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Keller und ich

Lea

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09.03.2020
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Keller und ich

Keller und ich

«Wieviele Katzen haben Sie zuhause?», frage ich ihn. Er steht an seinem Schreibtisch, schiebt die Lesebrille Richtung Nasenspitze und schaut mich an. «Pferde», sagt er, «Pferde. Ich habe Ihnen doch geasgt, dass Reiten der einzige Sport ist, der mir seit dem Unfall noch möglich ist.» Ja, denke ich, klar weiss ich das, wie könnte ich das vergessen haben, er hat genug davon gesprochen. Er spricht jedes Mal davon. Dabei schaut er mich an, mit einem Blick, den ich nicht deuten kann. Er schaut in mein Gesicht, als wäre ich ein leerer Sorgenbriefkasten. Gut, leer bin ich, aber mein Äusseres erinnert wohl kaum an einen schnittigen, rot lackierten Blechkasten. Ich könnte mir zumindest die Fingernägel lackieren. Ich würde es tun, wenn nicht grad alle meine Lackdöschen vertrocknet wären. Und ich nicht in einem unendlichen Sumpf stecken würde, in dem Farben nicht vorgesehen sind.

Irgendetwas läuft da ganz gewaltig schief, denke ich, als ich in seinem Zimmer sitze. Und damit meine ich nicht nur, dass es nach Katzenpisse riecht und die Orchideen auf dem Fenstersims jämmerlich daherkommen. Es ist auch nicht die Tatsache, dass der Husten im Nachbarzimmer meinen Stuhl zum Zittern bringt und die Schritte auf dem Korridor lautstärkemässig quasi durchs Zimmer führen. Auch nicht, dass über seinem Schreibtisch eine Karte hängt mit dem pinkfarbenen Aufdruck «Das einzig Gesunde an einem Donut ist das Loch.». Haha, denke ich, unglaublich lustig. Und ich sage Ihnen, ich lese die Karte jedes Mal und ich versuche, zu lachen. Vergeblich. Gut, dies könnte auch daran liegen, dass ich ja eben hierherkomme und dass da Lachen nicht zwangsläufig zu meinem Repertoire gehören muss. Eine verlotterte Villa, ein Provisorium, wie er mir bei meinem ersten Besuch erzählt hat. Sowieso hat er damals sehr viel, also wirklich sehr, sehr viel erzählt. Von diesem Provisorium, von seinen erkälteten Arbeitskolleginnen, vom knarrenden Treppenhaus, davon, dass er immer erreichbar sei und von den Jahren bis zu seiner Pensionierung, die er bestimmt in diesem Provisorium verbringen müsse. Was ihn zum Nachdenken und vor allem Referieren über den Begriff Provisorium im Allgemeinen und des Schweizers Anspruchshaltung im Speziellen anregte. Grad so in der Vorweihnachtszeit sei dieser vertiefte Beachtung zu schenken. Zwischendurch holte ich immer wieder tief Luft, meine Worte, dachte ich, meine Worte wollen auch raus. Gerne hätte ich dazwischengeworfen, dass seine Pensionierung bestimmt noch lange, sehr, sehr lange auf sich warten liesse.

Doch ich schaffte es nicht, ich sah keine Möglichkeit, seinen Redefluss zu unterbrechen. Einmal schaute er mich kurz an, «wenn Sie etwas sagen möchten, hängen Sie einfach bei einem Komma ein, das machen alle so.» Ich sage Ihnen, ich kenne die Kommaregeln. Doch der Mann setzt keine Kommas. Niemals. Als wir uns verabschieden, stellt er fest, dass ich mich angenehm ruhig verhalten hätte. Eine Wohltat, bei all dem, was ihm sonst so unter die Nase gerate.

