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Komisch...
Komisch ...
Manchmal passieren eigenartige Dinge –.
Ich liege im Garten auf meinem Liegestuhl und döse so vor mich hin, als mich eine Stimme weckt: "Hallo, Herr Müller-Gerstenkorn!"
Ich öffne die Augen und blinzle in die Sonne. Vor mir steht ein gepflegter Herr im schwarzen Anzug, auf dem Kopf einen Zylinder.
"Wo kommen Sie denn so plötzlich her? Aus welchen Varieté sind Sie denn entsprungen?" frage ich überrascht.
"Die hintere Gartentür – sie war offen."
"Gut – und was wollen Sie"?
"Herr Müller-Gerstenkorn – wir müssen uns unterhalten."
"Über was?" frage ich.
"Über Ihren Tod."
Ich schlucke dreimal, mich beschleicht ein mulmiges Gefühl. Irgendwie ist mir der Kerl suspekt. Ich habe mir zwar schon des öfteren Gedanken um mein Ableben gemacht, lebe aber ganz gerne, obwohl ich bei allen Überlegungen immer wieder zu dem Schluss gekommen bin: Die Erde dreht sich auch ohne mich mit 99,99 prozentiger Sicherheit weiter und das Leben danach ist vielleicht eine Nummer einfacher, und außerdem: Die Dummen sind immer diejenigen, die bleiben müssen...
Der Mensch im schwarzen Anzug schnappt sich einen Gartenstuhl, setzt sich an meinen Terrassentisch, knallt einen dunklen Lederkoffer auf die Tischplatte und öffnet ihn. Wichtigtuerisch entnimmt er ihm ein paar Formulare.
Ich habe mich zwischenzeitlich aus meinem Liegestuhl erhoben, nehme mir ebenfalls einen Stuhl und setze mich zu dem Mann an den Tisch.
Ohne Umschweife beginnt er zu fragen: "Also, Herr Müller-Gerstenkorn – wie möchten Sie denn sterben?" Sein Blick ist stechend.
"Wie darf ich das verstehen?"
"Ja, ich meine – äh – welche Todesursache bevorzugen Sie?" Er klopft mit einem schwarz-goldenen Kugelschreiber an die Tischkante.
"Tja, wenn Sie mich so direkt fragen – da fällt mir momentan überhaupt nichts Passendes ein. Haben Sie vielleicht eine Idee?"
"Wie wär´s mit einem schönen Autounfall? Geht schnell, fast schmerzfrei." Der Mann zieht den linken Mundwinkel nach oben.
"Wann?" frage ich zurück.
"Das könnte ich Ihnen in so ungefähr sechs Jahren anbieten."
"Nein – ich glaube, das ist nichts für mich – zu spektakulär. Haben Sie nicht was Ruhigeres, was weniger Lärm macht? Im Grunde meines Herzens bin ich eher ein bescheidener Mensch und in relativ einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Ein Autounfall – na, ich weiß nicht..."
"Wie wäre es mit einem Flugzeugabsturz?" Der Mann schaut mich forschend an.
"Vor oder nach dem Urlaub?"
"Entgegenkommend, wie wir sind, biete ich Ihnen einen Flugzeugabsturz selbstverständlich nach dem Urlaub an, quasi auf dem Heimflug – Sie sollen Ihren wohlverdienten Urlaub ja in Ruhe genießen können. Auch die Frage der Fluglinie ist natürlich kein Thema – Sie dürfen die Fluglinie frei auswählen – selbstverständlich".
"Selbstverständlich" wiederhole ich.
"Allerdings tritt dabei der Tod erst am Boden ein – sozusagen beim Aufschlag auf dem Dach eines Fabrikgebäudes. Den Fall von ca. zwei Minuten, 36 Sekunden bekommen Sie gratis – sozusagen als Vorleistung, damit Sie anschließend wissen, wie schön das freie Fliegen ist." Der Mann grinst mich schräg an.
