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Kennenlernen

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21.06.2001
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Kennenlernen

„Komm schon, Sabine“, sagte Gabi energisch, und wer Gabi kannte, wußte um ihre energische Art. „Komm mit. Laß uns fahren.“
Sabine werkelte am Geschirr in der Spüle herum, schien aber gar nicht mehr ans Spülen zu denken. Ab und zu sah sie Sabine an und lächelte unsicher.
„Ich find’ die Idee blöd“, antwortete sie und versuchte ebenso energisch zu sein, wie ihre Freundin. Geschafft hatte sie es noch nie, und auch diesmal war es nicht anders. Gabi stand neben dem Kühlschrank und schwieg bedeutungsvoll. In ihren Augen war ein beinahe lüsternes Leuchten, das sich immer bei ihr einstellte, wenn sie eine von ihren fixen Ideen hatte.
„Die Idee ist nicht blöd. Das ist...Romantik pur, Sabs. Du hast es ihm doch noch nicht gesagt, oder?“
„Nein hab ich nicht.“
Sabine putzte wie wild an einem Teller herum, als könne sie dadurch der verrückten Idee entrinnen. Aber sie kannte Gabi – „die Spinne“, wie Sabine ihre Freundin manchmal nannte, wenn sie sie wieder mal rumgekriegt hatte – zu gut. So schnell würde sie nicht locker lassen.
„Jetzt überleg’ mal. In zwei Stunden sind wir in der Stadt“, sagte Sabine. „Zwei Stunden, dann ist es Mittag. Wir essen fein was zusammen, am Nachmittag shoppen. Und am Abend das süße Geständnis....mhhhh.“
Gabi sah sie mit großen Augen an und hatte einen ganz verklärten Ausdruck in ihrem Gesicht.
„Ich weiß nicht, ob ihm das recht ist...einfach so bei ihm aufzukreuzen...“, sagte Sabine und putzte übergründlich an einem Messer herum.
„Sabs, du bist ein hoffnungsloser Fall. Ihr seid jetzt sieben Jahre verheiratet. So viele Jahre immer der alltägliche Trott. Sag mir nicht, dass es nicht so ist. Und jetzt – das ist die Gelegenheit für wenig Abwechslung...“
Sabine blickte auf und sah zum Fenster über der Spüle hinaus. Ihr Nachbar, der alte Herr Greber, stand am Gartenzaun und tat wieder mal so, als hätte er ungemein wichtige Arbeiten an seinem Rosenbeet zu machen. Aber natürlich stand er da, um zu spionieren. Es schien seine Lebensaufgabe zu sein, genau zu wissen, wer bei ihr Aus und Ein ging, und wahrscheinlich wusste er auch, dass sie es wusste. Manchmal lachte sie darüber, manchmal ärgerte es sie.
Sieben Jahre, so eine lange Zeit.
Herr Greber warf wieder einen verstohlenen Blick über den Zaun. Sabine warf das blank geputzte Messer in den Besteckkorb und wandte sich entschlossen Gabi zu, die ein wenig überrascht zusammenzuckte, dann aber zufrieden grinste.
„Soll das heißen, wir machen es?“ fragte sie vorsichtig.
„Ja! Aber damit eins klar ist. Sollte mein Göttergatte nicht so begeistert sein von der Idee, werde ich nur dir alleine die Schuld geben. Und dir mindestens ein...nein, zwei Jahre Vorwürfe machen.“
„Okay, damit kann ich leben.“
Jetzt grinsten beide.

