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Kommanditgesellschaft
Nora’s Dollhouse – 'bout a limited partnership
In der Anstalt deklamiert einer
als La Court Age den Raum betritt, in dem sein Antipode Komplementär dem Vortrage der näselnden Stimme lauscht – oder sollte der Penner nur wieder vor sich hin dösen, um es hernach hochtrabend „meditieren“ zu nennen? –, während Frau Aaron fleißig an der Rutenwebmaschine arbeitet.
„Bongschur, Mattmosäll äh Mussjö!“, scherzt der Kommanditist zunächst, um ernsthaft fortzufahren, ob die „Lalla" nicht abgestellt werden könne. Er brauche zudem die Webmaschine. „Ich will meine nächste Textilje webben. – Man lechzt nach modischem Chic und meinem Charme."
Doch Mussjö zuckt mit den Schultern, schüttelt den Kopf und murmelt: „Seltsame Welt, in der man vorgeschrieben bekommt, welche Dummheiten man zu tun und zu lassen habe ..." und drückt die repeat-Taste und Frau Aaron hat wichtigeres zu tun, als zu gehorchen, und summt stille vor sich hin
In dem Webstuhl läuft geschäftig
Schnurrend hin und her die Spule –
Was er webt, das weiß kein Weber.“
Empört reagiert L’Aschenkurt: „Dem Publikum drängt’s nach textiler Kunst, denn es will zugleich warm gehalten werden. –
Es beweist seinen guten Geschmack, dass es nach meinen Produkten lechzt, während es eure Dummheiten nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde", und bellt heftig: "Stell endlich das Gestammel ab!", als die fremde Stimme wie zur Bestätigung nörgelt
als die Aufnahme kurz kratzt, das so etwas wie
wenn auch arg kurzsilbig herüberkommt und fortnölt
während der Antipode grob wie fahrlässig meint: „Ich plan meine nächste Dusseligkeit lieber sorgfältig und dauerte es auch’n halbes Leben, denn das Publikum hat Anrecht darauf, das ein bestimmtes Niveau nicht unterschritten wird."
„Du erzählst wieder einen Blödsinn!", bellt Kurt Asche, Mussjö aber fährt unbeeindruckt fort: „Kann’s Publikum nicht warten, begeh es doch seine eigne Dummheit. Dazu hat jeder ausreichend Talent, man muss es nur zu wecken wissen, Kurdiemäuschen, oder kennstu nicht deinen Beuys und unsern Schiller?"
Gerade nölt die fremde Stimme
als ein kurzes, aber den Vortrag überstimmendes Knacken die eine Silbe verschluckt,
und der Kommanditist flucht: „Du Arsch sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Wer aber wär dir gerade mal näher als ich?“
Feuer! Brennender und zugleich erstickender Schmerz.
Tsunami unterm Schädel. Schwankende Welt.
Sekundenfragment in endlos gedehnter Zeit.
„Eleonore!“, wimmert es, doch Frau Aaron hört nicht.
Am Komplementär vorbei saust ein Leben,
fremdelnd im Elend einer leisen Einfalt,
lauter Zweifeln und der heiligen Dreifaltigkeit.
Frau Aaron hört einfach nicht!
Ein grelles Licht und der Körper sinkt in die ewige Nacht, als der kleine Balken herausgezogen wird aus dem Schädel und alle Schleusen geöffnet sind.
Ein Freund holt Mussjö heim zur Stunksitzung, wo in einer fremden Sprache geschwiegen wird, denn was diese Silbe überstimmt hat, ist jener gespitzte Bleistift, mit dem gewöhnlich Soll und Haben in dieser kleinen Welt notiert wird, um letztlich mehr oder doch weniger gewissenhaft Überschuss oder Unterdeckung zu errechnen.
Dieses harmlose Gerät hat sich in diesem Augenblick in den Schädel des Komplementärs gebohrt mithilfe der starken Hand des L’Aschenkurts. Der brüllt in der Tat
Warum hört denn Frau Aaron nicht?