"Würde dabei das Dach beschädigt werden?" frage ich.
"Ja – allerdings. Sie würden zwölf Dachplatten und vier Dachsparren durchschlagen. Aber Sie scheiden ziemlich stressfrei und erholt aus diesem Leben."
Ich schüttle den Kopf. "Sagen Sie – haben Sie nicht etwas im Angebot, das keinen Schaden bei meinem Ableben anrichtet?"
"Oh – Moment, da hätte ich was für Sie. Der Mann zieht ein Formular aus dem Koffer.
"Wie wäre es mit einem sanften Entschlummern im Bett im Alter von 89 Jahren?"
"Prima – das nehme ich".
"Nein, nein", erwidert der Schwarze – "das geht natürlich nicht, das war nur ein Scherzchen meinerseits."
"Sie sind aber wirklich ein Witzbold."
"Ja, ich weiß – sonst würden diese Gespräche todernst werden, wissen Sie. Für die meisten Leute ist das Thema Tod ja ohnehin tabu, verstehen Sie?" Eifrig fährt er fort: "Und ich sag´s Ihnen, wie´s ist: Viele Menschen planen ihr Leben, haben Ziele und setzen alles daran, sie zu erreichen. Aber wenn es um das Ableben geht – das plant keiner so richtig, da wird geschlampt. Nicht mal Selbstmörder planen – die handeln oft nur emotional kurzsichtig. Männer erhängen sich in der Eile immer ganz gerne, schießen sich eine Kugel in den Kopf oder werfen sich vor einen Zug, Frauen greifen eher zu Tabletten oder schneiden sich die Pulsadern auf. Doch die meisten Menschen, die ohne eigenes Zutun sterben, lassen sich treiben und warten dann auf eine x-beliebige, zufällige Todesursache. Es ist – genau genommen – eigentlich unverantwortlich."
"Haben Sie nicht noch was im Angebot?", frage ich.
"Ja, aber natürlich, selbstverständlich, gerne doch. Wie wäre es mit einem Herzinfarkt? So – sagen wir mal – in 12 Jahren? Herzinfarkte werden eigentlich immer gerne genommen, wissen Sie. Ist gerade >in<, geht schnell, ist auch nicht gar so schmerzhaft."
Der Mann redet nun leise, fast flüsternd: "Dieses Angebot machen wir aber ehrlich gesagt nicht mehr mit gutem Gewissen, denn die Medizin ist heute bereits so weit – wir müssen die Herzinfarkte immer im Dreierpack anbieten – denn meistens führt erst der dritte... Sie verstehen?"
"Völlig – finde ich aber auch nicht so toll." Ich schüttle den Kopf.
"Wir hätten da aber auch noch eine andere Alternative für Sie." Der Mann grinst mich an.
"So, und welche?"
"Rauchen Sie einfach so weiter, wie Sie es die letzten Jahre getan haben, dann tritt in ungefähr zwei Jahren der Erstickungstod im Schlaf..."
Erschreckt und schweißgebadet fahre ich hoch. Es ist bereits halb zehn, die Sonne blinzelt durch mein Schlafzimmerfenster, es ist Frühling, draußen zwitschern fröhlich die Vögel. Ira, meine schwarze Labradorhündin, die gemerkt hat, dass ich wach bin, kommt schwanzwedelnd ins Schlafzimmer, leckt meine Hand, grinst und schaut mich an, als wolle sie sagen: "Steht endlich auf, du fauler Mensch." Aus Richtung Küche weht mir frischer Kaffeeduft in die Nase. Rosl, meine Haushälterin, werkelt in der Küche und macht wohl vermutlich gerade Frühstück.
Komisch – vielleicht geht es Ihnen manchmal genau so: Es gibt Nächte, da liegt man wach und schläft erst in der Früh um halb fünf ein – und träumt dann einen Mist, das ist fast unglaublich...
Das Rauchen habe ich sicherheitshalber aufgegeben –