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Kickas und Bimis dummer Streit
Vor langer Zeit schlossen der Zwerg Bimi und der Baumwicht Kicka Freundschaft. Das war bemerkenswert, da beide recht mürrisch waren. Bimi lebte in einer kleinen Mine. Dort suchte er nach Gold und Edelsteinen. Leider fand er nie etwas.
Kicka lebte in einem hohlen Baum im Wald. Von dort flitzte er durch den ganzen Wald und suchte nach jemand, dem er helfen oder einen Streich spielen konnte.
Sonntags saßen sie immer zusammen auf einem Felsen in der Sonne und schmauchten in ihren Pfeifen Kickas besten Tabak.
Von Frauen und Kindern hielten sie nichts, so wie die meisten Baumwichte und Zwerge. Das ist auch der Grund, warum es heute keine mehr gibt.
Bimi hatte eine rote Zipfelmütze und einen grauen Bart. Er war breit und kräftig.
Auch Kicka trug eine Mütze, deren brauner Zipfel bei jeder Bewegung auf und abwippte. Und das tat sie oft, denn er rannte und sprang ständig herum, wodurch seine Körper recht hager wirkte und kein Gramm Fett aufwies. Seine braunen Schnurrbarthaare ragten weit über sein Gesicht hinaus, sodass er beinahe aussah wie eine Maus.
Oft klagten sie einander, wie ungerecht das Schicksal es mit ihnen gemeint hatte.
Stets begann Bimi mit seiner tiefen Stimme:
„Mein Vater roch Gold und Edelsteine. Mein Großvater konnte sogar Blei in Gold verwandeln. Und ich armer Tropf. Ich kann Edelsteine zu Kieselsteinen machen. Was für eine Schmach.“
Kicka legte dann stets seine Pfeife weg, rannte dreimal um Bimi und rief, während er mit seinen dünnen Armen in der Luft herumfuchtelte: „Würmer in Früchte. Was für ein blöder Zauber. Glaubst du, ich hätte es einmal umgekehrt geschafft? Diese grässlichen Würmer aus den Äpfeln und Zwetschken zu zaubern? Jedes Wichtelkind kann irgendeinen netten Zauber. Mein Großvater hat in einem Tag einen Apfelbaum wachsen lassen. Warum funktioniert das bei mir nicht?“
Eines Tages rannte Bimi ganz aufgeregt zu Kicka.
„Am See! Am See!“, rief er keuchend, denn normalerweise lief er nie so schnell.
“Am See gibt’s Riesenerdbeeren. Komm mit. Da müssen wir hin.“
Kicka sah ihn überrascht an. Er saß auf einem Ast und hatte gerade eine Kette aus roten und grünen Edelsteinen gemacht.
„Es ist recht weit dort hin.“
„Stell dir vor: schöne rote Erdbeeren. Wie die duften.“
Beiden rann das Wasser im Mund zusammen und schnell liefen sie mit ihren kurzen Beinen in Richtung Wald.
Kicka war bald weit voraus du Bimi fluchte. Doch als die Sonne hoch oben an Himmel stand, ermattete Kicka, während der Zwerg mit seinen stämmigen Beinen unentwegt weiter marschierte.
Kicka nörgelte:
„Wenn wir da nichts finden, dann kannst du mich aber heim tragen. Warum weiß ich denn nichts von den Erdbeeren? Ich bin ein Baumwicht. Wie kann ein Zwerg etwas wissen, was ein Baumwicht nicht weiß? Du bist da sicher auf eine dumme Elfe reingefallen. Die wollte dich nur ärgern.“
Plötzlich schrie Kicka auf und schubste Bimi zur Seite. Dort, wo sie gerade noch gestanden waren, landete ein Netz.
Ein Räuber mit struppigem Bart sprang hinter einem großen Baum hervor.
„Ihr Wichte, euch krieg ich noch“, rief er und stürzte sich auf die beiden.
Kicka, der noch nie einen Menschen gesehen hatte, blieb vor Schreck wie angewurzelt stehen. Schon war der Räuber bei ihm und packte den Baumwicht unsanft um die Mitte.
„Wo ist dein Gold“, brüllte er.
„Aua, du zerquetscht mich ja“, jammerte Kicka und zappelte hilflos mit seinen kleinen Füßen.
„Wirst du meinen Freund auslassen, du grober Mensch!“
Bimi stapfte drohend auf den Räuber zu.
Der Räuber lachte, wobei er seine fauligen Zähne zeigte.
„Scher dich weg, du miekriger Zwerg.“
Da wurde Bimi so richtig wütend. Und es gibt nichts Schlimmeres, als einen wütenden Zwerg. Er rannte los und trat dem Räuber so heftig gegen sein Schienbein, dass dieser vor Schmerz Kicka ausließ und sich heulend am Boden krümmte. Schnell zog Bimi den verdatterten Kicka mit sich und verschwand mit ihm im dichten Unterholz.
