Kieselsteine
Ich stehe in meinem Zimmer, die Heizung aufgedreht, eine Decke um mich geschlungen.. Draussen schneit es, grosse Flocken, ich mag keinen Schnee. Er ist zu kalt. Ich wechsle den Platz, setze mich auf mein Bett und schaue das Regal an, dass an der Wand ist. Darauf stehen viele kleine Gläser, alle mit Sand gefüllt. Egal wo ich in meinem Leben gewesen war, jedes Mal habe ich ein bisschen Sand mitgenommen. In einigen ist auch Erde oder Kies, falls ich keinen Sand gefunden habe.
Ich hole eines herunter. Ein kleines Marmeladenglas mit hellem, feinen Sand gefüllt. Damals waren wir in Italien in den Ferien gewesen. Ich lernte viele Leute kennen, hatte Spass, und verliebte mich. Ich erinnere mich an ihn. Er war gross, hatte blaue Augen. Wir genossen unsere Zeit, gingen am Strand spazieren und er schenkte mir einen Ring. Unsere Beziehung war kurz, aber schön. Ich schüttele den Sand einmal, und sehe den Ring aufblitzen, dann stelle ich das Glas zurück.
Ein anderes ist mit feinem Kies gefüllt, wir waren in Südfrankreich an einem Steinstrand. Das Wetter war toll, und ich begegnete sieben Menschen, die mein Leben veränderten. Innerhalb einer Woche hatte ich das Gefühl sie schon ewig zu kennen. Doch als der Urlaub zu Ende war, verschwanden sie wieder. Nur die Erinnerungen sind geblieben, die Bilder von uns, das Gefühl mit ihnen zusammen zu sein. Manchmal frage ich mich was aus ihnen geworden ist, ob sie sich erinnern.
Ich öffne das Glas und hole acht Steinchen raus, lege sie in meine Hand, schliesse sie, und stehe wieder am Strand. Ich beobachte uns. Sehe, wie ich jemanden umarme, wie ich lache, wie ich glücklich war.
Ich stehe auf, öffne das Fenster und berühre den Schnee. Ich öffne meine Hand, die Steine fallen in den Schnee, versinken darin. Meine Hand liegt auf dem Schnee, es ist kalt. Ich schliesse das Fenster, sitze wieder vor meinem Regal, und lege das Glas zurück.
Ich könnte noch so viele andere Erinnerungen hervor holen, aber ich kann mich nicht bewegen. Die Erinnerung hält mich noch immer gefangen und ich wünsche mich zurück. Ich schliesse nochmals die Augen, aber es funktioniert nicht mehr. Ich sehe nur Dunkelheit, und spüre Kälte. Ich hatte vergessen, dass ich sie vermisse.