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Komischer Kauz

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20.08.2017
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Komischer Kauz

Drei Tage und drei Nächte braucht die Seele, um den Körper zu verlassen, um den Weg zurück zu finden in das Reich neben dem Leben. In dieser Zeit soll der Mensch nicht allein gelassen sein. Im Übergang sollte er begleitet sein, mit Kerzen, Myrrhe, Leichenstarre durch Hände halten wärmen, nicht alleine gehen lassen.

Das hatte ihm ein alter Rishi einmal gesagt, damals, als er für ein Jahr in Indien gearbeitet hatte.
Keine Totenruhe, sondern Totennähe in diesenTagen, begleitet von dem liebsten Menschen, der das Leben mit der oder dem Toten geteilt hatte.
Damals in Indien war er jung, den Tod als Krankenpfleger der Gesellschaft für Zusammenarbeit (GEZ) immer vor Augen, so viele Kinder, so viele Alte hatte sterben sehen und in den Tod begleitet. Gestorben an Krankheiten, die er vorher niemals gesehen hätte, den Blähbauch des Hungers, die Lepra und viele andere unbekannte Arten zu sterben.

Nein, er hätte dem Bestatter niemals erlaubt, ihr ein weißes Totenhemd anzuziehen.
Aber er hatte sie geschminkt in der ihr eigenen Art, und ihr behutsam das angezogen, was sie beide über viele Jahre in ihren engsten Stunden so sehr erfreut und erregt hatte.
Es war Winter, und er wagte es nicht, die Heizung aufzudrehen. Bei wenigen Grad unter Null in der Wohnung lag sie neben ihm im Bett. Die Kälte war gut für sie.
Er küsste ihre kühle wachsweiße Stirn.

Ja, sie war gegangen und er fühlte sie nicht mehr, aber noch lag sie neben ihm.
Er vergaß die Zeit…

Nach fast einer Woche brach die Polizei auf Bitten der Nachbarn die Wohnungstür auf.
Der Wohnungsinhaber lag bewusstlos neben einer weiblichen Leiche, selbst offensichtlich fast verdurstet.
Die forensische Untersuchung ergab Spuren von Sperma auf dem Körper der toten Frau, das zu mehreren unterschiedlichen Zeitpunkten auf die Leiche ejakuliert worden sein musste. Die Tote trug seidene Dessous.

Als er körperlich genesen aus dem Krankenhaus entlassen wurde, überstellte man ihn in eine offene psychiatrische Anstalt.
Die Staatsanwaltschaft hatte darauf verzichtet, eine Klage wegen Störung der Totenruhe nach § 168 StGB zu erheben, und die Ärzte und Betreuer in der Anstalt waren nicht der Meinung, der Patient könne an einer Paraphilie im Sinne des F 65.8 leiden. Also keine klassische Nekrophilie.

Er zählte also nach dem Urteil der Spezialisten nicht zu jenen Leuten, deren Sexualtrieb auf Leichen ausgerichtet wäre.
Er wurde entlassen und kehrte in seine Wohnung zurück. Die anfängliche Aufregung um seine Rückkehr legte sich bald, die Tage waren wieder dieselben.

Nachbarn sahen ihn nur noch selten, meistens am Mittwoch und am Sonntag, wenn er sich gesenkten Hauptes zum Friedhof schleppte, um das Grab seiner Frau zu besuchen. Man wunderte sich etwas darüber, dass er bei jedem Wetter um diese Zeit unterwegs war, manchmal ohne Mantel und Hut, obwohl kalt war oder regnete.

Ein vereinsamter komischer Kauz.

Er grüßte niemanden mehr und nahm wohl auch niemanden mehr wahr.
Meistens blieb er von Sonnenaufgang bis zur herein brechenden Dunkelheit bei ihr.

