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Kinderspiele
Hallo. Schöner Tag heute, finden Sie nicht auch. Ja, genau das richtige für eine gute Geschichte. Na ja, es ist nicht wirklich eine Geschichte, wohl eher die Verarbeitung der letzten 30 Jahre meiner Flucht, aber lassen sie mich vorne anfangen...
Alles begann mit meinem 7. Geburtstag. Das war im Sommer 1957. Um genau zu sein am 26. Juli 1957. Es war der heißeste Tag seit etwa 100 Jahren, behaupteten zumindest die Wetterfrösche. Das Thermometer kletterte auf mindestens 38 Grad Celsius, die Hitze war unerträglich. Man schwitzte sich fast die Seele aus dem Leib. Überall in der Gegend hörte man die Sirenen der Rettungswagen.
Meine Eltern hatten eine tolle Gartenparty für mich organisiert. Sie hatten hinterm Haus sogar einen kleinen Pool aufgebaut, auf den freute ich mich am meisten, endlich eine Abkühlung. Bis meine Gäste kamen vergnügte ich mich damit, den glitzernden Sonnenschein auf der Wasseroberfläche zu beobachten. Die wirren Muster, die im Pool umhertanzten, faszinierten mich auf eine gewisse Art und Weise. Sie erinnerten mich an das Spiel was mein Vater früher mit mir gespielt hat. Wissen Sie noch, wenn man die Sonne mit seiner Uhr oder ähnlichem einfängt und einen kleinen Punkt an die Wand zaubert? Ich erinnere mich noch genau wie wir damals die Nachbarskatze damit ärgerten, was für ein Spaß das war.
Meine Eltern schleppten kistenweise Getränke in den Keller, um sie überhaupt ein wenig zu kühlen, was nicht ganz einfach war. Der Kühlschrank lief über vor diversen Leckereien, er war mit allem gefüllt was Kinder in meinem Alter mögen. Vor allem die riesige Schüssel mit Wackelpudding hatte ich schon für mich reservieren lassen.
Alle waren da, sogar die kleine Curly aus meinem ehemaligen Kindergarten, oh wie hatte ich mich damals in ihre blonden Locken und ihr blauen Augen verliebt. Na ja, die erste kindliche Schwärmerei. Auch Rob Taylor war mit seinem jüngeren Bruder und seinen Eltern gekommen. Ja ja der gute alte Rob, er konnte zu dieser Zeit schon recht gut zaubern. Einmal hat er seinen kleinen Bruder verschwinden lassen, wissen Sie, wie bei Kings Tommyknockers, nur das wir ihn später mit Bauchschmerzen in unserer Speisekammer gefunden haben, weil er fast alle Marmeladenvorräte aufgegessen hatte.
Heute hat Robert seine eigene kleine Show in Vegas. Ab und zu schreiben wir uns noch. Aber nur wenn es mir besser geht. Von Curly weis ich fast nichts, nur das sie vor einiger Zeit geheiratet hat und mit ihrem Mann und dem Baby in eine andere Stadt gezogen ist, den Namen hab ich vergessen. Sie hat mir wohl nie richtig verziehen.
Alles in allem war es ein schöner Tag, wir spielten noch bis in den späten Abend hinein, schließlich hatten alle am nächsten Tag frei. Leider weiß ich nicht mehr wie das Spiel heißt, aber es hat uns allen viel Spaß bereitet. Gegen 17 Uhr 30 zogen die ersten Wolken auf und wir verlagerten meine Feier vorsichtshalber langsam ins Haus. Die meisten Gäste waren schon gegangen, so das nur noch Curly, Rob, sein Bruder John, sowie deren Eltern uns die Ehre gaben. Wir drei verzogen uns auf mein Zimmer und spielten mit meinem neuen Spiel, welches mir meine Eltern am Frühstückstisch feierlich überreichten.
Jedenfalls vertrieben wir uns noch ein ganze Weile die Zeit in meinem Zimmer. Als wir in der dritten Runde anlangten, riefen Robs Eltern, dass es Zeit wäre zu gehen. Auch Curly musste langsam nach Hause, obwohl sie fast gegenüber wohnte.
Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen. Ganz Gentleman schnappte ich mir einen Regenschirm und fragte meinen Dad, ob ich Curly das kurze Stück begleiten dürfe. Mit einem verschmitzten Grinsen, welches sich über sein gesamtes Gesicht erstreckte, willigte er ein, jedoch nicht ohne vorher meiner Mutter zuzuzwinkern. Wir verabschiedeten uns von Rob und seinen Eltern, natürlich nicht ohne uns auch für morgen zu verabreden, und ich machte mich mit Curly auf den Weg.
Abgesehen von dem Regen war der Abend angenehm warm, der Wind wurde zwar stärker, war aber noch zu ertragen, so dass sich leise wispernde Worte den Weg durch die Blätter der Bäume suchten. Nein, man konnte nicht wirklich etwas verstehen; noch nicht, aber manchmal hörte es sich so an.
Zum Abschied schmatzte sie mich noch auf die Wange.
Wenn ich daran zurück denke, bekomme ich, glaube ich, eine riesige Erektion. Sie war meine erste große Liebe - dummerweise auch meine letzte - und wenn ich an sie denke, stelle ich mir vor, was aus uns hätte werden können.
Um viertel nach neun war ich glücklicherweise wieder zu Hause. Inzwischen war ein heftiges Gewitter aufgezogen. Überall zuckten Blitze über den Himmel, der so rot war wie ein Pavianarsch. Ein lustiges Schauspiel, wie die Wolken mit dem Abendrot kämpften und mittendrin die grellen beißenden Blitze. Früher haben mich meine Eltern mit meiner Angst vor Gewitter immer auf den Arm genommen und mir erklärt, das der liebe Gott doch nur ein paar Fotos von seinen Schäfchen haben wollte, und wir doch alle fein grinsen sollten.
»Liebling, vergiss bitte nicht, Dir die Zähne zu putzen...«, ja ja und dann geh ins Bett; bla bla, ich weiß es langsam Mutter; bin ja kein kleines Kind mehr, außerdem hab ich ein ganz anderes Problem. Aber was wusste sie schon davon, wie es in einem Siebenjährigen aussieht wenn er seinen ersten Kuss bekam; und dann auch noch vom schönsten Mädchen der Stadt...Curly M. Steelton aus Wilson Creek.
Meine Eltern waren ganz ok. Wie halt Eltern so sind. Na gut, ich geb´s zu, sie waren ein wenig konservativ, aber he, was kann ich dafür. Ich geb ihnen keine Schuld dafür was mit mir in dieser Nacht - und auch in einigen anderen - passiert ist. Vielleicht kann man der Erderwärmung oder den geheimen militärischen Tests die Schuld in die Schuhe schieben, aber sicher nicht meinen geliebten Eltern und schon gar nicht dem schönen Mädchen einige Strassen weiter.
Gegen halb elf war ich dann endlich im Bett. Draußen war es stockdüster, ein Blitz musste wohl im Elektrizitätswerk eingeschlagen sein. Jedenfalls hatten wir keinen Strom und mussten uns mit Kerzen und Taschenlampen begnügen.
Der Wind peitschte durch die Bäume, so dass ein Ast ständig gegen mein Fenster klopfte, er schien mich regelrecht aufzufordern ihn herein zu lassen.
Meine Gedanken kreisten immer noch um ihre Lippen, wie sie sich langsam an meine Wange schmiegten, ein warmer Schauer lief mir den Rücken hinab.
Irgendwann schlief ich ein. Ich schlief unruhig und in meinen Träumen spielten sich die verrücktesten Dinge ab. Alles drehte sich um Curly, aber sie war nicht allein. Die ganze Zeit war jemand bei ihr, sie schien zu schreien, ich konnte sie aber nicht verstehen.
