Kinderträume
Emanuel saß in seinem Lehnstuhl. Er sah aus dem Fenster seines kleinen Zimmers, das sich im dritten Stock des Oberdörfler Altenheims befand. Er sah, wie die Spatzen vor seinem Fenster hin und her flogen, wie vergnügt sie von Baum zu Baum flatterten oder sich auf seinem Fensterbrett niederließen.
Emanuel war vom Alter geschwächt, er hatte alle seine Freunde und Verwandten überlebt. In seinen durch die dicke Brille vergrößerten Augen spiegelte sich all das Leid und die Trauer aus seiner Vergangenheit wider. Doch jetzt, als er die Spatzen sah, sah wie glücklich sie waren, sah, wie sie ohne Leid und Sorgen fröhlich hin und her flogen, da glänzten seine Augen.
Seit er ein Kind war, hatte er sich gewünscht, fliegen zu können, frei in der Luft zu schweben, über Felder, Wiesen, Wälder dahinzusegeln in völliger Einsamkeit. Jetzt kamen ihm diese Kinderträume, an die er so lange nicht mehr gedacht hatte, wieder in den Sinn. Diese Gedanken brachten wieder Leben in seine alten Glieder, er stand auf, mit zitternden Händen öffnete er das Fenster. Die Spatzen vor dem Fenster zwitscherten noch lauter und fröhlicher. Emanuel zitterte vor Anstrengung, als er auf das Fensterbrett stieg. Er sah in den Himmel, sah die Vögel, die Wolken und sprang.
Er flog, sein altes Herz schlug schneller, er sah sich über Felder, Wiesen, Wälder dahin segeln in völliger Einsamkeit. Und obwohl er in völliger Einsamkeit auf dem Friedhof des Oberdörfler Altenheims begraben werden würde, lächelte er, als er auf die harten Steine des Gehwegs aufschlug.