Kleingeld
Tief Luft holen.
„Entschuldigung, hätten Sie vielleicht ein bisschen Kleing-“
„Nein.“
Das war doch gar nicht so schwer. Aber es ist schon sehr unangenehm. Der schmächtige, blasse Mann mit dem abgetragenen, grauen Anzug rückte seine Hornbrille zurecht. Er Strich die kantigen Bügelfalten seines weißen Hemdes glatt und holte erneut tief Luft.
„Verzeihung, hätten Sie vie-“
„Nein.“
Immer heißt es „die Krise kommt, die Krise kommt“, aber wenn sie mal da ist will niemand helfen. Und jetzt war er der Erste, der darunter zu leiden hatte. Also, noch mal.
„Hätten Sie“
„Nein!“
Ja früher, früher hätte er sich so nicht abwimmeln lassen! Das war noch ein ganz anderer Ton. Heute wird er nur noch gemieden. „Banker“, sagen sie alle „Banker, die sind schon eine richtige Plage hier in der Innenstadt“. Aber was soll man denn machen, wenn die zweite Villa bereits gemietet ist und man das Sommerhaus in der Toskana einfach nicht mehr halten kann, so ganz ohne extra Einkünfte.
„Entschuldigung, hätten Sie vielleicht ein wenig Kleingeld für einen Banker?“
Das Ehepaar schaut den unauffälligen Herrn überrascht an.
„Na los Wolfgang, jetzt gib ihm schon was. Du siehst doch, dass der nichts hat!“
„Ja, ja“, sagt der rundliche Mann und kramt in seinem großen Portemonnaie nach ein paar grünen Scheinen.
„Sehr großzügig mein Herr, vielen Dank.“
„Davon kaufen sie sich jetzt erstmal ein neues Anwesen, Sie Ärmster“. Die kleine, dickliche Dame mit dem Pelzmantel überreicht dem verwahrlosten Banker lächelnd einige tausend Euro.
„Wieder nur das Kleingeld.“, denkt sich dieser. Denn die Menschen sind geizig geworden, seit dem großen Proletariatsaufstand 2027. Und wer ist wieder Schuld? Der kleine Banker, der sich mit ein oder zwei Yachten im Jahr schon zufrieden gibt, aber wehe es gibt mal einen kleinen Bankencrash, dann heißt es wieder „ja das kommt davon, wenn man die an der zu langen Leine hält!“. Und er musste nun darunter leiden.
Heute war mal wieder kein sonderlich erfolgreicher Tag. Zwanzigtausend Euro in kleinen Scheinen, ein paar Kaviar Canapés, ein Kleinwagen. Nutzloses Zeug, das ihm die Menschen einfach in seinen Hut werfen (beziehungsweise, neben seinem Standplatz parken).
Abends hört man noch seine ausgelatschten Lederschuhe über den Asphalt schlurfen. Morgen wird bestimmt erfolgreicher. Und wenn nicht, dann kann man ja immer noch auswandern.
Griechenland soll zu dieser Jahreszeit ja sehr schön sein.