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Kirchenreform
„Auf der rechten Seite sehen Sie den Petersdom.“
„Aha“, meinte ich. „Sieht noch ganz ordentlich aus.“
„Ohja“, antwortete der heilige Vater. „Das hat auch einiges gekostet.“
Ich kratzte mich am Bart. „Das erinnert mich jetzt an eine Sightseeing-Tour.“
„Nunja“, der heilge Vater bremste sein Papamobil an der roten Ampel. „Wie oft waren Sie denn schon in Rom?“
Ich ließ die Jahre in meinem Kopf Revue passieren. „Noch nie. Ich will sagen, nie so richtig.“
Die Ampel wurde grün. „Ich verstehe, was Sie meinen. Und haben Sie sich schon gut vorbereitet?“, fragte der Pontifex während er die Kupplung kommen ließ.
„Achja“, ich seufzte. „Das Duell. Sie wissen doch schon, was ich davon halte.“
„Na, wie wäre es mit etwas mehr Mut zur Reform? Oh, schauen Sie sich nur diese Aussicht an.“
„Hm, ja nicht übel.“ Ich konnte von hier aus kilometerweit in die Stadt hinein blicken. „Aber gibt es nicht schon eine reformierte Kirche?“
„Kein schlechtes Argument“, nickte der heilige Vater. „Aber wenn wir nicht ein bisschen demokratischer werden, dann bleibt von unserer eigenen Kirche bald nicht mehr viel übrig.“
„Eine demokratische Kirche? Ist das nicht ein Widerspruch?“
„Wie meinen Sie das?“
„Soll der Mensch darüber abstimmen, wie das Wort Gottes lautet?“
„Gute Frage.“ Er schüttelte den Kopf. „Sie werden damit bei den Zuschauern aber nicht punkten.“
„Sind wir bald da?“
„Sie klingen wie ein kleines Kind auf einer Urlaubsreise. Schon so alt und immer noch so ungeduldig?“
„Ist das wirklich der direkte Weg zum Fernsehstudio?“
„So ziemlich“, meinte der heilige Vater etwas kleinlaut. „Links sehen Sie das Kolosseum.“
„Sie wissen, dass Sie mich nicht belügen können.“ Dieses Bauwerk war in einem viel schlechteren Zustand als das vorige. Aber gut, es war ja auch noch etwas älter.
„Na klar“, antwortete er fast schon ein bisschen zu kumpelhaft.
„Welcher Fernsehsender überträgt das Duell denn überhaupt?“
„Ach, wissen Sie. Es gibt da einen alten Politiker, der auch in der Medienwelt recht aktiv ist.“
„Gott im Himmel“, stöhnte ich. „Und das soll das Image unserer Kirche verbessern?“
„Feilen Sie lieber an ihren Argumenten.“
„Ich habe keine. Jedenfalls keine neuen. Ich vertrete Gottes Wort, so wie es geschrieben steht.“
„Ihr Herausforderer hat ein dickes Paket an guten Ideen in der Tasche. Frauen im Priesteramt, die Gleichstellung der Homoehe und erneuerbare Energien als Stromversorgung der Vatikanstadt. Ich glaub, das wird die Kirche 2.0“
„Warum eigentlich ich?“, fragte ich ein wenig trotzig.
„Wie meinen Sie?“
„Warum machen Sie nicht selbst den Anfang? Man stelle sich vor, der heilige Stuhl wird vom Volk in einem TV-Duell entschieden.“
„Beim heiligen Franz von Assisi. Da wollen wir mal die sixtinische Kapelle in der Vatikanstadt lassen.“
„Hey, ist das nicht der Trevi-Brunnen?“
„Sie haben es erfasst. Und gleich kommen wir an den nächsten Sehenswürdigkeiten vorbei.“
Einige Kirchenfreunde hatten sich schon versammelt, als das Papamobil in die Seitenstraße einbog. „So, da ist auch schon der Parkplatz des TV-Studios.“ Der heilige Vater hob seine Hand zum Gruß und lächelte den Menschen freundlich zu.
„Am liebsten würde ich hier sitzen bleiben.“
„Na, nicht so schüchtern.“ Der Pontifex öffnete mit einem Knopfdruck die vollautomatische Tür.
„Nun gut, dann soll wohl auch dieser Kelch nicht an mir vorübergehen. Ich werde den Menschen die Wahrheit verkünden. So wie ich es immer getan habe. Und die Wahrheit ist weder demokratisch, noch vom Zeitgeist verhandelbar. Und dann werde ich wohl das Amt an meinen Nachfolger weitergeben.“
„So pessimistisch?“
„Nicht unbedingt. Soll ich Ihnen mal ein Geheimnis verraten?“
Der heilige Vater machte große Augen. „Ein Geheimnis von Ihnen?“
Die Fahrzeugtür schloss sich wieder. „Na, dann mal los!“
„Die Menschheit steht kurz davor, das Gen, das für Alterung und Tod verantwortlich ist, zu entschlüsseln. Wissen Sie, was das für Auswirkungen auf unsere Monopolstellung zur Unsterblichkeit haben wird?“
„Auweia. Dann ist es endgültig aus mit unserer Kirche.“ Die Wangen des heiligen Vaters wurden rot. „Lässt sich dieses Geheimnis wirklich lüften?“
„Ohja“, meinte ich. „mir ist das schon vor mehr als 2000 Jahren gelungen.“