Thomas, Sabines Mann, war Einkäufer und mindestens das halbe Monat nicht zuhause, sondern bei irgendwelchen Kundengesprächen in der Stadt. Während dieser Zeit wohnte er in einer eigens dafür angemieteten Wohnung und kam nur nach Hause, wenn die Termine es erlaubten. Anfangs hatte Sabine Angst davor gehabt, Angst vor dem Alleinsein und dem ständigen Abschiednehmen und davor, sich vielleicht schon während der Ehe schleichend zu trennen. Aber die Liebe ließ sich eben nicht ins Handwerk pfuschen und war dorthin gefallen, wohin sie eben fallen wollte. Anfangs war es nicht leicht gewesen, und manchmal hatte sie sich sogar dabei ertappt, wie sie gegen vier Uhr nachmittags eifersüchtig auf die Uhr blickte. Arbeitsschluss, Männer die sich auf den Heimweg zu ihren Familien machten, gemeinsames Essen, das waren ihre Gedanken in diesen Momenten.
Die Schilder kündigten die Autobahnabfahrt zur Stadt an. Sabine beobachtete schweigend die Sträucher, die an draußen vorbeihuschten. Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto einsilbiger war Sabine geworden. Von der anfänglichen gespannten Vorfreude spürte sie nichts mehr, stattdessen schlichen sich mehr und mehr Zweifel in ihre Gedanken.
„Jetzt hör endlich auf darüber nachzudenken“, sagte Gabi forsch in die Stille hinein und sah kurz zu ihr hinüber.
„Aber wenn’s ihm nicht recht ist...“, antwortete Sabine.
„Du bist eine dumme Kuh. Was soll ihm den nicht recht sein? Dass ihm seine liebende Frau einen Besuch abstattet?“
„Ja, du hast ja recht. Aber ein bisschen überfallsartig kommt das Ganze schon. Vielleicht will er nach einem ganzen Tag Geschäftemacherei nur seine Ruhe.“
Gabi sah Sabine kurz an und grinste.
„Also weißt du, manchmal bist du richtig niedlich, wie du dich um dein Schätzchen sorgst. ‚Der arme Alte den ganzen Tag am buddeln, und am Abend nerve ich ihn auch noch mit meiner Anwesenheit.’“
Sabine lachte.
„So bin ich eben, wie sich’s für eine anständige Frau gehört – besorgt um das Wohl ihres Mannes. Wenn du dir ein Beispiel an mir nehmen würdest, wärst du vielleicht nicht geschieden.“
„Das hatte andere Gründe. Ich war auch immer ganz nett zu meinem Liebling.“
Die beiden Freundinnen sahen sich kurz an und brachen gleichzeitig in schallendes Gelächter aus. Als sie sich wieder erholt hatten, sagte Gabi:
„Aber jetzt mal im Ernst. In meinem ‚Romantik-Schlachtplan für Sabine’ steht bereits fest, wie das Ganze laufen wird. Du überraschst ihn an der Wohnungstür, es gibt Küsschen, Küsschen, danach eine lange Nacht mit heißem Sex und das Beste - ihr habt das ganze Wochenende für euch allein. Keine neugierigen Nachbarn, keine Abende vor dem Fernseher, sondern Ausgehen, Spaß haben. Wurde ohnehin schon Zeit, dass du mal wieder aus dem Dorf raus kommst. Klingt doch gut?“
„Ja, klingt sehr gut.“
„Und wann wirst du ihm sagen, dass du schwanger bist?“
Sabine überlegte kurz.
„Wenn der richtige Zeitpunkt da ist...“

