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Klassentreffen

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31.08.2014
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Klassentreffen

Der Blick meiner Mutter spricht Bände. Ich weiß nicht, wie diese Frau es schafft, eine Mischung aus Vorwürfen, Mitleid, Enttäuschung und Frust in ihr Gesicht zu packen und mich wortlos unter ihren Emotionen zu begraben. „Du siehst müde aus“, ist das Einzige, was ihr herausrutscht, als sie mich in ihre pummligen Arme schließt und an sich drückt. Sie riecht nach Zuhause, Niveacreme und gedünstetem Kohl.
„Mmh, Krautwickel?“
„Ja, die hast du doch so gerne.“ Glücklich, dass sie mein armseliges Leben zumindest mit Essen ein bisschen aufheitern kann. Tatsächlich legt sich mein Impuls, die Tasche zu nehmen und in den nächsten Zug zurück nach Hamburg zu steigen.

Während in den meisten Familien die alten Jugendzimmer längst in praktische Gäste-, Büro- oder Hobbyräume umgewandelt wurden, bleibt meines im Originalzustand von 1996, als ich auszog, um mein Studium zu beginnen. Meine Eltern schwanken seit zwanzig Jahren zwischen Hoffnung und Furcht, dass ich eines Tages in mein altes Zimmer zurückkehre und als Kunstlehrerin am örtlichen Gymnasium anfange.
An der Pinnwand Schnappschüsse aus Fotoautomaten, zu zweit, zu dritt, sogar zu viert haben wir uns damals in diese Dinger reingezwängt. Sabine und Manu, beide sind längst verheiratet und haben Kinder, die in die Grundschule gehen. Und zwischendrin immer wieder Katrin. Mir graut vor dem Klassentreffen morgen Abend, ich weiß nicht einmal mehr, warum ich überhaupt gekommen bin.

„Hast du Katrin schon angerufen?“, will meine Mutter nach dem Essen wissen, „Inge hat mir erzählt, dass sie gleich losfahren wollte, wenn die Kinder aus der Schule kommen.“ Sie wirft mir einen schnellen Blick zu. „Ach, eine Schande ist das, nach zwanzig Jahren! Das hätte man dem doch nie zugetraut, dass der seine Familie verlässt … die armen Kinder!“
„Ja, dem Attentäter von Nizza hätte man auch nicht zugetraut, dass er fünfundachtzig Leute über den Haufen fährt.“
„Ach Monika, du bist unmöglich!“ An der Länge der Os in meinem Namen kann ich die Empörung meiner Mutter messen.
„Mama, so was passiert halt, auch in den besten Familien, wie du sehen kannst. Ein Weltuntergang ist das bestimmt nicht. Katrin geht es ganz gut, soweit ich weiß. Sie hat einen Job und die Kinder sind ja auch nicht mehr so klein.“
„Wie du das sagst! Als ob es nichts wäre, immerhin sind die beiden verheiratet! Aber das zählt wohl heutzutage nichts mehr, die Familie ist nichts mehr wert. Karriere, Geldverdienen, kleine Babys den ganzen Tag in die Krippe abschieben. Ach …“, sie macht eine wegwerfende Bewegung mit dem Lappen in der Hand und wischt dann energisch die Tischplatte ab.
Eigentlich könnte sie mir dankbar sein, dass ich ihr den Ärger mit untreuen Schwiegersöhnen erspare, doch die Enttäuschung über nicht vorhandene Enkelkinder überwiegt wohl. Meine letzte Beziehung liegt drei Jahre zurück und eine neue ist nicht in Sicht. Wahrscheinlich werde ich doch früher oder später wieder in mein altes Zimmer einziehen, was ganz praktisch wäre, dann könnten wir uns die ungarische Pflegekraft sparen, die meine Schwester Britta einzustellen gedenkt, sobald die Eltern es nicht mehr allein auf die Reihe kriegen.

Ich nehme den offiziellen Weg zum Vordereingang und klingle. Früher sind wir einfach durch den Garten zur Hintertür rein. Katrins Mutter öffnet. „Monika! Du siehst … aus wie früher!“, lügt sie. Ich weiß, dass ich schon mal besser aussah. Meine Haut ist unrein und blass, der Haarschnitt rausgewachsen, meine Klamotten gewöhnungsbedürftig. „Was macht die Kunst, arbeitest du noch in diesem Museum? Komm doch erstmal rein.“
„Äh, nein“, ich trete mir brav die Füße am Vorleger ab, „ich bin gerade auf der Suche nach einer Doktorandenstelle …“
Ihr Blick ist ratlos. „Aha, na ja, erst neulich hab ich zu Peter gesagt, wir müssen öfter mal Kultur …“
„Hey Moni!“ Katrin fällt mir stürmisch um den Hals. Ihre Zähne blitzen, die Augen strahlen. Sie sieht fantastisch aus und ganz und gar nicht wie eine gerade verlassene Ehefrau, was mir einen Stich versetzt. „Und?“, fragt sie mich, als wir die Treppe zu ihrem alten Zimmer hochgehen, das mittlerweile eines dieser multifunktionalen Gäste-/Enkel-/Fernsehzimmer ist, „Wie geht`s dir?“
„Ach ja, ganz gut …Schreibe Bewerbungen, aber es gibt einfach zu viele fünfundzwanzigjährige Studienabgänger, die warten nicht auf so eine „Oma“ wie mich. Na ja, ansonsten muss ich die Dissertation irgendwie anders finanzieren, mal sehen …“
„Komm schon Moni, dafür hast du wahnsinnig viel Erfahrung, die jungen Hühner steckst du doch alle in die Tasche!“
„Sag das nicht, die haben teilweise Praktika in Tokio oder New York gemacht, sind vernetzt ohne Ende, da sehe ich echt alt dagegen aus. Aber Schluss jetzt mit meinem Kram! Was ist mit dir, wie geht`s?“
„Ehrlich gesagt“, sie grinst schelmisch, „mir geht es richtig gut! Der neue Job ist toll, ich habe tausend neue Leute kennengelernt, gehe viel aus und …“ Ihr Grinsen wird noch etwas breiter.
„Und?“
„Ich hab jemanden kennengelernt! Ein cooler Typ, `n bisschen hipstermäßig, und …“, flüstert sie hinter vorgehaltener Hand, „fünf Jahre jünger, aber ja, läuft ganz gut.“
„Oh, das ist toll …“, die Worte bleiben mir beinahe im Hals stecken, „schön für dich.“ Es gibt Leute, die sind wie Stehaufmännchen. Katrin gehört definitiv dazu. Ich definitiv nicht. Noch vor sechs Wochen habe ich abendelang am Telefon ihren Heul-und Schimpftiraden über Jens, den untreuen Arsch, gelauscht und versucht, Ratschläge zu geben, sie aufzubauen. Anscheinend hat es ja geholfen.
„Und bei dir, ein Mann in Sicht?“
Kopfschüttelnd winke ich ab. „Du, ich muss auch gleich wieder gehen, meine Mutter will, dass ich sie zum Einkaufen fahre.“ Ich halte es keine Sekunde länger in diesem Zimmer aus.
„Oh, okay … Und was ist heute Abend? Wollen wir was trinken gehen? Wann hab ich schon mal kostenlose Babysitter?“
„Ich glaube, mein Onkel und meine Tante wollen noch vorbeikommen“, lüge ich, „die hab ich ewig nicht gesehen. Aber wir gehen ja morgen Abend zusammen aufs Klassentreffen.“
„Ah, naja, schade. Dachte, wir können noch ein bisschen reden.“ Die Enttäuschung steht ihr ins Gesicht geschrieben, aber mein Wohlwollen, das überschäumende Glück anderer zu ertragen, ist momentan nicht sehr groß.