Die liegt unterm Jacquardgewebe, das da lautet
Braun schwalgt der Herdrauch gelb, der sich dem Stank vereint.
Es kuht die Nacht vom Koben brunz zur Schlaufe,
Wann schon der Vorknecht mit der Hintermagd im Stalle schweint.“
Eleonore kann einfach nicht hören!
Mit einem "Oore-wo-ar, mä-sa-mies!", zieht der Kommanditist den kleinen Balken aus des Antipoden Hirn, auf dass Säfte des gewesenen Komplementärs frei fließen können, wie die Gedanken L'Aschenkurts nur wünschen: „Du hasst keinen mehr!“
Hab die Ehr -, also spricht noch einmal der Komplementär zu dem dürren Kerl, der ihm wider Erwarten die Hand reicht, - Ihren verehrten Bruder zu kennen und fast täglich mit ihm verkehrt, ein guter Freund und Gönner, kurz: gänzlich anders als Sie, mein Herr, der so wenig als möglich vorbeischaut, was man ja oft findet, dass Brüder sich nicht gleich sind. Sie sind gerade heraus und für jede Adresse zu haben, ohne allzu viel zu komplimentieren.
Es soll Leute geben, die über Ihre dünnen Beine spotten, aber auch nur hinter Ihrem Rücken. So einer bin ich nicht, stolzier ich doch selber auf solch’ Kackstelzen. Ich weiß auch, dass Sie ein guter Mann sind, jeden gleichbehandeln, ob hohen oder niedern Standes, den Klugen wie den Dummen, denn – sind wir nicht alle dumm, die einen geboren, die andern gemacht und hernach beschränkt und in Blödigkeit gehalten, dass einem schon Heinweh ankommen kann nach Ihrer Gerechtigkeit - wenn da nicht die Hoffnung wäre auf bessre Zeit, dass man sich ruhig könnt niederlegen.
Hab ein Notizbuch, das bring ich Ihnen mit, voll von Gedichten und Geschichten.
Weiß nicht, mögen Sie überhaupt Gedichte?
Gehn wir noch zusammen ein’ trinken?
Nee?
Schade!
Ich versteh schon: nicht während der Arbeitszeit, und schon gar nicht im Dienst rund um die Uhr. Der große Bruder schaut zu …
So ist unsre Welt heute und Ihre wohl auch.
Ja, das ist fein und auch, dass wir uns duzen.
War mir nicht sicher, wie viel Humor und Witz Du verträgst, weil es heißt, Du würdest keinen Spaß verstehn, auch, dass Du keine Zeit für Poesie fändest. Der Beruf, die Stelle, man kennt’s auch hier am Markt. Und wer keine Zeit hat, ist so gut wie tot. Das Büchlein, hoff ich doch, wird Dir nicht gänzlich missfallen und Du wirst schon das richtige mit tun.
Die Hand, lieber Freund, nehm ich gern, so ist in meinem Alter gut wieder aufstehn.
Doch eine Frage noch: Werden wir Eleonoren begegnen? -
Die Gewerbeaufsicht wischt den Boden, während der Kommanditist kommandiert, man möge gefälligst den Komplementär aus dem Register löschen. Das Mündel will Vormund werden. –
Schrecksekunde:
Was wäre, käme ein solcher Vermerk ins Gewerbezentralregister? Das Mündel entmündigte den Vormund, was nicht sein darf und darum nicht sein kann, den Vormund aber zu einer Entscheidung zwänge, die alle Seiten befriedigte: Mündel und Vormund beschlössen gemeinsam mit den Kammern, dass Mussjö Hausverbot erhielte.
Und tatsächlich: Mussjö hält sich ans Hausverbot bis zum Sankt Nimmerleinstag und dem letzten Gerücht. - Wie könnte es bei einem solch zurückhaltenden Wesen auch anders sein?
Eitrig der Mond vom Himmel trotzt.
Ein Dichter schreibt. Ein Leser kotzt, “Nobody loves you when you’re down and out …”