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Keine Liebe für Paul

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30.06.2014
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Keine Liebe für Paul

Geschäftig tunkte er die Rolle in den Farbeimer. Eierschale, ein warmes Weiß, das trotz seines beigen Anteils nicht aussehen sollte wie eine Tapete nach fünf Jahren Raucherhaushalt. Er war kein mutiger Inneneinrichter, aber er wollte den Neuanfang feiern mit dieser zurückhaltenden Farbe, die nicht juhu schrie, aber doch neu roch. Er hoffte, sich in diesen Räumen für immer niederzulassen, hier auf ein Leben alleine vorzubereiten. Lächelnd strich er die Walze über die Raufasertapete. Das schmatzende Geräusch und die feuchten Spritzer im Gesicht machten ihm Spaß.
Fast vergaß er, dass er im Anschluss ein Junggesellenbettgestell montieren würde und dass zu dem kleinen Tisch in der Küche ein echter Stuhl und ein Alibistuhl gehörten. Der mit Verwendung hatte das Fenster im Rücken, zufällig schweifende Blicke in die Welt draußen waren herausfordernd, manchmal traf ihn sein Problem unvorbereitet, während er in ein Honigbrot biss.

Die neue Wohnung hatte drei Räume. Im kleinsten würde er sein Schlafzimmer einrichten, der größte Raum war als das Wohnzimmer vorgesehen. Das dritte Zimmer war schwieriger. Sein Hobby, die Drohnen, würde viel Raum einnehmen. Das war gut. Aber es gab da noch den PC. Er hatte lange darüber nachgedacht, diesem gar keinen Raum mehr in seinem neuen Leben zu gestatten. Aber lebe heute ohne Internet, er hatte es versucht, das ist schlicht unmöglich. Vor dem Umzug hatte er alles platt gemacht, neu formatiert, aber wenn er ehrlich zu sich selber war, wie oft hat er das schon getan in der Vergangenheit? Hatte es etwas genutzt?

Die Tabletten halfen. Aber tief in ihm drin gab es einen Raum, in dem er sich nichts mehr wünschte als zu lieben, rein und unschuldig. Und Liebe zurückzubekommen. Auch die Gier nach Körperlichkeit gab es dort. An die Tür hatte er ein Schloss angebracht, den Schlüssel versteckt. Es gab immer mehr Tage, an denen ihn die Kenntnis des Ortes nicht drückte. Ihn der Drang das Monster raus zu lassen nicht in Versuchung brachte.

Ein weiterer Schritt in sein neues Leben bedeutete sich Verbündete zu suchen. Seine Freunde und Familie einzuweihen. Dazu hatten sie ihm in seiner Gruppe geraten. Aber er hatte schreckliche Angst, diese Beziehungen mit seinem Problem zu vergiften. Er wollte Suse als erstes einweihen. Ihrer langjährigen Freundschaft traute er zu, das zu tragen. Um dem Aufschieben entgegenzuwirken, hatte er sich mit ihr verabredet. Hoch offiziell am Freitag. Er hatte ihr gesagt, dass es etwas Wichtiges zu bereden gäbe, um sich selber zu zwingen, damit herauszurücken.

