ihr Freund? Was fährt er für einen Wagen?“
„Jan Loos. Er fährt einen dunkelgrünen 3er-BMW.“ Sie gab mir auch noch das Kennzeichen, ihre Adresse und Telefonnummer, bat um Rückruf, wenn wir ihn gefunden haben.
„Ich melde mich, wenn ich etwas herausgefunden habe. Auf Wiederhören, Frau Schiffers“, sagte ich, legte auf. Ich war mit meiner Denke schon wieder voll im Job. Und mein Bauchgefühl sagte mir, dass dieser 3er-BMW gerade gefunden worden war.
Ich ging zu Achim hinüber. „Was gibt es?“
„Talstraße, Langbachbrücke. Richtung stadteinwärts. Rettungskräfte sind schon vor Ort. Eine Frau Ross hatte hier angerufen. Sie hat den verunglückten Wagen gemeldet.“
„Katja Ross?“
Achim schaute mich irritiert an. „Eh, ja, ich glaube, so war ihr Vorname. Kennst du die Dame?“
„Die kenne ich. Dann fahren wir mal da hin.“ Ich sagte Sabrina bescheid, dass ich mit Achim fort war. Wir nahmen einen Streifenwagen anstelle des zivilen Dienstwagens.

Talstraße, Langbachbrücke. Da kamen böse Erinnerungen bei mir auf. Offenbar wirkte ich auf der Fahrt sehr nachdenklich.
Achim sprach mich an. „Alles okay mit dir?“
„An der gleichen Stelle ist Lena, meine erste Frau, verunglückt.“
„Oh, ja. Ich erinnere mich, als wir letztes Jahr die ganze Sache von deinem ehemaligen Kollegen abgearbeitet haben. Er hatte diesen Unfall verursacht. Ja?“
Ich nickte, hatte einen Kloß im Hals. Denn das war ja nicht der einzige Stich in mein Herz, den dieser Scheißkerl zu verantworten hatte. Er hatte auch Tanja, meine Kollegin, die nach seinem krankheitsbedingten Ausfall als Ersatz für ihn gekommen war, die meine neue Liebe wurde, auf dem Gewissen.
Aber er hat seine gerechte Strafe bekommen, sagte ich mir. Entführt hatte er Tanja, sie vor meinen Augen kaltblütig erschossen, als wir sie befreien wollten. Im Affekt zog ich meine Waffe und richtete ihn. Niemand hat mir daraus einen Vorwurf gemacht. Niemand.

Wir erreichten den Unfallort, stiegen aus. Wie ich es geahnt hatte: ein dunkelgrüner 3er-BMW – oder das, was von ihm übrig war – klebte am Brückenpfeiler. Meine spontane Einschätzung: Er war zu schnell ‒ die Fahrbahn war feucht, bemerkte ich, es hatte die Nacht geregnet ‒ , hat die Kontrolle in dieser tückischen Kurve verloren, zu spät gebremst und … An dieser Stelle war nicht umsonst nur Sechzig erlaubt. Aber vorher, da Landstraße, halt Hundert.
Was mich erstaunte, war die Tatsache, dass zwischen dem Unfall und dem Anruf von Frau Ross eine gewisse Zeit vergangen sein dürfte, wenn der Fahrer rund um acht Uhr ungefähr hier hätte sein müssen. Das schätzte ich anhand der Zeitangaben der Freundin. Jetzt war es halb zehn! Sind da andere Fahrzeuge achtlos an diesem Schrotthaufen vorbeigefahren?
Die Fahrspur war komplett frei. Nicht mal Trümmerteile waren zu sehen. Diese waren in dieser Linkskurve wohl eher nach rechts in die Böschung geflogen. Am Fahrbahnrand stand nur ein roter Opel Corsa mit Warnblinker. Eine junge Frau mit langen blonden Haaren stieg aus, als sie mich erblickte.
Ich machte einige Schritte auf sie zu. „Guten Morgen, Frau Ross. Schön, Sie zu sehen. Aber die Umstände sind wohl eher tragisch, wenn ich mir das so ansehe.“
„Guten Morgen, Herr Hauptkommissar.“
„Haben Sie den Unfall beobachtet, oder sind Sie erst hier angekommen, als es schon passiert war?“
„Nee, um Himmels Willen. Viele sind offenbar einfach weitergefahren, weil die Straße frei war. Ich habe natürlich angehalten, um zu sehen, ob jemand … Na ja, ob noch jemand lebt.“
„Sie sind eben eine gewissenhafte Frau.“
„Klar. Ich habe angehalten, habe nachgeschaut. Dann habe ich den Rettungsdienst gerufen, dann Sie.“
„Das war vorbildlich. Danke. Werde ich lobend in meinem Bericht erwähnen.“ Ich lächelte. „Wenn Sie wollen, können Sie Ihren Weg jetzt fortsetzen.“
„Ich kann Ihnen ja sonst auch nichts sagen.“
„Gut. Dann sage ich Danke, Frau Ross.“
„Auf Wiedersehen, Herr Zufall.“

Ich schaute mir die Straße an, stellte fest, dass es keine Bremsspuren gab. Er wird doch wohl gebremst haben, als er merkte, dass er es nicht schafft, dachte ich. Aber da war nichts. Nichts! Daher erbat ich, den Wagen in die Kriminaltechnik zu überführen, um nach der Unfallursache zu forschen. Als ich näher an den Wagen ging, erkannte ich, dass der Airbag nicht ausgelöst hatte. Anhand der vorliegenden Informationen durften wir zwar davon ausgehen, dass Jan Loos am Steuer gesessen hatte. Eine Identifikation war zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht möglich, weil der Motorblock dem Fahrer auf dem Schoß saß, der Innenraum dermaßen zusammengedrückt war, dass keine Chance bestand, an das Handschuhfach oder gar an die Taschen des Fahrers zu gelangen.
„Erinnerst du dich daran, dass ich vorhin, als du mir die Unfallmeldung mitgeteilt hast, telefoniert habe?“, fragte ich Achim.
„Ja, sicher.“
„Da hatte ich die Freundin dran, die unseren Unfallfahrer vermisste. Er hätte längst bei ihr sein sollen.“
Achim seufzte. „Da müssen wir jetzt also hin. Ja?“
„So sieht es aus. Ja.“ Ich holte den Zettel mit der Adresse aus meiner Hosentasche. „Hier, Gosianstraße 4.“
Achim startete den Wagen, fuhr los. „Woher kennst du eigentlich diese Frau Ross?“
„Sie war uns bei einigen Fällen als Zeugin behilflich.“
„Entschuldige, wenn ich das so sage, aber das ist echt ein heißer Feger. Die hat das gewisse Etwas, finde ich.“
„Sie arbeitet im Reisebüro am Markt.“ Ich schaute ihn an, grinste. „Falls du dich an sie herantrauen solltest.“
Achim lachte. „Danke für den Tipp. Ich habe ja bald Urlaub. Da könnte ich noch was buchen.“
Wir waren fast am Ziel. „Hier rechts rein, glaube ich“, meinte ich.
Achim lenkte den Wagen in die Seitenstraße. An der nächsten Ecke, die kaum zehn Meter weiter gelegen war, ging nach links die Gosianstraße ab.
Direkt vor der Nummer 4 parkte Achim den Wagen.

