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Keine Kindergeschichte

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20.04.2002
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Keine Kindergeschichte

Der Wecker klingelte.
9.30 Uhr, Samstag.
Jan wachte auf, beendete mit einem Handgriff das nervige Klingeln, rieb sich die Augen und krabbelte, noch immer schlaftrunken, aus dem Bett, während Kapu schon seit vier Stunden Rinderhaut gerbte.

Jan und Kapu waren beide elf und leidenschaftliche Fussballspieler, sonst hatten sie nichts gemein.
Jan war weiß, Kapu schwarz.
Jan war reich, Kapu arm.
Jan hatte alles, denn sein Vater bracht immer genug Geld nach hause, Kapu hatte nichts, wofür er 16 Stunden am Tag Rinderhaut gerbte.

Jan duschte sich und verbrauchte dabei mehr Wasser, als Kapu in seinem Leben je gesehen hatte. Es war heiß wo er lebte und Wasser war knapp.
Als er fertig war, zog sich Jan an, stieg die Treppen hinunter und schlüpfte in seine neuen Fussballschuhe.
Schwarz, glänzend und aus Leder.
Kapu spürte die Schwielen an seinen Händen kaum noch.

Wenn man genauer drüber nachdenkt, hatten Jan und Kapu doch einiges gemeinsam.
Jan war Einzelkind, da seinen Eltern weitere Kinder zu anstrengend waren, verständlich bei dem Berufsstress heutzutage.
Kapu war auch Einzelkind, seine vier Geschwister und die Mutter waren beim Cholera-Ausbruch vor einem Jahr gestorben.

Beide waren äußerst talentierte Fussballspieler.
Jan würde heute um die Bezirksmeisterschaft spielen. Kapu spielte selten, denn er hatte keinen Ball.

Noch eins hatten beide gemeinsam .
Sie waren Menschen.
Menschen mit Menschenrechten

 
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Hallo Marot!

Häferl hat mich auf Deine Geschichte aufmerksam gemacht. Sie wollte selbst gern etwas dazu schreiben, kommt aber grad nicht dazu.

Einerseits ist diese Art von Vergleich alles andere als neu, ich habe ähnliches schon oft gelesen - z.T. sogar in Plakatform als Toleranzaufruf in der Hamburger Innenstadt.

Andererseits ist es Dir hier wunderbar gelungen, den rhetorischen Spagat zwischen Einfühlungsvermögen in die Situationen der Protagonisten und auf der anderen Seite nüchtern-kurzer Darstellung zu schlagen. Hut ab und Daumen hoch, denn dadurch war ich trotz des oben angesprochenen "Déjà vu"-Erlebnisses ziemlich begeistert.

Nun kommt der etwas unangenehmere Teil: Grammatik und Rechtschreibung.
Ich denke, hier spare ich mir eine längere Einleitung und lege gleich los ;-)

9.30 Uhr Samstag den 28. 9. 02
In gewissem Sinne zählst Du hier mehrere Zeitangaben auf und musst sie daher irgendwie voneinander trennen.
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten:
"9.30 Uhr am Samstag, den 28. 9. 02"
"9.30 Uhr, Samstag der 28. 9. 02"
"9.30 Uhr, Samstag, 28. 9. 02"

und grabbelte, noch immer schlaftrunken aus dem Bett
1. Es mag sein, dass man in irgendeinem Dialekt das Wort "grabbeln" kennt. Wenn das zutrifft, liegt hier nicht grundsätzlich ein Fehler vor. Dennoch würde ich es ändern in die "Duden-kompatible Version ;-)": "krabbelte"
2. "noch immer schlaftrunken": Du hast hier völlig richtig ein Komma vor dieser erklärenden Beiführung gesetzt. Allerdings gehört auch dahinter eines.
Jan und Kapu waren beide elf und leidenschaftliche Fussballspieler sonst hatten sie nichts gemein.
Hier haben wir zwei Hauptsätze, die demzufolge voneinander getrennt werden müssen. Ob Du hier lieber ein Komma, ein Semikolon oder einen Punkt setzt, überlasse ich Dir. Zum Trost: Darum streiten sich genügend Gelehrte. :-)
Kapu hatte nichts , wofür er 16 Stunden am Tag Rinderhaut gerbte.
Ich nehme mal an, das Leerzeichen vor dem Komma war ein Ausrutscher auf der Tastatur, Du hast es ja ansonsten richtig gemacht.
Jan duschte sich und verbrauchte dabei mehr Wasser als Kapu in seinem Leben je gesehen hatte, es war heiß wo er lebte und Wasser war knapp.
mehr Wasser, als
Das "als" läutet hier den Nebensatz ein.
Zwischen "gesehen hatte" und "es war heiß" würde ich eher wahlweise zu Punkt oder Semikolon raten, um dem Satz den "Bandwurm-effekt" zu nehmen.
es war heiß, wo er lebte, und Wasser war knapp.
Als er fertig war zog sich Jan an,
[...] war, zog [...] (siehe Erklärung zu "mehr Wasser, als")

Wenn mann genauer drüber nachdenkt hatten Jan und Kapu doch einiges gemeinsam.
1. man (oder wolltest Du die Frauen hier ausschliessen? ;-) )
2. [...] drüber nachdenkt, hatten Jan [...]
Das "wenn" zeigt hier den Relativsatz an.
Kinder zu anstregend waren
anstrengend
Kolaraausbruch
Cholera-Ausbruch
Jan hatte rechte
Rechte

so long
SaltyCat

Nachtrag: Ich wurde gerade darauf hingewiesen, dass Zahlen ausgeschrieben werden (vier Stunden, sechzehn Stunden)

 

Hallo Salty Cat, vielen Dank für deine ausfühliche Fehlerkorektur. ich habe die fehler sofort editiert und mir nochmal angeschaut.