„Du willst doch immer wissen, warum ich keine Freundin habe?“, den Satz hatte er sich zurechtgelegt, ihn auszusprechen war unglaublich schwer. Seine Zunge klebte trocken am Gaumen.
„Aha. Na endlich, komm, sags einfach, du bist schwul, das weiß ich eh schon, alter Feigling. Nach zwei Jahrzehnten Freundschaft vertraust du mir endlich“, jammerte Suse und legte mit großer Geste das Ohr frei. „Also?“
„Nein, ich, ich bin nicht schwul.“ Er sackte merklich in sich zusammen.
„Um Gottes willen, was ist los?“
„Ich liebe Kinder.“ Jetzt war es raus. Er stand versteinert mitten im Park und traute sich nicht, die krampfhaft zugedrückten Augen wieder zu öffnen. Der Satz mit den drei Worten, der alles veränderte, der Gut zu Böse machte, stand zwischen ihnen. Er wollte die Reaktion in Suses Augen nicht sehen. Aber er wusste, so nicht weiter stehenbleiben zu können und öffnete sie vorsichtig wieder. Schaute ihr nur auf die Füße. Sie war nicht weggelaufen, immerhin.
„Wie meinst du das? Sexuell? Oder willst du gerne Kinder haben, verdammt, jetzt sag doch was, Paul und stehe nicht rum wie ein Depp!“ Ihre Stimme bekam einen hysterischen Unterton, was ihm die Antwort nicht erleichterte.
„Also gut. Ich liebe Kinder sexuell. Ich hab mich aber noch nie an einem vergriffen. Das musst du mir glauben.“
„Woher weißt du es dann?“ Auch ihre Bewegungen wirkten nun eingefroren.
„Ich weiß es eben. Erwachsene interessieren mich nicht in dem Zusammenhang.“
„Also … Also bist du als Kind missbraucht worden? Dein Vater?“
„Himmel, nein, du kennst doch meine Eltern. Sie sind toll.“
„Aber so etwas fällt doch nicht vom Himmel?“
„Doch, leider schon. Ich bin Kernpädophil, das heißt, die Orientierung ist angeboren. Stell dir einen Raum im Himmel vor, wo die Seelen der Baldmenschen in einer Art Warteraum sitzen. Dort bekommt man seine Grundausstattung. Mir wurde: Männlich, sexuelle Orientierung: Kinder aufgeklebt. So wie Dir Frau: Heterosexuell. Oder hast du das Gefühl, dich dazu entschieden zu haben, Männer zu lieben?“
„Das ist ja wohl etwas anderes“, schmetterte sie ihm entgegen.
„Nein, es ist nichts anderes. Es war einfach da. Das ist auch der heutige Stand der Wissenschaft, keiner kann sich bisher erklären, warum der eine Mann Frauen, ein anderer Männer und der nächste Kinder liebt.“
„Du willst das jetzt aber bitte nicht mit Homosexualität vergleichen, ich glaub, es hakt!“
„Nein, ich versuche es nicht schönzureden. Sondern ich versuche, es dir zu erklären. Nicht alle Pädophile missbrauchen Kinder, nicht alle Täter sind pädophil.“
„Was soll das heißen? Ein Täter, der Kinder missbraucht, ist ein pädophiles Schwein.“
„Ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus. Um ein Kind zu missbrauchen, muss man nicht pädophil sein. Man kann selber missbraucht worden sein, oder man kann psychisch krank sein und es tun, um Macht auszuüben“, versuchte er es halbherzig.
„Findest du es nicht immer krank, Kinder zu missbrauchen?“ Sie sah ziemlich geschockt aus und hatte ihre obligatorische roten Flecke am Hals, ein Zeichen, dass sie maximal gestresst war. Er erahnte auch eine Spur Ekel und trat ein Stück zurück.
„Ja, schon.“ Resigniert bedeckte er seine Augen mit den Händen. Es war so schwer. „Was ich sagen wollte: Es gibt einen kleinen Prozentsatz Männer und einen noch viel kleineren von Frauen, die Kernphädophil sind, sprich, damit auf die Welt geschissen wurden und nun sehen können, wie sie mit der Scheiße umgehen. Man geht von einem Prozent Männer aus. Zu denen gehöre ich.“ All diese geübten Antworten schienen sie nicht recht zu überzeugen, wie auch, er hatte sich ja eben als Monstrum geoutet.
„Und wie gehst du damit um?“
„Ich habe eine Therapie angefangen. Ich nehme Tabletten, die mich chemisch kastrieren, um den Sexualtrieb zu unterdrücken.“
„Also wurdest du schon mal verurteilt?“
„Verdammt noch mal, nein, ich habe dir doch gesagt, dass ich mich noch nie an einem Kind vergriffen habe.“
„Okay, Paul. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll.“
„Das kann ich mir vorstellen.“
„Was ist das für eine Therapie?“
„Es ist ein Präventionsnetzwerk und heißt kein Täter werden. Ich fahre einmal die Woche nach Berlin in die Charité und habe da eine Gruppentherapie. Ich mache das schon über ein Jahr, vieles ist besser geworden. Wir lernen, nicht mehr unseren Impulsen nachgehen zu müssen. Ich missbrauche Kinder nicht direkt, aber ich habe in der Vergangenheit indirekt missbraucht, weil ich pornographisches Material im Netz gesucht habe. Dagegen kämpfe ich in der Therapie an“, mechanisch hangelte er sich von einer vorgefertigten Antwort zur anderen.
„Also kann man das wegbekommen? Bist du hinterher geheilt und kannst normal leben?“
Hier musste er lachen. Wie man über den schlechtesten Witz aller Zeiten lacht. Geheilt werden. Was sollte er darauf antworten? Er gab die passende Antwort, die sie in der Gruppe im Rollenspiel gelernt hatten:
„Ja und nein. Ich kann lernen, den Trieb zu unterdrücken, aber ich kann nicht lernen, eine normale Beziehung mit einem erwachsenen Mensch zu führen.“
Das hörte sich gut an in der Theorie. Verschwieg aber komplett die Nächte wo sein Schwanz wund war, vom ständigen Wichsen, als er einen Film nach dem anderen angeschaut hatte, getrieben, es endete immer mit dem Zusammenbruch. Eben hatte er noch voller Lust dabei zugesehen, wie ein alter Mann mit vom Bildformat abgeschnittenem Kopf das kleine Ding fickte. Eben hatte es ihn noch erregt, wie sie den Mund öffnete und einen unbestimmten Ton ausstieß. Genau auf diese Lautäußerung hatte er abgespritzt. Das Sperma auf seinen Händen war noch nicht abgekühlt, sein Lustpegel allerdings fast schlagartig, plötzlich konnte der den Ton einordnen. Es war ein Schmerzenslaut. Dem kleinen Mädchen tat der riesige Penis in der viel zu kleinen Öffnung weh. Schon brandete der Selbsthass in ihm auf, das Mitgefühl, die Verdammnis. In dieser Nacht erwachte er plötzlich aus dem Strudel des Selbsthasses mit dem Messer am Schaft und dem verzweifelten Versuch, sich selber zu kastrieren. Das war der Zenit. Danach suchte er sich Hilfe.
„Das heißt, keine Liebe, niemals, keine Beziehung, keine Ehe, kein Sex, kein Nichts? Paul? Niemals kannst Du eine Frau lieben, oder einen Mann? Sag doch was!“
„Genau.“
Nun breitete sich ein Schweigen zwischen ihnen aus. Er gab ihr Zeit. Und nutze sie für sich, um sich ein bisschen zu erholen. Schaute den Schwänen auf dem Teich zu, die ein Blesshuhn jagten.
Plötzlich nahm Suse Pauls Hand und schaute ihm in die Augen.
„Das ist schrecklich.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Ungelenk versuchte er sie zu trösten. Die selbstverständliche Unbefangenheit vieler Jahre Freundschaft war wie weggeblasen.

 
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Hallo Gretha,

den Anfang Deiner Geschichte finde ich sehr gut.

Fast vergaß er, dass er im Anschluss ein Junggesellenbettgestell montieren würde und dass zu dem kleinen Tisch in der Küche ein echter Stuhl und einen Alibistuhl gehörten. Denn die Sitzmöglichkeit Nummer Zwei war nur eine Maskerade. Der Echte hatte das Fenster im Rücken, zufällig schweifende Blicke in die Welt draußen waren herausfordernd, manchmal traf ihn sein Problem unvorbereitet, während er in ein Honigbrot biss.
"Alibistuhl" finde ich super. Aber der Satz danach ist überflüssig. Du hast ja schon gesagt, dass er allein sein wird und im Alibistuhl steckt das drin, dass der nur Maskerade ist.

Dein Text hat mich sehr stark an einen sehr guten Artikel erinnert, den ich vor einiger Zeit, ich glaub auf Spiegel online, gelesen habe. Da ging es um einen Patienten bei diesem neuen Charité Präventionsprojekt. Der hat die Not dieses Mannes, der keinem Kind schaden wollte, sein Begehren aber nicht einfach abstellen konnte, sehr sensibel gezeigt, ganz ohne Krawall und Senationslust, aber auch ohne den Schaden, den so ein Trieb anrichten kann, wenn er denn zu tatsächlichem Missbrauch führt, zu verharmlosen. Leider hab ich den Artikel jetzt nicht mehr gefunden, nur dieses Interview, wo im Grunde, die Fakten drinstecken, die Du auch im Text verarbeitet hast.
Ich halte das für ein wichtiges Thema und es regt mich auch auf, wie manche Leute "den Pädophilen" als konsensfähigen Prügelknaben benutzen, auf den sie all ihre Abscheu und Gewaltphantasien projizieren, so "Schwanz ab", "Todesstrafe", "Rachevergewaltigung". Gar nicht mal Menschen, die irgendwie betroffen sind, sondern solche, die offenbar einfach nach irgendwas suchen, was ganz unten in der gesellschaftlichen Hackordnung steht. Selbst wenn man der letzte Loser ist, darf man sich diesem Feindbild noch überlegen fühlen. Das erfüllt oft ne ganz seltsame Funktion, finde ich.