Ich klingelte, der Türöffner summte kurz darauf. Die Wohnung lag im Erdgeschoss.
Frau Schiffers stand im Türrahmen, schaute uns ängstlich an, als wir unsere Dienstmarken vorzeigten und uns vorstellten. „Ist etwas passiert?“, stammelte sie.
Sie ließ uns eintreten, schloss die Tür, begann zu weinen.
„Frau Schiffers, wir haben den Wagen gefunden. Sind Sie sicher, dass er selbst gefahren ist?“
„Natürlich, er war ja auf dem Weg zu mir. Was ...“
„Wenn Sie sagen, dass er es ganz sicher war … Frau Schiffers, Ihr Freund hatte leider einen Unfall, aber ...“, ich schaute sie an, „er hat es nicht überlebt.“
Sie schluchzte. „War er wieder mal zu schnell?“
„Ganz sicher. Wir werden den Wagen noch untersuchen, denn es gab keine Bremsspuren und der Airbag hat nicht reagiert.“
„Oh, mein Gott. Der Wagen war gerade erst in der Werkstatt, beim TÜV. Es war alles in Ordnung, hatte er gesagt.“
Ich stutzte. Hat er das gesagt? Hatte er den Wagen nach ihrer Aussage vorhin am Telefon nicht heute erst zurückbekommen? Dann müssten sie danach noch einmal telefoniert haben. Das klang vorhin aber nicht so. „In welcher Werkstatt war der Wagen?“
„Da bringe ich meinen Wagen auch immer hin. Die ist absolut zuverlässig.“
„Ich denke, wir sollten das trotzdem überprüfen, Frau Schiffers.“
Sie nickte, wirkte unruhig, als sie mir die Adresse gab.
Kurz darauf verabschiedeten wir uns.

„Na, Achim, was meinst du?“
„Heute ist der Tag der schönen Frauen. Die war auch nicht ohne.“
„Das meinte ich nicht.“ Ich grinste. „Sie wirkte auf mich irgendwie unruhig.“
„Du meinst, sie hatte eine Vorahnung, will es aber nicht zugeben?“
„Vorahnung? Worauf? Dass er einen Unfall haben würde? Oder …“ Ich grübelte. Sie wusste, dass er ständig zu schnell unterwegs war. Fehlende Bremsspuren lassen einen technischen Defekt vermuten – oder Vorsatz!

Nachmittags begaben wir uns zu Frau Kränz in die Rechtsmedizin.
„Hallo, Britta. Was kannst du uns sagen?“
„Na, so schnell geht es jetzt nicht. Ich habe ihn ja gerademal eine Stunde auf dem Tisch. Aber ich denke, eins kann ich mit Gewissheit sagen: Er hatte keine Chance zu überleben. Der muss ungebremst in die Wand geknallt sein. Da ist kein Knochen ganz geblieben.“
„Ist die Identität inzwischen geklärt?“
„Ja, den Ausweis habe ich gefunden. Jan Loos, vierundzwanzig Jahre alt. War es vielleicht Suizid?“
„Bei der heißen Freundin?“, murmelte Achim.
Ich schaute ihn erstaunt an. Klar, Frau Schiffers war eine hübsche junge Frau. Aber was war heute mit Achim los? Das klang ein bisschen nach Notstand in Sachen Beziehung.
„Wir schließen nichts aus. Aber der Airbag hat nicht ausgelöst, es gab keine Bremsspuren. Da vermute ich doch einen technischen Defekt.“
„Gebt mir bis morgen Nachmittag. Dann kann ich euch vielleicht sagen, ob er ein gesundheitliches Problem hatte.“
„Gut. Bis morgen. Tschüss, Britta.“
Britta Kränz arbeitete sehr gewissenhaft. Wie seinerzeit ihr Vater, nach dessen Pensionierung sie vom Rettungsdienst in die forensische Pathologie gewechselt war.
„Hey, Achim. Sag mal, was ist mit dir los?“
„Warum?“
„Na, du schmachtest heute jede schöne Frau an, habe ich das Gefühl.“
„Oh … Ach, Bernd. Seitdem ich hier bei euch bin, hatte ich kein Date mehr. Verstehst du?“
„Wo ist denn das Problem? Ich sag mal, du siehst doch aus wie George Clooney, als er noch nicht grau war, bist ein umgänglicher Mensch.“
„Saskia ...“, raunte er.
„Ach, daher weht der Wind.“
„Ich hänge ihr gefühlsmäßig immer noch nach. Aber mal abgesehen davon, dass es unter Kollegen wohl eher gefährlich ist mit Beziehungen, würde sie es gar nicht wollen. Sie hat mit diesem Kapitel abgeschlossen.“
Ich kannte keine Details, wusste nur, dass die beiden vor Jahren mal ein Paar waren. „Du brauchst mal eine richtige Ablenkung. Zeit für dich. Zeit für deine Bedürfnisse. Das verstehe ich.“
„Ja. Ich habe bald Urlaub. Aber ich will mich nicht blindlings in ein wildes Abenteuer stürzen. Das ist nicht mein Ding. Auch Saskia ist, was das angeht, sehr resolut. Trotz ihres Temperaments ist sie doch eher schüchtern.“
Ich seufzte. „Ich weiß. Ich wünschte, sie wäre damals nicht so schüchtern gewesen. Dann würde unser ehemaliger Kollege Rudi vermutlich noch leben.“
„Wie bitte?“
„Sie war, das hat sie uns später gestanden, total in ihn verknallt. Er hatte jedoch eine andere kennengelernt. Und die hat ihn dann umgebracht. Äußerst tragisch.“
„Das ist ja furchtbar.“

