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Kelpie
Verloren war ich in dem Wald der Dunkelheit.
"Ich kann wohl nie mehr von hier weg", dachte ich und stolperte durch das schwarze Dickicht, ohne Ziel, ohne Herkunft.
Da kam ich an einen Fluss. Er war breit, ich konnte das andere Ufer silbern schimmern sehen.
Ich blieb stehen und horchte dem Nichts.
Da war ich nicht mehr allein. Etwas regte sich im Wasser, tauchte unter, wieder auf, wieder unter und verschwand.
Doch ich wusste, dass es da war.
Stille. Da beschloss der Wassergeist, sich zu zeigen.
Der mächtige Körper eines Pferdes erschien, sein Fell hatte die Farbe des Vollmondes, sein triefendes Haar war pechschwarz.
Langsam trat es durch das Wasser auf mich zu. Ich war verzaubert von seiner Bewegung, verhext von der Kälte seiner Augen, die Kälte des Todes.
Da stand es vor mir, groß und unheimlich.
"Komm mit mir auf die andere Seite", sprach der Wassergeist. "Ich werde dich hinübertragen."
Ich stand schon im Wasser
"Komm mit mir."
und spürte seinen toten Atem an meinem Gesicht.
"Ich will nicht."
Doch meine Hand lag schon auf seiner Haut.
"Ich will nicht mit dir gehen."
Ich konnte mich nicht rühren. Nicht, wenn mich diese Augen so ansahen. Nicht, wenn mir eine Hand zart eine Träne von der Wange wischte.
Die Haut unter meinen Fingern war warm. Ich sah in ein menschliches Gesicht.
Schwarzes Wasser tropfte auf meine Schulter, als sie sich zur mir beugte.
"Ich bin auch allein", flüsterte sie.
Ich fand mich auf seinem Rücken wieder, da stürzte das Pferd in die dunkle Tiefe und zog mich mit, ich krallte mich an ihm, bloß in Kontakt bleiben, bloß den Halt nicht verlieren während die Welt verschwindet.
So ließ ich mich von ihm führen in die Ungewissheit. Vielleicht in die Hoffnung.