Am Anfang schaffst Du es, gut und ganz unaufgeregt zu zeigen, wie viel Einsamkeit auch in der Erkenntnis liegt, dass man seine Wünsche niemals ausleben kann, ohne anderen zu schaden. Dass Paul nicht per se ein unmoralisches Schwein ist, sondern jemand, der sehr verantwortungsbewusst mit einer Neigung umgeht, an der er nichts ändern kann.
Der Rest des Textes wird mir dann, obwohl ich in der Sache zustimme, zu erklärerisch. Dass Paul das seiner Freundin erklärt, wirkt wie ein recht fadenscheiniges Handlungsmäntelchen dafür, dass die Autorin dem Leser etwas erklären will. Das bringt mir jetzt literarisch nicht viel mehr, als die Infos, die ich schon aus dem Artikel und dem Interview ziehen konnte. Ich hätte mir gewünscht, dass Du das alles durch eine Handlung und die Beschreibung von Pauls Gefühlen zeigst, statt es so umstandslos und explizit zu benennen. Das wäre etwas was, eine Geschichte leisten kann, was die anderen Textgattungen nicht können. Insgesamt ist es mir auch etwas zu harmonisierend. Bring den Paul doch mal in eine richtige Konfliktsituation zwischen Trieb und Gewissen. Für den Leser wäre es glaube ich eine größere Herausforderung, wenn Du auch die hässlichen Seiten von Pauls Phantasien zeigst, und man trotz der Abscheu gegenüber diesem Begehren, irgendwie zu dem Schluss käme, dass Paul auch ne arme Socke ist, den man nicht allein für seine Veranlagung allein verurteilen kann. Da sehe ich im Übrigen auch einen wesentlichen Unterschied gegenüber Dions völlig reue- und empathielosen Protagonisten, der seine Phantasien ja tatsächlich zum Schaden seiner Tochter auslebt (das nur am Rande zum Thema "Gedankenpolizei").

Ist schon interessant, dass in letzter Zeit drei wirklich völlig unterschiedliche Texte hier aufschlagen, die mich darüber nachdenken lassen, in welcher Form man "Meinung" und "Botschaft" in literarischen Texten vermitteln kann, ohne zu didaktisch, einseitig oder gar manipulativ zu werden.

lg,
fiz

 

Hallo Gretha,
ich schleich auch schon immer um deinen Text rum. Hörst du mein Getrappse? Vielleicht weil ich die Autorin eines der drei Texte bin, von denen fiz spricht. Oder weil ich mich grad darum drücke, meine Antworten weiterzuschreiben, an denen ich gerade sitze. Und /Oder, weil ich einfach die Fragestellung klasse finde, die deinem Text innewohnt. Ein Pädophiler hat Angst, seine sexuelle Ausrichtung zuzugeben, er hat Angst vor der Isolation, Angst, Freundschaften zu verlieren, zu vereinsamen. Er wird nie im Leben die Liebe leben können, die er sich für sich vorstellt. Er würde straffällig werden, und nicht nur das, er würde in Konflikt geraten mit sämtlichen Prinzipien, die hierzulande gelten, er würde als Monster gelten, und möglicherweise auch in seinen eigenen Augen eines sein, denn irgendwas treibt ihn ja dazu, die Therapie anzufangen. Harter Stoff.

Mir ist jetzt deine Stoßrichtung nicht ganz klar geworden. Wenn ich deine Intention richtig verstehe, dann willst du deine Geschichte darüber schreiben, dass er sich traut, seiner Freundin gegenüber die sex. Ausrichtung zu gestehen und Angst vor ihrem Verlust hat. Um diesen Moment geht es in der Geschichte. Versteh ich das richtig? Also ein ganz bestimmter Moment seiner persönlichen Geschichte?

Bring den Paul doch mal in eine richtige Konfliktsituation zwischen Trieb und Gewissen. Für den Leser wäre es glaube ich eine größere Herausforderung, wenn Du auch die hässlichen Seiten von Pauls Phantasien zeigst, und man trotz der Abscheu gegenüber diesem Begehren, irgendwie zu dem Schluss käme, dass Paul auch ne arme Socke ist, den man nicht allein für seine Veranlagung allein verurteilen kann.
Ich muss gestehen, so eine Idee ist mir auch sofort eingefallen. Fiz Idee finde ich grundsätzlich nämlich sehr sehr spannend. Das wär mal eine ziemliche Herausforderung. Mir selbst fiel sofort ein, dass ja irgendeine Überlegung, ein Erlebnis, ein Konflikt mit sich selbst bei ihm stattgefunden haben muss, die ihn zum Beginn der Thearpie gebracht hat. Was war das? Wie steht er da zu sich selbst? Aber ich befürchte, sowohl fiz Idee als auch meine gehen an der Intention deiner Geschichte vorbei. Nimms daher einfach als Anregung, wenn du weiterschreiben magst mit ähnlichem Thema.
Ich hab wie gesagt, das Gefühl, dir geht es mehr um diese Situation, den Anfang seines Outings, die Angst, die damit verknüpft ist und die Reaktionen seiner Freundin. Wird die nun abhauen vor dem Monster? Wird sie bleiben? Es geht um eine Freundschaftsgeschichte, festgemacht an dieser sehr brisanten Unterschiedlichkeit der beiden, die sie echt sofort für alle Zeiten trennen könnte.
Du hast da ein paar starke Stellen drin, wo die den Paul sowas von nicht versteht, weil ein guter Freund, dein bester Freund, der kann doch nicht so anders sein, als du ihn immer definiert hast. Und dann noch so was "Ekliges".
Um das zu zeigen, also wenn das deine Intention ist, dann würde ich diesen Aspekt noch stärker betonen. Die Schwebe, in der Paul ist, das Warten auf ihr "Urteil", die Angst vor dem Urteil. Ihr Missverstehen. Ich würde ihre körperlichen Reaktionen, ein Abwenden oder ähnliches viel stärker konstatieren lassen. Seine Hilflosigkeit noch stärker betonen, nicht falsch verstehen, du hast da schon eine Menge gutes Zeug drin, aber diese Angst, das Schauen auf die Reaktionen der Freundin, das würde ich nochmal durchgehen. Da kann man aus meiner Sicht noch mehr machen. Im Moment ist es z. T. zu heruntergespult als Wissensgespräch. Nicht zwei Menschen reden da in einer sehr unangenehmen Situation, sondern da wird zu häufig die Figur von Paul als Wissensvermittler vom Autor genommen. Nicht falsch verstehen, machst du natürlich nicht nur, aber aus meiner Sicht zu oft. Ich würde ihn viel mehr beobachten lassen, wie die Freundin reagiert. Ich würde deren Gesichtsausdrücke viel stärker beschreiben. Ich weiß auch gar nicht, ob der Leser jetzt wirklich eins zu eins ganz genau wissen muss, was ein Kernpädophiler ist, ich denke, das kann man kürzer lassen, aber ich denke, er muss in diesem Fall die Angst von Paul noch stärker mitkriegen ebenso wie der Konflikt, den die Freundin erlebt. Klar, den kannst du nicht als Gedanke formulieren, denn der Text ist ja gänzlich aus Pauls Blickwinkel geschreiben. Aber du kannst ihre Zweifel, ihr Missverstehen stärker zeigen, nicht nur an ihren Fragen, sondern auch an ihrem Verhalten.

Den Anfang fand ich auch stark.