Wir fuhren zur Werkstatt, um nachzufragen, was am Wagen von Jan Loos repariert worden war.
Der Werkstattmeister war ein junger Mann, höchstens Dreißig, allerdings nach meiner Einschätzung der Typ Casanova. Er gab uns ausführliche Auskünfte bezüglich des Wagens von Herrn Loos. Selbstverständlich würden auch die Bremsen geprüft, bevor der Wagen wieder an den Kunden geht, versicherte er. „Ich kann Ihnen gerne den TÜV-Bericht zeigen.“
„Ich bitte darum.“
Darin stand alles genau beschrieben, eben wie es sich gehört. Aber was hat zu dem Defekt geführt, der den Unfall verursacht hat? Deshalb mussten wir zunächst den Bericht der Kriminaltechnik abwarten. Dort fuhren wir hin.

Frank Martani war unser Oberspurensucher. Wenn jemand an dem Wagen herummanipuliert hatte, dann würde Frank es finden.
„Was hat die erste Analyse ergeben, Frank?“
„Tja, Bernd. Auf den ersten Blick könnte man sagen, da ist ein Bremsschlauch geplatzt. Ist er auch. Aber nicht nur das. Da hat jemand nachgeholfen. Ich habe ein seltsames Bauteil gefunden, das da definitiv nicht hingehörte.“
„Dann war es also Mord?“, fragte Achim.
„Das könnte man sagen. Ja. Denn dieses Teil verband den Bremskraftverstärker mit dem Gaspedal. Je mehr der Fahrer also auf den Pin haute, desto heißer wurde die Bremsanlage. Sie sollte überhitzen und im Ernstfall ihren Dienst versagen.“
„Damit sie ihm also, wenn er zu bremsen versucht, um die Ohren fliegt. Ja?“, mutmaßte ich.
„Und die Bremswirkung tendierte dann natürlich gegen Null, weil es die gesamte Bremsanlage zerstörte.“
„Was ist mit dem Airbag?“
„Der Sensor war abgeklemmt. Oder ist beim Zerbersten der Bremsanlage abgetrennt worden.“
„Dann werden wir die Frau Schiffers wohl mal fragen müssen, wer da ein Motiv gehabt haben könnte“, meinte ich. „Irgendwelche Fingerabdrücke?“
„Schwierig. Wahrscheinlich hat der Täter Handschuhe getragen.“
„Okay. Danke, Frank.“

Auf dem Weg zu Frau Schiffers kamen wir erneut an der Werkstatt vorbei.
„Halt, halt, Achim. Sieh mal, wen wir da haben.“
„Oh. Was geht denn da ab?“
Frau Schiffers und der Werkstattmeister diskutierten offenbar lautstark. Als er sie am Arm packte, schaltete ich für eine Sekunde die Sirene des Streifenwagens ein. Sofort schreckten sie auf, ließen voneinander ab.
Achim stoppte den Wagen direkt vor ihnen, wir stiegen aus.
„Was ist hier los?“, fragte ich. „Das sah aus unserer Warte wie ein Streit aus. Was ist passiert?“
„Frau Schiffers bezichtigt mich der schlampigen Arbeit am Wagen ihres Freundes. Verdammt, der Jan war auch mein Freund! Glauben Sie, da würde ich schludern?“
„Vermutlich nicht, Herr … Wie war noch Ihr Name?“
„Mark Ringsmann.“
„Herr Ringsmann, Sie haben gewissenhaft gearbeitet, ja?“
„Selbstverständlich!“
Ich wandte mich an sie. „Frau Schiffers, wie kommen Sie auf diese Idee, dass Herr Ringsmann unsauber gearbeitet hätte? Nach bisherigen Erkenntnissen war es, entschuldigen Sie, wenn ich das so brutal sage, ein Unfall aufgrund verantwortungsloser Selbstüberschätzung. Sie sagten selbst, dass Ihr Freund gerne zu schnell fuhr. Das war er definitiv, die Fahrbahn war noch feucht, weil es zuvor geregnet hatte.“
„Aber Herr Kommissar, er ist doch nicht lebensmüde.“ Sie seufzte. „War …“, raunte sie. „Er freute sich auf unsere gemeinsamen freien Tage in dieser Woche. Haben Sie den Wagen denn untersucht?“
„Wir sind dabei. Ja. Es könnte sein, dass jemand daran herumgefummelt hat.“ Ich sprach bewusst etwas salopp im Plauderton, hoffte auf eine passende Reaktion – die prompt kam.
„Das war ganz bestimmt nicht ich!“, rief Ringsmann.
Sein Eifer, mit einer derart prompten Antwort daherzukommen, erstaunte mich.
Frau Schiffers schaute erst Ringsmann, dann mich an. „Na, klar! Dieser Bekloppte von nebenan!“
Was sollte das jetzt werden? Ich schaute sie an. „Bitte, was?“, hakte ich nach. „Wen wollen Sie der Manipulation am Auto von Jan Loos bezichtigen? Frau Schiffers!“
„Mein Nachbar, der Schamers. Das ist ein richtig fieser Typ. Der hat mich schon mal begrapscht. Der hat auch einen 3er. An dem schraubt der ständig rum.“
„Und Sie behaupten nun, er könnte sich am Wagen ihres Freundes zu schaffen gemacht haben, ja?“
„Klar. Der hat mir mal gesagt: 'Für dich würde ich sogar töten'. Der ist total scharf auf mich.“ Sie grinste.
„Damit hätte er zumindest ein Motiv. Ist die Frage, wie ernst er das gemeint haben könnte.“
„Der bringt das. Der ist pervers. Was der schon alles zu mir gesagt hat.“ Sie lachte. „Das ist so ein Muskelprotz, wissen Sie. Auf solche Typen stehe ich überhaupt nicht. Ich mag lieber Hirn statt Muskeln.“
„Das ist sicher weise. Geben Sie mir bitte den Namen dieses Herrn. Dann werden wir den mal befragen.“
„Tun Sie das. Ich könnte den auch wegen sexueller Belästigung anzeigen. Dann haben Sie noch einen weiteren Grund, ihn zu nerven.“
Ich grinste. Wir hören uns an, was er zu sagen hat, dachte ich. Doch ich fragte mich, wann dieser Mann an diesem Wagen Hand angelegt haben sollte, wenn dieser am Wochenende in der Werkstatt gestanden hat.
Wir stiegen in den Streifenwagen, fuhren los. Im Rückspiegel bemerkte ich, dass sich Frau Schiffers und Herr Ringsmann überaus freundschaftlich voneinander verabschiedeten. Dafür, dass sie zuvor noch gestritten hatten, fand ich das doch bemerkenswert. Na gut, hören wir uns mal den Herrn Schamers an, dachte ich.