Es gab für ihn nichts mehr zu tun, nur noch in ihrer Nähe zu sein und abzuwarten.
Abwarten auf den Tag nach allen kosmischen Ewigkeiten, an dem sie sagen würde:
„Ich habe auf Dich gewartet.“

 

Hallo Vertellminix,

ich steige mal sofort ein:

in diesenTagen,
in diesen Tagen,

so viele Alte hatte sterben sehen
so viele Alte hatte er sterben sehen

Er vergaß die Zeit…
Er vergaß die Zeit (LEERZEICHEN)…

bis zur herein brechenden Dunkelheit bei ihr.
hereinbrechenden
Schöner: zum Hereinbrechen der

Also ich kann mit dem berichtmäßigem, gefühlslosem Text nicht viel anfangen. Ist mir halt zu viel Bericht und zu wenig Geschichte.

Ihm wurde das erzählt, die und die Paragraphen, er tat das, dann das und als das war, tat er das.

Die Protas haben keine Namen, bleiben blass, dienen in meinen Augen nur als Musterfiguren für die Erklärung der Paragraphen bzw. des Berichts.

Soweit mein persönlicher Eindruck.
Bitte setze außerdem noch Stichworte.

Beste Grüße,
GoMusic

 

Hallo Vertellminix,
deine Geschichte hat mich irritiert. Gerade bei so einem sensiblen Thema und die Art, wie dein Protagonist gehandelt hat, solltest du darauf achten, einfühlsam zu schreiben. Ansonsten passiert es, so wie bei mir, dass ich von deinem Prot angeekelt bin aber kein Mitgefühl entwickeln konnte. Leicht ist das sicher nicht, aber du hast dir so ein schwieriges Thema gewählt.
Konkret:
Im Übergang sollte er begleitet sein, mit Kerzen, Myrrhe, Leichenstarre durch Hände halten wärmen, nicht alleine gehen lassen" Leichenstarre durch Hände halten wärmen" das klingt für mich nicht logisch. Eine Leichenstarre kann man nicht wärmen. Man kann versuchen einen kalten Körper zu wärmen...
Den Anfang finde ich nicht schlecht. Die Totennähe, die Wache, ist in vielen Kulturen üblich und am Land wird es auch noch manchmal gemacht.
Ja, sie war gegangen und er fühlte sie nicht mehr, aber noch lag sie neben ihm. Das passt für mich auch nicht. Er versteht offensichtlich, dass sie "gegangen" ist. Und anschließend unternimmt er sexuelle Handlungen, das bedeutet für mich schon das er sie auf irgendeine Art und Weise "spürt".
Er vergisst die Zeit? Für mich wäre verständlich, wenn er drei Tage die Begleitung ins Jenseits (wie zu Anfang erzählt und vorgehabt) macht. Das er dann vor Kummer die Zeit vergisst, müsste mehr heraus gearbeitet werden. Sein Leid um den Verlust der geliebten Frau. Das kommt noch nicht so ganz rüber, um plausibel zu erklären, warum er die Zeit vergisst. Für mich jedenfalls nicht. Nach dieser Szene schreibst du wirklich "berichtartig". ´
Er zählte also nach dem Urteil der Spezialisten nicht zu jenen Leuten, deren Sexualtrieb auf Leichen ausgerichtet wäre. Ja, das versteht man schon bei dem Satz davor "Also keine klassische Nekrophilie". Müsstest du nicht nochmal erklären. Vielleicht schaffst du es, deinen Protagonisten näher zu bringen. Auch die Verstorbene wird mir nicht näher gebracht. Du könntest vielleicht, sparsam, Rückblenden einbauen um das innige Verhältnis anschaulicher und damit das Verhalten des Protagonisten verständlicher zu machen. Ich denke, das Thema wäre es wert.
Liebe Grüße Sabine

 

Hallo Vertellminix,

ich fand den Anfang ganz schön. Dann verliert sich das Schöne für mich leider.
Hier im Forum wird ab und an geraten, mehr Absätze für einen besseren Lesefluss einzufügen. Du hast es für mich eher etwas mit den Leerzeilen übertrieben.