Geschäftig tunkte er die Rolle im (in) den Farbeimer. Eierschale, ein warmes Weiß, das trotz seines beigen Anteils nicht aussehen sollte wie eine Tapete nach fünf Jahren Raucherhaushalt. Er war kein mutiger Inneneinrichter, aber er wollte den Neuanfang feiern mit dieser zurückhaltenden Farbe, die nicht juhu schrie, aber doch neu roch. Er hoffte, sich in diesen Räumen für immer niederzulassn, hier auf ein Leben alleine vorzubereiten. Lächelnd strich er die Walze über die Raufasertapete. Das schmatzende Geräusch und die feuchten Spritzer im Gesicht machten ihm Spaß.
Fast vergaß er, dass er im Anschluss ein Junggesellenbettgestell montieren würde und dass zu dem kleinen Tisch in der Küche ein echter Stuhl und einen (ein) Alibistuhl gehörten. Denn die Sitzmöglichkeit Nummer Zwei war nur eine Maskerade. Der Echte (echte - muss klein, bezieht sich nämlich noch auf Stuhl) hatte das Fenster im Rücken, zufällig schweifende Blicke in die Welt draußen waren herausfordernd, manchmal traf ihn sein Problem unvorbereitet, während er in ein Honigbrot biss.

Das gefiel mir sehr gut als Atmosphäre. Und als Ausgangspunktbeschreibung. Ein Mann, der sich auf einen Neuanfang freut, der aber auch irgendwas sehr Unangenehmes birgt. Schön auch, dass ihn das Problem bei sowas süß-alltäglichem wie dem Essen eines Honigbrotes trifft.
Den fetten Satz würd ich auch ganz rauskicken, weil er inhaltlich doppelt ist.
Das andere Fette sind kleine Fehler.

In den nächsten beiden Abschnitten bahnst du dann an, dass der Neuanfang eines an Konfliktpotential in sich birgt.

Die Tabletten halfen. Aber tief in ihm drin gab es einen verriegelten Raum, in dem er sich nichts mehr wünschte als zu lieben, rein und unschuldig. Und Liebe zurückzubekommen. Dieses inzwischen verschlüsselte Sehnen brachte ihn oft um den Schlaf. Denn es war untrennbar mit der Schuld verknüpft.
Wieso ist das Sehnen verschlüsselt? Meinst du verschlossen? Sein Sehnen ist doch gar nicht verschlüsselt, das weiß er doch ganz genau zu benennen. Und verschlossen würde ich hier nicht mehr schreiben, weil es zu sehr an das verriegelt erinnert. Vielleicht eher so:
Dieses Sehnen brachte ihn oft um den Schlaf, da mochte es noch sehr verschlossen sein. Denn ...
Ist nur ein Vorschlag, ein Gefühl, aber "verschlüsselt" passt da für mich gar nicht.

„Du willst doch immer wissen, warum ich keine Freundin habe?“, den Satz hatte er sich zurechtgelegt, ihn auszusprechen war unglaublich schwer. Seine Zunge klebte trocken am Gaumen.
Das fand ich gut.

„Aha. Na endlich, komm, sags einfach, du bist schwul, das weiß ich eh schon, alter Feigling. Nach zwei Jahrzehnten Freundschaft vertraust du mir endlich“, jammerte Suse theatralisch und legte mit großer Geste das Ohr frei. „Also?“
„Nein, ich, ich bin nicht schwul.“
Plötzlich spürte sie, dass er in großen Schwierigkeiten steckte und hörte auf zu spötteln. „Um Gottes willen, was ist los?“
theatralisch- mit großer Geste. Ich würd mich für eins entscheiden. Ist sonst doppelmoppel. ich würd die große Geste wählen.
Der fette Satz geht nicht. Du wechselst da urplötzlich die Perspektive. Von ihm zu ihr. Dein Erzähler kann aber gar nicht wissen, was sie denkt oder spürt. Lass da doch lieber ihn etwas tun, den Mund verziehen, eine Gedanken haben, der sich in seinem Gesicht ausdrückt, eine Körperhaltung, ich weiß es nicht. Aber irgendetwas jedenfalls, an dem sie merkt, dass es ihm scheiße geht.

„Ich liebe Kinder.“ Jetzt war es raus. Er stand versteinert mitten im Park und traute sich nicht, die krampfhaft zugedrückten Augen wieder zu öffnen. Der Satz mit den drei Worten, der alles veränderte, der Gut zu Böse machte, stand zwischen ihnen. Er wollte die Reaktion in Suses Augen nicht sehen.
Das fand ich auch gut. Macht man ja manchmal so, dass man alles ausbelenden will, wenn man etwas Unangenehmes über sich selbst erzählt. Wenn man sich schämt und Angst vor dem angeekelten Ausdruck in dem Gesicht des anderen hat. Das ist schon ziemlch furchtbar. Man will und hofft, dass der andere einen annimmt, und lauert eigentlich auf jede Geste der Akzeptanz, aber gleichzeitig traut man sich gar nicht, dem ins Auge zu schauen.
Das Fette: ich find zugedrückt nicht so dolle. Und versteinert würde ich weglassen.

Sie war nicht weggelaufen, immerhin.
gut

„Ich weiß es eben. Erwachsene interessieren mich nicht in dem Zusammenhang.“
„Also … Also bist du als Kind missbraucht worden? Dein Vater?“
„Himmel, nein, du kennst doch meine Eltern. Sie sind toll.“
„Aber so etwas fällt doch nicht vom Himmel?“
Das gefiel mir auch. Denkt doch jeder, das kann einfach nicht angeboren sien, da muss doch irgendein schreckliches Erlebnis dahinterstecken, wenn man einen Freund mit einer unseligen Neigung hat. Das ist ganz wunderbar die Sicht der Freundin auf den Freund. Und klat, die ihn entschuldigen will, aber auch nicht akzeptiert.

Danach ist mir das Gespräch zu intellektuell. Da würde ich ein bisschen mehr von den Informationen rausnehmen und stattdessen, seine Mühe, sein gefühl, sein Beobachten der Situation reinholen. Sie streckt dann auch zzimlich schnell (zu schnell aus meiner Sicht) die Waffen und fragt ihn gar nicht mehr weiter, oder schweigt, oder zeigt gar nicht mal ein bisschen von ihrer Auseinandersetzung in ihrem Gesicht oder ihrer Körpersprache., sondern sofort nach seinem Umgang.
Gut fand ich dann wieder ihr Frage nach der Verurteilung.

So,bis hierher mal, das allerletzte Ende fand ich dann nicht so gut. Zu offensichtlich. Also sowohl den Satz mit dem Lebengeständnis als auch den allerletzen. Der allerletzte ist eine bloße Wiederholung. Entweder gelingt es dir, diesen Sachverhalt in dem Gespräch und in ihrem Verhalten zu zeigen. Sonst kann man sich solche Sätze auch sparen. Und mit dem Lebengeständnis, tja, da bin ich mir unsicher. Aber ich denke fast, es wäre besser, wenn du das Gefühl der Ächtung versus die Hoffnung auf Freundschaft , das ihn ja zu dem Geständnis treibt, würde schon vorher mehr ausgelotet werden, dann bräuchts auch den Satz vielleicht gar nicht mehr.
Liebe Gretha, ich habs gerne gelesen un mit großem Interesse, wenn ich auch an ein paar Stellen handwerklich rumgemäkelt habe.
Viel Grüße
Novak

