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Kinderspiel

har

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29.01.2003
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Kinderspiel

Kinderspiel

An einem wunderschönen Wintertag im Januar. Die Sonne scheint auf das frisch errichtete Schneehaus. Ein paar Kinder sind gerade noch beschäftigt den Feinschliff daran zu verrichten. „So, jetzt ist es fertig!“ frohlockt ein kleines Mädchen und strahlt bis über beide Ohren. „Du machst der Sonne wirklich Konkurrenz“ erwidert ein kleiner Junge, „es ist wirklich schön geworden unser Familienhaus“
Schnell sind Rollen, - Vater, Mutter und Kind -, verteilt und den gesamten Vormittag spielen die Kinder in ihrem Haus als harmonische Familie, ohne Streit, Zoff, Beschuldigungen und Sorgen. Doch bei einem der Familienausflüge passiert es, da entdecken sie es: sie haben Nachbarn; und nicht genug, das Nachbarschneehaus ist viel größer als ihres. Den ersten Schock verdaut, beschließen sie, wie es zu einer ordentlichen Nachbarschaft gehört, einen kleinen Besuch abzuhalten. Sie nähern sich also dem Haus. „Auf eine gute Nachbarschaft“, schreit das junge Mädchen hinüber. Dies wird sofort mit Schneeballsalven quittiert: „Verschwindet, das ist unsere Schneeburg!“
Erschrocken rennen sie sofort panisch zurück in ihr Eigenheim, setzen sich auf ihre selbst modellierte Schneebank und beratschlagen aufgeregt über ihre Situation. „So eine Saubande!“, „Die haben doch einen Schuss!“ und „Wir wollten doch überhaupt nix böses! Doch jetzt haben sie uns den Krieg erklärt!“ tönt es aus den nach Luft schnappenden jungen Kehlen. „Was machen wir bloß, wenn die zu uns kommen und unser Haus angreifen?“ – „Wir müssen uns verteidigen...“.
Vom Schrecken einigermaßen erholt legen sie nun Vorräte an Schneebällen an, bauen einen Schutzwall und kauern sich in dessen Schutz tief in den Schnee. Jetzt ist es um die Familienidylle geschehen: Sie erwarten einen Feind. Sie warten und warten und umso länger sie da im Schnee liegen umso größer wurde die Sorge um ihr Schneehaus und umso größer wurde die Wut auf den Gegner...
Die Sonne hängt jetzt schon tief am Firmament. Die wärmenden Strahlen kratzen bereits die Gipfel der Berge, so dass die Schneewiese mit Schatten bedeckt wird. So langsam wird ihnen das Ausharren der Dinge zu blöd. Wie heißt es in einem landläufigen Spruch: „Angriff ist die beste Verteidigung!“ Auf die besinnend und mit einer guten Batterie an Schneegeschossen bewaffnet pirschen sich die Kinder langsam und leise im Schutz der Dämmerung zu ihrem Feind. Sie sind voll bei der Sache. „Der Feind scheint uns nicht zu bemerken“, denkt sich einer der Kleinen, „ha! Das ist unsere Chance denen es mal zu zeigen was es heißt, uns zu beschießen.“ Sie sind an der Schneeburgmauer angekommen. Bedächtigt und gespannt lugen sie durch die Schießscharten. „Da ist ja gar keiner da!“ bemerken sie erstaunt. Das ist ihre Möglichkeit, den Gefahrenherd zu beseitigen. Kurzerhand treten sie mit voller Wucht die Mauern ein. Hassgesteuert machen sie die ganze Burg kurz und klein. Sie betrachten ihren Sieg und freuen sich noch mehr darüber als kurz zuvor über die Fertigstellung ihres eigenen Schneehauses.
Am nächsten Morgen spielen die Kinder wieder Familie, so, als wäre überhaupt nichts passiert.

Doch an eines kann er sich noch genau erinnern: An die mit Tränen überströmten Gesichter ihrer damaligen Nachbarn und an sein schlechtes Gewissen. Und jetzt steht er da. In weißer Schneetarnuniform, einem Sturmgewehr und einem Sprengsatz in seiner Hand. Dass er bei dieser Kälte noch klar denken kann, verwundert ihn, aber irgendwie dachte er an dieses Kindheitserlebnis. „Das ist doch ein Kinderspiel für sie, Soldat, das Bauernhaus dort hinten zu sprengen!“ klingt es in ihm nach.
Er bringt die letzte Sprengladung an, geht in Deckung und betätigt den Zünder.
Ein Kinderspiel, doch das schlechte Gewissen bleibt!

 
Zuletzt bearbeitet:

Anfangs hatte die Geschichte eine belustigende Wirkung auf mich, machte Spaß, weiter zu lesen, doch dann kam die Wendung, der Zeitwechsel bzw. der Rückruf in die Gegenwart und die Assoziation mit der Vergangenheit, womit der Stimmungswechsel bei mir eintrat, der allerdings nicht negativ zu Buche schlug, im Gegenteil.
Für besonders gelungen halte ich die Zerrung des Wortes "Kinderspiel", wie dadurch verschiedenartige und doch irgendwie miteinander verwandte Situationen in Einklang gebracht werden.
:thumbsup:

Überprüfe noch einmal die Zeichensetzung, dann ist es eine runde Sache.

 

Hallo har!

Hat mir gut gefallen, liest sich flüssig. Den Situtaionswechstel finde ich sehr gelungen, "Kinderspiel", sehr gut!
Solange das schlechte Gewissen noch bleibt,... schlimmer wird es dann, wenn der Mensch abgestumpft ist oder sogar Freude empfindet am Zerstören,ohne schlechtes Gewissen.

"Du machst der Sonne wirklich Konkurrenz“ erwidert ein kleiner Junge" - hier allerdings: so sprenchen Kinder nicht...zumindest nicht, die,die ich kenne. Der Satz klingt meiner Meinung nach viel zu erwachsen!

schöne Grüße, Anne

 

Hi har,

schöne Analogie! Sprachlich zwar eher durchschnittlich, aber hier steht ja offensichtlich die Idee im Vordergrund.

Der Satz, den Maus angesprochen hat, ist mir auch gleich in's Auge gestochen. So reden wirklich keine Kinder. Ausserdem kann er u.U. etwas sinnverzerrt klingen, wenn man damit nicht das Strahlen der Sonne mit dem Strahlen des Mädchens gleichsetzt, sondern an ihre Wirkung auf Schnee (schmelzen!) denkt. Egal, Spitzfindigkeit.

Sie warten und warten und umso länger sie da im Schnee liegen umso größer wurde die Sorge um ihr Schneehaus und umso größer wurde die Wut auf den Gegner...
Hier solltest du das "wurde" durch "wird" ersetzen, weil du ja in der Gegenwart erzählst.

Grüße
Visualizer

 

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