Wobei das Wort Nase ihn grad wieder triggert. «Ist die Luft hier drin schlecht?», fragt er mich. Ich denke, dass die Luft erbärmlich sei. Bevor ich dies nett formulieren kann, kommt es zu einem weiteren logorrhöischen Ausbruch seinerseits. Weil er ja eben seit dem Unfall kaum etwas rieche und weil die Nase wohl niemals mehr zurückkehren würde. Ja, tatsächlich sei er grad ausreichend mit der Bewältigung dieser Tatsache beschäftigt. Dies erkläre auch seine Verspätung, für die ich halt schon Verständnis zeigen müsse. Ich denke nach, er denkt nach, ausnahmsweise. Da brechen die Worte in einem Sturm aus mir heraus. Ich hätte gefälligst keinerlei Verständnis, ja, keinerlei, weder für Gestank, noch für Unfälle, noch für Pferde. Und schon gar nicht, aber überhaupt nicht für Verspätungen. «Bleiben Sie ruhig», sagt er, «Setzen Sie sich wieder hin. Möchten Sie ein Glas Wasser?». Ich entgegne, dass ich mich nicht beruhigen würde und dass der Tag nicht mehr fern sei, an dem ich ihn nach seinem Unfall befragen würde. «Noch können Sie ruhig schlafen», sage ich, «doch ich werde Sie auseinandernehmen, ich werde Ihren Unfall analysieren, ich werde Ihre Gedanken sezieren, dass Ihnen übel wird. Und Ihre elenden Orchideen werde ich der Katze zum Frass vorwerfen.» Kurz hole ich Luft, noch ist nicht alles gesagt. Ich sehe, dass er mit zitternder Hand zum Telefon greift. «Sie werden sich wundern, wie Sie mir zuhören werden, Sie werden mir zuhören. Und für den Fall, dass Sie mich auch nur einmal noch warten lassen, seien Sie gewarnt, ich kann noch ganz andere Töne. Sie meinen, Ihr Leben sei ein Drama? Wappnen Sie sich, sorgen Sie vor, solange Sie noch können. Hier bin ich die Dramaqueen.»

 

Hallo @Lea

und damit herzlich willkommen hier.

«Wieviele Katzen haben Sie zuhause?», frage ich ihn.
Ich habe mal gehört, dass es ungeschickt ist, einen Text mit wörtlicher Rede beginnen zu lassen. Und ich finde das hier auch nicht so gut.
... frage ich ihn. [Zeilenwechsel]Er steht an seinem Schreibtisch, schiebt die Lesebrille Richtung Nasenspitze und schaut mich an. «Pferde», sagt er, «Pferde. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Reiten der einzige Sport ist, der mir seit dem Unfall noch möglich ist.» [Zeilenwechsel]Ja, denke ich, ...
Bei einem Perspektivwechsel (was ein Sprecherwechsel ist) ist es gut, einen Zeilenwechsel im Text zu haben. Dann hat der Leser eine bessere Chance dem Text zu folgen.
Er schaut in mein Gesicht, als wäre ich ein leerer Sorgenbriefkasten. Gut, leer bin ich, aber mein Äusseres erinnert wohl kaum an einen schnittigen, rot lackierten Blechkasten. Ich könnte mir zumindest die Fingernägel lackieren. Ich würde es tun, wenn nicht grad alle meine Lackdöschen vertrocknet wären. Und ich nicht in einem unendlichen Sumpf stecken würde, in dem Farben nicht vorgesehen sind.
Fand ich ganz nett, diese Abschweifung der Gedanken, wenn ein aderer redet.
«wenn Sie etwas sagen möchten, hängen Sie einfach bei einem Komma ein, das machen alle so.» Ich sage Ihnen, ich kenne die Kommaregeln.
Das "Ich sage Ihnen" finde ich furchtbar - warum spricht mich der Protagonist jetzt direkt an?
Das mit den Kommaregeln selbst fand ich wiederum wunderbar.
Ich denke nach, er denkt nach, ausnahmsweise. Da brechen die Worte in einem Sturm aus mir heraus. Ich hätte gefälligst keinerlei Verständnis, ja, keinerlei, weder für Gestank, noch für Unfälle, noch für Pferde. Und schon gar nicht, aber überhaupt nicht für Verspätungen.
Ach diese Stelle ist so schade! Wieso höre ich den Ausbruch nicht? Wieso wird er nur so beiläufig erzählt? <- haben wir nicth genau darauf den ganzen Text gewartet? und dann kommt nur ein: oooch, jetzt bin ich aber explodiert.