Es war doch keine gute Idee, das geblümte Kleid meiner Mutter, das ich heute Nachmittag im Kellerschrank gefunden habe und ziemlich cool fand, anzuziehen. Jetzt komme ich mir neben Katrin und den anderen Mädels wie meine eigene Großmutter vor. Manu und Sabine, beide in der Heimat geblieben, sehen eigentlich noch genauso aus wie vor zwanzig Jahren nach dem Abi. Vielleicht etwas runder um die Hüften, mit flotteren Haarschnitten und braungebrannt von den Nachmittagen im Freibad mit ihren Kindern. Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner her, ihre Schwiegermütter, Fliesenleger, die die Kacheln im Neubau nicht längs, sondern quer verlegt haben. Nach einer halben Stunde sterbe ich fast vor Langeweile. Und nachdem Manu zum dritten Mal betont, dass sie mich jetzt, nach dem dritten Kind, echt um mein kinderloses Leben und meine „Freiheit“ beneidet, flüchte ich mich auf die Terrasse, um eine zu rauchen.

Es ist ein milder Juniabend, eigentlich wäre es netter gewesen, die Veranstaltung irgendwo im Freien zu machen, mit Grillen und Lagerfeuer. Katrin steht mit Henner und Jo draußen, lässig die Zigarette in der einen, das Weinglas in der anderen und lacht ihr sexy Katrin-Lachen. Es fehlt nur, dass den Typen der Sabber aus dem Mund läuft.
„Hey Moni, moin moin, was macht Hambuach?“, Jo will mir ein High Five geben, was ich tunlichst übersehe, so dass er sich verlegen mit der erhobenen Hand durch die schütter gewordenen Haare streicht. Ich schenke ihm ein müdes Lächeln und zünde mir eine Kippe an. Unglaublich, dass ich über zwei Jahre mit diesem Menschen zusammen war. Obwohl ich schon damals wusste, dass ich nur die zweite Wahl war. Aber wir waren jung und dumm. Nicht dass ich das Gefühl habe, heute reifer zu sein. Im Moment fühle ich mich eher wieder wie der picklige Teenager von damals.
„Katrin erzählt uns gerade Anekdoten von ihrem aufregenden Onlinedating. Unglaublich, was man da so alles erlebt …“
„Mmh, kann ich mir vorstellen“, murmle ich, obwohl sich meine Erfahrungen im Onlinedating auf eine Verabredung mit einem IT-Nerd beschränken, der dann zum Date einfach nicht aufgetaucht ist.
„Na ja“, Katrin winkt ab, sie scheint mein Unbehagen zu spüren, „sooo aufregend ist das auch wieder nicht. Erzähl du doch mal von deinen Promotionsplänen. Unsere Moni hier“, sie legt mir gönnerhaft den Arm um die Schultern und ich muss mich zusammenreißen, ihn nicht gleich wieder abzuschütteln, „wird nämlich Doktorin. Und wahrscheinlich irgendwann Professorin.“
„Wow.“ Jo und Henner nicken bemüht beeindruckt und ich habe keine Lust, dem etwas hinzuzufügen. Wir nehmen alle einen Schluck von unseren Drinks.
„Noch ganz schön warm heute Abend“, bemerkt Henner, „eigentlich ideal, um später noch ein bisschen NNB zu machen.“
„Ach hör auf“, kichert Katrin, mittlerweile leicht angetrunken und stößt ihn mit dem Ellenbogen in die Seite, „weißt du noch Moni, N N B - Nachts Nackt Baden? Wahrscheinlich würden wir sowieso nicht mehr durch die Drehtüren vom Freibad passen. Ach, das war echt immer ein Spaß …“ Für Katrin vielleicht, für mich eher mit Gruppenzwang, demütigenden Erinnerungen und peinlicher Unterwäsche verbunden. Peinlicher, nasser Unterwäsche, weil ich zu feige war, komplett blank zu ziehen.
„Ich hol uns jetzt allen noch was zu trinken und dann reden wir später nochmal drüber“, meint Jo und zwinkert Katrin neckisch zu, „du hast dich kein bisschen verändert …“
Ich könnte kotzen.

Zwei Stunden und ein paar Jacky-Cola später sitzen wir alle im Touran Siebensitzer von Manu, die nichts getrunken hat, weil sie ihr Jüngstes noch stillt und angeboten hat, uns beim Freibad abzusetzen. Die Kindersitze hat sie in den Kofferraum gelegt, neben den Notsitz, auf den ich mich gequetscht habe. Die alte Clique, Jo, Henner, Katrin, Robbie und ich, Sabine hat natürlich gekniffen. Neun Uhr Termin mit dem Gartenarchitekten, der anscheinend das nächste halbe Jahr lang ausgebucht ist.
Mir ist ein bisschen übel, aber ich bin einigermaßen cool, weil ich neue schwarze Unterwäsche anhabe, die ich nicht abzulegen gedenke, und es mir heute scheiß egal ist, ob die anderen mich spießig finden oder nicht. Katrin sitzt vor mir, zwischen Robbie und Henner und hat ihren Kopf an Henners Schulter gelegt. Ich überlege mir, was seine Freundin, die gerade das zweite Kind von ihm entbunden hat, wohl dazu sagen würde.