Wir trafen Herrn Schamers zuhause an.
„Guten Tag, Herr Schamers.“ Ich stellte uns vor. „Dürfen wir bitte hereinkommen?“
„Was hab ich verbrochen? Ich weiß von nix.“
„Reine Routine. Wir müssen jedem Hinweis nachgehen. Wo waren Sie die letzten vierundzwanzig Stunden?“
Er führte uns in sein Wohnzimmer. Sehr spartanisch eingerichtet: Sofa, Sessel, Tisch, Schrankwand mit riesigem Fernseher. Dann schaute er auf die Uhr über dem Fernseher. „Jetzt ist's fünf. Also von gestern Abend um fünf bis jetzt, ja? Also, bis acht war ich bei 'nem Kumpel. Abends bin ich immer im Fitnessstudio. Von neun bis elf. Aber was ist denn passiert?“
„Jeden Abend?“
„Klaro.“ Er präsentierte uns seinen Bizeps. „Wo sollen die sonst herkommen?“
Wer es braucht, dachte ich. „Und danach?“
„Dann macht die Anita die Kasse, denn um elf macht das Studio zu. Ja, und dann gehen wir zum gemütlichen Teil des Abends über. Jeden Abend, Herr Kommissar.“
Ich schaute ihn skeptisch an. „Jeden Abend. Okay. Hier oder bei ihr?“
„Gestern war ich bei ihr.“
„Wann haben Sie das letzte Mal an ihrem Wagen geschraubt, wie man so schön sagt?“
„Wieso?“ Er wirkte kurz irritiert, grinste dann. „Letzte Woche. Da war der Jan hier und hat mich um Rat gefragt. Er ist der Freund meiner Nachbarin. Wir fahren beide einen 325i. Konnte ihm aber nicht helfen. Er ist am nächsten Tag damit in die Werkstatt.“
„Sie haben ein ganz gutes Verhältnis zu den beiden?“
„Der Jan ist in Ordnung, ein feiner Kerl. Aber die Marion … Okay, sie ist echt geil, aber für den Jan ist sie eigentlich nicht die Richtige. Die nutzt ihn nur aus.“
„Das ist ja sehr interessant. Warum glauben Sie das?“
„Ach, hören Sie. Der Jan war wie gesagt mit dem Wagen zur Werkstatt. Er sagte mir auch, dass er für zwei Tage, also übers Wochenende, zu seinen Eltern wollte. Ist von der Werkstatt zwei Dörfer weiter mit dem Bus, hat er mir erzählt. Das heißt, er war drei Tage nicht hier. Und raten Sie mal, was die Kleine da gemacht hat.“
„Sie werden es mir gewiss gleich sagen.“
„Da war vorgestern ein Typ bei ihr. Ich kann mich täuschen, aber der war schon öfter hier, wenn der Jan auswärts war.“
„Beobachten Sie Frau Schiffers?“
„Ach, nee. Die zwei waren so laut, das war nicht zu überhören.“
„Sie haben sich gestritten?“
Schamers lachte schallend. „Nee, Chef. Die haben es richtig krachen lassen. Die haben die ganze Nacht gevögelt. Die Alte schreit dermaßen laut, als würde man sie abstechen.“
Ich verdrehte die Augen. „Verschonen Sie mich bitte mit Einzelheiten. Es heißt, Sie hätten durchaus Interesse an Frau Schiffers.“
„Wer sagt das?“ Er lachte. „Sie haben sich diese Braut richtig angesehen, oder? Klar würde ich die gerne mal flachlegen. Aber sie zickt bloß rum. Da läuft nix.“
„Ich frage noch einmal: Wann haben Sie gemeinsam an ihren Wagen, speziell an seinem geschraubt?“
„Na, letzte Woche. Aber … Was ist denn mit seinem Wagen?“
„Herr Schamers, Jan Loos ist tot. Er hatte einen Unfall mit seinem BMW.“
Er erschrak. „Was? Oh, scheiße. Wie ist das passiert?“
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieser Mann Jan Loos nach dem Leben trachten wollte. Bauchgefühl. Aber mit Speck fängt man Mäuse, dachte ich, sagte also: „Der Unfall wurde möglicherweise vorsätzlich herbeigeführt.“
„Und Sie wollen mir jetzt was unterstellen, oder wie?“ Er schaute uns ernst an, blieb jedoch ruhig. „Nee, Leute.“
„Frau Schiffers sagte uns, Sie hätten sie schon häufiger bedrängt, ihr sogar gesagt, dass Sie für sie töten würden.“
„Ach, die Alte hat 'nen Knall. Sowas sagt man doch bloß zum Spaß. Ich bitte Sie, Herr Kommissar.“
„Das will ich Ihnen mal glauben. Aber wer könnte Ihrer Meinung nach dann ein Motiv haben, wenn es sich denn bestätigen sollte?“
„Keine Ahnung. Ich jedenfalls nicht.“
„Vielen Dank, Herr Schamers.“
Wir verabschiedeten uns.

