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Kirche und Volk
Die Schlange, ruchlos und dennoch überaus klug, glitt zischelnd durch das hohe Gras, wand sich elegant, beinahe pathetisch, einen Baum hoch und blieb dort auf einem kleinen Ast sitzen, die Umgebung betrachtend.
Da fiel ihr ein kleines, unscheinbares Wesen ins Auge, eine Maus, der kuschelige Geselle in dieser Geschichte.
Sogleich erwachte die perfide Heimtücke in der Schlange, die geradewegs sprach:
„Wohin des Weges, guter Freund?“
Die kleine Maus hielt augenblicklich inne und warf einen argwöhnischen Blick, in dem sich auch eine leise Angst verbarg, hoch in das Geäst und kam nicht umhin zu zittern, als sie die zischelnde Schlange erblickte.
Die Schlange fuhr mit besänftigender Stimme fort: „So hab‘ keine Angst. Ich sehe doch, dass du Hunger leidest. Warum kommst du nicht hoch zu mir und nimmst teil an meinem süßen Pflaumenschmauß?“
Neben der Schlange konnte die Maus einige saftige, runde Pflaumen erkennen und sie leckte sich genüsslich über den Mund.
In der Tat, schon des längeren verspürte die Maus großen Hunger und die Worte der Schlange klangen wie eine schöne Melodie in ihrem Kopfe nach.
Und so huschte die Maus, von den wohl gewählten Worten der Schlange getrieben, den Baum hoch und näherte sich immer weiter der hinterhältigen Schlange.
Diese jedoch, obgleich sie anfangs so klug und durchtrieben schien, verlor die Kontrolle über ihre eigene Gier und versuchte zu früh nach ihrer Beute zu schnappen.
Denn es ertönte ein unheilvolles Knacken, der Ast brach entzwei und die überraschte Schlange stürzte in den Tod.
Die Maus hingegen knabberte genüsslich an den Pflaumen, erholt vom Schreck und in ruhiger Gesinnung.
So hört und merkt euch meine Worte, ihr Heuchler: Ihr mögt mächtig, klug und weisend sein, doch eure Gier und Arroganz werden euer Tode sein.