„Oh Gott, ich mach mir gleich in die Hose!“, brüllt Katrin lachend, als Robbie in der Drehtür stecken bleibt und weder vor- noch zurückkommt. „Du musst halt deine Wampe einziehen!“
„Ja“, feixt Jo, „weniger Feierabendbierchen!“
„Mann, das ist nicht witzig! Jetzt hilft mir vielleicht mal jemand?“
Der Trick ist, die Drehtür ganz gerade zu stellen, dann fest zu halten und sich an der Seite durchzuquetschen. Irgendwie schaffen wir es dann doch alle, durch den Eingang des Freibads zu kommen. Die Wiese ist nass vom Tau, es ist mittlerweile ganz schön kühl geworden. Der Mond ist halb voll und wird immer wieder von vorbeiziehenden Wolken verdeckt.
Katrin und Jo rennen übermütig kichernd voraus zum großen Schwimmerbecken. Ich trotte erst mal hinterher, ich habe keine Lust, jetzt ins kalte Wasser zu springen. Irgendwie ist die Luft raus.
„Wer als erstes im Wasser ist!“, brüllt Henner und fängt an, sich die Klamotten vom Leib zu reißen. Die anderen tun es ihm nach und bis auf Katrin sind alle innerhalb weniger Sekunden im Becken. Katrin, nur noch im Slip, taucht einen Fuß ins Wasser. Sie lässt sich absichtlich Zeit, damit die drei Männer ausgiebige Blicke auf ihre knackigen Brüste werfen können, die gerade vorteilhaft vom Mondlicht beschienen werden. „Ach, gar nicht kalt“, sagt sie und wagt einen Kopfsprung vom Beckenrand, Sekunden später ist sie wieder an der Oberfläche. „Boah, herrlich! Moni, komm rein! Worauf wartest du?“ Sie spritzt eine Ladung Wasser in meine Richtung. Ich hasse das und weiche aus, doch das Wasser trifft meine nackten Beine.
„Hey Mädels“, Jo taucht prustend neben Katrin am Beckenrand auf, „Moni, wartest du darauf, dass wir dich reinwerfen oder was, so wie früher?“
„Ja, bestimmt …“
„Schluss jetzt mit dem Kindergeburtstag! Lasst uns vom Fünfer springen“, tönt Robbie und klettert ungeniert aus dem Wasser. Sein Schwanz ist unterm Bauch im dunklen Haargestrüpp kaum auszumachen. Männliches Selbstbewusstsein sollte man haben. Die anderen steigen jetzt auch aus dem Becken. Ich bin gespannt auf Katrin, sie hat sich noch nie getraut, vom Fünfer zu springen. „Katrin, du etwa auch?“, meine Stimme klingt sarkastischer als beabsichtigt.
„Klar, warum nicht?“, erwidert sie schnippisch und überkreuzt die Arme vor der Brust. Ich kicke meine Sandalen von den Füßen und ziehe mein Kleid über den Kopf. Das kann ich mir nicht entgehen lassen.

Der Turm besteht aus zwei Einsern und zwei Dreiern mit jeweils einem Federbrett und einem Betonsteg und endet oben in fünf Metern Höhe mit einer großen Plattform aus Beton. An warmen Sommertagen standen hier bis zu fünfzehn Leute, die nacheinander auf das Zeichen des Bademeisters zum Absprung gewartet haben.
„Wahnsinn“, keucht Jo und breitet die Arme aus, „seht euch die Aussicht an! Wann wart ihr das letzte Mal hier?“
„Letztes Wochenende, mit Luca, und das war echt kein Spaß“, stöhnt Henner, „vollgepisstes Babybecken, Kindergeschrei und so, und natürlich nicht hier oben …“
„Zur Seite!“, brüllt Robbie und springt mit Anlauf ins dunkle Nichts, nach nicht mal einer Sekunde hört man den Aufschlag im Wasser. Der Mond ist gerade komplett verdeckt und das Becken sieht aus wie ein schwarzes Loch. Unheimlich. Als Nächster springt Henner.
„Oh Gott“, Katrin klappert mit den Zähnen, „ich kann das echt nicht. Schaut mal, wie hoch das ist!“ Sie steht an der Kante, die linke Hand am Geländer, und wirft ängstliche Blicke nach unten.
„Was ist denn los?“, tönt Robbie von unten, „wollt Ihr da oben übernachten?“
„Jetzt gibt es kein Zurück mehr! Mitgehangen mitgefangen!“, meint Jo grinsend und packt Katrin an der Schulter.
„Hey! Lass das!“, schreit sie panisch und klammert sich fester ans Geländer. Jo lacht nur und dreht sich zu mir um: „Ich glaube, die liebe Katrin muss einfach mal lernen loszulassen …“ Er versucht, ihren Griff zu lockern und sie vom Geländer wegzuziehen.
„Hör auf! Wenn du mich da runterschubst, bring ich dich um! Ich schwörs dir. Und nimm deine Griffel von meiner Brust! Ich weiß schon, warum ich dich damals nicht wollte, du bist ein blöder Idiot! Moni, jetzt hilf mir mal!“ Ich stehe da wie festgewachsen und sehe einfach nur zu.
„Oh, ja“, Jo drückt sein Becken an Katrins Hintern, „aber vielleicht willst du mich jetzt ... ich glaube, du magst es gerne auf die harte Tour.“
„Du Arschloch!“ Katrin lässt locker, um ihm eine reinzuhauen und in dem Moment stürzen beide zusammen in die Tiefe. Ich halte vor Schreck die Luft an, doch im nächsten Augenblick höre ich Katrin unten weiterzetern. Ich trete an die Kante, schließe die Augen und mache einen Schritt nach vorn. Für den Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich frei.

 
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Liebe Kerkyra,

das ist eine sprachlich gut geschriebene Geschichte mit vielen gut überlegten Einzelheiten.
Leider konnte aber auch ich mich mit ihr am Ende nicht so recht anfreunden. Ich will versuchen, dir zu erklären, warum das so war.
Mir ging es wie meinem Vorkommentator:

fxdysprosium schrieb:
Der innere Konflikt von Moni ist weder gelöst, noch eskaliert.
Dabei zeigst du in deiner Geschichte doch beides: den inneren und den äußeren Konflikt. Die Unzufriedenheit Monis mit ihrer persönlichen und beruflichen Situation und dieses Unterlegenheitsgefühl Katrin gegenüber.
Doch dein Text nutzt dieses Potential nicht, bleibt auf der Ebene deines Tags ‚Alltag’, geht nicht über das alltägliche Geschehen hinaus, macht diese ganze Begebenheit zu einem letztendlich banalen Ereignis. Es geschieht nichts Aufregendes, nichts Überraschendes: Ehemalige Klassenkameraden treffen sich, nehmen ihre Rollen von damals wieder ein, feiern miteinander, wechseln zum Schwimmbad, springen ins Wasser. Keinem ist zum Schluss irgendetwas geschehen. Nur Moni fühlt sich jetzt frei.
Ich halte vor Schreck die Luft an, doch im nächsten Augenblick höre ich Katrin unten weiterzetern. Ich trete an die Kante, schließe die Augen und mache einen Schritt nach vorn. Für den Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich frei.
Warum eigentlich? Ich kann es nur vermuten: Springt sie nun auch? Aber sie hatte ja kein Problem mit dem Springen. Hat sie sich nun von ihrem Unterlegenheitsgefühl Katrin gegenüber befreit?