 
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Ich nochmal :D

Ich hab wie gesagt, das Gefühl, dir geht es mehr um diese Situation, den Anfang seines Outings, die Angst, die damit verknüpft ist und die Reaktionen seiner Freundin. Wird die nun abhauen vor dem Monster? Wird sie bleiben? Es geht um eine Freundschaftsgeschichte, festgemacht an dieser sehr brisanten Unterschiedlichkeit der beiden, die sie echt sofort für alle Zeiten trennen könnte.
Ich finde das als Handlung der Geschichte auch gar nicht schlecht. Ich brauch nicht unbedingt Paul, der am Spielplatz steht und eine Entscheidung trifft. Aber der Text macht es einem auch irgendwie zu einfach ihn nur niedlich und arm zu finden, weil sein Wunsch nach Sex mit Kindern kaum beleuchtet wird. Richtig gut fände ich halt einen Text, wo man Pauls Phantasien gezeigt bekommt, die man richtig schlimm findet, und ihn trotzdem noch als Menschen mit Gefühlen, Wünschen und Nöten wahrnimmt. Einfach den Konflikt dieses Widerspruches auch für den Leser etwas steigern - für Paul ist das schließlich auch eine Zerreißprobe. Das wär ja auch für die Freundin ein anderer Konflikt, ob Paul ihr so abstrakt sagt, er fühle sich sexuell zu Kindern hingezogen, tue aber was dagegen, das in die Tat umzusetzen, oder ob er ihr sagt: "Weißt du, wenn ich deine Tochter/dieses Kind da auf der Schaukel sehe, stelle ich mir vor x und y mit ihm zu tun, aber ich tue was dagegen, das in die Tat umzusetzen." Das soll jetzt kein Vorschlag für einen tatsächlichen Dialog sein, sondern nur illustrieren, welchen Unterschied es macht, wie viel Sichtbarkeit man eben auch der verstörenden Seite von Pauls Veranlagung einräumt. Sonst bin ich ja oft für weniger Härte, hier ist es mir etwas zu verhuscht und dadurch zu einseitig. Der Titel legt mir die Rezeptionshaltung des Mitleids auch etwas zu deutlich nahe. Also im Grunde doch mein altes Lied der Ambivalenzsteigerung.
Und wenn das Coming Out mit der Freundin dann der Plot sein soll, fänd ich es halt effektiver, wenn es nicht so ein Infogespräch wäre, wie es im Grunde auch zwei völlig Unbeteiligte aus reinem Interesse an der Thematik miteinander führen könnten, sondern alles etwas persönlicher und emotionaler auf Paul zugespitzt würde. Wie Novak das schon gesagt hat halt. Vielleicht würd es da auch helfen, die Geschichte dieser Freundschaft, die Figuren in der Freundschaft zueinander etwas plastischer zu machen, um dem Text über das verhandelte allgemeine Problem hinaus etwas mehr Individualität zu verleihen.

lg,
fiz

P.S.: Ich seh grad, dass Du "Buntschatten und Fledermäuse" liest. Ein super Buch! :)

 

Hallo Gretha

Also ich muss sagen, dass ich deine Geschichte in literarischer Hinsicht recht langweilig finde. Ein kurzer Augenblick Spannung ist drin, als der Protagonist seiner Freundin von seiner Situation erzählt und man nicht weiß, ob die gute Freundin eine Freundin bleibt oder nicht. Das Ende ist mir dann beinahe auch schon wieder zu einfach, weil es recht schnell klar wird, dass doch alles "gut" ist.

Was mir aber sehr gut gefallen hat, ist die Art und Weise, in der du mir von etwas erzählst, was ich nicht gekannt habe (Kernpädophilie ist mir wirklich noch nie untergekommen). Ich gehöre zu den Leuten, die ungern Berichte lesen. Ich kann mir in dieser Hinsicht einfach nicht helfen. Wenn mich ein Thema nicht brennend interessiert, dann ist es meist ein Kampf für mich, etwas darüber in einem Bericht zu lesen. So wie du es hier gemacht hast, verpackt in einer netten, kurzen Geschichte, die viele Informationen enthält und sehr gemütlich zu lesen ist, hatte ich aber durchaus Spaß daran, etwas über ein mir neues Thema zu erfahren.
Gerne gelesen.

lg, zash, dem es Leid tut, dass er deine Geschichte auf den informativen Teil reduziert hat.

 

Hallo Fiz,
schön, Dich in einer Geschichte von mir wieder zu treffen.
Ich antworte Dir jetzt mal, ich denke, es gibt viele Überschneidungen zu Novaks Gedanken. Du hast Recht, das Literarische geht in der Geschichte ein bisschen verloren. Warum ist das so? Nun, es ist ein verdammt heißes Eisen, in einer Geschichte die Not eines Pädophilen aufzuzeigen. Ich habe das sehr vorsichtig getan, weil die Thematik extrem emotional aufgeladen ist.
Ich hatte verdammt Angst, dass meine Intention verloren geht. Wer die Pädophilie-Arschkarte gezogen hat ist verdammt für sein Leben. Entweder er macht sich schuldig, mit der schlimmsten Tat überhaupt und redet sich das schön, oder er muss für immer auf alles im Bereich Liebe/Partnerschaft/Sex verzichten. Das finde ich verdammt gemein.
Du hast Recht, der Link von Dir machte mich damals darauf aufmerksam, das die Medaille zwei Seiten hat.
Ich suhlen mich literarisch ja von Natur aus gerne dort, wo es richtig weh tut. Aber hier ging es mir darum, darauf aufmerksam zu machen, dass Pädophile, die sich nicht schuldig gemacht haben, auch in großer, unverschuldeter Not sind. Und hart kämpfen müssen für etwas, für das sie nichts können.

Ich glaube das ist die Erklärung, warum ich mich sehr an die Fakten geklammert habe, um dem Leser nicht zu viel Stoff zu geben, um meinen Protagonisten zu hassen.

Du und der liebe Novak, den ich an der Stelle auch begrüßen will,
haben mir jetzt aber ein bisschen Mut gemacht, mich noch mehr in den Schmerz zu begeben. Diese Geschichte ist in Arbeit. Ich habe mich jetzt vorgetastet, mich gefreut, dass hier keiner "Rübe runter" geschrien hat und denke intensiv darüber nach, wo ich der Geschichte noch ein bisschen Leben einhauche. Irgendein Rückblick warscheinlich. Es wird verdammt schwierig, ich will nicht auf ein perverses Schwein raus, der es dem Leser leicht macht, ihn zu hassen.

Eine Herausforderung, ich werde wohl das eine oder andere Bier zu Kühlung brauchen später.
Auch über die Verbesserungsvorschläge mache ich mich noch her.
Ich wäre total froh, wenn ihr zur gegebenen Zeit noch mal drüber schaut.

Ich danke Euch Zwei vielmals. Und werde mich um den Missstand kümmern.
Grüßle, Gretha

-wird vorgesetzt-

 
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Hallo Gretha!

