Mitglied
- Beitritt
- 13.09.2007
- Beiträge
- 302
Kinderkrankheiten
Da entstand ein tiefes Schweigen. Ich schaue von der Dozentin auf das Arbeitsblatt und wieder zur Dozentin. Suche nach Zeichen: Blässe, Augenringe, hormonell bedingte Auffälligkeiten, hängende Mundwinkel – wonach suche ich eigentlich?
Ich finde nichts von alle dem, vor uns steht eine junge, vitale Frau. Kichernd erzählt sie uns, dass sie schon immer Kinderkrankenschwester sein wollte.
„Was hat sie gesagt?“, fragt Barbara flüsternd von links.
„Sie ist das Kind von der Fallstudie.“, raune ich ihr zu.
„Aber sie hat doch selbst ein Kind.“
„Hat sie gesagt.“
„Pst!“, kommt es von rechts.
Die Dozentin lacht schon wieder, das macht sie eigentlich die ganze Zeit seit ihrer Offenbarung. Sie erzählt, dass sie oft zu den Müttern geschickt wird, die alle Hoffnung verloren haben. Damit sie eine Überlebende kennenlernen. Das hilft ihnen. Und dass sie gerne auf der Kinderonkologie arbeitet. So kann sie alles auf der Station, in dem Krankenhaus lassen und hat ihre Freizeit für sich selbst zurückgewonnen. Denn, auch wenn sie nun gesund ist und eigentlich nicht mehr gefährdet als jeder andere, ab und zu muss man darüber reden. Wie wäre das im normalen Leben:
„Ach übrigens, ich hatte Leukämie.“
Schweigen.
„Hey, ich lebe!“
Dann fragt vielleicht einer: „War's schlimm?“
„Ja, es war schlimm. Natürlich war es schlimm.“
Was für eine Frage, aber was sollen sie auch anderes sagen.