Als wir wieder im Wagen saßen, äußerte Achim seine Vermutung. „Ich würde sagen, die Frau Schiffers wollte mit dieser Anschuldigung nur von etwas ablenken.“
„Achim, das sehe ich genauso. Sie hatte wohl nicht auf dem Schirm, dass Herr Schamers sie beim Fremdgehen belauscht hat.“
„Hey, wenn jemand beim Sex laut wird, dann weiß er das – oder sie in dem Fall.“
„Dann war sie bei ihrem Freund Jan Loos aber offenbar nicht so zügellos. Sonst hätte Schamers den Unterschied nicht bemerkt“, reklamierte ich.
„Dann werden wir da mal nachfragen müssen.“
„Du kannst sie gerne mal fragen.“ Ich grinste. „Bin sehr gespannt, was sie darauf antwortet.“
Die Frage, die ich mir stellte, war jedoch, warum und wovon sie hätte ablenken wollen. War sie so dumm, dass sie glaubte, uns täuschen zu können? Oder war da gar nichts?
Wir fuhren zurück ins Revier, um die bisherigen Erkenntnisse zu bewerten. Vielleicht war es ja doch ein Unfall.

Wir begaben uns am nächsten Tag erneut zur Kriminaltechnik, fragten Frank nach seinem Bericht. Die Manipulation war bestätigt. Der Unfall wurde vorsätzlich herbeigeführt. Die Bremsanlage sollte überhitzen und den Dienst versagen. Demnach war der Wagen tatsächlich ungebremst gegen den Brückenpfeiler gekracht. Und das vermutlich bei über einhundert Stundenkilometern. Dass da nicht viel von Wagen und Fahrer übrigbleiben würde, war klar.
Also doch die Frage nach dem Motiv. Wer konnte ein Motiv haben? Wer hat diese Manipulation begangen? Es musste jemand sein, der genau wusste, was er tat.
„Wir fahren nochmal zur Werkstatt“, sagte ich.
„Meinst du wirklich, der Ringsmann hat da ...“
„Die Frage ist, woher die Motivation dazu kam. Von ihm selbst? Oder war Frau Schiffers ihres Freundes überdrüssig?“
„Aber wer ist dieser Unbekannte, von dem Schamers sprach?“
„Es könnte Ringsmann sein. Im Rückspiegel hatte ich gestern gesehen, wie herzlich sich die beiden voneinander verabschiedeten, als wir fortfuhren.“
„Du meinst, die beiden könnten es gemeinsam geplant haben, ja?“

Wir legten uns in der Nähe der Werkstatt auf die Lauer. Wir mussten gar nicht lange warten. Ringsmann machte offenbar deutlich früher Feierabend, instruierte einen Mitarbeiter, gab ihm einen Schlüssel in die Hand, fuhr dann fort. Auffällig war der Wagen: ein 5er-BMW, komplett perlmuttweiss, sogar die Felgen, dazu ein breiter roter Streifen von vorn nach hinten über die Hauben und das Dach. Das Kennzeichen notierte ich mir.
Wir warteten ein paar Minuten, stiegen dann aus und gingen hinüber.
„Guten Tag“, sprach ich den Mann an, der von Ringsmann den Schlüssel bekommen hatte.
„Ja, bitte? Was kann ich für Sie tun?“
Ich stellte uns zunächst vor. „Sie könnten uns sagen, wer den Wagen von Herrn Loos am Wochenende abgefertigt hat.“
„Warum?“
„Weil ich Sie darum bitte, Herr ...“
„Bintz. Manuel Bintz.“
„Warum ist Herr Ringsmann jetzt schon fort?“
„Weil er am Wochenende wohl gearbeitet hat. Dafür mache ich heute bis zum Schluss. Freitag hatte er mich früher heimgeschickt.“
„Damit er nicht gestört wird. Nicht wahr?“
„Er hat den Wagen von Herrn Loos halt fertig gemacht.“
„Genau das ist das Problem. Er war damit der letzte, der an diesem Wagen war, bevor der Herr Loos gestern mit hundert Sachen gegen die Wand gefahren ist.“
Bintz erschrak. „Was?“
„Herr Bintz, versuchen Sie sich bitte zu erinnern, was Herr Ringsmann am Freitag zu Ihnen gesagt hat, als er Sie heimgeschickt hat.“
„Also, ich … Ich glaube, er sagte, er erwarte noch ein Ersatzteil, das per Express käme, das er noch einbauen müsse. Er bestand darauf, dass ich gehe. 'Das schaffe ich allein', sagte er.“
„Hat er gesagt, wo er jetzt hinwill?“
„Nein, aber er hatte es wohl recht eilig.“
„Vielen Dank, Her Bintz.“

Als wir uns unserem Wagen näherten, klingelte mein Telefon. Sabrina war dran. „Was gibt es?“, fragte ich.
„Ein Herr Schamers rief gerade an. In der Nachbarwohnung ginge mal wieder die Post ab, meinte er. Ich sollte dich informieren.“
„Verstanden. Wir sind unterwegs.“
„Wie jetzt? Du weißt, was das bedeutet?“
„Unser Mörderpärchen fühlt sich offenbar zu sicher.“
„Mörderpärchen?“
„Schick den Bully in die Gosianstraße 4. Sie sollen da auf uns warten. Ein Durchsuchungsbeschluss wäre nicht schlecht.“
„Okay. Nathalie und Tobi sind hier. Sie kommen mit dem Bully. Sie bringen den Durchsuchungsbeschluss gleich mit. Wird aber ein bisschen dauern.“
Nathalie Grund und Tobias Menge waren die jüngsten in meinem Ermittlerteam.
„Ist schon okay. Gib am besten gleich eine Fahndung nach den beiden raus, falls sie uns entwischen sollten. Marion Schiffers und Mark Ringsmann.“ Dazu gab ich ihr die Beschreibung des Wagens und das Kennzeichen, denn Bilder der beiden mutmaßlich Flüchtigen hatten wir natürlich nicht.
„Wird gemacht.“
Wenn mehr als eine Person zu verhaften war, nutzten wir den VW-Bully. Okay, Bully heißt der heute nicht mehr, aber aus Nostalgiegründen nannte ich unseren alten T4 dennoch so. Der hatte eine abgeschlossene Kabine mit sechs Sitzplätzen für die Delinquenten.