Kerkyra, ich finde du hast sprachlich einen großen Schritt nach vorne gemacht und erzählst für mein Empfinden viel besser als früher. Auch die vielen Details sind gut überlegt und vermitteln Bilder. Aber insgesamt hapert es der gesamten Geschichte an Brisanz, zumindest für mein Empfinden. Sie erzeugt eine Erwartungshaltung, die dann nicht erfüllt wird. Während des Lesens hatte ich das Gefühl, dass alles letztlich auf ein Showdown zwischen Katrin und Moni hinausläuft, aber nichts geschieht, weder eine äußere Konfrontation noch eine innere Auseinandersetzung.

Für den Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich frei.
ist enttäuschend und leider auch nichtssagend. Hier solltest du mMn nachlegen und dem Schluss mehr Gewicht geben. So frage ich mich nämlich am Ende: Warum ist diese ganze Begebenheit eigentlich erzählenswert?

Zu den Kleinigkeiten:

Mhh, Krautwickel?“
Keine Ahnung, wie man das aussprechen soll?

Glücklich, dass sie mein armseliges Leben zumindest mit Essen ein bisschen aufheitern kann.
Welche Perspektive nimmst du hier ein? Monis oder der Mutter?

sogar zu viert haben wir uns damals in diese Dinger rein gezwängt.
reingezwängt

„Mama, sowas passiert halt,
so was (etwas)

Katrin geht es ganz gut, soweit ich weiß, [.] sie hat einen Job und die Kinder sind ja auch nicht mehr so klein.“

Karriere, Geldverdienen, kleine Babys den ganzen Tag in die Krippe abschieben.
Das sagt natürlich die Mutter und es muss deshalb in sich nicht logisch sein. Aber machen sie das wirklich den ganzen Tag: kleine Babys abschieben?

Meine Haut ist unrein und blass, der Haarschnitt raus gewachsen, meine Klamotten gewöhnungsbedürftig.
rausgewachsen
‚gewöhnungsbedürftig’ scheint mir auch wieder eine andere Perspektive zu sein.

Komm doch erstmal rein.“
erst mal (einmal)

Sie sieht fantastisch aus und ganz und gar nicht wie eine gerade verlassene Ehefrau, was mir einen leichten Stich versetzt.
Nur einen leichten?

als wir die Treppe zu ihrem alten Zimmer hoch gehen,
hochgehen

... ist, „wie geht`s dir?“
Wie …

, das [da] sehe ich echt alt dagegen aus.

lässig die Zigarette in der einen, (das) Weinglas in der anderen
, „eigentlich idealK um später noch ein bisschen NNB zu machen.“

Als nächster springt Henner.
MMn: als Nächster

Schaut malK wie hoch das ist!“

Wenn du mich da runter schubst,
runterschubst

Liebe Grüße und einen schönen Wochenanfang

barnhelm

 

Hallo Kerkyra,

Deine Geschichte gefällt mir gut, und ich teile die Kritik meiner Vorredner - was das Ende betrifft - nicht, obwohl ich den Standpunkt von Barnhelm und fxdysprosium durchaus nachvollziehen kann. Aber der Reihe nach:

So wie ich die Geschichte verstehe, beschäftigt sich der Text mit den Erwartungen, die wir heute mit dem vermeintlich erfolgreichen und guten Leben verbinden und auch mit den problematischen Emotionen, die in diesem Kontext unweigerlich auftauchen. Deine Wahl des Themas Klassentreffen ist da passend, denn gerade bei solchen Veranstaltungen kommt es immer zu der Frage, was der eine oder andere so aus seinem Leben gemacht hat, wie erfolgreich er war usw. Allerdings muss man auch sagen, dass Klassentreffen in Literatur und Film eben gerade aus diesem Grund häufig auftauchen, dieses Feld wurde also bereits gründlich beackert.

Monika, Deine Heldin der Geschichte, wird primär von negativen Emotionen an- und umgetrieben. Da sind Selbstkritik und Selbstzweifel, der Gedanke, den Erwartungen der eigenen Mutter nicht gerecht zu werden, denn die wünschst sich Enkel. Und auch das Treffen mit Katrin, ihrer Freundin, zeigt Monikas düstere Stimmung. Neid und Eifersucht mischen sich da in die freundschaftlichen Gefühle.

Brisant an dem Ganzen ist, dass wir alle diese eigentümlichen Stimmungen kennen. Es ist schon irritierend, wenn man an sich feststellt, dass man hin und wieder anderen - manchmal sogar einem Freund - einen Erfolg missgönnt. Kaum jemand ist so rein im Herzen, sich davon gänzlich freizusprechen.

In Deiner Geschichte reibt sich die Heldin an den vermeintlichen Glücksparametern wund: Sie selbst ohne Mann, kinderlos, beruflich in einer Sackgasse, blass mit schlechtem Hautbild, Zottelfrisur, komische Klamotten – die anderen Frauen haben Familie oder Freunde, sind in die Gemeinschaft integriert, sehen gut aus usw.

Nachts im Schwimmbad kommt so etwas wie ein Mini-Konflikt zwischen Katrin und Jo ins Rollen, aber es ist nur Geplänkel. Monika springt vom Fünfmeterturm und fühlt sich einen Moment lang frei. Das heißt für mich, dass es in der augenblicklichen Verfassung von Monika keinen Ausweg aus ihrer negativen Tretmühle gibt, denn sie hängt innerlich fest. Nur ein außergewöhnliches physisches Erlebnis lässt sie kurzzeitig durchatmen.

Ich glaube, das ist die Verfassung vieler Zeitgenossen. Menschen, die sich in einem dysfunktionalen Selbst verirrt haben, die Ursachen ihres Leidens an der Welt und am Ich nicht durchschauen, stellen wieder und wieder schmerzhafte Vergleiche mit anderen an. Sie betrachten sich als Versager, verlieren die Motivation, ihr Leben zu ändern. Sie neiden ihren Mitmenschen die vermeintlichen Erfolge und sacken Tag für Tag tiefer in Frust und Depression.

Das ist grundsätzlich ein sehr effektiver Mechanismus, um dauerhaft unglücklich zu sein.

Ich finde, Deine Geschichte stellt das sehr gut dar. Sprachlich gefällt mir das Ganze auch gut.

Eine Kleinigkeit: „Wahnsinn“, keucht Jo und breitet die Arme aus, „seht Euch die Aussicht an! Wann wart Ihr das letzte Mal hier?“ Das ist ja kein Brief, sondern wörtliche Rede. Also Euch/ Ihr kleinschreiben.

Sehr gern gelesen.

Gruß Achillus

 

Hej Kerkyra,

ein Klassentreffen nach dem Abitur wird immer wieder gern mal gewählt, um aufeinander treffende Charaktere gegeneinander aufzuzeigen.
Eine gute Möglichkeit, um zu prüfen, was alles geht, was man als Texter aufbauen, nutzen, zeigen kann. Ich habe auch schon mal daran gedacht, eine Geschichte darauf aufzubauen.
Du hast sie auch gefällig aufgebaut und geschrieben. Dennoch ist sie etwas schwach. Sowohl in der Handlung als auch in den Charakteren.