Im Übergang sollte er begleitet sein, mit Kerzen, Myrrhe, Leichenstarre durch Hände halten wärmen, nicht alleine gehen lassen.
Der Satzteil stimmt irgendwie nicht.

als Krankenpfleger der Gesellschaft für Zusammenarbeit (GEZ)
Warum hast du hier die bekannte Abkürzung der GEZ gewählt? Macht es Sinn, den Leser an dieser Stelle an seine Rundfunkgebühren zu erinnern? Oder verstehe ich das falsch?

immer vor Augen, so viele Kinder, so viele Alte hatte sterben sehen und in den Tod begleitet.
Würde ich auseinanderziehen: ...immer vor den Augen. So viele Kinder, so viele Alte hatte er sterben sehen und in den Tod begleitet. Begleitet kommt hier zum dritten Mal. Vielleicht findest du ein anderes, entsprechendes Wort.

Ja, sie war gegangen und er fühlte sie nicht mehr, aber noch lag sie neben ihm.
Er vergaß die Zeit…
Sorry, aber der Absatz ist Murks. :dozey:

Danach ändern sich die gefühlsbetonte, subjektive Erzählung in einen Bericht.

Er zählte also (kann weg) nach dem Urteil der Spezialisten nicht zu jenen Leuten, deren Sexualtrieb auf Leichen ausgerichtet wäre.
Ich halte diese Nekrophilie-Begriffs-Erklärung für unnötig. Oder du baust es weniger lehrerhaft ein.

Nachbarn sahen ihn nur noch selten, meistens am Mittwoch und am Sonntag, wenn er sich gesenkten Hauptes zum Friedhof schleppte,
Das sich schleppte ist mir bildlich zu überzogen. Vielleicht: ...wenn er langsam mit gesengtem Haupt zum Friedhof geht.

Man wunderte sich etwas darüber, dass er bei jedem Wetter um diese Zeit unterwegs war,
Eventuell das man ersetzen.

Meistens blieb er von Sonnenaufgang bis zur herein brechenden Dunkelheit bei ihr.
Da sind die Nachbarn, die ihn immer sehen, aber auch sehr früh unterwegs. ;)

„Ich habe auf Dich gewartet.“
Ah, ganz schön abgedroschen.

Viele Grüße
wegen

 

Hej Vertellminix,

beim schnellen Lesen deines Textes drängt sich mir der Gedanke auf (ich habe schon mitbekommen, dass du gefälligere verfassen kannst), du willst mit diesem hier lediglich aufzeigen, was so geht. Dass es Menschen gibt wie deinen Protagonisten. Nun, das wusste ich schon.

Dafür wäre aber jetzt eine Kurzgeschichte gut, mir ihn und seine Umstände und Beweggründe nahezubringen. Dazu kommt es aber in dieser gar nicht. Stattdessen kommst du mir mit Paragraphen und dem Gesetzbuch.

Nich so dolle. Da rettet mich auch seine kopfhängende Trauer nicht sehr.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Vertellminix,

Ich überlege gerade, worauf du mit der Geschichte hinaus willst. Zunächst muss ich zugeben, hat der Text durch seine Thematik Ekel und Abscheu bei mir hervorgerufen, siehe hier:

Die forensische Untersuchung ergab Spuren von Sperma auf dem Körper der toten Frau, das zu mehreren unterschiedlichen Zeitpunkten auf die Leiche ejakuliert worden sein musste. Die Tote trug seidene Dessous.

Das beschränkt sich aber auf die Stelle. Der Anfang hat einen sehr mystischen Anklang und die Motivation des Trauernden wird grob angerissen. Er ahmt nach, was ihm die Inder gelehrt haben. Aber für mich ist nicht nachvollziehbar warum - die Bindung zwischen den beiden muss etwas "Besonderes" (oder auch "Unnormales") gewesen sein, damit er wirklich diesen Schritt geht und die Leiche nicht beerdigen will. Dazu bräuchte ich als Leser etwas mehr Hintergrund, was die beiden anbelangt.

Was dein Text meiner Meinung nach nicht braucht, sind die emotionslosen Einschübe.

als Krankenpfleger der Gesellschaft für Zusammenarbeit (GEZ)
-> Die Abkürzung wird nicht mehr benutzt und selbst wenn: mit Abkürzungen zu agieren passt eher zu einem rationalen Text, was deiner nicht ist.

