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Keine Angst

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04.01.2015
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Keine Angst

Ich habe keine Angst vor der Liebe. Das macht uns zu ebenbürtigen Partnern. Die Liebe ist gleichzeitig mein vertrautester Freund und mein ärgster Feind. Mein Herz, mein Fluch. Und Segen. Ich habe keine Angst. Mich zu verlieben. Mich Hals über Kopf ins Feuer zu stürzen. Denn jede Sekunde voll Liebe ist es wert. Jeder Moment, in dem ich mich aufgehoben und geborgen fühle. In dem ich denke, die Welt bleibt stehen und der Zauber will niemals verfliegen. In dem ich meine Augen schließe um diese Sekunde mit allen anderen Sinnen in mich aufzunehmen. Jede einzelne dieser Sekunden ist es wert, ein gebrochenes Herz davon zu tragen. Die Scherben vom Boden einzusammeln. Mich in Stille und Einsamkeit zu verkriechen und versuchen, die Teile wieder zusammenzusetzen. Das, was davon übrig geblieben ist. Um mich dann wieder von neuem aufzumachen, um die Liebe wiederzufinden, die sich so sang- und klanglos davon geschlichen hat. Es ist eine ewige Jagd, ein Versteckspiel. Doch ich weiße, eines Tages werde ich sie finden und festhalten können.

Ich traf ihn, als ich ein junges Mädchen war. Er war dieser Junge, der etwas zu groß und etwas zu dünn war. Der diese merkwürdig krausen Haare hatte und eine schräge Brille trug. Der mich ansah, als sei ich das Schönste, was seine Augen jemals erblickt haben. Der auf jedem Fest die ganze Nacht mit mir tanzte. Mit dem ich stundenlang über die schönen und hässlichen Seiten des Lebens philosophieren konnte. Der mir niemals näher kommen würde, da ich zu einem anderen gehörte. Und so führte das Leben allmählich unsere Wege auseinander. Und wir liebten andere und brachen ihre Herzen und unsere wohl auch. Und irgendwann, einige Jahre später, trafen wir uns wieder.

Es brauchte nur wenige Augenblicke um alles wieder zurückzubringen, was die Zeit zu verwischen versucht hatte. Doch der Zauber des ersten Kusses, die Magie der ersten Berührung wurde von dem Wissen getrübt, dass diesmal er es war, der zu einer anderen gehörte. Und die Liebe quälte mein Herz und ließ es beinahe kalt und gleichgültig werden, als er mir wenig später sagte, er sei wieder frei. Doch nicht für mich. Es würde nicht funktionieren, sagte er. Ich bin nicht das, was du suchst. Und so führte er mich, ohne es zu wissen, in die Arme eines anderen. Und die Liebe gab mir alles, was ich mir je ersehnt hatte, nahm mich mit, auf das größte Abenteuer meines Lebens, berauschte mich mit ihrer Kraft und Leidenschaft. Bis sie eines Tages einfach wieder verschwand. Und mich zurückließ, in Dunkelheit, Stille und Verzweiflung. Und wieder einmal glaubte sie fast den Kampf gewonnen. Da führte das Leben unsere Wege aufs Neue zusammen.

