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Kellner des Reichtums.
Die Speisen, welche an diesem Abend aus der Küche kamen und denen ich den Gästen auftischte, waren für Zungen bestimmt, die eines ganz bestimmt hatten – eine dicke Geld-Börse. Schampus, Kaviar, Filets. Alles vom feinsten und sau teuer. An diesem Sonntagabend, war das Edel-Restaurant bis auf den letzten Platz gefüllt. Als junger Kellner, arbeitete ich gerade mal ein Jahr in diesem Schuppen hier, welcher fünf Sterne trug und für ein gehobenes und teilweise prominentes Publikum Speisen auftischte, die mit Leichtigkeit meinen Lohn um ein bis zwei Monate übertrafen.
Den Beruf des Kellners, hatte ich in einem Sterne-Restaurant erlernt und meine erste Stelle die ich nach einer gewissen Suche fand, war entsprechend in einem eben solchen. Auf das Kleinste gepflegt, top gestylt und in einem sehr teuren Kellner-Fummel gezwängt, stand ich auf einem guten Posten, um den Gäste-Bereich unter Beobachtung zu halten. Der Gäste-Bereich selber, war mit Designer-Tischen und Stühlen ausgestattet und mit Gemälden von namen-haften Künstlern geschmückt. Nur das Beste, nur das Teuerste für Deutschlands Geldadel.
Ich musste etwas schmunzeln als ich mich daran erinnerte, dass letztens ein bekannter Fußball-Profi bei uns speiste – zusammen mit seiner unfassbar scharfen Frau. Wie gerne hätte ich ihn nach einem Autogramm gefragt, aber so eine Frage, hätte mich meinen Job kosten können. Für die gut betuchten Gäste nur professionelle Freundlichkeit, nur professionelle Fassade und nichts anderes. An den Tischen wo die Gäste saßen, floss der Schampus in Strömen und lockerte immer mehr die Stimmung.
Die Männer – zu meist alles Vorstände großer Konzerne, Unternehmer, reiche Erben und Größen aus der Show-Branche – waren gehüllt in unverschämt teure Anzüge.
Die mitgeführten Frauen in ebenso teuren Kleidern, wo bei manchen allenfalls die Schönheit des Kleides zur Geltung kam und sonst nichts. Die Stimmung war ausgelassen, es wurde gelacht und diskutiert – meistens über das Geschäft, über das liebe Geld und über Politik.
So ein Schlag von Menschen, hatte mich schon seit meinem Bundesfreiwilligendienst angewidert, während ich mit eigenen Augen betrachten konnte, was wirkliche Armut in Deutschland bedeutet.
Im Grunde genommen war die Szenerie, die ich damals als Bundesfreiwilliger sah, nicht ungleich. Meinen Bundesfreiwilligendienst absolvierte ich, bevor ich meine Lehre begann, in einem Wohnheim für Obdachlose. Dort saßen zu bestimmten Zeiten auch Menschen in einem großen Raum, um Nahrung aufzunehmen. Der Unterschied war, dass in diesem Raum keine teuren Gemälde hingen und dass dort Individuen saßen, welche Klamotten aus einer Kleiderkammer bezogen und teilweise keinen Cent in der Tasche hatten. Diese Menschen bekamen auch keinen Kaviar und Schampus, sondern aßen eher Linsensuppe aus teilweise gespendeten Rohstoffen.
In diesem Speisesaal wurde auch nicht wirklich gelacht, sondern manchmal brach der Eine oder Andere vor Verzweiflung und Kummer in Tränen aus. Einige waren auch betrunken oder zu gedröhnt, um beide genannten Tatsachen zu überdecken. Kaum einer konnte wirklich etwas für sein Elend. Fast alle die im Speisesaal des Wohnungslosenheims saßen, waren mehr oder weniger für die heutige Arbeitswelt unbrauchbar und hatten nie eine echte Chance auf Arbeit und ein geregeltes Einkommen gehabt.
Den Frust über diese Ausgrenzung, kompensierten dann halt viele mittels Alkohol oder Drogen oder beides, wodurch ihr Leben komplett aus den Händen entglitt. „Was für ein perverser Kontrast!“, dachte ich wütend, während ich weiterhin den Gäste-Bereich beobachtete, der mit Schickeria gefüllt war. Ich fragte mich, ob so eine gesellschaftliche Spaltung gut gehen kann. Aber als einfacher Kellner, sollte ich mich nicht unbedingt mit politischen Fragen auseinandersetzen, sondern auf meine Arbeit konzentrieren.