Gegen drei Uhr morgens wachte ich durch ein Poltern am anderen Ende des Flurs auf. Müde rieb ich mir die Augen und schaltete meine Nachttischlampe ein. »Mist«, fluchte ich vor mich hin, der Strom war immer noch ausgefallen. Mühsam schälte ich mich aus meinem Bett und warf mir den Morgenmantel über. Langsam bahnte ich mir den Weg durch die Dunkelheit zur Tür. Meine Eltern mussten doch was gehört haben, schließlich kam der Lärm direkt aus ihrem Schlafzimmer. Auf Zehenspitzen verlies ich mein Zimmer. Auf dem Tisch im Flur hatte Vater eine Taschenlampe liegen lassen, die ich mir umgehend zu Eigen machte. Nun mit Licht, wenn auch nur schwach, bewaffnet, macht ich mich mutig auf den Weg in Richtung Schlafzimmer. Als ich an ihrer Tür angekommen war, war es plötzlich still hinter der Tür. Vorsichtig klopfte ich an. Keine Antwort. Behutsam drückte ich die Klinke nach unten.
In schlechten Filme würde jetzt die Tür quietschen, aber mein Vater war ein ordentlicher Mann, in unserem Haus quietschte nichts; nicht mal das Bett meiner Eltern, aber woran das lag, darüber möchte ich hier nicht spekulieren.
Ich öffnete die Tür und leuchtete in den Raum.
Da stand er vor mir.
Groß und schwarz.
Sein Gesicht wurde von einem riesigen Hut verdeckt.
Alles war voller Blut.
Das letzte woran ich mich erinnere war die Machete in seiner Hand.
Als ich wieder zu mir kam, hörte ich Polizeisirenen und sah das Flackern der Blaulichter. Der nette Beamte, der mich fand, nahm mir als erstes das Messer aus der Hand und schrie mich an, was ich denn da für Scheiße gebaut hätte und das mir das noch verdammt leid tun würde. Freundlich wie ich bin, lächelte ich ihn an.
Erst in der Krankenstation kam ich richtig zu mir. Der Arzt sagte ich soll liegen bleiben, ich käme sowieso nicht weit, da vor der Tür ein Polizist stehen würde.
Am zweiten Tag besuchte mich ein anderer Arzt, er stellte sich als Doktor Soundso vor; seines Zeichens Psychologe.
Was es für ein Schock für mich war, als er mir erzählte, was mit meinen Eltern passiert ist, können Sie sich wahrscheinlich vorstellen. Aber als er mir die ganze Sache anhängen wollte, flippte ich fast aus. Na ja, irgendwie verstand ich ihn, schließlich wurde ich mit der Tatwaffe in der Hand gefunden. Und die Geschichte mit dem fremden Mann im elterlichen Schlafzimmer nahm er mir nicht ab.
»Es wurden keinerlei Einbruchspuren gefunden, Jungchen. Also überleg Dir gut was Du mir hier erzählen willst.« Von wegen Psychologe, der Typ hörte sich an wie´n Bulle.
Ich lies das Verhör circa zwei Stunden über mich ergehen. Zum Leidwesen von Doktor Psycho erfuhr er von mir nichts Neues. Ich erzählte ihm den Ablauf meines Geburtstages mindestens dreimal. Nach dieser Tortur war ich müde und wollte nur noch schlafen.
Immer und immer wieder sah ich die verstümmelten Leichen meiner Eltern. Dann sah ich den Mann in Schwarz an.
»Willst Du mir nicht ein wenig helfen?«, fragte er mich und hielt mir freundlich grinsend die Machete hin.
»N...nein.«, stotterte ich hervor, und doch griff meine Hand automatisch nach der Waffe.
»Na komm schon, bist doch 'n braver Junge. Oder?«
Ja, ich wollte ein braver Junge sein, und dennoch konnte ich doch nicht einfach meine Eltern töten. Aber ich nehme an, dass sie eh' schon tot waren.