Die Staatsanwaltschaft hatte darauf verzichtet, eine Klage wegen Störung der Totenruhe nach § 168 StGB zu erheben, und die Ärzte und Betreuer in der Anstalt waren nicht der Meinung, der Patient könne an einer Paraphilie im Sinne des F 65.8 leiden. Also keine klassische Nekrophilie.
Er zählte also nach dem Urteil der Spezialisten nicht zu jenen Leuten, deren Sexualtrieb auf Leichen ausgerichtet wäre.
-> Dieser Absatz hat keine Bedeutung für die Geschichte. Er "klärt zwar auf", warum der Protagonist nicht im Gefängnis landet, aber das ist für mich genauso unbefriedigend, als würde da nichts stehen - weil ich mit den ganzen Paragraphen nichts anfangen kann und für mich als "Normalo" Leichenschändung gleich Leichenschändung ist.
Davon abgesehen tötet dieser nüchterne Ton vollständig die bisher aufgebauten Emotionen ab.

Ein vereinsamter komischer Kauz.
-> Ein "komischer Kauz" ist für mich jemand, der mit 15 Km/h durch die Ortschaft tuckert. Oder der jeden Tag Tauben füttert. Da ist der Protagonist eine ganze Stufe drüber.

Er grüßte niemanden mehr und nahm wohl auch niemanden mehr wahr.
Meistens blieb er von Sonnenaufgang bis zur herein brechenden Dunkelheit bei ihr.
-> Die soziale Stigmatisierung scheint nicht sein Problem zu sein.

Drei Tage und drei Nächte braucht die Seele
-> Er vergisst diese Zeit und ist seiner Frau hinterher noch immer sklavisch verfallen.

Also, meine Deutung des Texts ist Folgende: der Mann hat bereits große Angst, seine Frau zu verlieren. Als sie dann stirbt reaktiviert er seine Erfahrungen aus Indien und konstruiert sich so eine Welt, in der er noch bei ihr bleiben "muss". Dabei erweitert er die "indische Bestattung" zu einem lebenslangen, sklavischen Dienst.
Falls meine These zutrifft, dann ist dein Text schon auf dem richtigen Weg, aber du musst überhaupt erst einmal die Beziehung der beiden darstellen. Sonst steht die Trauer des Mannes allein im Raum.
Falls meine These nicht zutrifft und es eher um die soziale Stigmatisierung eines Mannes gehen soll, der doch eigentlich nur seine Frau vermisst (wenn auch auf sehr krude Art und Weise), dann ... beginnt dein Text eigentlich erst. Und es müsste Bezugspersonen geben, damit die Kontaktlosigkeit überhaupt erst eine greifbare Gestalt gewinnt. Schließlich müsste es darum gehen, diesen Konflikt zu überwinden.

Alles in allem wirkt das noch recht unfertig, aber mich würde interessieren, wohin es sich entwickelt, wenn du weiter am Text arbeitest!


Liebe Grüße,
Vulkangestein

 

Du hast recht, Vulkangestein.

Es wirkt sehr unfertig und ist sehr spontan auf ein reales Ereignis aus meinem näheren Umfeld geschrieben.

Danke.

 

Es wirkt sehr unfertig und ist sehr spontan auf ein reales Ereignis aus meinem näheren Umfeld geschrieben.
Tja, Vertellminix, warum schreibst du es dann nicht fertig, nimmst dich des Themas an und lieferst ernsthafte Textarbeit?
Ich sehe hier so tolle Kommentare, die dir eine mögliche Richtung weisen, die Geschichte zu einer zu machen. Du bleibst hingegen lieber in deinem Elfenbeinturm. Für jemanden der, Zitat: "einen sachorientierten Dialog" schätzt, bist du ziemlich wortkarg.
Henusode, deine Entscheidung, aber da spar ich mir weitere Anmerkungen zum Text.

dot

 

dotslash,

natürlich lese ich die Kommentare auch, auch die kritischen und gleichermaßen oft auch konstruktiven wie für mich zum Beispiel von Sabine P.

Ich habe versucht, nicht detailliert in die einzige Person der Geschichte einzudringen, ihn nicht zu beleuchten oder zu interpretieren, weil er in gewisser Weise einen Status der Unerreichbarkeit hat. Streckenweise klingt es auch deshalb etwas wie ein Polizeiprotokoll oder ein Arztbrief.

 

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