Etwas seitlich von mir bemerkte ich, das die Hand gehoben wurde – das Zeichen für mich, zu dem Tisch rüber zu gehen. „Was wünschen die Damen und Herren?“, fragte ich mit meiner professionellen Freundlichkeit, als ich am Tisch mit den vier Gästen angekommen war. „Wir sind fertig mit dem Essen. Können Sie uns bitte den Tisch abräumen und uns noch diese Flasche Wein bringen?“, erklärte und fragte mich der Mann mit fester Stimme, während er mit seinem Finger auf den Wein auf der Karte zeigte. Der Mann war schlank, relativ groß, hatte kurze schwarze Haare, wirkte auf mich mittel-alt und kam mir irgendwie bekannt vor. Die Frau neben ihm, war nicht nur schlank, sondern hatte eine sehr sportliche Figur, brünette Haare und sah für ihr ebenfalls mittleres Alter, umwerfend gut aus.
Dem augenscheinlichen Paar, saßen zwei dicke Männer gegenüber, die beide braune kurze Harre trugen sowie der Rechte eine silberne Designer-Brille auf der Nase hatte. „Gerne werde ich Ihnen noch eine Flasche Wein bringen.“, antwortete ich dem Mann und fügte anschließend noch die Frage hinzu: „Hat es Ihnen allen denn gemundet?“. „Es hat hervorragend geschmeckt!“, antwortete mir die Frau neben ihm mit freundlicher Stimme und lächelte mich dabei selbstsicher an.
Während ich die Teller und das Geschirr mit meiner eingeübten Ruhe einsammelte, lauschte ich dem Gespräch der am Tisch sitzenden Gäste:
„Wie oft habe ich den Parteifreunden schon gesagt, dass die FDP für die Menschen einstehen muss, welche in dieser Gesellschaft Leistung erbringen?!
Darum müssen wir Liberalen viel stärker dafür eintreten, nach Möglichkeit, den Hartz IV-Regelsatz weiter zu drücken, denn dieses Geld benötigen wir, für eine weitere Reform der Erbschaftsteuer und für eine Senkung des Spitzensteuersatzes!“.
Nachdem dieser Typ diese Sätze ausgesprochen hatte, fiel mir schlagartig ein, wer er war. Ich sah ihn letztens als Gast im Fernsehen bei einer politischen Talk-Show. Er wurde dort als hoher Funktionär einer Partei ausgegeben, die sich perverser Weise auch noch „Liberal“ schimpfte.
In dieser Talkshow gab er den gleichen unmöglichen Scheiß von sich. Spontan viel mir meine liebe Tante ein – sie hatte Krebs und die Chemotherapie, richtete an ihrem Körper leider so erheblichen Schaden an, dass sie teilweise auf einen Gehfrei angewiesen war und entsprechend nicht mehr arbeiten konnte. Diese musste zwangsweise von Hartz IV leben, da eine Erwerbsminderungsrente bei ihr noch nicht möglich war – wobei mit einer Rente, für sie, von der Geld-Höhe her kein sonderlicher Unterschied bestanden hätte. Das Leben mit Hartz IV bedeutete für meine kranke Tante, dass sie jeden Cent umdrehen musste, Heizkosten einzusparen, sowie mehrmals im Monat zur Tafel zu gehen. „Dieser Frau, also meiner Tante, soll das Geld noch weiter gekürzt werden?!“, dachte ich mir so, während meine Wut über diesen schwätzenden Politiker immer größer wurde.
Ich hatte bereits das komplette Geschirr aufgeladen, als ich diesen Dummschwätzer plötzlich nur noch ansehen konnte. Der FDP-Politiker bemerkte dieses, beendete sein Gerede und schaute mich ebenfalls an. Wir beide schauten uns nun in die Augen und ich viel in eine so tiefe Gewaltphantasie, wie ich sie noch nie hatte:
Ich stellte mir vor, das Geschirr wieder zurück auf den Tisch zu stellen – bis auf einen länglichen Teller, auf dem die Filets-Scheiben seitlich der Reihe nach gelegen hatten.
In meiner Phantasie visierte ich das Gesicht des Politikers an, holte aus und schlug mit aller Kraft, die mir zur Verfügung stand, zu. Getroffen an der Stirn, viel der Politiker bewusstlos mit einer Platzwunde seitlich von seinem Stuhl. Seine Begleitung neben ihm, hätte bestimmt versucht ihn aufzufangen, wäre aber wahrscheinlich durch das Körpergewicht des Mannes, ebenfalls zu Boden gerissen worden.
Ich erwachte aus meinen Phantasien und nahm wieder das verwirrte Gesicht des FDP-Politikers wahr, welcher mich immer noch anschaute.
„Äh? Entschuldigen Sie bitte? Ist irgendetwas?“, fragte mich der Mann.
„Nein. Tut mir leid! Ich hatte nur kurz geträumt. Ich werde Ihnen jetzt unverzüglich Ihren Wein bringen.“, entgegnete ich auf diese Frage, drehte mich um und begab mich eilig auf den Weg.