Ist schon lange her, dass ich was von Dir gelesen habe. Erstmal grundsätzlich: Du hast Dich weiter entwickelt! Ich konnte Deinem Text gut folgen. Ab der Mitte war es dann um mich geschehen, weil Du Dir eine sehr tragische Thematik ausgesucht hast.
Ich fand den Dialog an manchen Stellen etwas zu "gestelzt", konnte nicht so gut zwischen "Paul" und "Sara" unterscheiden.
Da könntest Du noch dran arbeiten, indem Du genauer auf die Worte, Syntax, Grammatik von Paul und Sara eingehst und ihnen eine jeweils "eigene" Sprache gibst.

Es ist ein sehr krasses Thema, aber ich finde, du hast es zumindest inhaltlich gut und vorsichtig behandelt. Ich finde auch gut, dass es diesen Ausblick gibt, diesen Hoffnungsschimmer.

Ja, wirklich gut gemacht!

Trotzdem, gibt immer noch zu tun. - Ich würde Deine Sätze, nebst Dialog, noch mal genau auf Verständnis/Schlichtheit überprüfen. Manchmal schreibst Du für meinen Geschmack noch zu kompliziert oder nutzt 4 Worte, wo ein einziges reicht.


Beispiele:

m Anschluss [würde er] ein [Junggesellenbett] montieren. [In der Küche standen nebem] dem kleinen Tisch [...] ein echter Stuhl und einen Alibistuhl [...]. Denn die Sitzmöglichkeit Nummer Zwei war nur eine Maskerade.

Etwas gekürzt und konkretisiert.
Z.B. dieses "fast vergaß er" ... tut er ja nicht, er denkt ja gleich dran. Ich finde, die "Versunkenheit in seine Tätigkeit" wird durch die Farbspritzer usw. schon deutlich genug.
Den restlichen Satz fand ich ein wenig "kompliziert", daher besser kürzen, mehr Punkte und so.

manchmal traf ihn sein Problem unvorbereitet, während er in ein Honigbrot biss.
:D
Ich find diesen Satz urkomisch. Vielleicht ist er, bedenkt man den weiteren Verlauf der Geschichte ..., wenn man weiß, was seine Probleme sind, nicht so ganz passend. --- Aber ich störe mich auch nicht daran.

Sein Hobby, die Drohnen[,] würde

gar keinen Raum mehr in seinem neuen Leben zu gestatten
Wortwiederholung "Raum", kann man ganz leicht umformulieren.

Aber (ein Lebe[n]) heute ohne Internet
?

schlicht nicht mehr möglich.
Konkretion! = unmöglich.
Bzw. das war unmöglich.


einen verriegelten Raum,
Raum.

Der "Raum" ist wichtig für die Geschichte, sowohl der innere, als auch der äußere. Denn es geht in der Geschichte um einen Neuanfang. Daher auch das "Outing", wenn man das so nennen kann, der Umzug usw.
Ich würde vielleicht noch mehr Zeit verwenden, den inneren Raum zu beschreiben. Wie sieht eigentlich der alte Raum aus, das alte Zimmer/Wohnung, aus der Paul weggezogen ist?


Und guckstu hier:


http://synonyme.woxikon.de/synonyme/raum.php


Beste Grüße

Runa

 

Hallo Gretha

Ein spannendes Thema, an dem ich mich auch schon versucht habe - und lustigerweise heisst meine Figur ebenfalls Paul. Ich finde ebenfalls, dass du a) noch mehr in Richtung "Leidenschaft" / "Konflikt" gehen und b) Paul sich weniger erklären lassen könntest. Dann bin ich über folgende Aussage gestolpert:

Aber hier ging es mir darum, darauf aufmerksam zu machen, dass Pädophile, die sich nicht schuldig gemacht haben, auch in großer, unverschuldeter Not sind. Und hart kämpfen müssen für etwas, für das sie nichts können.

Ich teile deine Meinung. Das beisst sich aber etwas mit der Passage, in der Paul darüber nachdenkt, keinen Computer mehr in der Wohnung zu haben. Es ist anzunehmen, dass er sich zuvor strafbar gemacht hat oder zumindest in moralischer Hinsicht nicht völlig unschuldig ist. Das könnte man unter Umständen auch thematisieren: (Welche Bilder / Filme sind o.k.? Was geht nicht?) und so den inneren Konflikt noch etwas plastischer machen.
Gestolpert bin ich auch über die Rückfrage, ob Paul missbraucht wurde. Vielleicht wolltest du mit diesem "Erklärungsreflex" spielen, aber das ist an dieser Stelle derart daneben und unsensibel von Suse, das scheint mir wenig plausibel.

Ich habe den Text gerne gelesen und bin gespannt auf eine Überarbeitung.

Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Gretha,

ein paar Worte zu deiner Geschichte. Assoziationen, die mir nach dem Lesen einfallen...
Mit deiner Themenwahl bewegst du dich erneut an die Ränder unserer Gesellschaft, das ist mutig und gut und wichtig, wie ich finde....
Was sollte Literatur sonst machen ? Grenzen verständlich machen, auch dann, wenn es schmerzt...
Du beschreibst die Situation prägnant und greifbar... gut, der "Alibistuhl" hat mich zunächst verwirrt...
Ein paar Sätze gefallen mir nicht...z.B. dieser Satz

Um dem Aufschieben entgegenzuwirken, hatte er sich mit ihr verabredet.
(stilistisch klingt das einfach sehr gestelzt, als wolltest du unbedingt zur Abwechslung einen Satz mit substantiviertem Verb anbringen....
Während der Lesens habe ich mir dann auch überlegt, ob die geschilderte Situation glaubwürdig ist, dann fiel mir ein, dass mir mal ein katholischer Pfarrer von solchen Pillen zur Unterdrückung des Sexualtriebs erzählt hat und ich dachte mir: ja, es ist glaubwürdig, was du schreibst...
Aber das ganze Thema ist so verdammt kompliziert und wir sind so sehr in diesem Zusammenhang durch Gesellschaft, Medien und "political correctness" darauf getrimmt, dass wir alle, die in irgendeiner Weise Kinder über das Kindsein hinaus mögen, verdammen müssen, müssen, müssen...
Das macht die Sache kompliziert, siehe Edathy usw.
Aber da ergeben sich so viele Gedanken und Ideen und ich finde es richtig solche Geschichten zu schreiben !

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo Gretha,

ich finde deinen Anfang toll. Das ist sehr elegant, fließend und anschaulich geschrieben. Wie du durchscheinen lässt, dass es da eine dunkle Belastung in Pauls Leben gibt, ein Laster, dass er bekämpfen will - ohne dass du es plakativ aussprichst, das finde ich sehr gut.

Den Dialog mit Suse dagegen finde ich auch ein wenig künstlich. Das wirkt teilweise hölzern, wie ein Vortrag oder sogar belehrend. Zum Beispiel hier:

Ich wollte eigentlich auf etwas anderes hinaus. Um ein Kind zu missbrauchen, muss man nicht pädophil sein. Man kann selber missbraucht worden sein, oder man kann psychisch krank sein und es tun, um Macht auszuüben.
Oder hier:
Es ist ein Präventionsnetzwerk und heißt kein Täter werden. Ich fahre einmal die Woche nach Berlin in die Charité und habe da eine Gruppentherapie. Ich mache das schon über ein Jahr, vieles ist besser geworden. Wir lernen, nicht mehr unseren Impulsen nachgehen zu müssen. Ich missbrauche Kinder nicht direkt, aber ich habe in der Vergangenheit indirekt missbraucht, weil ich pornographisches Material im Netz gesucht habe. Dagegen kämpfe ich in der Therapie an
Das klingt sehr hölzern.