Diesmal vorsichtiger - zwar hatte die Zeit die Wunden geheilt, die Narben waren verblasst, doch nicht vergessen - begegneten wir uns. Wir waren beide frei, wir waren jung und wild und ungebunden. Die Liebe zeigte mir, wie sein könnte. Das größte Abenteuer meiner Geschichte. Wenn er mich hielt, fühlte ich mich frei und aufgehoben zugleich. Die Welt blieb stehen und der Zauber blieb bestehen. Was ist es eigentlich? fragte ich. Was ist es, und wo hat es angefangen? Ich weiß es nicht, sagte er. Doch ich denke, es würde nicht funktionieren. Ich bin nicht das, was du suchst. Ich bin nicht gut für dich. Du hast Angst, sagte ich. Und da erkannte ich, was die Liebe vorhatte. Sie hatte mich nicht bezwingen können. Und so gab sie mir alles, was ich mir wünschte, zeigte mir, was vor mir liegen könnte, schürte meine Hoffnung und meinen Glauben an sie. Und dann wandte sie sich an ihn. Und säte Zweifel und Angst und Reue und Schmerz. Die Liebe hatte mich meiner Waffen beraubt und nun stand ich da und musste zusehen, wie sie ihren Kampf mit ihm austrug. Ich hoffte und bangte, dass sein Herz wie meines furchtlos und stark sein würde. Doch ich täuschte mich. Und so zog die Liebe von dannen und nahm alles mit sich, was sie zuvor beschworen hatte. Und ließ mich zurück. In Dunkelheit, Stille und Verzweiflung. Wo ich die Scherben vom Boden einsammelte und versuchte, die Teile wieder zusammenzusetzen. Das, was davon übrig geblieben war. Um mich dann wieder von neuem aufzumachen, sie zu finden. Denn ich habe keine Angst.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Lena 1986,
ich bin noch neu in der Firma, aber da ich vermutlich den ersten Kommentar schreibe: Herzlich willkommen bei den Wortkriegern!
Ich habe Deine Geschichte gelesen, mehrmals. Beim ersten Mal war ich dem Ansturm des gigantischen Textes nicht gewachsen. Der fuhr mich glatt über den Haufen. Gütiger Himmel, was für eine Wucht - ich war mir sicher, dazu nichts, rein gar nichts sagen zu können.
Im zweiten Durchgang riss es mich hin und her. Hoffnung und Enttäuschung, die Liebe kommt, die Liebe geht. Aber das nahm kein Ende! In diesem kurzen Text kam die Liebe dreimal und ging die Liebe dreimal! Sie war Freund und Feind und Herz und Fluch und Segen. Ich war versucht, meinen Tee mit Rum anzureichern.
Lesen zum dritten Mal: Hier überkamen mich Ablehnung und Ärgerlichkeit. Das leiert doch zu sehr - ich musste an einen mittelkarätigen Schlagertext denken. Oder an die Bastei-Romane meiner Mutter, weil das Phrasenhafte zu sehr störte.
Insgesamt empfand ich das Lesen Deines Textes als strapaziös, und dabei glaubte ich zu wissen, dass Du alles gegeben hast, was Dir zur Verfügung stand. Ja, das ist sehr schade.
Ist auch nur meine unmaßgebliche Meinung. Außerdem ist das Jahr noch lang.
Joséfelipe

 

Guten Morgen Josefelipe,

danke für dein ehrliches Feedback. Es ist das erste, das ich zu einem meiner Texte bekomme. Und ich finde es faszinierend zu lesen, wie meine Gedanken auf andere wirken, daher bin ich ja hier.
Vielen Dank, dass du die Strapazen des dreimaligen Lesens auf dich genommen hast. Ich höre heraus, dass ich mit meinen Formulierungen vielleicht etwas over-the-top war und dass das ewige Hin und Her es schwierig macht, der Sache zu folgen.
Du hast recht, das Jahr ist noch lang.
Lena

 

Hallo Lena,

versuch eine Geschichte zu erzählen, die nicht mit Gemeinplätzen arbeitet, versuch deine Figuren zu individualisieren, versuch dieses Abstrakte herunterzubrechen.

Es ist nicht spannend zu lesen, wie "die Liebe" die Figuren in ihren Fängen hat; das klingt sehr abstrus und wirklich nicht kreativ, wenn man versucht Liebe als eine natürliche Kraft darzustellen, die gottähnlich die Menschen als Marionetten hält ´- das hat auch nix mit over the top zu tun, das ist einfach keine besonders neue Sicht auf die Liebe.

Ich glaube schon, dass du schreiben kannst, nur muss du dich vom Allgemeinen hin zum Speziellen bewegen; das würde deiner Geschichte gut tun.

JoBlack

 

Dem kann ich mich nur anschließen. Erst eine gewaltige Wucht, dann aber doch irgendwie (noch) zu oberflächlich.

Denk doch mal darüber nach, in welchen "Figuren" evtl. auch "Symbolen" sich die Liebe Dir gezeigt hat. Vielleicht wird es dann etwas konkreter.
Gerne auch "nur" das Drumherum, also wo hat sich die Liebe gezeigt, an welchen Orten spielten sich die von Dir oben beschriebenen Szenen ab?
Das ganze ist noch zu dicht geschrieben, wunderschön auf der einen, aber schwer verständlich (zu allgemein) auf der anderen Seite.