Wir erreichten unser Ziel. Der Bully stand schon bereit. Da hat Sabrina blitzschnell gehandelt. Super, dachte ich. Ich klingelte bei Herrn Schamers.
„Oh, hallo, Herr Kommissar“, flüsterte er. „Das ging aber schnell.“
„Haben Sie jemanden gesehen, der in die Wohnung ging?“
„Nein. Aber wenn Sie lauschen, werden Sie hören, was Sache ist. Und das mal am helllichten Tag. Die sind echt hart drauf.“
„Gehen Sie bitte in Ihre Wohnung zurück. Wir müssen da jetzt vermutlich gewaltsam eindringen“, sagte ich zu ihm.
„Ey, cool. Sowas sieht man ja immer nur im Fernsehen. Aber durch den Spion darf ich das beobachten, ja?“
„Warum fragen Sie? Sie tun es doch sowieso.“ Ich lachte. „Gehen Sie bitte hinein und schließen die Tür.“
„Alles klar.“ Sofort verschwand er in seiner Wohnung.
Achim klingelte mehrfach, doch es öffnete niemand.
„So, Leute. Die zwei sind unsere mutmaßlich Tatverdächtigen. Aber scheinbar wollen sie sich jetzt nicht stören lassen. Wir gehen da jetzt rein“, sagte ich.
Kollege Tobias Menge hatte das passende Werkzeug aus dem Bully dabei.
Die Tür war schnell geöffnet, war offenbar nicht abgeschlossen. Achim und Tobias gingen sofort hinein.
„Hier ist niemand!“, rief Achim nach wenigen Augenblicken. „Da läuft ein Tonband!“
Verdammt! Die Vögelchen sind schon ausgeflogen, dachte ich. Ich rief Sabrina im Revier an, fragte nach der Fahndung. Die war raus, sagte sie mir.
Da stand tatsächlich ein altes Tonbandgerät mit zwei Stereolautsprechern. Die Flüchtigen werden das Gerät eingeschaltet haben, als sie die Wohnung verließen. Daher glaubte ich nicht, dass da zu Beginn des Bandes die von Herrn Schamers registrierten Geräusche zu hören waren.
Ich klingelte beim Nachbarn.
Er war gleich da. „Haben Sie die zwei?“
„Herr Schamers, wann sind Ihnen die eindeutigen Geräusche aufgefallen?“
„Höchstens zehn Minuten, bevor ich Sie angerufen hatte. Aber ich höre doch immer noch was. Warum?“
„Weil es ein Tonband ist. Vielen Dank, Herr Schamers. Wir sind dann wieder weg. Achim! Jetzt schalte das Ding endlich ab.“
Nathalie versiegelte die Wohnungstür. Dann fuhren wir fort.

Mein Telefon klingelte. Sabrina war dran. „Was gibt es?“
„Die Flüchtigen sind bereits eingefangen. Sie wollten gerade am Flughafen in Luxemburg einchecken.“
„Sehr schön. Werden uns die beiden Frei Haus geliefert?“
„Sicher. Den Haftbefehl habe ich sofort beantragt.“
„Danke, Sabrina.“
Wir fuhren zurück zum Revier.

Am nächsten Morgen kam der Gefangenentransport aus Luxemburg nach Langbach-Baden.

Es ist doch erschreckend, aus welch niederen Motiven Morde geschehen. Marion Schiffers gestand freimütig, dass sie Jan Loos nur des Geldes wegen als ihren Freund behielt, während sie mit Mark Ringsmann die bereits seit Jahren bestehende Beziehung weiterführte. Sie hat stets um Geld gebettelt, hat es auch bekommen. So hatte sie inzwischen mehrere tausend Euro beiseite gelegt. Als Jan ihr dann kürzlich sogar eine eigene Bankkarte für sein Konto gegeben hatte, bediente sich Marion Schiffers sehr großzügig an dem Konto, behauptete etwas von 50.000 €.
Das hatte Mark Ringsmann vor einiger Zeit bemerkt, gab er im Verhör zu. Er stachelte sie an, jeden Tag den Höchstbetrag abzuheben, schmiedete Zukunftspläne. Er wollte weg. Und zwar mit Marion Schiffers. Da störte Jan Loos, lamentierte er.
„Er hat mich belogen!“, schimpfte sie im Verhör. „Klar hat er drüber gesprochen, mit mir irgendwo hin zu wollen, wo wir unsere Ruhe hätten. Aber warum musste er Jan deswegen umbringen? Nach dem Streit, den Sie beobachtet hatten, hat er mir glaubhaft versichert, dass er mit dem Unfall nichts zu tun hat. Der ist so blöd! Der Jan hatte genug Geld. Der hat das gar nicht gemerkt, dass ich sein Konto geplündert habe. Er hatte mich sogar gefragt, ob ich ihn heiraten wolle. Ich habe ihm nicht geantwortet. Sein Geld konnte ich doch auch so haben.“
Frau Schiffers beteuerte, von dem Mordplan nichts gewusst zu haben. Hätte sie es gewusst, hätte sie bestimmt nicht die Polizei gerufen, warf sie mir vor.
Mark Ringsmann schien also der alleinige Täter zu sein.
„Als er den Wagen zu mir gebracht hatte, da hat er was von Heiraten gefaselt. Das wollte ich nicht zulassen. Die Idee kam mir ganz spontan. Ist mies gelaufen“, gab er kleinlaut zu.
Mark Ringsmann hatte spontan und unüberlegt gehandelt. Das mit dem Tonband hatte Frau Schiffers für einen Spaß gehalten.