Andere Teile gefallen mir gut, wie z.B. das hier:

„Ich liebe Kinder.“ Jetzt war es raus. Er stand versteinert mitten im Park und traute sich nicht, die krampfhaft zugedrückten Augen wieder zu öffnen. Der Satz mit den drei Worten, der alles veränderte, der Gut zu Böse machte, stand zwischen ihnen. Er wollte die Reaktion in Suses Augen nicht sehen. Aber er wusste, so nicht weiter stehenbleiben zu können und öffnete sie langsam wieder. Schaute ihr nur auf die Füße. Sie war nicht weggelaufen, immerhin.
„Wie meinst du das? Sexuell? Oder willst du gerne Kinder haben, verdammt, jetzt sag doch was, Paul.“
„Also gut. Ich liebe Kinder sexuell. Ich hab mich aber noch nie an einem vergriffen. Das musst du mir glauben.“
„Woher weißt du es dann?“
„Ich weiß es eben. Erwachsene interessieren mich nicht in dem Zusammenhang.“

Oder das:
„Das heißt, keine Liebe, niemals, keine Beziehung, keine Ehe, kein Sex, kein Nichts?“
„Genau.“
Nun breitete sich ein Schweigen zwischen ihnen aus. Er gab ihr Zeit. Und nutze sie für sich, um sich ein bisschen zu erholen. Schaute den Schwänen auf dem Teich zu, die ein Blesshuhn jagten.
Plötzlich nahm Suse Pauls Hand und schaute ihm in die Augen.
„Das ist schrecklich.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Diese Stellen finde ich authentischer, berührender.

Den letzten Satz deines Textes würde ich weglassen, ich finde, ohne ihn wirkt der Text besser nach.

Das Thema ist sehr schwierig, aber deine Art damit umzugehen, fand ich sehr sensibel, nicht so sehr darauf bedacht, zu schockieren (was ich überhaupt nicht mag), sondern vielmehr sich ernsthaft damit auseinander zu setzen, wie sich so ein Mensch fühlen könnte.

Viele Grüße
RinaWu

 

So, feirefiz und Novak,
ich habe die Geschichte jetzt hinsichtlich Euren Verbesserungsvorschlägen geändert, wenn ihr Lust habt, schaut mal rein, das würde mir sehr helfen.

Zu den anderen Kommentatoren komme ich noch nach und nach, vielen Dank für Eure Gedanken, ich fürchte nur, die Zeit geht mir heute schon wieder aus.
Bis bald,
Gretha

 

Hallo Zash,
ja, die Geschichte erster Version war sehr didaktisch. Ich finde es sehr schwer, die richtige Balance bei dem Thema zu finden. Vielleicht ist es jetzt etwas lebendiger, ich habe keine Ahnung.
Aber schön, dass Du Dich informiert gefühlt hast, das ist schon mal die halbe Miete.

Danke für Deine Zeilen,
Gretha

Hallo Runa Phaino,

Du hast Dich weiter entwickelt!
Das freut mich natürlich, auch wenn ich immer noch ein altes Problemchen habe:
Manchmal schreibst Du für meinen Geschmack noch zu kompliziert oder nutzt 4 Worte, wo ein einziges reicht.
Da hast Du leider total Recht. Unkompliziert schreiben ist für mich schwierig, weil ich nie geradlinig denke, aber ich übe weiter dran.

Deine Verbesserungsvorschläge habe ich dankend angenommen und umgesetzt. Der Dialog ist noch etwas hölzern, aber immerhin, es gibt jetzt eine Erklärung dafür. :D

Danke für Deine Zeilen!
Grüßle, Gretha

 

Kaum ein Thema ist mehr mit Vorurteilen belastet als die Pädophilie. Um nicht in Verdacht zu geraten, Pädophilen als Wichsvorlage zu dienen, werden seit Jahren keine Bilder nackter Kinder mehr veröffentlicht, selbst nackte Jugendliche sind Tabu. Würde ein Außerirdischer allein anhand der Medien unser Leben analysieren wollen, müsste er zu dem Schluss kommen, Menschen kommen angezogen auf die Welt und können sich ihrer Kleidung erst mit 18 Jahren entledigen.

Dass Dir, Gretha, bisher hier noch niemand vorgeworfen hat, Du willst mit Deiner Geschichte diesen Abschaum der Gesellschaft verteidigen oder Verständnis wecken, gleicht einem Wunder – mich haben manche für eine vor Jahren geschriebene Geschichte („Sie ließen ihn nicht gehen“), die auch das Thema behandelte und sogar empfohlen wurde (sie ist das jetzt nicht mehr, wie ich soeben festgestellt habe), ihr Unverständnis deutlich spüren lassen. Um es mal freundlich auszudrücken.

Dein Held, Paul, ist sich seiner Lage bewusst ist und will einen neuen Anfang machen. Neben einer neuen Wohnung gehört seiner Meinung nach auch eine neue Ehrlichkeit dazu. Er will sich als erstes seiner besten Freundin als Pädophiler outen. Allerdings als einer, der noch nicht straffällig geworden ist. Und eine Therapie macht, wenn man das wöchentliche Treffen in Berliner Charité überhaupt so nennen kann, denn sein Problem ist nicht therapierbar.

Und hier, in dieser Nichttherapierbarkeit, liegt auch das Problem, das Deine Geschichte außen vor lässt. Ein Mensch, der sich als Pädophiler outet, muss wohl aus seiner Umgebung ausziehen, am besten in eine andere Stadt, wo ihn niemand kennt, andernfalls werden ihm die Nachbarn das Leben zur Hölle machen, sähen sie doch in ihm eine ständige Gefahr für ihre Kinder. Es gibt eigentlich nur eine Gegend, wo er ungestört leben könnte: Wo auch Bordelle erlaubt sind. Weil da keine Kinder wohnen noch vorbei kommen. Und falls er sich tatsächlich outet, wird seine neue Wohnung, an deren Fenster Versuchungen, sprich Kinder, vorbeikommen können, bald eine alte sein.

Uns die Hintergründe seines Zustands mittels Dialogs näher zu bringen, war eine richtige Entscheidung. Vielleicht hast Du da ein bisschen zu weit ausgeholt, aber im Großen und Ganzen finde ich den Dialog okay.

In der Geschichte wird auch gesagt, dass Frauen noch weniger pädophil veranlagt seien als Männer. Das wage ich zu bezweifeln: Sie haben nur mehr Möglichkeiten, dies zu kaschieren. Ich meine, wenn eine Mutter mit seinem Sohn schmust oder ihn badet, obwohl er 10 oder mehr Jahre alt ist, erregt das keinen Verdacht. Das im Gegensatz zu einem Vater, der mit seiner Tochter das gleiche macht. Ich schätze, die sexuellen Präferenzen sind ungefähr gleich verteilt unter den Geschlechtern, jedenfalls gibt es keinen objektiven Grund, daran zu zweifeln.