Höchstwahrscheinlich liegt es an meinem Anspruch, denn gerade weil das Thema beliebig ist, erwarte ich etwas, dass mich verwundert, oder belustigt oder schockiert. Da ich sie gerne gelesen habe, weil du sie unterhaltsam geschrieben hast, könntest du doch hieran testen, ob du auch extrem kannst. :shy:

Aber das ist ja nur eine Idee und freundlicher Gruß, Kanji

 

Liebe Kerkyra,

deine Geschichte hat mir ganz gut gefallen, könnte glatt in meinem Viertel passiert sein, wo sich die mittlere Generation gerade heftig mit diversen familiären Katastrophen herumplagt. Da hast du diesen Vermeidungston, das Überspielen, die Unzufriedenheit oder auch die Angeberei in den Dialogen gut getroffen.

Aber dann fehlt mir doch etwas etwas die Konflikttiefe. Ist es nun das befürchtete berufliche Scheitern, so wie deine Prota für sich selber empfindet, sind es ungelöste Rivalitäten zwischen ihr und der
(Schul-)Freundin oder alte unbeglichene Rechnungen mit dem Kotzbrocken Jo?

Hier wünschte ich mir eine stärkere Fokussierung, wobei ich schon akzeptiere, dass es sich wohl um eine Melange handelt.

Mir hat Peeperkorn mal den Rat gegeben, die Szenen, die mir am wichtigsten wären, als erste zu formulieren. Dann würde sich die Gewichtung leichter einstellen. Das hat mir sehr geholfen.

In deinem Text kommt mir deine Schlussszene einfach zu kurz gegenüber den etwas geschwätzigen Anfangsszenen mit den diversen Müttern.

Ich trete an die Kante, schließe die Augen und mache einen Schritt nach vorn. Für den Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich frei.

Der Schritt nach vorne. Könnte er nicht bedeuten, dass Monika nie und nimmer mit ihren ehemaligen Klassenkameraden tauschen möchte? Und dass dieses Freiheitsgefühl länger als für den Bruchteil einer Sekunde anhält?

Freundliche Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo fxdysprosium,

die Rechtschreibung, die auch barnhelm unter die Lupe genommen hat, habe ich soweit verbessert. Die Sache mit der wörtlichen Rede kann ich ehrlich gesagt nicht so ganz nachvollziehen. Ich persönlich finde, es macht das Ganze lebendiger.
Was den Schluss anbelangt, werde ich gleich bei barnhelm noch etwas dazu schreiben. Nur soviel: für mich gibt es keine (schnelle) Lösung des Konflikts, dafür bietet eine Kurzgeschichte zu wenig Raum.

Danke für Deine Meinung, Gruß Kerkyra

Liebe barnhelm,

zuerst mal :

Kerkyra, ich finde du hast sprachlich einen großen Schritt nach vorne gemacht und erzählst für mein Empfinden viel besser als früher. Auch die vielen Details sind gut überlegt und vermitteln Bilder.
Vielen Dank:D

Glücklich, dass sie mein armseliges Leben zumindest mit Essen ein bisschen aufheitern kann.
Welche Perspektive nimmst du hier ein? Monis oder der Mutter?
Monis Perspektive, die das Gefühl hat, dass die Mutter ihr Leben für armselig hält. Sie selbst ja auch.

Meine Haut ist unrein und blass, der Haarschnitt raus gewachsen, meine Klamotten gewöhnungsbedürftig.gewöhnungsbedürftig’ scheint mir auch wieder eine andere Perspektive zu sein.
Nein, auch hier: Moni weiß genau, wie sie auf andere wirkt.

Nun zum kritisierten Ende der Geschichte:

Während des Lesens hatte ich das Gefühl, dass alles letztlich auf ein Showdown zwischen Katrin und Moni hinausläuft, aber nichts geschieht, weder eine äußere Konfrontation noch eine innere Auseinandersetzung.
Ja, ja, Du hast tatsächlich Recht, eigentlich wollte ich es auch zu einem "Showdown" kommen lassen. Doch während des Schreibens kam mir dann die Idee, Jo noch mit ins Spiel zu bringen, der ja auch irgendwie noch eine kleine Rechnung offen hat. Ich gebe zu, dass das dann so ein bisschen Wischiwaschi geworden ist und ich ärgere mich selbst darüber.

Was jedoch die Konfliktlösung anbelangt: es gibt es für mich keine. Achillus hat das weiter unten ganz gut zusammengefasst. Klar könnte Moni ihrer langjährigen Freundin eine reinhauen (Rache), könnte die Freundschaft kündigen. Aber an ihrer eigenen "Misere" würde das ja auch nichts ändern.

Für den Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich frei.

Warum eigentlich? Ich kann es nur vermuten: Springt sie nun auch? Aber sie hatte ja kein Problem mit dem Springen. Hat sie sich nun von ihrem Unterlegenheitsgefühl Katrin gegenüber befreit?

Ja, sie springt, und genau in diesem Sekundenbruchteil denkt sie nicht an ihr "armseliges" Leben.

Vielen Dank für Deine Zeit und Deinen Kommentar, hat mich gefreut.
Viele Grüße, Kerkyra

Fortsetzung folgt...

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Achillus,

So wie ich die Geschichte verstehe, beschäftigt sich der Text mit den Erwartungen, die wir heute mit dem vermeintlich erfolgreichen und guten Leben verbinden und auch mit den problematischen Emotionen, die in diesem Kontext unweigerlich auftauchen.

Ganz genau. Ich habe die Gruppe der 40+ gewählt, weil ungefähr die Hälfte des Lebens vorbei ist. Man kann sich jetzt überlegen, ob man zufrieden ist, mit dem, was man bisher erreicht hat, oder auch nicht. In meiner Geschichte spielen dabei die kleinbürgerlichen Vorstellungen/Erwartungshaltungen eine große Rolle.

Selbstkritik und Selbstzweifel, der Gedanke, den Erwartungen der eigenen Mutter nicht gerecht zu werden,...
In Deiner Geschichte reibt sich die Heldin an den vermeintlichen Glücksparametern wund...

Nicht umsonst lebt Monika in der Großstadt, wo es mehr alternative Lebensentwürfe gibt und sie nicht den Druck erfährt wie zuhause in der Kleinstadt. Vielleicht wollte sie Kinder, vielleicht aber auch nicht.

Das heißt für mich, dass es in der augenblicklichen Verfassung von Monika keinen Ausweg aus ihrer negativen Tretmühle gibt, denn sie hängt innerlich fest. Nur ein außergewöhnliches physisches Erlebnis lässt sie kurzzeitig durchatmen.

:thumbsup: Damit hast Du die Fragestellung der anderen Kommentatoren, bezüglich der fehlenden Auflösung, ganz gut beantwortet.