Am nächsten Tag kam Achim zu mir. „Sag mal, Bernd. Kann ich meinen Urlaub ein paar Tage früher beginnen? Ich hätte eigentlich die letzten beiden Wochen im Juni, bis zum Dreißigsten.“
„Ich schaue mal in den Plan. Was ist passiert?“
„Ich bräuchte schon ab Mittwoch der Vorwoche frei. Das ist der dreizehnte Juni.“
Ich holte den Urlaubsplan heraus, schaute ihn mir an. „Das sieht gut aus, Achim. Was ist denn los?“
„Ich war gestern im Reisebüro am Markt.“
„Ah, die Frau Ross hat dir einen schönen Urlaub verkauft. Ja?“
Achim schmunzelte. „Genau. Einen Urlaub zu Zweit.“
Ich schaute ihn irritiert an. „Wen nimmst du denn mit?“
„Die Katja“, antwortete er knapp.
Es dauerte einen Moment, bis bei mir der Groschen fiel. „Nee! Echt jetzt?“
„Sie kommt mit mir nach Irland. Genau für diese Zeit, die ich Urlaub haben möchte, hat sie eine Vertretung.“
„Hey, Achim. Da will ich natürlich nicht im Wege stehen. Glückwunsch. Aber … Mann, Achim! Wie kam das denn so spontan?“ Ich klopfte ihm an die Schulter.
„Na ja, wir haben uns bestimmt zwei Stunden über den Urlaub unterhalten. Das hat wohl auch bei ihr etwas ausgelöst. Sie sagte, sie liebe das Abenteuer und hätte die Schnauze voll vom Singledasein. Freiheit schön und gut, aber irgendwie fehlt doch was. Und da schwimmt sie mit mir ja nun gerade genau auf der gleichen Welle. Das Thema Saskia ist eh erledigt.“
„Mensch, Achim, das ist toll. Ich drücke dir beide Daumen, dass dieses Abenteuer ein Happyend bekommt.“
„Das wäre traumhaft. Sie ist eine tolle Frau.“
„Dann wünsche ich schon mal viel Glück.“
„Danke. Glaub mir, ich werde nichts überstürzen. Aber ich freue mich tierisch auf diesen Urlaub. Wir haben uns bei dem Gespräch gestern Abend echt gut verstanden, haben zusammen gelacht. Das fühlt sich richtig gut an.“

Britta kam mittags zu mir, brachte den Autopsiebericht mit. Demnach war Jan Loos kerngesund gewesen, hatte bloß seine Gutmütigkeit mit dem Leben bezahlen müssen.

 

Hi und willkommen!

Anfangs ging es etwas zäh, aber dann ließ es sich flott weglesen. Die Dialoge sind sehr lebensnah, fast zu viel, am Anfang würde ich dazu raten, das Geplänkel im Büro ganz drastisch zu kürzen.

Generell finde ich, dass zu viele Figuren in dieser Kurzgeschichte rumturnen. Ich würde den Hintergrund mit dem Schicksal des Kommissars komplett rausstreichen (so persönliche Belastungen kannst du in einem Roman bringen, eine Kurzgeschichte überfrachten sie m.E. nur), ich würde auch diese namentliche Zeugin reduzieren. Maximal eine persönliche Nebengeschichte / ein running gag nebenbei, von mir aus halt der notgeile Kollege ...

Du schilderst uns nur die (eher überflüssige) blonde Zeugin, bei allen anderen sagst du gar nichts zum Aussehen: der Werkstattmensch, die "Witwe" usw.

Die Auflösung ist nicht unplausibel, aber ich würde vorher schon deutlichere Hinweise legen, dass das Opfer sehr wohlhabend war und die "Witwe" eher nicht. So kommt das Motiv nachgeschoben, und ich hab keine Chance mitzuraten.

Und sachlich/fachlich: Wenn Zufall (BTW: auch den Namen würde ich einer kritischen Prüfung unterziehen) bei der ganz normalen Polizeiwache arbeitet, würden die den Fall spätestens ab der kriminaltechnischen Untersuchung abgeben müssen an den Kriminaldauerdienst. Aber dass Streifenpolizisten Morde lösen, ist schon fast ein running mistake in der deutschen Krimilandschaft - von Eberhofer und Hubert & Staller bis zu Sophie Haas und Sörensen.

VG
Nico

 

Hallo Nico,

ich hatte eigentlich eine Anmerkung zum Text (gestern war sie noch da) eingefügt, damit klar ist, dass dies nicht der Anfang der Geschichte ist, sondern dass es bereits 34 Episoden gibt, die sich 'in den letzten drei Jahren' abspielen. Deshalb gibt es auch die punktuellen Rückblenden.
Dies ist eine Serie, die aus mehreren Episoden jeweils zu einem Roman gebunden ist.
Kriminalhauptkommissar Bernd Zufall und seine Mitstreiter sind keine normalen Polizisten, sondern eben Kriminalbeamte. In meiner fiktiven Gemeinde Langbach-Baden ist das aber alles unter einem Dach angesiedelt.

Ist es nicht so, dass das Motiv des tatsächlichen Täters oft sehr lange im Dunkeln bleibt?
Mal sehen, wo ich da Hinweise einbauen kann.

Soweit erstmal herzlichen Dank für Deine Anmerkungen.

Schöne Grüße,
SoeinZufall

 