Aber weil der Paul auch nur ein Mitglied dieser Gesellschaft ist, glaubt auch er, was die meisten glauben. Insofern ist das okay, schließlich müssen Figuren einer Geschichte nicht alles wissen, ja sie dürfen total andere Ansichten haben wie die Mehrheit, aber sicher nicht in so einer Geschichte: Man stelle sich vor, Paul würde die Meinung vertreten, er hätte ein Anrecht auf seine Art von Sexualität, und würde die Gesellschaft, weil sie ihm das verwehrt, deswegen anklagen.

Du siehst: Es gibt da lauter Minenfelder, die zu betreten, d.h. eine Pro-Pädophilie-Geschichte zu schreiben, sich kaum jemand wagt. Das im Gegensatz zu einer Geschichte, in der ein Mörder sein Recht aufs Morden ausbreiten könnte, ohne dass deswegen ein Aufschrei durch die lesende Gemeinde erschallte.

 

Hallo Peeperkorn,

dass du a) noch mehr in Richtung "Leidenschaft" / "Konflikt" gehen und b) Paul sich weniger erklären lassen könntest.
Das habe ich versucht. Da ich die Geschichte nicht komplett umschreiben wollte, eben so, wie Du sagtest:
(Welche Bilder / Filme sind o.k.? Was geht nicht?) und so den inneren Konflikt noch etwas plastischer machen.
In meinen Augen ist es nicht okay, solche Filme zu schauen. Er findet das auch nicht. Ich hoffe, die Ambivalenz zwischen Moral und Geilheit ist mir einigermaßen gelungen.

Ich habe den Text gerne gelesen und bin gespannt auf eine Überarbeitung.
Das freut mich. Sie ist nun fertig, wenn Du magst, schau mal rein. :)
Lieben Dank und viele Grüße,
Gretha

Hallo Isegrims,
ich freue mich, dass Du meine Geschichten so fleißig liest.:)

Während der Lesens habe ich mir dann auch überlegt, ob die geschilderte Situation glaubwürdig ist, dann fiel mir ein, dass mir mal ein katholischer Pfarrer von solchen Pillen zur Unterdrückung des Sexualtriebs erzählt hat und ich dachte mir: ja, es ist glaubwürdig, was du schreibst...

Die geschilderte Situation ist sehr glaubwürdig und wasserfest recherchiert. Diesen Paul gibt es in groben Zügen genau so, wie ich ihn geschildert habe. Denn ich habe die Rahmenbedingungen 1:1 übernommen. Bei diesem heiklen Thema waren mir Interpretationen weit in meine Fantasiewelt zu gefährlich. Deshalb klingt es auch etwas hölzern. Ich hoffe, es ist jetzt ein bisschen besser geworden.

Danke für Deine Zeilen!
Liebste Grüße,
Gretha

 

Hallo RinaWu,

ich finde deinen Anfang toll. Das ist sehr elegant, fließend und anschaulich geschrieben
Dankeschön, das freut mich sehr.
Das Thema ist sehr schwierig, aber deine Art damit umzugehen, fand ich sehr sensibel, nicht so sehr darauf bedacht, zu schockieren (was ich überhaupt nicht mag), sondern vielmehr sich ernsthaft damit auseinander zu setzen, wie sich so ein Mensch fühlen könnte.
Dann behalte den Text besser so in Erinnerung, wie er war. Zweite Version ist etwas schockierender.
Den letzten Satz deines Textes würde ich weglassen, ich finde, ohne ihn wirkt der Text besser nach.
Das war eine gute Idee. Ich habe das Ende nun eher offengelassen.

Vielen Dank für Deine Zeilen,
Gretha

Hallo Dion,

Dass Dir, Gretha, bisher hier noch niemand vorgeworfen hat, Du willst mit Deiner Geschichte diesen Abschaum der Gesellschaft verteidigen oder Verständnis wecken, gleicht einem Wunder

Ich denke, das lag daran, dass ich fast ein bisschen langweilig und ausgesprochen vorsichtig mit der Thematik umgegangen bin. Ich vermute, Du hast die zweite Version gelesen, da habe ich den Konflikt ein bisschen verschärft. Ich könnte mir vorstellen, hätte ich die Geschichte gleich so eingestellt, wäre ich auf mehr Ungemach gestoßen.

Du siehst: Es gibt da lauter Minenfelder, die zu betreten, d.h. eine Pro-Pädophilie-Geschichte zu schreiben, sich kaum jemand wagt.
Deshalb war ich wieder meiner sonstigen Gepflogenheiten sehr vorsichtig. Und deshalb warscheinlich auch ein bisschen sehr schulmeisternd. Eben weil des Glatteis rutschig ist.
Danke für Deine Gedanken, ich muss Deine Geschichte mal lesen.
Liebst, Gretha

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gretha,

Dann behalte den Text besser so in Erinnerung, wie er war. Zweite Version ist etwas schockierender.

Leider kann ich mit dieser zweiten Version nicht mehr viel anfangen.

Den Dialog zwischen den beiden finde ich ein bisschen besser, vor allem weil du das "Schulmeisternde" nun damit erklärt hast, dass ihm diese Antworten in der Therapie eingeprägt werden. Aber der Absatz, in dem du erzählst, was da nachts bei ihm abgeht, sorry, geht gar nicht. Sowas will ich nicht lesen. Wenn jemand schreibt, da ist einer pädophil und hat einen Computer zu Hause stehen UND hat Kinder schon mal "indirekt" missbraucht, dann reicht mir das als Info, da brauche ich keine anschauliche Szene. Ich frage mich immer, wozu das gut sein soll. Aber vielleicht bin ich da auch empfindlich. Ich fand's davor jedenfalls besser und sensibler.

Viele Grüße
RinaWu

 

Hallo maria.meerhaba,
Du rollst im Moment das Feld von hinten auf, hab ich recht? :D
Es tut mir echt Leid, wenn ich Dir ein schreckliches Bild ins Gehirn gepflanzt habe, das wollte ich nicht. Denn ich kenne das, wenn es einen nicht mehr loslässt.
Ich hatte die Geschichte erst ohne die Stelle geschrieben, nur angedeutet, dass er Videos schaut. Deshalb war die Geschichte ziemlich nüchtern, mehr habe ich mich auch ehrlich gesagt nicht getraut.
feirefiz und Novak haben mich dazu ermuntert, eben auch in den Konflikt zu gehen und dem Leser in die Ambivalenz zu führen. Ich fürchte, ich bin da eine Spur zu weit gegangen. Ich kann von Schmutz und Perversion schreiben, ich wollte aber niemanden damit quälen.
Trotzdem danke für Deine Zeilen und Gedanken, ich lese Deine Kritiken immer gerne, weil Du auch ein sehr direkter Mensch bis, das mag ich an Dir.
Grüßle,
Gretha

 

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