»Keine Angst mein Kleiner. Greif ruhig zu...«, langsam schloss sich meine Hand um den Griff der Machete »..so is´ richtig. Nimms nur.« Als ich endlich die Waffe in meiner Hand hielt, durchströmte mich ein wohlig warmes Gefühl der Geborgenheit, ja, ich fühlte, dass der schwarze Mann mir nichts antun würde. »Jetzt hilf mir!«, befahl er mir und stach auf die leblosen Körper meiner Eltern ein. Das Blut spritzte an den Wänden hoch, lief auf den Teppich und bildete dort ansehnliche warme, rote Teiche. Jeder weitere Tropfen hinterlies kleine, filigrane Kreise in dem Teich. »Schlag endlich zu, und koste den Geschmack des Blutes und der Macht.« Wie in Trance tat ich was er mir sagte. Ich schlug zu, immer öfter, immer schneller, immer fester. Ich fühlte mich wie befreit, förmlich beflügelt von meiner Tat. Als ich fertig war sah ich mich noch einmal um, das Schlafzimmer ähnelte einer Schlachterei. Überall lagen Gedärme und Innereien herum. Die Gehirne liefen langsam und geschmeidig die Tapeten herab und hinterließen dabei recht merkwürdige Muster. Wer hätte gedacht das ca. 14 Liter Blut solch' eine Sauerei hinterlassen können. »Das hast Du gut gemacht mein Kleiner. Bist ein guter Junge.«, lobte mich der schwarze Mann und strich mir dabei sanft über den Kopf. Bei der Berührung lief es mir eiskalt den Rücken herab und meine Nackenhaare stellten sich elektrisiert auf. In dem Moment wurde ich ohnmächtig.
Schweiß gebadet wachte ich aus diesem furchtbaren Traum auf.
Als ich wieder halbwegs zu mir gekommen war, schellte ich nach der Nachtschwester und verlangte nach einem Glas Wasser. »Was ist denn mit Dir passiert, Du siehst ja furchtbar aus«, fragte sie mich mitleidig.
»Keine Sorge Schwester, ich brauch nur ein Glas Wasser. Haben Sie vielleicht etwas für mich, das ich besser schlafen kann?«
»Aber ja, sicher hab ich da was für Dich. Du ärmster, die letzten Tage müssen schlimm für Dich gewesen sein«, sagte sie, tätschelte mir unbeholfen den Kopf und verließ das Zimmer. Da hatte sie nicht ganz Unrecht. Kurze Zeit später kam sie mit dem Wasser und einer kleinen Flasche wieder. Liebevoll tat sie ein paar Tropfen von dem Schlafmittel in mein Glas und gab es mir. »Danke«, brachte ich gähnend hervor. Nachdem ich das Glas in einem Zug geleert hatte, gab ich es ihr zurück. Sie stellte es auf das kleine Nachtschränkchen neben dem Bett und setzte sich zur mir auf die Bettkante. Müde kuschelte ich mich in das Bett. Schwester Erika streichelte mir noch einmal zärtlich über den Kopf und summte dabei leise ein Schlaflied. Kurz darauf muss ich wohl eingeschlafen sein.
Kurz nach neun wurde ich von Schwester Erika geweckt. Freundlich servierte sie mir etwas Toast, Marmelade und einen Orangensaft. »Konntest Du wenigstens noch etwas schlafen«, fragte sie besorgt. Brav antwortete ich: »Ja, danke. Die Tropfen die Sie mir gegeben haben, haben gut geholfen.«
»Gern geschehen. Wir sehen uns dann heute Abend wieder, gleich hat Schwester Monika Dienst. Sie wird Dich auch gut pflegen«, sagte sie lächelnd und verließ hinternwackelnd das Zimmer. Wenn ich etwas älter gewesen wäre, hätte ich ihr wahrscheinlich hinterhergepfiffen.
Halb verhungert machte ich mich über mein Frühstück her.
Während ich mir meinen Toast schmecken ließ, ging ich meinen Traum von letzter Nacht noch mal im Kopf durch, konnte aber keinen klaren Gedanken fassen. War ich wirklich der Mörder meiner Eltern? Hat mir mein Unterbewusstsein einen derartig bösen Streich gespielt, weil mich das Verhör in diese Richtung lenkte? Wie konnte ich das nur herausfinden?
