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Kein Wasser

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21.12.2012
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Kein Wasser

Kein Wasser

Sie reden. Sie reden immerzu und überall, reden, rufen, flüstern, zischen, schreien, überschütten sie mit zusammenhanglosen Wörtern und Sätzen, ein Schwall aus Lauten, wie ein starker Regen, der sich aus einer besonders düsteren Wolke ergießt.
Sie ist Wasserdicht.
Sie hört schon lange nicht mehr zu, wieso sollte sie auch?
Es sind immer dieselben Wörter, dieselben Sätze, dieselben endlosen Geschichten. Sie sitzt einfach nur da, während sie ihre Eimer über ihr ausleeren, jeden Tag füllen sie sich aufs Neue, immer und immer wieder von neuem. Zum Glück ist sie Wasserdicht. Sie sitzt einfach nur da.
Als sie endlich wieder gegangen sind, alle und endgültig, merkt sie einmal mehr, wie leer sie ist. Wie furchtbar leer. Sie mag Wasserdicht sein, doch dafür hat sie einen hohen Preis bezahlt, das weiß sie. Denn die Mauer, die unsichtbare Wand oder der, wie es arme Menschen in grauen Kitteln, die sich Psychologen nennen wieder beschreiben werden (oh ja, sie weiß genau dass sie es tun werden, sie kennt sie alle nur zu gut) „Schutzwall“ den sie gegen das Wasser errichtet hat, ist gleichzeitig auch eine Mauer für alles andere, für alles andere Schlechte, aber auch für alles andere Gute, das spürt sie. Nur, sie hat entschieden dass alles wunderschöne, erfreuliche, alles Gute das Wasser dieser Welt nicht aufwiegen kann. Lieber sitzt sie im Trockenen.
Und doch, manchmal sehnt sie sich danach auch etwas anderes hineinzulassen, ihm eine Lücke zu zeigen in der Mauer, doch sie hat keine Lücke, weil sie jeden Abend und jeden Morgen sorgfältig die Steine nach Rissen abtastet und diese sofort verschließt. Wenn erst mal Wasser in einen Riss gelangt ist, ist es zu spät, zu spät, zu spät. Dazu wird sie es nicht kommen lassen. Sie sitzt hier, und sie sitzt im Trockenen, wie es sein soll.
Sie fühlt sich gerade ein kleines bisschen so als müsse sie weinen. Aber wenn man solange kein Wasser mehr berührt, jede Begegnung vermeidet hat, geht das natürlich nicht. Tränen sind auch Wasser. Davon hat sie keins. Ihre Mauer ist dicht.
Und doch, manchmal, ganz selten, wie zum Beispiel jetzt, sehnt sie sich so sehr danach, etwas hereinzulassen, irgendwas. Nur kein Wasser. Kein Wasser, kein Wasser. Sie kann nicht schwimmen, und sie will nicht ertrinken.
Aber wieso nicht? Was hält sie noch hier? Sie sitzt hier, und sie ist leer. Wofür soll sie nicht ertrinken? Gibt es etwas? Irgendetwas?
Sie erträgt den Gedanken, dass es nichts mehr geben könnte nicht. Sie muss wieder etwas hereinlassen, nur ein ganz kleines bisschen etwas. Ein Riss, einen Riss braucht sie jetzt, eine kleine Lücke, nur wird Stein nicht so schnell rissig. Aber das ist ja auch gut so, schließlich will sie im Trockenen sitzen.
Aber nur eine Lücke, ein kleiner Spalt.
Ein kleiner Spalt.
Ihre Hand tastet nach ihm, doch plötzlich spürt sie, dass sie es ja schon die ganze Zeit in der Hand hält. Metall ist eine wunderschöne Erfindung, findet sie. Es macht Fahrräder, es macht Werkzeug aber vor allem macht es Lücken. Sie macht jetzt eine Lücke.
Die Lücke reiht sich ein, neben die ganzen anderen Lücken, die schon lange vor ihr da waren und sich schon selbst wieder geschlossen haben. Sie macht die Lücke, schließt die Augen, atmet ein, und es kommt, es strömt in sie, die Welt strömt in sie hinein, durch diese Lücke. Alles kommt hinein, alles, alles, alles durchfließt sie. Nur kein Wasser.