Du hast mir aus dem Herzen gesprochen, vielen Dank für Deine Analyse und Deine Zeit!

Schöne Grüße, Kerkyra


Hallo Kanji,

und danke für Deine Meinung.

Dennoch ist sie etwas schwach. Sowohl in der Handlung als auch in den Charakteren.
:( Schade, dass Du das so empfindest. Ich glaube schon, dass ich die Charakterzeichnung von Monika und auch von Katrin ganz gut hinbekommen habe. Was die Handlung anbelangt - ich kann verstehen, dass Dir da zu wenig "Action" ist.
weil du sie unterhaltsam geschrieben hast, könntest du doch hieran testen, ob du auch extrem kannst.
Na gut, bin wieder etwas versöhnt;). Ich glaube, ich will nicht extrem sein, ich versuche in meinen Geschichten eher, ein Bild unserer Gesellschaft zu zeichnen. Und das irgendwie "unterhaltsam" zu verpacken.

Viele Grüße,
Kerkyra

 

Hallo Kerkyra,

mir gefällt das Ende ganz gut. Überhaupt, die ganze Geschichte oben auf dem Sprungbrett in so einer bizarren Aktion enden zu lassen, finde ich eine tolle Idee. Und dass diese ganze ätzende Situation dann unvermutet so einen Moment für Sie bereithält, ist eine Art kleines "Happy end", ohne platt zu sein. Allerdings war ich kurz mit der Frage beschäftigt, ob sie denen da unten jetzt auf den Kopf springt, was meinen Mitgenuss etwas beeinträchtigt hat.


Der Blick meiner Mutter spricht Bände. Ich weiß nicht, wie diese Frau es schafft, eine Mischung aus Vorwürfen, Mitleid, Enttäuschung und Frust in ihr Gesicht zu packen und mich wortlos unter ihren Emotionen zu begraben. „Du siehst müde aus“, ist das Einzige, was ihr herausrutscht, als sie mich in ihre pummligen Arme schließt und an sich drückt. Sie riecht nach Zuhause, Niveacreme und gedünsteter Kohl.
„Mh, Krautwickel?“

Das Verhältnis zu ihrer Mutter wird auch hinterher überdeutlich. Da würde ich nicht gleich im zweiten Satz die Karten auf den Tisch legen.


Im Moment fühle ich mich auch eher wieder wie der picklige Teenager, der nicht aus dem Schatten seiner besten Freundin herauskommt.

Das hast du vorher schon überzeugend genug dargestellt, finde ich.


Während in den meisten Familien die alten Jugeendzimmer längst in praktische Gäste-, Büro- oder Hobbyräume umgewandelt wurden, befindet sich meines noch im Originalzustand von 1996, als ich auszog, um mein Studium zu beginnen. Meine Eltern schwanken seit zwanzig Jahren zwischen Hoffnung und Furcht, dass ich eines Tages in mein altes Zimmer zurückkehre und als Kunstlehrerin am örtlichen Gymnasium anfange.

Sehr witzig, diese lakonische, gepestete Art, die sie hat.

Ich fand deine Geschichte sehr unterhaltsam!

Liebe Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kerkyra,

die Art wie du formulierst gefällt mir gut, die beschriebenen, fast - aber nicht ganz - alltäglichen Momente, in denen sich die inneren Konflikte spiegeln, sind passend gewählt. Ich finde auch die Szenenwahl gelungen und die Geschichte insgesamt rund. Obwohl mich die Protagonistin mit ihrer Eifersucht auf ihre 'Freundin' irritiert (man möchte sie immer schubsen und zurufen: 'Mach' doch einfach selbst was aus deinem Leben, bevor du anderen ihres übel nimmst!'). Doch du nimmst den Leser ansatzweise mit in ihre Unsicherheit, in ihr zerfasertes Selbstbild. Was nicht gelingt, ist - obwohl man ja durch die Ich-Perspektive in ihrer Haut steckt - der Protagonistin innerlich wirklich ganz und gar nahe zu kommen. Dazu müsste sie für mich noch verstehbarer werden. Kleinigkeiten:

Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner her, ihre Schwiegermütter, Fliesenleger, die die Kacheln im Neubau nicht längs, sondern quer verlegt haben.
Da stimmt der Satzbau meiner Meinung nach nicht, besser: ...über andere her, ihre Ehemänner, Schwiegermütter, über Fliesenleger, die die ...' Und hier fehlte ein Komma:
Katrin lässt locker(,) um ihm eine reinzuhauen und in dem Moment stürzen beide zusammen in die Tiefe.

Ich habe deine Geschichte in weiten Teilen gerne gelesen,

viele Grüße,

Eva

 

Hallo wieselmaus,

Ist es nun das befürchtete berufliche Scheitern, so wie deine Prota für sich selber empfindet, sind es ungelöste Rivalitäten zwischen ihr und der
(Schul-)Freundin oder alte unbeglichene Rechnungen mit dem Kotzbrocken Jo?
Ich denke, es ist mehr die eigene Unzufriedenheit mit sich und ihrem Leben. Sie befindet sich in einer vermeintlichen Sackgasse. Und dann ist da der Neid auf die anderen, die scheinbar alles auf die Reihe kriegen.

Mir hat Peeperkorn mal den Rat gegeben, die Szenen, die mir am wichtigsten wären, als erste zu formulieren. Dann würde sich die Gewichtung leichter einstellen. In deinem Text kommt mir deine Schlussszene einfach zu kurz gegenüber den etwas geschwätzigen Anfangsszenen mit den diversen Müttern.
Da hast Du Recht. Das ist ein guter Tipp, danke. Meine Taktik ist meistens loszuschreiben mit einer ungefähren Idee und dann zu sehen, wohin die Reise geht. Und oft geht mir dann am Ende leider etwas die Luft aus:dozey:

Der Schritt nach vorne. Könnte er nicht bedeuten, dass Monika nie und nimmer mit ihren ehemaligen Klassenkameraden tauschen möchte?
Ja, das möchte sie wahrscheinlich nicht, aber der Druck in diesem Umfeld ist sehr hoch.

Danke Dir für Deine Meinung, hat mich gefreut,

Schöne Grüße Kerkyra


Hallo Chutney,

Ich fand deine Geschichte sehr unterhaltsam!
:) Das hört man gerne!

Allerdings war ich kurz mit der Frage beschäftigt, ob sie denen da unten jetzt auf den Kopf springt, was meinen Mitgenuss etwas beeinträchtigt hat.
Hm, eigentlich auch keine schlechte Idee:lol: ... Nein, die waren schon am Rand und haben sich wahrscheinlich massakriert.

Im Moment fühle ich mich auch eher wieder wie der picklige Teenager, der nicht aus dem Schatten seiner besten Freundin herauskommt.