Ich lag noch geschlagene zwei Wochen im Krankenhaus und ließ diverse Verhöre über mich ergehen. Immer wieder die gleichen Fragen und die gleichen Antworten. Langsam fing ich an den Polizisten zu mögen. Irgendwie tat er mir leid, und mit der Zeit hatte es den Anschein, das seine beginnende Glatze immer größer wurde. Ja, ich hatte Mitleid mit ihm. Ich konnte ihm doch nicht erzählen was ich geträumt hatte. Das käme doch einem Geständnis gleich. Ich war mir fast sicher, das es wirklich nur ein Traum war.
Aber das ganze hatte auch positive Seiten. Curly kam mich regelmäßig besuchen. Zwar kam Rob auch einige Male vorbei, aber irgendwie war es nicht das selbe. Mit ihr konnte ich mich immer noch genauso unterhalten wie vor diesem schrecklichen Ereignis. Sie schien es gar nicht zu interessieren was die Polizei dachte. Ihre Eltern waren auch sehr besorgt um mich. Sie sagten das sie mit jemanden vom Jugendamt gesprochen hätten und das ich vielleicht erst einmal bei ihnen wohnen könne, bevor ich in ein Heim kam.
Ich bekam ein eigenes Zimmer, welches Mutter Steelton zuvor als Bügelzimmer diente. Es war nicht besonders groß, aber dafür um so gemütlicher, und es lag direkt neben Curlys Reich. Bevor ich jedoch einziehen konnte, half ich Mr. Steelton beim Renovieren. Die Tapeten hatten wir einige Tage vorher bei Mr. Mitchell in seinem kleinen Gemischtwarenladen gekauft. Curlys Mutter machte für uns alle frische Limonade. Curly und ich waren für ihren Vater nicht wirklich eine große Hilfe, wir schmierten uns lieber Gegenseitig mit Kleister ein und hatten dabei jede Menge Spaß.
Die Zeit verging wie im Flug. Ehe ich mich versah wohnte ich nun schon ein gutes halbes Jahr bei den Steeltons. Ich verstand mich mit Curly als ob wir schon immer Geschwister gewesen wären. Auch ihre Eltern behandelten mich wie ihren eigenen Sohn.
Nach einem Jahr bekam die Familie Nachwuchs. Auf vielfältigen Wunsch zweier kleiner Quälgeister schafften wir uns einen kleinen Welpen an. Nicht so ein kleiner Hosentaschenwauwau, nein er sollte noch richtig groß werden. Er war eine Mischung aus Golden Retriever und einem Labrador. Wir alle liebten Jacky. Am meisten Spaß machte es uns, mit ihm im Garten rumzutollen. Wenn wir drei zusammen spielten, genoss ich immer die kleinen zufälligen Berührungen von Curly, die mich wie ein Blitz trafen. Kennen Sie dieses elektrisierende kribbeln? Manchmal löste es etwas in mir aus, was ich bis dahin nicht kannte.
Nach einiger Zeit waren diese Zärtlichkeiten kein Zufall mehr. Wann immer wir etwas Zeit allein verbringen konnten taten wir das. Wir trafen uns oft unten am See, wo wir uns eine Art Baumhaus gebaut hatten, nur ohne Baum. Dort küssten wir uns das erste mal richtig wie verliebte Teenager. Was wir auch Zweifels ohne waren, nur mit der Kleinigkeit das Curly und ich eigentlich fast schon wie Geschwister waren. Ihre Eltern hätten das nie verstanden und schon gar nicht akzeptiert. Mr. Steelton war in solchen Sachen sehr streng. Wir mussten auch auspassen, dass wir uns beim abendlichen Fernsehen nicht zu sehr aneinander kuschelten oder am See nicht ein paar Bekannte unserer Eltern über den Weg liefen. Hand in Hand gingen wir morgens zur Schule und kamen genauso wieder zurück. Immer auf der Hut vor allzu neugierigen Augen.
