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Keep aware.........
Die laute Musik schmerzte ein wenig in meinen Ohren, die wummernden Bässe ließen meine Eingeweide vibrieren, und trotzdem genoss ich die Atmosphäre. Ich fühlte mich, als würde ich auf wolken schweben, denn es war eine jener wenigen Nächte, in denen sich meine Sorgen klein und zusammengekauert in dem letzten Winkel meines undurchschaubaren Ichs versteckten und nichts und niemand ihnen die Erlaubnis gab, an die Oberfläche zu dringen und meine Seele in Besitz zu nehmen. Und all das, diese Nacht in Freiheit, hatte ich Thea, oder besser gesagt ihrer "Wunderwaffe", zu verdanken. Ich konnte spüren, wie dieses Gefühl der unendlichen Weite in meine Venen gepumpt wurde und, getragen durch mein Blut, in meinen Kopf, meinen Rumpf einschoss und sich nach und nach ein wohlig warmes Gefühl in meinen Gliedmaßen breit machte. Nun war ich bereit, ich wollte für einige Stunden einfach nur mein Leben genießen, glücklich sein, so wie all die andreren Jugendlichen.
Bestimmt eine Stunde hatte ich getanzt, getrunken, gelacht, als plötzlich ein Gedanken durch meinen Kopf schoss: Was würde wohl ein Außenstehender nun sehen, nun denken? Für einen Beobachter war dieses Mädchen nicht anders, nicht anders als die anderen jungen Menschen um sie herum. Eine Studentin, vielleicht zwanzig, einundzwanzig Jahre alt, keine klassische Schönheit, aber mit ihrem langaufgeschossenen, schlaksigen Körper, den langen, dunkelbraunen Locken und den vollen, exakt gezeichneten Lippen eine durchaus interessante Erscheinung. Es würde wohl niemandem auffallen, dass etwas an ihr kein bisschen gewöhnlich war: Auch wenn das Mädchen viel und ausgelassen lachte, ihre Augen schienen so leer, um nicht zu sagen tot. Und nur sie wusste, dass sie nie gelernt hatten zu leben, sie waren schon viel zu früh gequält worden, sodass das Leben sich aus ihnen zurückgezogen hatte. Ein plötzlicher, durchdringender Schmerz, der sich stechend den Weg von meiner linken Schulter hinab zu meinem Bauchnabel bahnte, riss mich aus meinen Gedanken. Und auch wenn ich noch kaum Erfahrung mit dieser Sache hatte, wusste ich, was das bedeutete: Ich musste zu Thea. Mit leichten Schwindelgefühlen, einem beklemmendem Druck in meinem Brustkorb und zitternden Knien schob ich meinen zierlichen Körper durch das ausgelassene Partyvolk. Nach Minuten, die mir eher wie Stunden erschienen waren, erreichte ich Thea an ihrem Stammplatz gleich neben der Mädchentoilette. Am Anfang des Abends hatte sie mir über diesen Ort erzählt," Der ist gewinnbringend, weil hier muss jeder einmal vorbei, und immer wenn jemand etwas braucht, findet er mich hier." Schon nach einigen Sekunden stellte ich beruhigt fest, dass ich meinen Körper wieder kontrollieren, meine Arme und Beine wieder koordinieren konnte und dass diese Pein einem schwebenden Gefühl von unendlicher Sorglosigkeit wich. Wenn nur alle Tabletten so gut wirken würden. Sogar dieses leichte Kältegefühl und die wunderschönen bunten Flecken, die ich verschwommen vor mir sah, gefielen mir. Ob mit der nächsten wohl Sterne daraus werden würden? Oder Sternschnuppen?
Mühsam schlug ich die Augen auf. Wo war ich? Da unten, auf der Liegen, da lag ich doch! Oder war es etwa nur meine Hülle? Träumte ich oder war ich in einem schlechten Film. Das letzte woran ich mich erinnern konnte, war ein langer Gang, der Krankenhausgang?? Aber er hatte so dunkel, so düster auf mich gewirkt, nur das kleine Licht am Ende strahlte Wärme und pure Glückseligkeit aus........
Plötzlich schien ich mich in einer Spirale zu befinden, ich drehte mich, ich wurde umhergewirbelt und fand mich nach einiger Zeit in einem schönen, großen Garten wieder, dem Garten meiner Kindheit. Sogar die Schaukel am Baum schwang noch hin und her. Da sah ich mich auf einmal, ich war wieder ein kleines Mädchen, sieben Jahre alt. Und ich hörte auch schon die lauten stimmen, die mich mein Leben lang verfolgen sollten. Doch damals wusste ich es nicht besser, ich versteckte mich in meinem Baumhaus. Kurz nachdem ich die Strickleiter hinaufgezogen hatte, lief auch schon meine Mutter, damals eine knapp 35 Jahre alte, gutaussehende Frau, an mir vorbei, kurz danach mein brüllender Vater. Mama blieb stehen, Papa blickte ihr eiskalt ins Gesicht und schrie etwas, was ich damals nicht verstanden hatte, doch nun wusste ich es: Meine Mutter, meine gute, immer aufmerksame und stille Mutter, wollte und konnte meinen cholerischen Vater nicht mehr ertragen, sie hatte die Scheidung eingereicht und wollte bei ihre neuen Freund einziehen. Und plötzlich zog er eine Waffe. Ich wollte wegblicken, doch ich konnte nicht, ich sah den leblosen Körper meiner Mutter zu Boden sinken.
Und dann konnte ich nur noch einen starken Sog fühlen, ich wurde immer höher und höher gezogen. Auf meinem Weg nach oben sah ich eine Tafel, ein Werbeplakat: Drugs are not the answer, they do not solve your problems, they just kill you!!!! Keep aware..........