Das hast du vorher schon überzeugend genug dargestellt, finde ich.
Danke, werde es abändern. Das ist tatsächlich überflüssig.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren,

Grüße Kerkyra

 
Zuletzt bearbeitet:

Gutn Morgen, Erster Mai,
Friechen isst sein Fünfminuten-Ei,

liebe Kerkyra,
wir müssen auch mal wieder Königsberger Klopse essen ... Aber warum kütt de Jong, wo doch alles schon gesagt zu sein scheint? Ja, so sind manche Klassentreffen, selbst wenn sie selten im freien Fall vom Fünfmeter Turm einen Hauch von (Selbst-)Befreiung verspüren lassen

Ja, es wurd schon erwähnt, dass Du fortschreitest, aber es ist buchstäblich immer noch ein Schlachtfeld - beispielsweise wurde bereits im ersten Beitrag - wenn auch sehr zurückhaltend und vorsichtig durch fxdysprosium hier

Sie riecht nach Zuhause, Niveacreme und gedünstete[m] Kohl
auf den Dativ hingewiesen, denn dieses unscheinbare, winzige "nach" verlangt den Dativ (deutlicher geschrieben: "nach ruft NACH DEM Dativ), was natürlich durch andere Attribute/Artikel wie "sie riecht nach 'meinem' Zuhause, 'der' Niveacreme ..." deutlicher würde.

Hier wäre natürlich auch Deine Hartnäckigkeit zu ergründen, denn wie spricht man das Dehnungs-h hier aus?

„Mh, Krautwickel?“ //
„Mhm, kann ich mir vorstellen“, murmle ich, ...
Lautsprachlich bleibt nur mit vorweggestelltem "h" ein Anlaut [hm:], in der Schreibweise, wie wir sie vorfinden, ist allein [m:] möglich.

Sind überhaupt comic-Element wie hier

„Ach Mooonika, du bist unmöglich!“ An der Länge der Os in meinem Namen kann ich die Empörung meiner Mutter messen.
nötig, um ein gedehntes o darzustellen, das zudem noch im Folgesatz begründet wird?

„Äh[,] nein“, ich ...
Ausrufe und ihre Verwandten besser mit Komma, beim "aha" geht's doch gleich ...
Wie überhaupt die Zeichensetzung ... Hier rufen die Auslassungspunkte nach Gleichberechtigung
..., „ich bin gerade auf der Suche nach einer Doktorandenstelle …“
Ihr Blick ist ratlos. „Aha, na ja, erst neulich hab ich zu Peter gesagt, wir müssen öfter mal Kultur[...]…“
(es fehlt ja auch nicht ein Buchstabe an der "Kultur", was die Lückenlos angehängten Auslassungspunkte behaupten (da wäre dann die Ästhetik des Apostrophs halt viel sparsamer und deutlicher) Und noch mal
„Ach ja, ganz gut …[...]Schreibe Bewerbungen, ...

Die Kindersitze hat sie in den Kofferraum gelegt, neben den Notsitz[,] auf den ich mich gequetscht habe.
(Komma wg. Relativsatz)
Mir ist ein bisschen übel, aber ich bin einigermaßen cool, weil ich neue schwarze Unterwäsche anhabe, die ich nicht abzulegen gedenke[,] und es mir heute scheißegal ist, ...
(der Anfang des Relativsatzes hier ist korrekt, nicht aber sein Ende. Wahrscheinlich hat Dich die Konjunktion irritiert, die aber den Satz Unterwäsche fortsetzt "..., weil ich ... anhabe und es mir ... scheiß egal ist".)

Bissken Flüchtigkeit spielt auch hinein, etwa hier (kommentarlos)

„Zur Seite!“[,] brüllt Robbie und springt ...
„Jetzt gibt es kein Zurück mehr! Mitgehan888gen mitgefangen!“[,] meint Jo grinsend und packt Katrin an der Schulter.

Oh, ok … Und was ist heute Abend?
O. k. bzw. o. k., so steht dort eigentlich die Abkürzung von Oklahoma ...

Hier geht's um die Zusammenschreibung,

..., brüllt Katrin lachend, als Robbie in der Drehtür stecken bleibt und weder vor[-] noch [zurückkommt.]

„Wahnsinn“, keucht Jo und breitet die Arme aus, „seht Euch die Aussicht an! Wann wart Ihr das letzte Mal hier?“
Wieso Höflicheitsform? Okay, die gewachsene Distanz der Prot. zu ihrer Vergangenheit wäre ein Grund ...

Sonstiges

..., befindet sich meines noch im Originalzustand von 1996, als ich auszog, um ...
"Befindet sich" nicht alles da, wo und wie es gerade ist? Selbst die eigene Befindlichkeit? Die Kombination wird immer da eingesetzt, wo einem das Vollverb "sein" ("ist meines noch im Originalzustand ...") zu einfach erscheint und doch nix anderes einfällt. Da könnte man sogar die Vorsilbe weglassen, denn die Prot "findet" das Zimmer imme noch im Originalzustand von ... Von "bewahren" und "bleiben" über "pflegen" bis "verweilen" (im Originalzustand) gibt's genügend Alternativen, die mehr ausdrücken, als das 08-15 "sich befinden"

Ihre weißen Zähne blitzen, die Augen strahlen.
Haben wir nicht alle "weiße" Zähne, an sich, selbst wenn Kaffee (bei mir der Konsum an ächtem Lakritz) und/oder der natürliche Verfall eine Verdunkelung vorantreiben. Du willst doch auf die (vermutlich scheinbare) Unversehrtheit des Zahnschmelzes hinweisen. Warum nicht die Übertreibung "strahlend weißen" Zähne? Literatur lebt auch von der Übertreibung ...

Sieht jetzt vielleicht nicht so aus, aber hier steht jetzt tatsächlich drunter

gern gelesen vom

Friedel,
der vielleicht schon kurz nach zehn ein Bierchen auf Dich trinken wird

 

Hallo Eva Luise Groh,

die Art wie du formulierst gefällt mir gut, die beschriebenen, fast - aber nicht ganz - alltäglichen Momente, in denen sich die inneren Konflikte spiegeln, sind passend gewählt. Ich finde auch die Szenenwahl gelungen und die Geschichte insgesamt rund.
Danke, das freut mich.

... man möchte sie immer schubsen und zurufen: 'Mach' doch einfach selbst was aus deinem Leben, bevor du anderen ihres übel nimmst!'
Das stimmt, aber manchmal stecken Menschen in einer vermeintlichen Sackgasse fest und schaffen das nicht.

"Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner her, ihre Schwiegermütter, Fliesenleger, die die Kacheln im Neubau nicht längs, sondern quer verlegt haben."

Da stimmt der Satzbau meiner Meinung nach nicht, besser: ...über andere her, ihre Ehemänner, Schwiegermütter, über Fliesenleger, die
Okay, da verstehe ich ehrlich gesagt nicht, was Du meinst:confused:

danke fürs Lesen und Deine Gedanken zu meiner Geschichte.

