Kein Licht
Kein Licht in Sicht. Nicht ein einziger Funken. Kein Reiz der verarbeitet werden kann, höchstens ein Gefühl.
Ein kleiner Hauch von Informationen, der ihr ermöglicht zumindest im Ansatz eine Ahnung zu haben. Sie fühlt die Schweissperlen,
die aus ihren Poren kriechen, um ihre stressbedingte Temperaturerhöhung vergeblich zu vermindern.
Epileptisch zitternde Extremitäten, die sie zwar nicht sehen mag, aber dafür umso deutlicher fühlt.
Sie fühlt die Blässe in ihrem Gesicht, welches durch die Nässe der Krokodilstränen schon viel zu lange viel zu eisig ist.
Sie fühlt ihren Magen, welchen sich nicht halten könnte, wäre er gefüllt,da das im Kreislauf zirkulierende Adrenalin bereits zu lange zu konzentriert ist.
Die Dunkelheit verschwimmt, zerfließt in tausend Schlieren und Farbe kommt in die Sequenz. Als wäre die Iris zum Kaleidoskop mutiert, entstehen fragende Fraktale, welche einheitlich und verschieden zugleich sind, verschwimmen zu Massen und Zahlen, welche mit irdischen Vokabeln nicht zu begreifen, gar zu beschreiben sind. Ein Becken voller Regenbogen-getaufter Kois. Eine bizarre auf sie zukommende Wolke Gas, welche von Partikeln getragen wird, jene aus Molekülen bestehen, die in Farben getränkt sind, die mit keiner Wellenlänge definiert werden können. Nicht der manischste Künstler würde es wagen dies zu interpretieren, geschweige denn zu kreieren. Die Farben formen, fallen, gleiten, schweben, ächzen, krächzen, lieben und hassen, wie es nur eine Existenz zu machen vermag.
Und so formen sie Bilder, welche neutral beäugt werden, da sie einfach passieren und so persönlich unpersönlich sind, dass sie nicht zu begreifen sind. Die Farbanordnung scheinen sich zufällig zu finden und absurde Dinge entstehen:
Ein Spatzenkind fliegt im freien Fall, von Mutter aus dem Nest getrieben, doch dank mangelnder Flügelkraft verliert es beim Aufprall nicht nur den Lebensmut, sondern auch die Verbindung der Nerven im Rückgrat. Ein Herr, welcher seinen Wanderstock verliert, aber unfähig ist ihn wieder zu greifen. Ein Baum der tiefer wurzeln will, aber gegen den massiven Stahlbeton keine Chance hat. Ein Fisch, welcher der Nahrungskette nachgeht, mit dem Unwissen, dass der verköstigte Parasit ihn von innen fressen wird. Luftströme, die permanent in Bewegung sind um Kreaturen mit Sauerstoff und Pflanzen mit CO2 zu versorgen, also mobiles Leben sind, aber nicht wissen, dass sie letale Nanopartikel mit sich tragen.
Die komplette Bizarrheit verliert den Fokus des Partzipianten durch ein kleines Zittern. Ein Zittern, welches alle paar Sekunden auftritt und stetig stärker wird. Die gerade noch perfekten Bilder scheinen weit entfernt als sie wieder zu sich bewegenden Farbschlieren zerfallen. Das Zittern ist nun ein Beben und die Farben fast komplett passé.
Der nächste Takt des Bebens gleicht einem Fausthieb und zerbricht die Dunkelheit in abertausend kleine Teile.
Mit dem letzten Schub stöhnt der gerade noch korpulierende, warme Körper ein letztes mal, steigt von ihr herab, löst ihre Handschellen, wirft sich den neu gekauften Mantel über und verlässt den Raum. Sie, noch beeindruck von ihren Farbkomplexen, richtet sich auf um die Hämatome zu kaschieren und plötzlich geht die Tür auf.
"Achja, vergiss nicht, der bärtige Naturalist benötigt ein wenig Glück in Scheinform, um das deine gewährleisten zu können, Volk."
"Ich weiss, Vater Staat."
"Ich hab dich sehr lieb!" - "Ich dich ebenso."
Die Tür fällt zu. Volk's müde Augen wandern zum Medikamentenschrank. Nun auch ihre Beine, um den letzten Serotoninwiederaufnahmehemmer aus dem Blister zu drücken und ihn mit Cognac zu spülen. Sie putzt sich routiniert die Beißer und läuft fröhlich Richtung Discounterkasse, um ihrem täglichen Werk nachzugehen.
Volk ist glücklich - Staat auch.