„Ich geh da auf keinen Fall rein“, sagte Sabine und machte ein trotziges Gesicht, das jedem Kind zur Ehre gereicht hätte.
„Du gehst mit“, sagte Gabi mit einer Entschlossenheit, die jeder Mutter zur Ehre gereicht hätte. Sie lächelte wieder genauso diebisch wie vor knapp drei Stunden, als sie in Sabines Küche gestanden, und versucht hatte, sie zu diesem Abenteuer zu überreden. Manchmal war das Leben mit ihr als Freundin hart, aber langweilig wurde es jedenfalls nie.
„Du weißt schon, dass das hier das Restaurant ist, wo Thomas öfters mit seinen Geschäftspartner zum Mittagessen geht?“ sagte Sabine mit oberlehrerhafter Stimme.
„Klar weiß ich das, deswegen gehen wir da jetzt rein.“
„Warum?“
„Nervenkitzel, Abenteuer! Wir wollen doch was erleben.“
„Ich geh nicht rein!“
„Doch!“
„Nein!“
„Doch!...“ und bevor Sabine noch ein weiteres Mal Nein sagen konnte, zog Gabi sie bereits durch die Tür. Sie wehrte sich nur kurz und gab sich dann geschlagen. Wenn Gabi in Aktion war, hatte man ohnehin wenig Chancen. Sabine betrat das Restaurant mit der Hoffnung, Gott würde ein Einsehen haben, und es nicht so schlimm kommen lassen, wie sie befürchete.
Gabi sah sich kurz um und lächelte, wie sie es immer tat, wenn sie solche Sachen machte. Sabine sah sich ebenfalls um, erwartete aber jeden Moment ihren Mann an einem der Tische zu sehen.
„Siehst du, er ist nicht da“, flüsterte ihr Gabi zu.
„Toll, und wenn er da gewesen wäre...?“
„Wenn, wenn, wenn – Sabine und ihr ewiges Wenn.“
Das Restaurant hatte den seltsamen Charme eines auf städtisch getrimmten Landgasthauses. Dunkelbraune Wandvertäfelung aus Holz, Tische, Stühle und Bänke im gleichen Farbton und gleich am Eingang eine riesige verspiegelte Bar, die in dieser Umgebung beinahe deplaziert wirkte.
Gabi zupfte am Ärmel ihrer Freundin und deutete in die hintere Ecke des großen Saales. Die Tische an der Wand gegenüber den Fenstern standen nicht frei, sondern wurden durch Holzgerüste in einzelne Separees unterteilt, an dessen zahlreichen X-förmigen Streben sich irgendwelche Pflanzen hochrankten.
„Dort setzen wir uns hin“, sagte Gabi. „Absolut Blickdicht. Dort kann er uns nicht sehen, selbst wenn er reinkommt.“
„Ja, außer er setzt sich auch an einen der hinteren Tische. Dann heißt’s Vorhang auf für uns.“
Gabi überlegte kurz.
„Ach was, dein Mann ist kein an-den-hinteren-Tischen-Sitzer. Los jetzt, komm.“
Sie gingen an den ausgesuchten Tisch, und der Ober, der ihre Flüsterei am Eingang bereits ein wenig argwöhnisch beobachtet hatte, folgte ihnen in einem Freundlichkeitsabstand.

