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Klausur

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07.08.2002
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Klausur

Ich schmunzele, wenn ich daran zurückdenke, daß ich einmal aufgrund ungenügender Vorbereitungen die glorreiche Idee hatte, die anstehende Klausur über das Gedächtnis des Menschen, allein mit Schummelzetteln bestehen zu wollen, die ich in den entferntesten Winkeln meiner Klamotten versteckte. Ich brachte es sogar fertig kleine Karteikärtchen in meinen 68er-Studentenschuhen unter Ferse und Ballen zu deponieren. Dementsprechend verhaltensauffällig benahm ich mich auch während der Klausur. Ich wackelte und zappelte mit dem ganzen Körper hin und her, bückte mich ein ums andere mal und musste gleichzeitig 3 Prüferinnen im Auge behalten.
Selbstgemachte Leiden.

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, wann ich erwischt werden würde. Meine kleinen Klausur-Hilfen aus den Schuhen zu bekommen ist eine Sache, viel schwieriger ist es aber, nachdem man sie unauffällig auf dem Pult positioniert hatte, sie wieder im richtigen Augenblick verschwinden zu lassen. Für mehrere Minuten musste ich riskieren sie offen liegen zu lassen, sie nur teilweise mit dem Unterarm zu verdecken.

Ich arbeitete mit meiner Mimik.
Mit den Augenwinkeln beobachtete ich alle „Aufseherinnen“ und beim leisesten Verdacht eine könnte in meine Richtung blicken, runzelte ich die Stirn, schaute aus dem Fenster und gab die Figur eines gedankenversunkenen Prüflings ab, der gerade dabei war, sein Wissen in adäquat gültiger Satzform zu Papier bringen.
Ich schwitzte und fühlte übermäßig starkes Herzklopfen, wie weggeblasen war die Souveränität, keine Spur mehr von Nonchalance, die ich nur allzu gerne im öffentlichen Leben zur Schau stellte, um so wenig wie möglich an Angriffsfläche zu bieten.

Alle 10-20 Minuten ging unsere Professorin durch die Reihen und inspizierte ihren Zuständigkeitsbezirk. Ihre zwei Schießhunde beäugten uns, als bekämen sie eine Kopfgeldprämie für jeden überführten Prüfling. Die Eifrigere von beiden postierte sich ungefähr eine halbe Stunde lang 3 Reihen hinter mir und schenkte mir ununterbrochen ihre Aufmerksamkeit
Durch einen Umstand wurden sie nämlich doch noch auf mich aufmerksam. Anne, eine meiner Leidensgenossen, fragte mich in einem sehr ungünstigen Moment, wieviel Zeit noch verbliebe. Ich antwortete und geriet somit ins Visier der Lehrbeauftragten. Der Schweiß rann mir von der Stirn. Während dieser Zeit klebten meine kleinen Karteikärtchen an meinem Unterarm, und ich befürchtete jeden Moment einen gellenden Aufschrei meiner kleinen blonden zur Bewachung abgestellten studentischen Hilfskraft.

Ich wurde nicht erwischt, aber ich fiel trotzdem durch.
Warum? Weil ich ganz einfach zu blöde war, die richtigen Antworten den entsprechenden Fragen zuzuordnen. Ich hatte überhaupt keine Ahnung von diesem Themengebiet. Ich bin mir sicher, dass das bei der Korrektur der Klausuren der Dozentin aufgefallen sein wird, außerdem verriet mir ihr süffisantes Lächeln, dass sie zumindest etwas ahnte.

Ich fiel durch die Prüfung und das zurecht und so ergab es sich, daß diese Klausur ein Fortsetzung erfuhr, und zwar eine mündliche, in der ich meine Studierfähigkeit aufs neue unter Beweis stellen durfte.
Ein halbes Jahr später trat ich zum zweiten Mal in der gleichen Disziplin an. Allerdings war ich der einzige der dort antrat, denn meine Professorin zog es vor, gar nicht erst zu erscheinen. Sie hatte mich vergessen. Heute möchte ich meinen, dass dies mein Glück bedeutete, die Dame hatte offenbar ein schlechtes Gewissen.