„Das war ein Mensch. Ein schrecklicher Mensch. Oh Mann, wenn du mich nicht gerettet hättest. Der hätte mich zerquetscht wie eine, wie eine …
Oh, ich will mir das gar nicht vorstellen.“
Kicka jammerte in einem fort, während Bimi nur brummte.
„Jetzt lass es mal gut sein, die sind zwar groß, haben aber weder den Grips noch die Muskeln von uns Zwergen.“
Bimi fand schnell wieder den Weg zum See und dann standen sie endlich vor einer großen Erdbeerpflanze mit einer einzigen, riesigen Erdbeere. Die Frucht war dunkelrot und reichte ihnen bis zur Brust.
„Potz Blitz“, sagte Bimi.
„Entzückt und sonnenbestrahlt. Du bist mein“, rief Kicka.
„Dein?“, Bimi lief voraus und streckte seine Hände nach der Erdbeere aus.
„Mein!“, sagte Kicka und rollte die Erdbeere zu sich.
„Such dir doch eine andere. Das war meine Idee!“, Bimi packte die Erdbeere und rollte sie zu sich.
„Ich hab sie zuerst gesehen! Hände weg!“
Kicka packte die Erdbeere so heftig, dass er sich samt der Frucht auf den Hosenboden setzte.
„Uagh!“, rief er und fiel durch den Schwung auf den Rücken. Die Erdbeere rollte über ihn davon, und bekam davon eine hässliche Delle.
„Du Wicht, du machst mir meine Erdbeere kaputt!“
„Lass los, die gehört mir!“
„Nein, mir!“
„Meine!“
„Meine!“
Schon schubste Bimi Kicka weg und wollte mit der Erdbeere davon laufen. Da stellte ihm Kicka ein Bein, sodass Bimi heftig mit der Erdbeere niederfiel und sie eine zweite große Delle bekam.
„Argh!“, brüllte Bimi, packte den verdutzten Kicka am Rock und schmiss ihn in hohem Bogen ins Wasser.
Platsch.
Prustend kam der Baumwicht wieder heraus. Außer sich vor Zorn versuchte er den einzigen Zauber zu sprechen, denn er kannte.
„Krakenwutz und Belzeporst, ähm Porstebeltz.“ Unsicher zeigte er auf die Erdbeere. Nichts passierte.
„Stümper“, rief Bimi, packte die Erdbeere und lief davon. Da erinnerte sich Bimi an den vollen Spruch:
„Krackenwutz und Spelzegurn, in der Beere ist der Wurm.“ Schon blitze es hell zwischen seinen Fingern und ein kleiner Wurm sauste in die Erdbeere. Dort fraß er rasend schnell das Fruchtfleisch, sodass die Erdbeere zusammenfiel wie ein Luftballon, dem die Luft ausging. Als Bimi das merkte, ließ die verdorbene Frucht fallen und sprach seinerseits den einzigen Zauber, den er kannte, und verwandelte Kickas schöne Edelsteinkette in eine Kieselsteinkette.
Keuchend und zornig standen sie sich gegenüber. Kicka rann das Wasser aus den Stiefeln und Bimi hatte sich beim Sturz das Knie aufgeschlagen. Die schöne Erdbeere zwischen ihnen war nur mehr eine unansehnliche Masse. Selbst der große Wurm mochte sie nicht mehr und kroch schnell davon. Unsicher sahen sich die beiden nach anderen Erdbeeren um. Es gab keine mehr. Einige Minuten vergingen, in denen Bimi sein Knie betrachtete und Kicka seine nassen Sachen zum Trocknen aufhängte.
„Jetzt haben wir beide nichts“, brach Bimi schließlich das Schweigen.
„Entschuldige,“ sagte Kicka.
„Nein, es war meine Schuld. Die Erdbeere hätte dir gehört.“ Bimi humpelte zu Kicka. „Sicher, hättest du mir die Hälfte davon gegeben.“
„Und ob ich das hätte. Sogar den größeren Teil. Schließlich war es deine Idee!“
„Wie dumm sind wir gewesen“, jammerten beide.
Sie fielen sich in die Arme, und versprachen ab jetzt immer zu teilen.
Wenn sie nun auf ihrem Felsen auf kleinen Moospolstern saßen und der Sonne beim Untergehen zusahen, erzählten sie oft, wie sie sich damals um die Erdbeere gestritten hatten. Und wenn Bimi dann die zermatschte Frucht beschrieb, lachten beide und klopften sich auf die Schenkel und konnten gar nicht begreifen, wieso sie nicht einfach geteilt hatten.