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Kinderspiel

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03.01.2003
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Kinderspiel

Die Figuren des Brettspiels lagen verstreut auf dem Tisch. Er hatte sie mit einem Schlag alle umgestoßen, sobald Mutter das Haus verlassen hatte. Mit seinen Händen stellte er mancherlei andere Dinge an, die ihre Seele schnitten und sich in ihre Kindheit vergruben.
Auf der Kommode saßen die stummen Keramikpuppen und starrten ins Leere. Sie hatte manchmal das Gefühl, dass diese ebenfalls die Augen vor allem verschlossen, genauso wie Mutter es tat. Sicher war sie sich nicht, vielleicht waren sie ja auch mit traumatisiert worden. Schließlich gehörten die Puppen, neben den Zinnsoldaten und dem alten Schaukelpferd, zu den einzigen Zeugen und konnten schweigen.
Nachdem er gehört hatte, wie Mutter das Treppenhaus verließ, fingen sie an zu spielen.
Mittlerweile fiel es ihr nicht mehr schwer die Spielregeln zu befolgen, still zu sein und ihn einfach machen zu lassen. Ihr fielen unzählige Lieder, Kinderreime und Tiergeschichten ein, wenn sie beim Spielen verkrampft auf dem Bett lag und auf die Decke starrte. Angestrengt forcierte sie ihre Augen auf einen Punkt und versuchte an etwas anderes zu denken, um dem Augenblick zu entfliehen. Hin und wieder zuckte ihr Körper zusammen und sie musste sich zusammenreißen, um die Anspannung in ihrem kleinen Körper aufrecht zu halten, nicht zu schwächeln und mutig durchzuhalten. An schlechten Tagen hatte sie dafür einfach keine Kraft und zählte bloß die Minuten bis es vorbei war.
Mutter nahm sie öfters zu anderen Leuten mit, um viel zu süßen Kuchen mit künstlicher Sahne zu essen. Sie war nie mit ihr allein. Mit ihm verbrachte sie umso mehr erstickende Momente der Zweisamkeit. Irgendwann, es muss an ihrem sechsten Geburtstag gewesen sein, gab sie den Versuch auf, sich ihrer Mutter anzuvertrauen und nahm ihre Rolle im Stummfilm schließlich renitent an.
„Sie ist so ein ernstes und ein so unwahrscheinlich laszives Kind.“ verkündeten die Nachbarn ihrer Mutter, wenn sie ihren Kinderkörper musterten und ihr verzerrtes Verhalten studierten. Jedoch vermochte keiner ihre Narben zu erkennen.
Prägnant, nannte sie den Unterschied, der sie gegenüber anderen Kinder so einzigartig machte: Neben bunten Bundstiftzeichnungen und Fensterbildern hingen zementierte Träume über ihrem Bett.
Es schien ihm nicht besonders viel auszumachen, dass sie bei jedem Mal verkrampfter wirkte. Im Grunde genommen war er bloß froh, dass sie gelernt hatte zu schweigen.
Als er schließlich wortlos von ihr herunter stieg, sich die Hose zumachte und seine Hemdärmel glättete, ermunterte er sie beiläufig: „Es ist doch gar nicht so schlimm. Das reinste Kinderspiel.“
Keuchend vor Schmerzen, stieß sie nur einen kurzen Laut hinaus. Dann zog sie sich an und verschwand im Badezimmer, um sich zu waschen.
Das Wasser aus der Dusche prasselte wie ein Strom von Nadeln auf ihren Körper. Laut genug, damit er nicht hörte wie sie vor Schmerzen schluchzend anfing zu weinen. Sie starb innerlich und war darüber froh.

 

@Existence!
Danke für deine Korrektur! Ich wusste doch, dass mit diesem Satz etwas nicht in Ordnung war.
Ich dachte eigentlich, dass die Vermischung von einfacher Sprache und Fremdwörtern die Frau im Kind darstellt, trotzdem, danke für den Tipp!

Gruss
MONI:D

 

Hallo Moni,

so wichtig ich jede einzelne Geschichte über und gegen Kindemissbrauch finde, und so gut, du dieses Thema´auch umgesetzt hast, so stören mich kleinlicherweise ein paar Formulierungen.
Existence hatte die Fremdworte schon angeprochen, die einen immer wieder aus der Atmosphäre reißen. Den Gedanken von dir kann ich nachvollziehen, denn sicher wolltest du damit herausstreichen, wie dieses Kind schon viel zu früh erwachsen weden muss.
Bei einigen Andeutingen muss man aber glaube ich schon Ahnung vom psychologischen Hintergrund haben, um es richtig einordnen zu können.

„Sie ist so ein ernstes und ein so unwahrscheinlich laszives Kind.“
Den Begriff lasziv assoziiere ich mit verführerisch, sich "empfangsbereit rekeln".
Es ist richtig, missbrauchte Kinder legen sehr oft gerade wegen dieser Erfahrung ein übersexualisiertes Verhalten an den Tag. ich nehme an, dass du das mit dieser Formulierung aufzeigen wolltest, in dem Zusammenhang, die Nachbarn würden sie so beschreiben fand ich ihn aber eher als störend, weil er eben als verführerisch zu positiv besetzt ist.

Mir persönlich pendelt die Geschichte ein bisschen sehr zwischen sprachlichen Klippen, einiges wenigr gelungen, anderes sehr schön und eindringlich.

Neben bunten Bundstiftzeichnungen und Fensterbildern hingen zementierte Träume über ihrem Bett.
Man mag es mir gern als kaltherzig auslegen, aber so ganz konnte mich die Geschichte nicht berühren, so richtig konnte das leidende Mädchen nur teilweise in mir entstehen.

Trotzdem ist es schön, dass du dich des Themas angenommen hast.

Ganz lieben Gruß, sim

 

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