Schönen Feiertag noch, Grüße Kerkyra


Lieber Friedel,
Friedrichard
ach, ich freue mich echt immer sehr, wenn Du meine Geschichten kommentierst:)
Das buchstäbliche Schlachtfeld hab ich hoffentlich weitgehend aufgeräumt, danke für Deine Unermüdlichkeit.

Hier wäre natürlich auch Deine Hartnäckigkeit zu ergründen, denn wie spricht man das Dehnungs-h hier aus?

„Mh, Krautwickel?“ //
„Mhm, kann ich mir vorstellen“, murmle ich, ...


Lautsprachlich bleibt nur mit vorweggestelltem "h" ein Anlaut [hm:], in der Schreibweise, wie wir sie vorfinden, ist allein [m:] möglich.


Also: Das hab ich jetzt mal frech im Duden nachgegoogelt. Und da steht tatsächlich:

mmh -
Bedeutungsübersicht:
1. drückt aus, dass etwas schmeckt
2. drückt Nachdenklichkeit oder Bedenken aus

Dies trifft auf meine beiden Sätze zu, ich habe das Mh/Hmh jetzt so abgeändert auf mmh:schiel:

Wann wart Ihr das letzte Mal hier?“
Wieso Höflicheitsform? Okay, die gewachsene Distanz der Prot. zu ihrer Vergangenheit wäre ein Grund ...
Ach ja, manchmal verirre ich mich im deutschen Rechtschreibdschungel wirklich. Jetzt hab ich´s auch noch mal gegoogelt: die vertrauliche Anredeform du/ihr/euer wird klein geschrieben, die höfliche Sie/Ihr groß. Ich versuche, es mir hinter die Ohren zu schreiben.

Was die Kommasetzung betrifft - da bin ich leider immer noch ein Gefühlsmensch.

gern gelesen vom
Na dann ist der graue Maifeiertag doch noch gerettet:D

Prost mein Lieber, auch wenn das Bierchen heute wahrscheinlich drinnen getrunken werden muss -
zumindest hier im Süden.

Vielen Dank, Kerkyra

 

Liebe Kerkyra,

"Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner her, ihre Schwiegermütter, Fliesenleger, die die Kacheln im Neubau nicht längs, sondern quer verlegt haben."
Da meine ich, es müsste zumindest so heißen: "Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner her, über ihre Schwiegermütter, über Fliesenleger ..." Weil mir das selbst nicht gefällt, hatte ich den Vorschlag gemacht. 100% sicher bin ich mir aber gar nicht, ob deine Formulierung wirklich so falsch ist, es ist eher so ein Gefühl :-).
In der Hoffnung, dass das nass-kalte Wetter deine Laune nicht trübt grüßt dich
Eva

 
Zuletzt bearbeitet:

Also: Das hab ich jetzt mal frech im Duden nachgegoogelt. Und da steht tatsächlich:

mmh -
Bedeutungsübersicht:
1. drückt aus, dass etwas schmeckt
2. drückt Nachdenklichkeit oder Bedenken aus

Dies trifft auf meine beiden Sätze zu, ich habe das Mh/Hmh jetzt so abgeändert auf mmh


Na, Du bist mir aber auch eine ganz Freche,

liebe Kerkyra,

jetzt muss ich auch noch [ˈɡuːɡl̩n] , nee, ich ['meta'gerə] lieber, und ja, die Intejektionen hm* ([hm̩] "Laut des Räusperns, Hüstelns") usw, lässt mich nach der lautschriftlichen Umsetzung der Lautmalerei - mehr kann's eigentlich sein, wie das Kikeriki und Kuckuck der buchstäblich geflügelten Worte. Ich werd wohl doch auf die IDS-Grammatik umsteigen ...

Meine Frage wäre, wie stellt der Duden (Band was weiß ich, der "Ausspracheduden") die Interjektionen hm, mh(m) dar, mir schmeckt das sehr bedenklich ..., werd es aber nicht vor den Rat zur deutschen Rechtschreibung bringen.**

Aber hier

"Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner her, ihre Schwiegermütter, Fliesenleger, die die Kacheln im Neubau nicht längs, sondern quer verlegt haben."
scheint mir Eva Luise Grohrecht zu haben, wenn sie schreibt
Da meine ich, es müsste zumindest so heißen: "Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner her, über ihre Schwiegermütter, über Fliesenleger ..." Weil mir das selbst nicht gefällt, hatte ich den Vorschlag gemacht. 100% sicher bin ich mir aber gar nicht, ob deine Formulierung wirklich so falsch ist, es ist eher so ein Gefühl :-).

Es ist zunächst eine bloße Aufzählung in der Folge des "herziehen (über)" Gatten und deren Mütter sowie Fliesenleger, sieht dann etwa so aus. Die Klammer muss sie alle umfassen

"Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner und Schwiegermütter/altern.: deren Mütter, sowie Fliesenleger her, welche die Kacheln im Neubau nicht längs, sondern quer verlegt haben."

Tschüss

Friedel

* hm als Abkürzung des Hektometers

** hier mal'n Auszug aus der Schreibwerkstatt.de

"mh, mhm, hm
von Dingelchen » 24.01.2015, 01:17 unter http://www.schreibwerkstatt.de/mh-mhm-hm-t52832.html
Hallihallo,

mir fiel schon öfter auf, dass man mich bzw. das Wort an sich missversteht, wenn ich wo "mhm" schreibe.
Gemeint ist das hier:
http://www.duden.de/rechtschreibung/mhm
Also eine Zustimmung, ausgesprochen als m-hm.

Da aber viele es als "Mh" lesen (was manche auch als Zustimmung betrachten; für mich aber eine viel kärglichere Zustimmung ist), oder auch als "Mmmmh" (im Sinne von "lecker") oder als "hmm" im Sinne von Überlegen, überleg ich mir jetzt gerade, in meinem Roman nicht "mhm" (wie lt. Duden richtig), sondern "m-hm" (also mehr die Lautschrift) zu schreiben, um die Zustimmungsbedeutung unmissverständlich klarzustellen."

Dingelchen möge mir verzeihen!

 

Hallo Eva Luise Groh
und Friedrichard,

danke Euch beiden fürs erneute Zurückkommen.

Ich hab jetzt endlich verstanden, was Ihr meint :

"Sie ziehen ziemlich heftig über ihre Ehemänner und Schwiegermütter/altern.: deren Mütter, sowie Fliesenleger her, welche die Kacheln im Neubau nicht längs, sondern quer verlegt haben."
aber ehrlich gesagt, das hört sich doch sch... an:shy:
Ich nehme mir die künstlerische Freiheit, den Satz so stehen zu lassen, wie er ist ...

Viele Grüße und einen entspannten (Feier)-abend,

Kerkyra

 

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