Zum Inhalt: Du hast recht wenn du sagst , dass die Idee nicht neu ist. Dieser Vergleich wird oft benutzt um auf einen Missstand aufmerksam zu machen. Warum wird er oft benuzt? Weil er dafür besonderst geeignet ist und schlicht und einfach die Warheit zeigt , so traurig sie auch ist.
Deshalb habe ich auch nicht versucht eine orginellere Idee zu finden , den diese hier ist die Warheit auf die nicht oftgenug hingewiesen werden kann.
Hinzukommt, dass ich noch auf einen weiteren Missstand hinweisen wollte, für den ich einen leicht zu verstehenden Plot brauchte.
Dieser Text steht ja nicht zufällig in "Kinder".
Also danke das du dich so ausführlich mit meiner Geschichte befasst hast.

Gruß Marot

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Marot!

Gewiß könnte man Deine Geschichte noch ausbauen, aber so wirkt sie finde ich auch ganz gut. Ein paar Kritikpunkte hab ich aber doch noch...

Den Schluß hätte ich anders gestaltet. Genaugenommen nur den letzten Satz... Auch hier hätte ich aufgezeigt, was sie gemeinsam haben - Menschenrechte. Und die Schlußfolgerung drängt sich dann ja ohnehin auf... ;)

Das genaue Datum hätte ich auch weggelassen - es reicht "Samstag, neun Uhr dreißig.". Sonst wirkt es in drei Jahren wie Vergangenes, obwohl es dann sicher noch immer genauso aktuell ist wie gestern und heute.

Ein Unternehmersöhnchen hätte es auch nicht gleich sein müssen - selbst ein Vergleich mit einem Sozialhilfeempfänger hätte noch gewirkt, aber man muß auch nicht gleich von einem Extrem ins andere fallen. Der Hinweis, daß Jan in Deutschland oder Europa wohnt (und hier zur Schule geht...), wäre treffender (den Leser besser treffend...).

"während" hat ein stummes h (erster Absatz). (Ich schreib Dir die Wörter nur mehr richtig, damit Du sie nicht noch einmal falsch liest und das Falsche hängen bleibt...;))

Alles liebe
Susi

 

grüß dich, marot!
ich mag diese einfachen, plakativen sätze. sie machen deutlich, was du sagen willst. und sie sind somit tatsächlich auch für kinder geeignet, im sinne von "zu verstehen und nachzuvollziehen". bezüglich der technischen fehler, kann ich mich den anderen kritikern gerne anschließen, insbesondere der ortho-gräfin! herzliche grüße. ernst

 

Hallo Marot,

normalerweise würde ich schreiben: Dies ist keine Geschichte, so eine Gegenüberstellung ist ein ziemlich verbrauchter Ansatz. Doch Dir ist es gut gelungen eine Darstellung `wie es nun einfach `mal ist´ zu schreiben. Ohne aufgesetzte Moral, ohne `wenn und aber´. Ein Unternehmersohn hätte es zwar nicht unbedingt sein müssen, aber der direkte Vergleich der beiden Kinder ist sehr treffend.
Wenn Du „noch auf einen weiteren Mißstand hinweisen“ wolltest, müßte der Titel der Geschichte nicht „Auch eine Kindergeschichte“ heißen? Denn das es keine Kindergeschichte ist kann man doch nicht sagen. (Ich weiß natürlich schon, welche Art von Kindergeschichte es nicht ist).

Tschüß... Siegbert

 

Ok , ich hab jetzt ne weile gegübelt und letzlich ein paar kleine Änderungen vorgenommen.
1. Der Beruf des vaters wird nun nicht mehr genannt, was er tut wird der Fantasie des Lesers überlassen.

2.Das Datum ist raus.

§. Das ende wurde umformuliert.

 

Hoppla, das "während" aus Häferls Post hab ich doch glatt übersehen beim Aufzählen ;)
Im Übrigen ist die Krankheit immer noch nicht ganz richtig (Cholera)

Gruss
SaltyCat

 

Hi Marot!

Das meiste wurde schon gesagt: Du hast aus einem altbekannten Stoff mit wenig Mitteln einen interessanten und zum Nachdenken anregenden Text gemacht. Sehr schön!

Wo alle anderen an Deiner Rechtschreibung gefeilt haben: einen hab ich auch noch: Bezirksmeisterschaften - ohne e hinter dem i! ;)

Lieben Gruß,

chaosqueen :queen:

 

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