 

Wasser ist nicht nur eines der wichtigsten Lebensmittel, es ist der Ursprung des Lebens überhaupt (jedenfalls wie wir es kennen, SF-Verehrer könntern da anderer Auffassung sein), dass der Titel Deiner kleinen Studie, mit der Negation vorweg („kein Wasser“) wohl’s Sterben, wenn nicht schon den Tod der Protagonistin, die allein in der 3. Person Einzahl, fem., einer Welt als 3. Person Plural gegenübersteht und quasi in einer Wortflut/einem Redeschwall ersäuft wird, wenn es zu Anfang heißt:

Sie reden. Sie reden immerzu und überall, …
als Ort des Geschehens nehme ich anhand der
… Menschen in grauen Kitteln …
eine geschlossene Anstalt,

liebe/r Yushiko.

Ich vermute, dass Du noch sehr jung bist – es erinnert mich an Schülerprosa - und – so will mir der Name Yushiko einflüstern – Deutsch gar nicht Deine Muttersprache ist (oder hatt' ichs schon so formuliert? Macht nix, da muss ich dann jetzt durch.). Dafür ist – bis auf’s „wasserdicht“, wie etwa hier zum ersten Mal

Sie ist Wasserdicht.
(es kommt dreimal vor; sofern ich mich nicht verzählt hab) oder hier
Nur, sie hat entschieden dass alles wunderschöne, erfreuliche, alles Gute das Wasser dieser Welt nicht aufwiegen kann
(wo die beiden Adjektive „wunderschön“ und „erfreulich“ wie direkt danach das „Gute“ ja schon ist, auch zu substantivieren sind. Ersetz Probeweise „alles“ durch „all das …“).

Auch müsste gelegentlich das eine oder andere Komma nachgetragen werden, wie hier zB

Sie fühlt sich gerade ein kleines bisschen soKOMMA als müsse sie weinen.
Hier wäre etwas mehr zu korrigieren, abgesehen vom „vermeidet“ (vermieden wäre korrekt)
Aber wenn man solange kein Wasser mehr berührt, jede Begegnung vermeidet hat, geht das natürlich nicht.
So lange hier auseinander, da keine Konjunktion. Mit solang(e) als Konjunktion sähe der Satz etwa so aus
„Solange man kein Wasser mehr berührt ….“

Und hier mal ohne Kommentar

Sie erträgt den Gedanken, dass es nichts mehr geben könnte nicht.

Aber warum haben viele junge Leute in ihren Erzählungen den Hang zum sozialen oder biologischen Ende? Ist die Zeit des Überganges von der Kindheit zum Erwachsenenleben heute in der Individualisierung tödlich langweilig? Da kann ich eigentlich nur auf Rio Reiser und Ton Steine Scherben verweisen …

Und dann doch noch’ne Frage

Metall ist eine wunderschöne Erfindung, findet sie. Es macht Fahrräder, es macht Werkzeug aber vor allem macht es Lücken. Sie macht jetzt eine Lücke.
War Metall nicht immer schon da? (Du bzw.) „sie“ mein(s)t die Bearbeitung vom Erz bis zum Gebrauchsgegenstand. Der kann selbstverständlich auch ein Rasiermesser oder überhaupt 'ne scharfe Sache sein - oder?

So viel oder so wenig für heute vom

Friedel,
der aber doch noch'ne Bitte hat: Trau Dich auch mal, anderer Texte (muss ja keiner von mir sein) zu kommentieren ... Vielleicht "traut" sich dann auch mal ein anderer an einen Text von Dir ...

 

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