You live, you learn. - Nichts für ungut, aber ich habe die Geschichte "trotzdem" auch sehr gerne gelesen. Erinnert mich irgendwie an "früher". Man braucht eine Weile, bis die Gedanken anschlussfähig werden. - Wobei sie das letztendlich wahrscheinlich niemals sind.

Hab also keine Angst.

Reiki oder Wuwu, ganz wie es beliebt

 

„Das Glück ist eine leichte Dirne,
Und weilt nicht gern am selben Ort;
Sie streicht das Haar dir von der Stirne
Und küsst dich rasch und flattert fort.

Frau Unglück hat im Gegenteile
Dich liebe fest ans Herz gedrückt;
Sie sagt, sie habe keine Eile,
Setzt sich zu dir ans Bett und strickt.“
Heine, Lamentationen​


Herzlich willkommen hierorts,

liebe Lena –
ein interessanter Gedanke, keine Angst vor der Liebe zu haben. Aber passen denn die beiden Emotionen Angst und Liebe zueinander?

Angst kommt von der Enge, im Verb ängstigen, ob mit oder ohne Vorsilbe, klingts noch durch. Es wird einem eng, man sitzt in der Klemme, fühlt sich eingezwängt. Und genau das passiert der Icherzählerin doch immer wieder mit ihren Partnern. Was das beweist? Zwo Sätze in dem kleinen Text, wenn es heißt

Es würde nicht funktionieren, sagte er.
[…]
Doch ich denke, es würde nicht funktionieren.
Sind Liebende Funktionäre? Oder gar wie die kleinen Rädchen in Betrieb und Getriebe? Oder noch schlimmer: Eine mathematische Funktion?

Nee, ne, Du würdest mir trotz des nicht-Funktionierens widersprechen. Und mit Recht und triffst doch nur Dich selber: Das Herz erfüllt als Pumpe seine Funktion. Romantik lässt es im Gegensatz zu Kopf und Verstand Hort der Liebe sein. Ist es aber nicht und wird gebrochen. Schizophren halt. Sie/er liebt mich. Liebt mich nicht … Da, da, da ... hieß es mal in der NDW.

Jede einzelne dieser Sekunden ist es wert, ein gebrochenes Herz davon zu tragen.
Obwohl nicht falsch, so doch besser
Jede einzelne dieser Sekunden ist es wert, ein gebrochenes Herz [davonzutragen],
denn erstere Variante verweist im Grunde auf das Heine Gedicht: Das glückliche Gefühl lässt sich nicht konservieren und wie beim Rausch kommt die Katerstimmung.

Liebe ist wie Freundschaft ein zartes Pflänzchen, dass durch Besitzansprüche zertrampelt wird. Ich bin kein religiöser Mensch, aber der Korinther Brief hat recht: Liebe fragt nicht. Sie ist blind und geht daher mit Glaube und Hoffnung.

Gleichwohl: Deine Sprache gefällt mir, das wird was!, wenn wir die lästige Flüchtigkeit vertreiben.

Doch ich weiß[…], eines Tages werde ich …
Hier besser Konjunktiv
Der mich ansah, als sei ich das Schönste, was seine Augen jemals erblickt [hätten].

Und hier vor der Infinitivgruppe ein Komma
Es brauchte nur wenige Augenblicke[,] um alles wieder zurückzubringen, was die Zeit …
Und hier fehlt was (vermutlich ein Personalpronomen
Die Liebe zeigte mir, wie sein könnte.

Gruß vom

Friedel,
der noch ein gutes neues Jahr wünscht und gespannt auf den nächsten Text ist

 

Danke euch allen für die Kritik. Ich kann viele wertvolle Tipps daraus mitnehmen und mich damit an neue Baustellen begeben, konkreter werden, wohldosierter vielleicht.
Ich freue mich auch "trotzdem" herauszuhören, dass ein kraftvoller Kern darinsteckt.
Herzliche Grüße und allen einen schönen Tag,
Lena

 

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