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Kettenreaktion
Kettenreaktion
eMail vom 19.03.2137, 19:29 Uhr
Will, altes Haus!
Endlich meld ich mich mal wieder, wie versprochen.
Kurz nachdem ich versetzt wurde, merkte ich gleich, dass es mir hier gefällt. Ich arbeite jetzt an Bord der Memphis II, einem Forschungsschiff der A-Bird Klasse. Du weißt schon, dass sind diese nach unten gebogenen, riesigen Schiffe, die man bei guter Witterung sogar von einigen Planeten aus betrachten kann, auch ohne Teleskop.
Sie sehen aus wie gigantische, schwarze Socken. Und in so einem Ding sitze ich gerade, und mache meine Arbeit.
In einer Socke. Wenn man es sich einmal richtig überlegt, dann ist es echt bitter, seine Arbeit in einem Raumschiff zu verrichten, das von außen aussieht wie eine Socke. Aber ich mag es irgendwie.
Nun ja, hier gibt es nichts wirklich interessantes zu erzählen. Bis auf wenige Tage laufen alle nach dem gleichen Schema ab: Nach einem kurzen Frühstück in der Kantine (einfaches Brot von Slyth-41-kX, anspruchslos aber nahrhaft) und einer noch kürzeren "Einsatzbesprechung" (ich hasse dieses Wort - es erinnert mich immer an das Militär), die sowieso immer kurz ausfällt, mache ich meinen morgendlichen Rundgang - und halte den allmorgendlich Smalltalk mit den ach-so-netten Forscherkollegen ab.
"Hallo Dr. Crowley! Gut geschlafen?" "Ja, Coleman, und du?" oder "Morgen, Scott. Schönes Wetter heute, nicht war?" "Ja, Coleman." In diesem Stil, du weißt schon, bla, bla. Der Joke mit dem "Wetter" wird immer wieder angeboten, und immer wieder setze ich mein ach-herrje-ist-das-lustig-Grinsen auf: Wie soll im Weltraum schon schönes Wetter sein?
Nun ja, jedenfalls läuft alles so wie geplant. Es wäre ja auch schlimm, wenn nicht.
Habe ich bis jetzt eigentlich erwähnt, was ich auf diesem Forschungsschiff arbeite? Nein, habe ich nicht. Nun, du kennst meinen alten Beruf und er hat sich auch nicht großartig verändert, nachdem ich auf dieses Schiff versetzt wurde.
Ich bin jetzt "Leitender Biogenetiker der Extra-Humanistischen Lebensformen". Ist das nicht eine aufregende Amtsbezeichnung? Ja, ganz toll, echt. Kurz und knapp gesagt: Ich fummel an der DNA von unterentwickelten Rassen herum, um sie strapazierfähiger, stärker und vor allem schlauer zu machen. Ich tue dies, um diese Lebewesen später einmal in Freizeitparks als Attraktion vorführen zu können!
Nein, im Ernst: Wir versuchen, durch bestimmte Modifikationen der extrahumanistischen DNA Arzneien zur Bekämpfung von Krankheiten zu gewinnen. Auf der anderen Seite ist es unser Anliegen, die Verhaltensweisen dieser Lebensformen zu studieren und zu verstehen. Bislang gefällt mir der Job weitaus besser als mein Genetikerberuf auf Betharyn 11.
Manchmal sind die possierlichen kleinen Kerlchen, mit denen ich zu tun habe, echte Brocken: Gerade hab ich wieder unter anderem 2 Dymrell-Alpha und einen Gaft-Alpha. Bei diesen Bezeichnungen stehen die Vorsilbe (in dem Fall Dymrell bzw. Gaft) für den Planeten, von dem diese Tiere kommen. Das heisst, diese 3 kamen von Dymrell und Gaft, 2 Schwesterplaneten im Rem-Nebel, gar nicht so weit von Liberia 4. Du kannst sie von da aus sicher mit dem Teleskop sehen. Egal, jedenfalls steht das Alpha steht für die Gefahr, die von ihnen ausgeht: Alpha ist höchste Gefahrenstufe. Diese Lebewesen sind mit einem...erinnerst du dich aus dem Unterricht in Biohistorie noch an die Dinosaurier? Ein wütendendes T-Rex - Weibchen, dessen Jungen jemand zu nahe getreten ist, oder im Rudel jagende Velociraptoren - damit ist die Gefahrenstufe eines Dymrell-Alpha annähernd umschrieben. Allerdings muss man dazu sagen, dass es sich um semiintelligente Lebensformen handelt - sie können astrein logisch denken. In dieser Kombination sind es echte Killermaschinen. Eine Ironie des Schicksals, das gerade aus diesen riesigen Viechern (der Gaft-Alpha zum Beispiel ist so groß wie ein Skythe 7 Beiboot - riesig also. Nur selten findet man größere Semiintelligenzen) Stoffe zur medizinischen Forschung zu gewinnen sind.