So kam es, daß sie mich einen Tag später prüfte, und nicht vergaß sich an die fünfundzwanzigmal vor und während der Prüfung für ihr gestriges Versäumnis zu entschuldigen. Nein, ich übertreibe nicht. Nun .......rein formell entschuldigte sie sich auch nur 3-4 mal, aber in der Prüfung kam mir jede ihrer Fragen wie eine Art Entschuldigung vor. Hätte ich mich nicht auch bei ihr entschuldigen müssen?

[ 10.08.2002, 11:31: Beitrag editiert von: Archetyp ]

 

Es ist köstlich zu erfahren, dass dir jede ihrer Fragen wie eine Entschuldigung vorkam. Ich hatte eine ähnliche Erfahrung mit einer Lehrerin die meiner Schwester im Labor heißes Öl auf den Fuß schüttete in einer Unachtsamkeit. Alle Geschwister konnten bei Prüfungen künftig vollkommen unvorbereitet erscheinen, ihre Entschuldigung für die Verletzung meiner Schwester waren Einser für die ganze Familie.
Hat mir gefallen dein Rückblick auf Vergangenes und fühlte mich selbst zurückversetzt in die Reihen die oftmals Angstschweiß bedeutet haben.
Lieben Gruß schnee.eule

 

Liest sich gut weg, deine Geschichte. Streckenweise musste ich auch ob der sehr plastischen Beschreibung anwesender Schießhunde arg schmunzeln. Kenne das nur zu gut. Aus eigener Erfahrung muss ich allerdings sagen, dass Spickzettelbewaffnung in der Regel zum Bestehen der Prüfung führte. Und dies nicht, weil ich mich dieser unlauteren Mittel bediente, sondern weil ich mich über der Zettelschreiberei doch intensiv mit dem Stoff befassen musste.

Naja, egal. Auf jeden Fall ne gute Geschichte.

 

Schönen Dank Schnee.Eule und Teleny.
Find ich schön, daß auch ganz einfach geschriebene Geschichten Anklang finden.
Schnee.Eule die Sache mit dem Öl, das klingt ja wirklich wie Schuld auf Lebenszeit auf sich geladen, wahrscheinlich hätten auch noch andere Generationen ihr Wohlwollen

Teleny, das kommt mir auch bekannt vor, daß beim Schreiben von Schummelzetteln sich ein Lernerfolg einstellt.

Aber stell Dir vor, Du schreibst japanisch Schriftzeichen auf einen Zettel, tja.....so ungefähr war es bei mir.

Übrigens bin immer noch an der Uni, inzwischen klappt es mit den Vorbereitungen, ganz legal. haha.

liebe grüsse Archetyp

 

Hi Archetyp,

sehr amüsante Geschichte, die mich an ähnliche Erfahrungen während meiner Schulzeit erinnert. Zusätzlich baust du auch diese gewisse Spannung mit deinen Sätzen auf, die sich in einem sehr gut gelungenen Schluss entlädt. Gut gemacht.

Liebe Grüße - Aqualung

 

Hallo Arche,

obwohl mir deine Geschichte gut gefallen hat, du beschreibst sehr plastisch, wie bewacht man sich fühlt und welche Irritationen diese Spickzettelbenutzen bei einem auslöst, so wünschte ich mir doch, du hättest noch mehr knisternde Spannung in deine Geschichte geschaffen.
Du gehst sehr aus der Distanz daran, und animierst mich wie ja schon meine Vorkritiker dazu, diese Situation mit Selbsterlebtem zu bestücken, jedoch könnte ich mir auch vorstellen, dass du aus der Geschichte selbst heraus eine große Spannung aufbauen könntest.
Nur, dann wäre es wohl eine gänzlich andere Geschichte.
Wie auch immer, gefallen hat sie mir.

Mein Vater übrigens hat mich früher so erzogen, dass er immer zum Thema Spickzettel sagte: "Kind, du darfst sie benutzten, nur erwischen lassen darfste du dich nicht." und dabei hat er dann immer sehr vielsagend gegrinst. In der Schule ging es mir auch eher so, dass ich sowieso alles wußte, was auf den Spickzetteln stand, da ging es mir wie Teleny es beschrieben hat.
Und leider waren bei den sieben (oh Gott, oder waren es mehr???) Klausuren, welche unter strengster Bewachung für beide Examina durchgeführt wurden, keine Möglichkeiten gegeben, sich mit Spickzetteln vorzubereiten, es sei denn, man wäre mit ganzen Bibliotheken vorgefahren. :D

Lieben Gru
elvira

 

Hallo Stefan,

Deine Geschichte ist, wie immer flüssig geschrieben. Sie spricht Erfahrungen an, die wohl jeder kennt, die Frage ist nur: Kann man das schlechte Gewissen bei Prüfern vielleicht künstlich erzeugen? (Man könnte sich so die Spickzettel sparen).