Fazit: Es sind schöne Ideen im Text, leider lässt er mich etwas ratlos über das Setting zurück.

Ich hoffe, Du kannst mit menem Kommentar etwas anfangen (Ist ja nur ein Subjektiver Leseeindruck ;))
Gruß
Pantoholli

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Lea

erstmal willkommen im Forum. Ich bin gespannt auf deinen ersten Text und lese ihn jetzt erst mal.

Ich verstehe die Handlung im Text nicht so ganz.
Sprachlich finde ich es schön geschrieben, aber ich raff nicht wirklich um was es geht.

Mal schauen, ob mir noch irgendetwas auf fällt, wenn ich ihn ein zweites Mal lese:

«Pferde», sagt er, «Pferde. Ich habe Ihnen doch geasgt, dass Reiten der einzige Sport ist, der mir seit dem Unfall noch möglich ist.»
Das gefällt mir gut, ließt sich schön.
Er schaut in mein Gesicht, als wäre ich ein leerer Sorgenbriefkasten. Gut, leer bin ich, aber mein Äusseres erinnert wohl kaum an einen schnittigen, rot lackierten Blechkasten
Das Bild, das du damit erzeugst find ich gut. Ich kann mir damit gut vorstellen, wie er sie anschaut.
«Das einzig Gesunde an einem Donut ist das Loch
Da musste ich schmunzeln.
Und ich sage Ihnen
Das finde ich komisch; mag nicht direkt angesprochen werden.

Ich persönlich kann mit dem Text nicht so viel anfangen. Für meinen Geschmack sind da zu viele Gedankengänge und zu wenig Handlung. Zudem glaube ich es nicht ganz zu verstehen. Aber hey, ist nur meine bescheidene Sicht.

Danke für den Text.
Man liest sich!

Gruß aufdemWeg

 

Hallo pantoholli und aufdemWeg, danke euch fürs Lesen des Textes und die Rückmeldungen. Zur Klärung: das Setting, in der sich die Protagonistin befindet, ist das Sprechzimmer eines Psychiaters. Vielleicht macht es den Text verständlicher, das zu wissen. :-)
Liebe Grüsse, Lea

 

Hallo @Lea

das Setting, in der sich die Protagonistin befindet, ist das Sprechzimmer eines Psychiaters.
Hatte ich mir sogar schon gedacht. Aber ist die erste Lektion im Studium eines Psychaters nicht: "Zuhören"?
kommt mir daher ziemlich unrealistisch bzw. voll unprofessionel vom Psychater rüber. Ich war noch nicht beim Psychater, aber ALLE Ärtze haben mit bisher zugehört - und keiner hat mir nen Ohr abgekaut.

Oder anders. Die Erklärung macht den Text nicht besser ;)

^^wie gesagt: ist nur mein Leseeindruck ;)

Gruß
pantoholli

 

Hatte ich mir sogar schon gedacht. Aber ist die erste Lektion im Studium eines Psychiaters nicht: "Zuhören"?
nicht nur beim Seelenklempner,

lieber @pantoholli

aber da ich gerade neben aktueller Soziologie Habermas‘ TkH in der für mich jungfräulichen Fassung von 1995 statt meiner alten, reichlich mit Randnotizen versehenen, aber bei irgend einem Umzug abhandengekommenen, älteren Fassung lese statt seiner modernen Phänomenologie des Geistes (mit der seine „Geschichte …“ schon verglichen wird) kann ich behaupten, dass es ein Kunststück auch für wohltrainierte Zuhörer/Empfänger ist, sich nur auf den Sprecher/Sender zu konzentrieren, und niedergelassene Ärzte sind ja auch nix anderes als „Selbständige“, sprich: Unternehmer, Götter des Liberalismus - oder eben als angestellte Ärzte nur noch Halbgötter in weiß und die Erwähnung der „Pensionierung“ verrät – eigentlich, dass da kein geduldiger Gott, sondern bestenfalls ein Angestellter mit vielleicht chefärztlichen Liquidationsrechten plaudert, es gilt halt auch dort: Nobody‘s perfect!, und damit erst einmal