Gabi hatte es sich nicht nehmen lassen, sich an jene Seite des Tisches zu setzten, von der aus sie den größten Teil des Saales überblicken konnte. Sabine saß ihr gegenüber, und obwohl sie die ganze Bank für sich hatte, kauerte sie sich beinahe in die Ecke und starrte die Wand an. Die Hauptspeise hatten sie bereits hinter sich gebracht. Gabi aß noch eine Kirschtorte, während Sabine – der das allzu viel an Abenteuer auf den Appetit geschlagen hatte – nur an ihrem Mineralwasser nippte und immer erschrocken zu Seite blickte, wenn sich an den Nebentischen irgendetwas bewegte.
„Du weißt, dass ich dich umbringen werde“, sagte Sabine nach einem weiteren Schluck zu ihrer Freundin.
Gabi lächelte gelassen.
„Machst du nicht.“
„Doch, mach ich. Soviel Aufregung an einem Tag, das ist ja genug für ein paar Wochen. Und Thomas wird dich auch umbringen. Ich werde ihm alles erzählen, und dann wird er sich für mich an dir rächen.“
Gabi lächelte noch immer gelassen.
„Dein Thomas macht gar nichts. Er liebt mich...“
Gabi stockte kurz und sah Sabine verlegen an.
„...ich meine, nicht so...du weißt schon, er mag mich, als Freundin.“
Sabine begann zu lachen, so heftig, dass sie sich mit ihrem Kopf gegen den Tisch krümmte. Gabi stimmte mit ein.
„Deinen Blick hättest du jetzt sehen sollen“, lachte Sabine und deutete mir dem Finger auf sie. „’Er liebt mich...’ ...ups...Scheiße, verplappert.“
Gabi hielt sich die Hand vor den Mund, weil sie vor Lachen die Torte nicht mehr dort behalten konnte, wo sie hingehörte. Es dauerte fast eine Minute, bis sie sich wieder beruhigt hatten, und gerade als Gabi wieder aufblickte und die Hand vom Mund nehmen wollte, hustete sie los und warf ihren Oberkörper zu Seite, als wollte sie einem tödlichen Schuß entgehen.
„Scheiße, da ist eeer“, schrie sie flüsternd.
Sabine schaute verwirrt und ein wenig erschrocken.
„Wer?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon kannte.
„Thomas...er ist gerade rein gekommen. Und noch ein anderer Typ...“
Sabine rückte reflexartig noch ein Stück näher in die Ecke. Kurz überlegte sie, ob es vielleicht einer von Gabis herzlosen Scherzen war, aber ihre Reaktion kam so überraschend und wirkte so echt, dass es einfach stimmen musste.
„Hat er dich gesehen?“, flüsterte Sabine, obwohl es keinen Grund zum Flüstern gab. Im Stimmengewirr und Essenslärm so vieler Menschen hätte er sie ohnehin nicht gehört.
„Nein. Bin mir ziemlich sicher“, sagte Gabi, die nun ebenfalls ein Stück in die Mitte der Bank gerückt war.
„Oh Gott, ich wusste es, ich wusste es...“, wiederholte Sabine monoton. „Kommen sie hierher? Wo setzen sie sich hin?“
„Warte mal...“, sagte Gabi.
Vorsichtig schob sie ihren Kopf zur Seite und spähte am Holzgerüst vorbei in den Saal hinein. Sie lächelte.
„Entwarnung Sabs, sie sitzen dort beim Eingang...“
„Paß auf, dass er dich nicht sieht!!“
„Keine Gefahr, er hat uns dankenswerterweise den Rücken zugewandt. Schau selbst.“
Sabine zögerte kurz, kam dann jedoch aus ihrer Ecke heraus und lugte ebenfalls am Holzgerüst vorbei Richtung Eingang. Ihr Blick fiel auf Thomas Rücken. Er trug den dunklen Anzug, den sie vor einer Woche aufgebügelt hatte. Rechts neben ihm saß der andere Mann, von dem Gabi gesprochen hatte, ebenfalls in Anzug und Krawatte.
„Einer von seinen Geschäftspartnern, oder?“ fragte Gabi, ohne sich von den beiden abzuwenden.
„Ja, wahrscheinlich. Ich kenn’ die ja nicht“, antwortete Sabine und beobachtete die ganze Szene ebenso gebannt wie ihre Freundin.
Es war seltsam für Sabine, ihren Mann auf diese Art zu sehen, und das lag nicht nur an der Heimlichkeit. Ihr wurde plötzlich klar, dass sie Thomas nach vielen Jahre Ehe zum ersten Mal bei seiner Arbeit sah, bei dem, was er tat, wenn sie alleine zuhause saß, und was sie anfangs solche Mühe gekostet hatte zu akzeptieren. Mein Männlein bei der Arbeit, dachte sie und fand den Gedanken süß, aber auch albern.
„Schade, dass du seine Geschäftspartner nicht kennst. Der sieht doch sehr knusprig aus. Dem würd’ ich gern vorgestellt werden.“
„Ja, weil er jünger ist als du.“
„Ist das ein Verbrechen?“, fragte Gabi, bekam einen seltsam heiteren Gesichtsausdruck und sagte dann leise, aber theatralisch: „Ja, Baby, komm zeig mir was du im Angebot hast, mein kleiner Geschäftsmann.“
„Du bist unmöglich“, kicherte Sabine.
„Aber er sieht doch gut aus, oder nicht? Sei mal ehrlich.“
„Ja, klar. Aber du und dieser ‚Spund’... na ich weiß nicht...“
Die beiden Männer unterhielten sich, gestikulierten und brachen immer wieder in verhaltenes Gelächter aus.
„Siehst du Sabs, Thomas macht gerade Witze über seine Frau...“
Sabine sah ihre Freundin an und grinste.
„Blöde Kuh“, sagte sie.
„Selber blöde Kuh“, antwortete Gabi.
„Und was machen wir jetzt?“
„Noch was zu trinken bestellen und warten, bis die zwei wieder weg sind“, sagte Gabi und hielt nach dem Ober Ausschau.