In der Zwischenzeit waren fast fünf Jahre vergangen. Seit zwei Monaten musste ich nicht mehr zu den langweiligen Sitzungen bei Doktor Brown, der Psychologe dem ich nach dem Mord an meinen Eltern per Gerichtsbeschluss zugeteilt worden war. Wir hatten schon bald festgestellt, dass das Rumliegen auf seiner Couch nicht viel brachte. Ich glaube, er war der Überzeugung, dass ich entweder Schizophren war oder total abgebrüht. Aber letzteres konnte er mir nicht nachweisen. Also einigten wir uns auf vorrübergehende Schizophrenie, das war wahrscheinlich für alle Beteiligten das beste. Meine Pflegefamilie interessierte das nicht weiter, sie waren immer noch der Meinung, dass ich absolut unschuldig bin und dass man den Einbrecher und Mörder wohl nie finden würde. Wenn die wüssten.
Eines schönen Tages, in den großen Ferien, als unsere Eltern zum Einkaufen gefahren waren, machten wir es uns in ihrem Zimmer gemütlich. Ich hatte extra ein paar Rosen besorgt, deren Blätter ich auf ihrem Bett verteilte während sie unter der Dusche stand. Ihre Lieblings CD spielte bereits den zweiten Titel als sie nur mit einem Slip und einem BH, der ihren kleinen aber wohlgeformten Busen in ein bezauberndes Dekolletee verwandelte, bekleidet, den Raum betrat. Ich muss zugeben, dass mir bei diesem Anblick, eine für mein damaliges Alter, ansehnliche Latte in der Hose wuchs. Ich zog noch schnell die Vorhänge zu und zündete die Kerzen an bevor wir es uns auch ihrem Bett gemütlich machten.
Endlich hatten wir Zeit für uns. Schritt für Schritt kamen wir uns näher, wir küssten uns, und zum ersten Mal versuchte sie mir ihre Zunge in den Mund zuschieben. Ist schon merkwürdig wie unbeholfen sich Teenager beim erstenmal anstellen können, aber mit viel Geduld klappte es schon. Als wir gerade dabei waren uns gegenseitig die Unterwäsche vom Leib zu reißen, ging plötzlich die Zimmertür auf und im Rahmen stand völlig entsetzt Burt Steelton. Mit weit aufgerissen Augen fing er an zu schreien bis er schon fast Schaum vor dem Mund hatte. Es dauerte nicht lange bis auch Mutter Steelton im Zimmer stand. Somit schien meine Zeit bei den Steeltons abgelaufen zu sein. Das war das erste und letzte Mal, dass Mr. Steelton mir gegenüber handgreiflich wurde. Brüllend riss er mich von Curly weg.
»Was bildest Du Bastard Dir eigentlich ein? Erst nehmen wir Dich auf und zum dank schändest Du unsere Tochter!«, schrie er mich an.
»Mr. Steel..., Sir! Bitte!«, röchelte ich fast blau angelaufen hervor, mehr brachte ich in seinem Würgegriff nicht zustande. Curly war mit ihren Nerven am Ende und heulte vor sich hin, während ihre Mutter versuchte sie zu trösten. Ex-Dad zerrte mich durch die halbe Wohnung, um mich schließlich im Wohnzimmer mal so richtig durchzuprügeln. Aber ich ertrug es, ich tat ihm nicht den Gefallen zu schreien oder auch nur eine Träne aus meinen Augen zu drücken. Nachdem er mit mir fertig war, rief er die Polizei.
In Handschellen wurde ich wie ein Schwerverbrecher abgeführt, die Anklage lautete auf Vergewaltigung. Als ich einen letzten Blick auf das Zimmer des geliebten blonden Engels warf, sah ich sie weinend am Fenster stehen, gestützt von ihrer Mutter.
Auf dem kleinen Polizeirevier von Wilson Creek wurde ich in eine kleine ungemütliche Zelle verfrachtet. Die Zeit bis um Abendessen verbrachte ich damit mir die Sprüche in meinem neuen Heim anzusehen, so gut wie es mit einem geschwollen Auge möglich war. Glücklicherweise hatte mir der Polizist einen kleinen Eisbeutel gegeben und ein Arzt sollte auch noch nach mir schauen.