herzlich willkommen hierorts,
Dramaqueen, oder doch besser,

Lea!,

und nachdem ich das kleine Debut gelesen habe, atme ich tief durch und freue mich, dass es nichts von Jan Philipps Reemtsma „Im Keller“ hat. Was natürlich mir auffällt, ist für einen relativ kurzen Text die Fehlerquote (auch kurze Texte sollte man/frau korrekturlesen!), dass die Selbstaussage

«wenn Sie etwas sagen möchten, hängen Sie einfach bei einem Komma ein, das machen alle so.» Ich sage Ihnen, ich kenne die Kommaregeln.
gewagt erscheint - und es fängt bereits mit dem ersten Wort an
«Wie[...]viele Katzen haben Sie zuhause?», …
und am deutlichsten bei versehntlichen Drehern wie hier
Ich habe Ihnen doch geasgt, dass …

Irgendetwas läuft da ganz gewaltig schief, denke ich, als ich in seinem Zimmer sitze. Und damit meine ich nicht nur, dass es nach Katzenpisse riecht und die Orchideen auf dem Fenstersims jämmerlich daherkommen.
Ist nicht für schon Vorhandenes ein „daherkommen“ die falsche Wahl?

... mit dem pinkfarbenen Aufdruck «Das einzig Gesunde an einem Donut ist das Loch.»[...]

Und ich sage Ihnen, ich lese die Karte jedes Mal und ich versuche[...]zu lachen.
Ein Komma zerschlüge das (komplexe) Prädikat „zu lachen versuchen“!

Als wir uns verabschieden, stellt er fest, dass ich mich angenehm ruhig verhalten hätte.
Warum die indirekte Rede (…, dass ich …) statt mit seinem Konj. I („habe“) mit dem Zweifel des Konjunktiv II „hätte“ belasten? Glaubt oder vertraut die Icherzählerin dem Arzt (eher wohl nicht „ihrer Wahl“, wenn ich den Text richtig verstehe) nicht so recht?

Seltsam, dafür gibstu dann statt des Indikativs für den eigenen Gedanken der Icherzählerin den Konj. I für den Gedanken der Icherzählerin weiter ...

Ich denke, dass die Luft erbärmlich sei.
Obwohl die Icherzählerin doch Herrin ihrer eigenen Gedanken sein sollte und feststellt, dass die Luft erbärmlich „ist“.

«Bleiben Sie ruhig», sagt er, «setzen Sie sich wieder hin. ...
Das Komma erzwingt die Minuskel, die von Dir gesetzte Majuskel erfordert statt des Kommas einen Punkt oder Doppelpunkt

Ich entgegne, dass ich mich nicht beruhigen würde und dass der Tag nicht mehr fern sei, an dem ich ihn nach seinem Unfall befragen würde.
Warum dieses Gemisch aus Konj, I (fern sei) und Konj. II (würde)? Die Konjunktion „dass“ ermöglicht ja sogar den Indikativ!

Wesentliches bleibt für mich, dass Du aufmerksam Korrektur lesen solltest oder lesen lässt. Der unterschwellige Humor verspricht einiges.

Schau‘n wir mal, was wird.

Bis dann


FRiedel

 

Hallo @Lea

Ich kann mit dem Text nichts anfangen. Da ich nicht erfahre, wie die Personen zueinander in Beziehung stehen und was der Anlass des Gesprächs ist, kann ich das alles nicht nachvollziehen. Ich fühle mich, als belauschte ich ein Gespräch zwischen Fremden in der Bahn.
Da steht ein Text, der nicht dafür gedacht ist, dass Leser ihn begreifen.
Manche meinen, das sei Kunst.

Schönen Gruß!
Kellerkind

 

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