Alles Gute,

tschüß... Siegbert

 

Hi Arche,

jetzt hab ich sie auch gelesen. Gefällt mir ganz gut, klingt für mich "erwachsener" geschrieben als manche Deiner anderen Geschichten. Der letzte Satz kommt gut, ist ein schönes Fazit.

Diese quälenden Situationen mit den Zetteln kenn ich auch noch aus Schulzeiten - unvergessen ist mir jene Mathearbeit, als ich eigentlich recht clever ein mit Formeln beschriftetes Papier im Deckel meines (natürlich legalen) Taschenrechners drapierte und es dnn genau vor einem Lehrer zu Boden segelte ... ich dachte ich sterbe jeden Moment, aber er hat's zum Glück nicht gecheckt.
Ausgleichende Gerechtigkeit widerfuhr allerdings auch mir: Ich hatte die Formeln falsch abgeschrieben und kassierte eine 5. :dozey:

Thema Spickzettel in Klamotten verstecken - da gibt's einen umwerfenden Tick für Frauen und Männer die sich als solche verkleiden: Einfach die Zettel in die Strumpfhose einnähen und einen Rock drübertragen, den man dann während der Klausur unauffällig zurückzieht um die Zettel zu lesen. Hat mir eine Lehrerin verraten. :D

Jaja, so kommen Erinnerungen hoch.

Gruß - Ginny

 

Hallo Ginny, Wolto und Lakita. ich bin sehr überrascht, dass diese story, die sich genauso abgespielt hat, hier wieder auftaucht. Tja, die Spannung...ich wollte einen Hauch von Komik hereinbringen. Wolto, die Professorin, sie hat sich entschuldigt, weil sie mich zur mündlichen Prüfung vergessen hat. Sie hielt ihren Termin nicht ein. Daher das schlechte Gewissen. ich war einmal umsonst da.

Es ist meine 3. Story gewesen, heute würde ich vieles anders machen! Ja, ich denke , dass "Plastisch" der richtige Ausdruck ist. Vielen dank für das Lesen ihr Drei.

Schönes neues Jahr schon mal, bis dann

Archetyp

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Arche,
auch diese Geschichte von Dir habe ich gerne gelesen, obwohl sie nicht gerade Deine stärkste story ist. Ich mußte so schmunzeln, als ich Dich buchstäblich vor Augen hatte, an Deinem Tisch, Dich windend, um an die Spickzettel zu gelangen,ununterbrochen damit beschäftigt, drei Aufseherinnen zu beobachten und immer darauf bedacht, einen beschäftigten, nachdenklichen Eindruck zu machen. Bei einer solchen Menge an Aktivitäten, die alle koordiniert und inszeniert werden müssen, ist es kein Wunder, dass es Dir nicht gelang, die richtigen Antworten den entsprechenden Fragen zuzuordnen.

Nach meinem Gefühl gehört diese Geschichte beinahe eher in die Rubrik Humor.

Was ich wirklich etwas schade finde ist, dass sich in Deinem Text noch etliche Fehler finden. Was ich beim zweimaligen Lesen gefunden habe, liste ich Dir hier auf:

"die glorreiche Idee bekam" Eine Idee bekommt man nicht wie ein Kind, man hat sie.

"benahm ich mich auch in (während??)der Klausur."

Warum springst Du im zweiten Absatz plötzlich ins Präsens?

"der gerade dabei war sei, Wissen in" (dabei war, sein)

"Ich fiel durch die Prüfung und das zurecht (zu Recht)"

"Allerdings war ich der einzige(Einzige groß) (Komma!)der dort antrat,denn meine Professorin zog es vor (Komma!) gar nicht erst zu erscheinen. "

"Heute möchte ich meinen, das (dass)dies mein Glück bedeutete,"

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo Stefan,

ich beginne einfach mit Schiller: spät kommt Ihr, aber Ihr kommt...!