Ziemlich genau gegen zehn Uhr abends parkte Gabi ihren Wagen direkt neben dem Haus. Sie hatten zuvor eine Runde um den Block gedreht und festgestellt, dass Thomas zuhause war. Seine Wohnung lag auf der Rückseite des Hauses, und das Wohnzimmerfenster war hell erleuchtet.
Nachdem Gabi den Motor abgestellt hatte, schwiegen beide für einen kurzen Moment. Sabines Gesicht war wieder ernster, viel ernster jedenfalls als am Nachmittag, den sie damit verbracht hatten, duzende von Geschäften abzuklappern. Und auch die Fröhlichkeit des Abends, den sie in drei verschiedenen Innenstadtbars verbracht und dabei einige Liebesangebote bekommen hatten, war jetzt verflogen.
„Jetzt bin ich wieder aufgeregt“, sagte Sabine, und ihre Stimme klang ein wenig gequält.
„Er wird sich freuen. Glaub mir!“
Sabine nickte, mehr für sich selbst.
„Du hast recht. Ich mach mir immer zu viele Gedanken.“
„Und den Schampus nicht vergessen“, sagte Gabi, griff auf den Rücksitz und drückte ihrer Freundin die Flasche in die Hand.
„Ok, dann ciao, du Verrückte ... danke für den verrückten Tag“, sagte Sabine und lächelte.
„Immer wieder gern, aber jetzt ab zu deinem Liebling!“
Sie gaben sich ein Abschiedsküsschen. Dann stieg Sabine aus, und bewaffnet mit ihrer Champagnerflasche hatte sie die Straße bereits fast überquert, als sie plötzlich wieder kehrt machte und zum Wagen zurückging. Gabi ließ die Scheibe runter und erwartete sie mit besorgtem Gesicht.
„Was ist denn?“
„Wie soll ich rein?“
Gabi schien nicht sofort zu verstehen.
„Ins Haus. Ich will doch überraschend vor seiner Tür auftauchen, da kann ich ja schlecht bei ihm anläuten...“
„Gute Frage“, bestätigte Gabi. „Vielleicht wenn du bei jemand anders anläutest. Erzähl denen doch einfach irgendwas, irgendwer lässt dich schon rein...“
Sabine blickte sich unschlüssig um – und plötzlich sah sie den Mann mit der Baseballkappe, der sich von der Kreuzung her dem Haus näherte. Vielleicht wenn er...?
„Ich weiß schon wie ich’s mach“, unterbrach Sabine ihre Freundin, die noch immer heftig hin und her überlegte. „Ciao, und warte auf meinen Anruf, ok?“
Sie hatten ausgemacht, dass Sabine anrufen würde, sobald sie in der Wohnung war, als Bestätigung, dass alles in Ordnung war und Gabi sich auf den Heimweg machen konnte. Gabi hatte das zwar etwas übertrieben gefunden, aber Sabine war eben Sabine.
„Ok...“, sagte Gabi etwas verwirrt.
Sabine ging wieder über die Straße, der Mann hatte das Haus bereits erreicht und drückte auf einen der vielen Klingelknöpfe. So unauffällig wie möglich ging sie ebenfalls auf das Haus zu. Ein leises Summen ertönte und der Mann drückte die Eingangstür auf. Sabine begann zu laufen und erreichte die Tür gerade noch, bevor sie wieder zufallen konnte. Sie schnaufte kurz durch und kam sich ein wenig albern vor. Die Neonlampe im Flur war defekt. Das Licht war dämmrig und zuckte unruhig. Der Mann stand am Aufzug und war gerade dabei, ihn zu betreten. Er sah kurz zu Sabine und fragte:
„Wollen Sie auch mit?“
„Nein, nein. Fahren sie ruhig, ich gehe“, sagte Sabine automatisch.
Es waren ja nur drei Stockwerke, und aus einem seltsamen Grund, den sie selbst nicht kannte, wollte sie diese letzten Schritte bis zu Thomas Tür alleine gehen. Der Mann verschwand im Aufzug. Sabine nahm die Treppe gleich neben dem Eingang. Gefaßt nahm sie Stufe um Stufe. Kurz vor dem zweiten Stock hörte sie, wie der Aufzug anhielt und die Tür geöffnet wurde. Er hatte direkt über ihr gehalten, im dritten Stock. Sie blieb zögerte kurz, ging dann aber weiter. Wenn sie oben angekommen war, würde der Mann hoffentlich nicht mehr auf dem Flur sein. Sie wollte bei ihrer kleinen Überraschung alleine sein.