So gut es ging machte ich es mir auf der alten, ungemütlichen kleinen Pritsche bequem. Die von Motten zerfressene Decke teilte ich mir mit ein paar Mäusen.
Mitten in der Nacht wachte ich plötzlich auf. Erschrocken sah ich mich in meiner Zelle um. Am Ende der Pritsche saß jemand. Verwundert starrte ich den alten Bekannten an, den ich schon einige Jahre nicht gesehen hatte.
»Willst Du Dir das wirklich bieten lassen? Schließlich warst Du doch im Recht. Die kleine blonde Schlampe musste doch endlich mal richtig gefickt werden. Sie war schon mehr als reif dafür«, erzählte er mir breit grinsend.
»Lassen Sie Curly aus dem Spiel und wie sind Sie hier herein gekommen? «, stotterte ich leise. »Wo ist Sergeant Smith? Was haben Sie mit ihm gemacht?«
»Nun mal ruhig mein Kleiner, sei froh, dass ich hier bin und Dir helfen will.«
»Sie mir helfen? Das ich nicht lache, Sie haben meine Eltern umgebracht! Wegen Ihnen sitze ich hier!«
»Aber, aber, wenn ich mich recht erinnere, hast Du das ganz gut alleine geschafft«, dabei malte er mit seiner blutverschmierten Machete kleine Kreise auf den Zellenboden. Hysterisch sprang ich von der Pritsche auf, rannte zu der Zellentür und schrie nach dem wachhabenden Officer, der eigentlich gegenüber der Zelle an seinem Schreibtisch sitzen sollte. Im Schein der kleinen Schreibtischlampe sah ich die sterbliche Überreste von Mr. Smith. Er wirkte irgendwie kopflos und sein Blut sprudelte wie ein kleiner Springbrunnen aus den Resten seines Halses. Mein Schrei blieb mir in der Kehle stecken als der Mann in schwarz hinter mir herzhaft anfing zu lachen.
»Also gut, was wollen Sie von mir?«
»Ich von Dir? Nichts. Aber ich denke Du möchtest wieder etwas von mir. Du hast mich gerufen. Du brauchst meine Hilfe..., und hier bin ich. Ganz zu Deinen Diensten.«
Was? Ich glaub ich spinne. Klar, jetzt ist es vorbei... Endgültig durchgedreht. Vielleicht hätte ich die Therapie und die Tabletten doch nicht absetzen sollen. Ich musste hier raus; dringend. Ich nahm Anlauf und rannte mit aller Kraft gegen die Gittertür. Dummerweise schlug ich mit dem Kopf gegen die Stahlstäbe. Unweigerlich kam der Zellenboden immer näher, bis er sich mit meinem Kopf vereinigte. Meine Gedanken fielen in ein tiefes schwarzes Loch.
Wilson Creek News
Am vergangen Abend kam es in Wilson Creek zu einem Blutbad. Der mutmaßliche Täter, der wegen Vergewaltigung in Untersuchungshaft saß, konnte sich, aus noch ungeklärten Umständen, aus seiner Zelle befreien und tötete den wachhabenden Officer. Auf seiner Flucht überfiel er erneut das von ihm vergewaltigte Mädchen und brachte deren Eltern auf bestialische Weise um. Er gilt als äußerst Gewalttätig, und steht unter anderem in Verdacht vor einigen Jahren seine Eltern auf brutale Weise ermordet zu haben.
...übrigens mein Name ist Peter Brannigen, ich bin 53 Jahre alt und sitze in einer kleinen gemütlichen Zelle in der Klinik für Psychiatrie von Wilson Creek.
Es wird Zeit für die kleinen roten Lutschbonbons die ich so gern mag. Ja, wie die Zeit vergeht. Hatten sie auch so viel Spaß wie ich? Es wird dunkel. Jetzt fällt mir der Name des Spiels wieder ein. Die Wände sind kuschelig gepolstert und singen ‚Wer hat Angst vorm schwarzen Mann’...
ENDE