Ehrlich: es war nicht der "WEITE WEG..."

Da wir alle einmal die Schul- (oder andere Bänke) gedrückt haben, ist vielen von uns der "Schummelzettel" ein liebvertrauter Freund aus vergangenen (oder vielleicht sogar gegenwärtigen) Tagen. Schmunzeld habe ich verfolgt, wie Dein Protagonist zwischen "sachlicher Technik" und Gefühl hin- und her schwankt. Die Übersetzung ist Dir kurzweilig gelungen.
Zu einer Story, die uns nicht ein neues Weltbild vermitteln will, sondern aus den Zeilen heraus an die Nase des Lesers greift, gehört natürlich auch ein Happyend. Sogar die Moral (das "an-die-eigene-Brust-klopfen") hast Du nicht vergessen.
Eine erfrischende, flüssig umsetzte Story.

Ach ja, was mir noch aufgefallen ist: Dein Stil zu schreiben hat sich geändert. Wärst Du ein Sänger, würde ich es so umschreiben: Dein Volumen hat gewonnen. Deine Darstellungsform ist runder und reifer geworden, vergleicht man es mit früheren Werken.
Wenn irgendwo am Rande ein Wegweiser steht...Deine Richtung stimmt.

Liebe Grüße aus Münster
Hannes

 

Hallo barbara, du hast recht. Sie gehört nich zu meinen Stärksten. Aber ich nahm damals erst zum zweiten Male die Feder in die Hand. Naja...bisschen hübsch finde ich sie aber doch. vielen dank für das Lesen Barbara.

Hei Hannes,

du siehst es genua anders. Ich hatte damals noch diesen Stil drauf. Der gefiel mir überhaupt nicht. Es ist meine zweite Story und ich dachte ich würde jetzt viel besser schreiben, aber du siehst es genau umgekehrt, anders als ich und al-dente. Nunja, sie hat dir gefallen, dass freut mich, zumal es die Wahrheit ist. Ich wollte es einfach schreiben, und dann bin ich beim Schreiben hängen geblieben, vielen dank für´s Leben

Archetyp

 

Hallo Archetyp!
Eine nette Geschichte, mit einer Situation, die wohl nun wirklich jeder kennt!

Zu deinem Stil kann ich nichts sagen, da ich deine anderen Geschichten (noch) nicht gelesen habe.

Wie kommt es bloß, dass ich erst gestern so eine Situation erlebt habe? Beim Mathetest. Ich hatte mir noch nicht mal mehr die Mühe gemacht, alles klein auf einen Minizettel zu schreiben. Es war ein DIN-A5 Zettel. Den Lehrer interessierst nicht.
Wenn ein Spickzettel im Taschenrechner, dann aber bitte festegeklebt!

Ich musste ein paar Mal schmunzeln!

bye und tschö

 

Hei Shadow, ihr seit also , so scheint mir, alle nur am Schummeln...haha..., gut zu hören, aber ich werde es nicht noch mal machen. Da bin ich nämlich absolut uncool bei!

Liebe grüsse stefan

 

:D die geschichte fand ich super!
so wie alle hier, hab auch ich schon erfahrungen mit dem schummeln! aber bei mir ging, dass oft schief. das eine mal, stand genau das nicht auf dem zettel, das ich unbedingt benötigt hätte! das andere mal nahm ich so gelbe post its, weil die ja superpraktisch sind! naja, ich beschrieb auch die rückseite und legte während dem test das post-it, mit der klebefläche nach oben auf den tisch! dann kam meine lehrerin vorbei... ich hab schnell test auf das besagte post-it gelegt! was ich jedoch nicht bedachte, dass meine lehrerin so neugierig ist und wissen wollte, wie weit ich den schon wäre, sie schnappte sich den testzettel und mein "post-it schummelzettel" prangte mitten drauf. ich denke, ich brauch net zu sagen, dass ich den test net positiv abschliessen konnte! aber meine lehrerin freute sich sehr, den die sammelte alle schummelzetterl! :D
lg mara

 

hei mara, ich weiss gar nicht, was "gelbe post its" sind? aber egal...hauptsache deine lehrerin freut sich. hihi. tja. ich schummle nicht mehr, springt mir das herz aussem hals. schön, dass dir die story gefallen hat. vielen dank für das lesen.

arche

 

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