Die letzten Stufen, eine Tür wurde geöffnet.
„Hallo, du bist spät.“
Sabine wollte eigentlich stehen bleiben, aber ihre Beine trugen sie auch noch die letzten beiden Stufen weiter. Neben ihr die Treppe, die weiter nach oben führte, dahinter die Wand, die noch den größten Teil des Flures verdeckte. Dahinter auch Thomas Wohnung...warum war es seine Stimme gewesen, die sie gerade gehört hatte?
Sabine schlich sich zur Wand, presste ihren Rücken dagegen. Die Augen weit aufgerissen lauschte sie.
„Tut mir leid, bin aufgehalten worden“, sagte die andere Stimme.
Seine Stimme...’Wollen Sie auch mit?’.
Sabine machte einen Schritt zur Seite, und wie schon am Mittag im Restaurant lugte sie wieder aus ihrer Deckung hervor – und beobachtete. Vor ihr lag der Flur. Der Mann mit der Baseballkappe stand vor Thomas’ Tür, Thomas selbst konnte sie nicht sehen. Und bevor sie in ihren wirren Gedanken, die auf sie einstürzten, auch nur annähernd die Frage beantworten konnte, was das alles sollte, sah sie die Hand ihres Mannes. Sie tauchte plötzlich über der rechten Schulter des Unbekannten auf, legte sich um seinen Hals, wanderte höher und die Finger strichen durch sein kurzes Haar. Im nächsten Moment beugte der Mann seinen Kopf nach vor, verschwand zur Hälfte hinter der Tür, aus Sabines Augen. Aber sie musste nicht sehen was geschah, sie hörte es. Ein leises Schnaufen, ein leises Schmatzen. Sie kannte das Geräusch von ihren eigenen Küssen mit Thomas. Es dauerte unendlich lange, und sie konnte nur dastehen, mit der Champagnerflasche, die sie kraftlos in ihrer rechten Hand hielt, und mit weit aufgerissenen Augen, über die sich langsam ein trüber Schleier aus Tränen legte.
„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr“, sagte Thomas, nachdem sich beide wieder aus ihrem Kuß gelöst hatten. „Morgen beginnt mein Urlaub, dann hätten wir uns zwei weitere Wochen nicht sehen können...“
Thomas Hand strich über die Wange des Unbekannten
„Komm rein!“, waren die letzten Worte, die Sabine von Thomas hörte. Der Mann mit der Baseballkappe verschwand hinter der Tür, die kurz darauf geschlossen wurde.
Es dauerte fast zwei Minuten bis Sabine einen Schritt aus ihrem Versteck wagte. Tränen hatten sich ihren Weg über die Wangen gebahnt, aber sie wischte sie nicht ab. Langsam trat Sabine auf den Flur hinaus, starrte nur wie gebannt auf die Tür, vor der eigentlich sie stehen hätte sollen. In ihrem Kopf formten sich immer wieder nur die Worte Nein, Nein, Nein und vor ihren Augen lag wie eingebrannt das Bild des Unbekannten in der Baseballkappe, wie er sich nach vorne beugte. Ihre Beine trugen sie weiter, vor die Tür. Kraftlos hob sie ihre rechte zur Faust geballte Hand, doch ihr Klopfen versiegte in einer ungelenken und unendlich müde wirkenden Bewegung. Sie ließ die Hand einfach wieder fallen. Zitternd und mit gesenktem Kopf stand sie da und weinte leise in sich hinein. Irgendwann blickte sie auf, nahm den Champagner und stellte die Flasche sanft vor der Tür ab. Dann lief sie nach unten, vor Tränen halbblind und so schnell sie nur konnte.