Sie brauchen natürlich besondere Sicherheitsmaßnahmen, neben dem Titanglas gibt es Nervengas, das ich speziell für sie entwickelt habe (da bin ich echt stolz drauf, ich habe Nervengas zur Beseitigung von zu groß geratenen Kuscheltieren entwickelt, Mann, ist das ein Gefühl!) und das bei Gefahr sofort in deren Gehege einströmen konnte. Menschen kann dieses Nervengas so gut wie nichts anhaben.
Apropos Gehege: Diese unsäglichen Kreaturen leben in meiner Meinung nach viel zu kleinen, durchsichtigen High-Tech-Käfigen bei Minustemperaturen. Alle Pets, die wir zur Zeit auf der Memphis II stationiert haben, kamen wie gesagt von Dymrell und Gaft, zwei Eisplaneten. Somit mussten wir sie in riesigen Kühltruhen unterbringen.
Insgesamt haben wir momentan ca 320 Pets an Bord, die meisten im Gamma Stadium, also auf keinen Fall größer als ein Bernhardiner. Aber gefährlich können die auch werden, dass sage ich dir: Einmal, als ich so einem Pet seine Nährstoffe gespritzt habe, hat es sich von den Titan-Halterungen gelöst und mir die Hand abgefressen. Ich kann von glück sagen, dass nicht mehr geschehen ist, das hätte böse enden können für den alten Scott Crowley .
Na ja, jedenfalls renne ich seit dem mit einer meiner biologischen Ersatzhände durch die Galaxie. Wie kommst du eigentlich mit deinem neuen Ohr zurecht? Ich finde, das klappt eigentlich prima mit den Ersatzteilen, so viel Stress und Ärger, ja sogar Ausschreitungen und Aufmärsche es auch gab, als damals angeordnet wurde , dass für jeden Angehörigen der Menschheit biologische Ersatzeile für die meisten seiner Körperteile und Organe produziert und gelagert werden.
Prinzipiell hatten die Typen damals aber Recht: Was sind schon ein paar embryonale Eizellen für das Leben von Millionen von Mensch-
Verdammt. Ich muss aufhören, aus irgendeinem Grund gibt es Alarm. Ich werde dir schnellstmöglich Genaueres berichten. Halt die Ohren steif, Alter. Wir sehen uns!
Dein Scott
Auszüge aus dem Logfile des Bordcomputers Memphis II
19.03.2137
19:30 Uhr
Notfall auf Deck 6 | Alarm gelb | Vorfall unbekannt | Ursache unbekannt | Lebensformen: 3398
19.03.2137
21:30 Uhr
Stromausfall Decks 2, 5, 6, 7, 9, 10 | Alarm rot | Vorfall Destruktion der Schutzkäfige |
Ursache unbekannt | Lebensformen: 2239
eMail vom 19.03.2137, 23:22 Uhr
Will, überall Feuer. Alles ist eingstürzt. Wir müssen irgendwo einen Käfig falsch verriegelt haben.
Ich hab die letzten zwei Stunden damit verbracht, zu rennen. Ich muss sofort zu den Beibooten gelangen, alle Lifts sind ausgefallen. Scheiße, der Flur ist übersäht mit - ich glaube, ich muss kotzen.
Ich kann hier nichts tun, ich habe nur den Kommunikator. Verdammt. Ich weiß nicht,
wer noch am Leben ist.
Ich habe seit 25 Jahren nicht geweint. Will...Grüß Akemi und Alissa.
Ich höre ein Krachen. Scheiße, Coleman ist tot! Er liegt vor mir im Eingang. Irgendwas ist hinter
ihm. Ich kann nicht aufhören leise zu sprechen und zu diktieren, diese eMail muss dich erreichen.
Mann, du warst immer mein bester Freund. Ich hätte nie Biologe werden sollen.
Ich höre Rauschen und Stöhnen. Nein. Nein. Der Gaft-Alpha. Er steht im Eingang und zerreißt
Coleman. Scheiße Mann! Solange ich mich nicht bewe -
Ich muss ganz leise sprechen. Scheiße Mann, ich kann nicht aufhören. Akemi! Du musst Alissa
für mich in den Arm nehmen. Mann, ich wär nicht mehr lange hier auf der Memphis II gewesen.
Der Gaft ist weg.
Ich werde jetzt ganz langsam zum Eingang des Labors gehen und am Terminal das Nervengas
durchs ganze Schiff leiten. Verdammt. Wir hätten niemals mit diesen Viechern herumexperimentieren
sollen. Bitte lach nicht, aber die Leute damals hatten recht.
Ich glaube, die meisten hier sind schon gestorben. Scheiße Mann! Falls ich Alissa nicht mehr wiedersehe - so, das Terminal.
Ich leite jetzt das Gas durchs Schiff. Scheiße! Klacken. So ein Rauschen. Der Gaft kommt zurück.
Sag Akemi und Alissa, das ich sie liebe.
Du warst nie ein Freund der Gentechnik.
Warum hast du mich nicht schon damals davon abgehalten?
Auszug aus dem Logfile des Bordcomputers Memphis II
19.03.2137
23:30 Uhr
Notstromaggregat aktiviert | Alarm rot | Vorfall Fehlwirkung des Nervengas | Ursache unbekannt | Lebensformen: 0