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Kleine Momente

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26.01.2002
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Kleine Momente

Kleine Momente


Ein sonniger Spätherbsttag. Bunte Blätter flattern im lauen Wind zu Boden, lautlos, schwerelos. Sie bedecken den Weg, der vor mir liegt mit einer bunten fröhlichen Schicht von raschelndem Laub. Es ist ein angenehmes Geräusch. Ich genieße das Rascheln bei jedem Schritt, den ich vorwärtsgehe.
Die Bäume im Park haben großteils ihre einst herrliche Blätterpracht verloren und scheinen nur noch aus knorrigen Ästen zu bestehen, ein Hauch von Melancholie liegt in der Luft. Die letzten schwachen Strahlen der Sonne kämpfen sich durch die Bäume hindurch in den Park, beleuchten den Spielplatz, auf dem sich, in dicke Herbstjacken eingehüllt, einige Kinder fröhlich mit Blättern bewerfen.
Ich setze mich auf eine Bank und sehe dem Treiben eine Weile zu, beobachte die spielenden Kinder, die wartenden Eltern auf den Bänken ringsumher, die teils ihre Nase in diverse Zeitschriften stecken, hin und wieder einen Blick auf ihre tobenden Sprösslinge werfen, um sich dann wieder der spannenden Welt von Politik, Sport und Kultur zu widmen.
Andere wiederum sitzen mit stolzgeschwellter Brust da, starren auf ihren Junior und der Stolz springt ihnen fast aus den Augen, das Glück, das sie empfinden beim Anblick IHRES Kindes.

Links von mir sitzt eine alte Dame mit ihrem Pudel auf ihrem Schoß. Sie ist in eine dicke Decke eingehüllt, neben sich eine Thermoskanne, aus der sie hin und wieder einen Schluck Tee in eine kleine Tasse füllt und mit zitternden Händen an ihren Mund führt, mit kleinen Schlucken trinkt, ihren Pudel streichelt und wieder einen Schluck trinkt. Sie beobachtet ebenfalls die Kinder, doch ihr Blick ist leer, einsam und verlassen. Das einzige, das sie auf dieser Welt glücklich machen zu scheint, ist dieser kleine Pudel auf ihrem Schoß. Die kleine gekrümmte Gestalt unter der Decke erweckt mein Mitleid. Ich würde ihr gerne sagen, daß ich weiß, wie einsam man sein kann, daß ich weiß, wie es ist, wenn man niemanden mehr hat, wenn man allein ist. Wenn man in den Park geht, weil man andere Menschen sehen möchte. Man möchte nicht mit ihnen sprechen, es reicht, sie zu sehen, zu wissen, daß da auch noch andere sind. Das bloße Wissen darum lässt das Alleinsein nicht mehr so schlimm erscheinen.

Aus der Gruppe der Kinder löst sich ein kleines, etwa vierjähriges Mädchen und kommt in meine Richtung gelaufen. Sie bleibt vor der Bank der alten Dame links von mir stehen und lacht sie aus strahlend blauen Augen fröhlich an. Ich beobachte die beiden. Auch das Gesicht der Dame hat sich zu einem Lächeln erhellt. Das Mädchen tritt näher, streichelt vorsichtig den kleinen Pudel, plaudert mit ihm, fragt die alte Dame nach seinem Namen. Der Pudel heißt Cleopatra und wedelt mit dem Schwanz, leckt dem Mädchen über die Hand, sieht fragend zur alten Dame hoch. Diese lächelt begütigend, steckt ihre Hand in ihre kleine Tasche neben sich und als sie sie wieder hervorzieht, kommt ein leuchtend rosa Bonbon zum Vorschein, welches sie dem Mädchen entgegenstreckt. Die Augen der Kleinen beginnen vor Freude zu strahlen, artig bedankt sie sich, steckt das Bonbon in den Mund, streichelt noch einmal über den Kopf des Pudels, dreht sich um und springt fröhlich davon, zurück zu den anderen Kindern.

Eine junge Frau kommt dem Kind entgegen, streckt die Arme aus und das kleine Mädchen läuft ihr fröhlich entgegen, lässt sich regelrecht hineinsinken in die Umarmung, drückt sich an die Frau, nimmt ihre Hand und die beiden gehen davon. Sie dreht sich nochmals um und winkt der Dame neben mir fröhlich zu. Diese winkt lächelnd zurück, blickt auf ihren Pudel hinab und lächelt immer noch. Gedankenverloren sieht sie, immer noch lächelnd in die Ferne. Ich würde gerne wissen, woran sie gerade denkt. Vielleicht an ihre eigenen Kinder, die jetzt erwachsen sind, die sie nicht mehr brauchen, vielleicht genießt sie aber auch einfach nur die letzten wärmenden Sonnenstrahlen, den lauen Wind, der sanft durch ihr weißes Haar streicht.

Dieses Lächeln lässt mich verstehen, was sie mir voraus hat. Sie ist allein, ist es aber doch nicht. Sie weiß, dass kleine Freuden große Freuden sein können, dass jeder Moment, den man genießen kann, auch genossen werden soll, sie hat gelernt, sich an kleinen Dingen zu erfreuen, die oft größer sind als die, die uns groß erscheinen. Erst jetzt erkenne ich, dass zwischen ihrer und meiner Einsamkeit große Welten liegen.
Plötzlich wendet sie ihren Blick und sieht direkt in mein Gesicht, lächelt mich freundlich an, dass mir richtig warm wird und fragt, ob ich mich nicht zu ihr setzen möchte.
Und ich habe begriffen, was es heißt, sich über kleine Dinge freuen zu können.
Ich freue mich über ihre Frage, und ich freue mich über ihr Lächeln.

 

Hallo Brigitte24!

Hm, ein nettes Stimmungsbild.
So im großen und ganzen habe ich an der Geschichte eigentlich nichts auszusetzen, bis auf den letzten Teil vielleicht. Ich weiss nicht, aber irgendwie trübt es für mich den Gesamteindruck, wenn die Intention des Autors bzw. der Autorin dem Leser zum Schluss / gegen Ende gerade noch auf das Auge gedrückt wird, damit man sie ja auch nicht überliest.
Bis dahin hattest du die Empfindungen und die Atmosphäre an sich gut beschrieben, wodurch eine Aussage eigentlich leicht nachvollziehbar gewesen wäre.
In der Tat nicht so ganz abwegig der Gedanke, Einsamkeit zu differenzieren... :naughty:


Gruß, Hendek

 

Irgendwie locker in den Tag hineingeschrieben. Eltern, Kinder, Oma, Hund, alles ganz banale Dinge, die nur das Gwöhnliche tragen und nichts aussagen und siehe da, eine Aussage was das alles soll. Das Große im Kleinen sehen, die Freude im Alltäglichem. Eigentlich schade das du es so direkt in Worte fassen musstest, um die Massage rüber zu bringen. Die Geschichte selbst sollte dies tun, ohne am Ende mit der Keule darauf hinzuweisen. Na ja, Ansichtssache.
Doch sie spiegelt toll den Moment im Alltagsleben eines dahinschlendernden Einsamen wieder.

Gruß avni

[Beitrag editiert von: avni am 25.02.2002 um 20:50]

 

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