Gabi war gerade dabei sich eine Zigarette anzustecken, als sie Sabine an der Eingangstür bemerkte. Und bevor sie sich fragen konnte, warum ihre Freundin hier unten plötzlich wieder auftauchte, wusste sie, dass etwas schief gegangen war. Sabine lief als wäre der Leibhaftige hinter ihr her, ihre Arme wirbelten unkontrolliert im Takt ihrer Schritte und den Kopf hielt sie gegen die Brust gepresst. Erschrocken dämpfte Gabi die Zigarette wieder aus, stieg aus und ging um den Wagen herum, um ihre Freundin in Empfang zu nehmen. Sabine lief direkt in ihre Arme, presste den Kopf gegen ihre Schulter, und das Schluchzen umklammerte ihr Herz wie eine eisige Hand.
„Was...?“ stammelte Gabi.
„Sieben Jahre...“, heulte Sabine, und ihre Stimme klang schrecklich schrill und so gar nicht nach Sabine. „Sieben Jahre ... und ich hab mich nie gefragt, was er macht....ich hab mich nie gefragt was er macht....was er macht.“
Gabi strich ihrer Freundin tröstend über den Rücken und starrte in die Nacht hinein.

 

Hey.

Hmmm...ist nicht so die Sorte Text, die ich persönlich gerne lese, aber hier mal ein paar Eindrücke, kannst dann vergleichen, ob Du die so beim Leser erzielen wolltest...glaube aber eher nicht...

Erstens...das Geschehen ist absehbar, da die Geschichte so (Frau will Mann überraschen, und überrascht ihn tatsächlich...mit einer anderen) schon 1000mal erzählt wurde...die einzige 'Abwechslung' hier ist, dass Mann mit Mann fremdgeht...

Deine Protagonistin ist extrem naiv...so naiv, dass es nervt und vor allem unglaubwürdig erscheint...deshalb hatte ich beim Lesen nicht das geringste Mitleid mit ihr...möchte fast sagen 'selbst Schuld', bin der Ansicht, dass man schon ziemlich blind sein, um so lange nicht zu schnallen, dass man hintergangen wird...

Wenn es Dir im dem Text darum ging, extreme Naivität zu zeigen, ist Dir das gelungen...geht es Dir darum, den Schmerz, die Enttäuschung etc einer betrogenen Ehefrau darzustellen, geht bei mir der Daumen eher runter. Der Teil des Texts, der der 'Erkenntnis' folgt, ist nämlich mMn eher oberflächlich...

So long,
San

 

Mir hat die Geschichte leider auch nicht so sehr gefallen.. ich fand sie ziemlich langatmig und, wie gesagt, das Ende ist kaum eine Überraschung und die Protagonistin ein wenig nervtötend.
Es sind auch relativ viele Fehler drin, du verwechselst anfangs auch mal die Namen der beiden Freundinnen, und ich glaube, flüsternd schreien kann man auch nicht.
Liebe Grüße,
Anna

 

Also mir hat die Geschichte gefallen! Sicher, das Thema ist nichts Neues, aber seien wir mal ehrlich; gibt's wirklich noch superneue Themen? Nee, man muß Altes neu erzählen - und zwar gut! Genau dieses Gefühl hatte ich bei der Geschichte; ein altes Thema neu und gut erzählt! Spannend, obwohl man sich gleich denkt, wie's ausgeht. Aber der Stil ist schön und macht die Geschichte aus.

Also ich weiß nicht, was Ihr habt - mir hat die Story gefallen!

Gruß,
stephy

 

Hallo!

Warum springt man mir kritikmäßig immer gleich ins Gesicht, wenn ich damit beginne, Frauen in meinen Geschichten zu beschreiben?? :D
Sollte ich mir deswegen Sorgen machen? :cool:

 

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