Hallo @SoeinZufall ,


„An der gleichen Stelle ist Lena, meine erste Frau, verunglückt.“
„Oh, ja. Ich erinnere mich, als wir letztes Jahr die ganze Sache von deinem ehemaligen Kollegen abgearbeitet haben. Er hatte diesen Unfall verursacht. Ja?“
Ich nickte, hatte einen Kloß im Hals. Denn das war ja nicht der einzige Stich in mein Herz, den dieser Scheißkerl zu verantworten hatte. Er hatte auch Tanja, meine Kollegin, die nach seinem krankheitsbedingten Ausfall als Ersatz für ihn gekommen war, die meine neue Liebe wurde, auf dem Gewissen.
Aber er hat seine gerechte Strafe bekommen, sagte ich mir. Entführt hatte er Tanja, sie vor meinen Augen kaltblütig erschossen, als wir sie befreien wollten. Im Affekt zog ich meine Waffe und richtete ihn. Niemand hat mir daraus einen Vorwurf gemacht. Niemand.
Puh, das ist natürlich ein Böller. Der Polizeikollege hat die erste und die zweite Liebe des Zufalls auf dem Gewissen? Das ist mir ein bisschen viel, zumal auch an einer Stelle in der Geschichte, der ziemlich lange Geplänkel vorangeht beim morgendlichen Ankommen im Büro.
weil der Motorblock dem Fahrer quasi auf dem Schoß saß, der Innenraum dermaßen zusammengedrückt war, dass keine Chance bestand, an das Handschuhfach oder gar an die Taschen des Fahrers zu gelangen.
Da würde ich das "quasi" streichen, das klingt sonst zu sehr so, wie man es einfach jemandem, der neben einem sitzt, erzählen würde. Da gibt's noch mehrere ähnliche Stellen im Text.
„Sie war uns bei einigen Fällen als Zeugin behilflich.“
Ich nehme an, die falsche Fährte ist hier absichtlich gelegt.
„Du meinst, sie hatte eine Vorahnung, will es aber nicht zugeben?“
„Vorahnung? Worauf? Dass er einen Unfall haben würde? Oder …“ Ich grübelte. Sie wusste, dass er ständig zu schnell unterwegs war. Fehlende Bremsspuren lassen einen technischen Defekt vermuten – oder Vorsatz!
Ist das nicht von Anfang an klar, spätestens ab dem Telefonat?
Aber was war heute mit Achim los? Das klang ein bisschen nach Notstand in Sachen Beziehung.
Ich nehme an, dass Stellen über Flirts und Amouren der Kommissare etwas auflockern und etwas "Menschlichkeit" reinbringen sollen, aber diese Nebenstränge mit den Beziehungskisten gefallen mir in diesem Text nicht richtig.
Dann würde unser ehemaliger Kollege Rudi vermutlich noch leben.“
„Wie bitte?“
„Sie war, das hat sie uns später gestanden, total in ihn verknallt. Er hatte jedoch eine andere kennengelernt. Und die hat ihn dann umgebracht. Äußerst tragisch.“
„Das ist ja furchtbar.“
In der Episode gibt es aber reichlich Mord und Totschlag unter Polizisten. :susp: Nochmal, für mich ein bisschen viel.
„Dann war es also Mord?“, fragte Achim.
„Das könnte man sagen. Ja. Denn dieses Teil verband den Bremskraftverstärker mit dem Gaspedal. Je mehr der Fahrer also auf den Pin haute, desto heißer wurde die Bremsanlage. Sie sollte überhitzen und im Ernstfall ihren Dienst versagen.“
„Damit sie ihm also, wenn er zu bremsen versucht, um die Ohren fliegt. Ja?“, mutmaßte ich.
„Und die Bremswirkung tendierte dann natürlich gegen Null, weil es die gesamte Bremsanlage zerstörte.“
„Was ist mit dem Airbag?“
„Der Sensor war abgeklemmt. Oder ist beim Zerbersten der Bremsanlage abgetrennt worden.“
„Dann werden wir die Frau Schiffers wohl mal fragen müssen, wer da ein Motiv gehabt haben könnte“, meinte ich. „Irgendwelche Fingerabdrücke?“
Details wie diese finde ich dann wieder gut, also eine gewisse Detailgenauigkeit über die ganzen Ermittlungsschritte hinweg. Stellenweise ist mir das ein wenig zu kleinteilig, insgesamt aber sinnvoll.
„Also, wenn der die Frau Schiffers einfach mal hätte flachlegen wollen, denn mehr habe ich da eigentlich nicht herausgehört, dann hätte er das längst getan“, meinte Achim. „Wehren könnte sie sich gegen den eh nicht.“
„Nur dass es dann eine Vergewaltigung wäre. Aber wirklich gewalttätig scheint er mir nicht zu sein.“
Das finde ich einen sehr seltsamen Teil. Sie reden ganz selbstverständlich über eine Vergewaltigung und "wehren könnte sie sich gegen den eh nicht" finde ich, vor allem aus Polizistenmund, eher gruselig.

Insgesamt finde ich die Geschichte locker zu lesen, man kommt gut durch. Du scheinst diese Art von (Ermittlungs)geschichte sehr routiniert zu erzählen und ich habe in dem Kommentar gelesen, dass es eigentlich ein ganzer Band mit diesen Episoden ist. Ganz ehrlich: den Namen des Kommissars würde ich ebenfalls ändern. Da es auch an einigen Stellen eher Prototypen von Charakteren sind (die scharfen, jungen Blondinen, der etwas dümmliche Muskelprotz etc.), würde ich schauen, wo ich diese Prototypen ein wenig auflösen kann.

Insgesamt recht gern gelesen,
viele Grüße,
Helen

 

@Helenesthe
Hallo Helen,

hatte die Woche ein bisschen viel um die Ohren, deshalb erst heute.
Habe ein paar Kleinigkeiten angepasst. Insbesondere diese:

Das finde ich einen sehr seltsamen Teil. Sie reden ganz selbstverständlich über eine Vergewaltigung und "wehren könnte sie sich gegen den eh nicht" finde ich, vor allem aus Polizistenmund, eher gruselig.
Ja, das war vielleicht ein bisschen unglücklich formuliert. Sollte eigentlich nur umschreiben, dass der Mann für sie nicht zum Kreis der Verdächtigen zählte.
Ist das nicht von Anfang an klar, spätestens ab dem Telefonat?
Ja, sicher ist das klar. Aber noch spekulieren sie ja. Hatte sie nur die Ahnung, weil sie wusste, dass er immer zu schnell fährt, oder wusste sie, dass er aufgrund der Manipulation diesen Unfall haben würde?
Ich nehme an, die falsche Fährte ist hier absichtlich gelegt.
Katja Ross ist keine falsche Fährte. Sie ist nur eine Bekannte aus zwei früheren Fällen.
Da es auch an einigen Stellen eher Prototypen von Charakteren sind (die scharfen, jungen Blondinen, der etwas dümmliche Muskelprotz etc.), würde ich schauen, wo ich diese Prototypen ein wenig auflösen kann.
Das kann man so und so sehen. Ich verstehe es eher als eingestreute Ironie. Aber schlechte Blondinenwitze mache ich nun wirklich nicht. Schließlich ist meine Frau ebenfalls blond.

Gleiches gilt übrigens auch für den Namen meines Kriminalhauptkommissars: Ironie mit einem Augenzwinkern.

Schöne Grüße,
SoeinZufall

 

Hallo @SoeinZufall

Katja Ross ist keine falsche Fährte. Sie ist nur eine Bekannte aus zwei früheren Fällen.
Wenn wir schon gerade da sind, sage ich dir mal, wie ich drauf gekommen bin: Eine einzige Person, die in drei(!) Kriminalfällen in einem Revier Zeugin ist, wäre für mich eine Verdächtige. :cool:

Schönen Restsonntag,
Helen

 

@Helenesthe
Hallo Helen,

oh, das ist natürlich eine Sache, die ich dabei gar nicht bedacht hatte. Aber nein, sie hat nichts verbrochen. Einmal war sie selbst Opfer, einmal hat sie die Polizei auf die Spur eines Heiratsschwindlers gebracht, weil sie offenbaren konnte, welche Reise er bei ihr gebucht hatte (Reisebüro).

Schöne Grüße,
SoeinZufall

 

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