Kausalitäten
„Pass auf!“, schrie Jens noch, da hatte er aber schon nach dem Lenkrad gegriffen und es herumgerissen. Dave trat heftig aufs Gaspedal, hinten kreischten die Weiber. Jens sah sie schon alle auf den Geländewagen auffahren, da schlingerten sie daran vorbei. Die Straße vor ihnen wippte noch auf und ab, bevor sie wieder in die Waagerechte geriet. Einige Meter schlitterte der Wagen noch über den Asphalt. Dann blieb er stehen.
In Jens’ Ohren trommelte das Blut, seine linke Hand war noch um den Fellbezug des Lenkrads gekrallt, während seine rechte am Armaturenbrett Halt gefunden hatte. Eben noch hatten sie sich darüber gestritten, ob sie sich verfahren hatten oder nicht. Dass hinter der nächsten Kurve plötzlich ein Geländewagen quer über der Spur stand, hätte ihnen jetzt beinah das Leben gekostet. Jens sah sich diesem Gedanken gegenüberstehen und schwitzte stark.
„Verfluchte Scheiße...“ Dave war aus seiner Starre erwacht. Er klang heiser, aber seine Wut war ihm dennoch anzuhören. „Welcher dämliche Bastard...“ Mit einer unwirschen Handbewegung schlug er nach Jens’ Arm, der darauf das Lenkrad losließ. Am liebsten hätte er Dave dafür angeblafft, doch fehlten ihm grad jedwede Worte. Er beließ es bei einem zornerfüllten Blick.
Leises Wimmern kam von der Rückbank. Mandy kauerte hinter Dave. Sie hatte ihre schwarz lackierten Fingernägel in ihre breiten Oberschenkel vergraben und weinte. Die Tränen zogen Schlieren aus dunklem Mascara über ihr blasses Gesicht. Offenbar half das Mia neben ihr, um sich vom Schock zu befreien. Sie lehnte sich zu ihrer Freundin über, wobei Jens ihr ununterbrochen in den tiefen Ausschnitt glotzte.
„Oh nein, Süße, nicht weinen“, versuchte Mia zu trösten, wobei ihre Stimme noch recht brüchig klang.
„Hat sich jemand was getan?“, fragte Jens. „Irgendwas gebrochen?“
Mia schüttelte den Kopf und auch Mandy gab andeutungsweise ein Nein von sich.
„Dave?“
„Nein, Mann!“
Dave war seine gewohnte Wut schon wieder anzusehen, die sich allmählich einen Weg hinaus bahnte. Jens fragte nicht weiter nach, schon allein weil er nicht wusste, wohin das führen konnte.
„Was war überhaupt los?“, kam es zögerlich von Mandy.
Daraufhin sahen sie durch die Heckscheibe hinaus.
Der Geländewagen stand überraschend weit weg. Er war wohl in die entgegengesetzte Richtung unterwegs gewesen, stand nun aber quer über der falschen Fahrbahn, mit einem Rad schon im Straßengraben. Auch auf diese Entfernung blieb nicht unentdeckt, was ihnen Gänsehaut bereitete: jemand saß am Steuer des Wagens.
„Dem werd’ ich jetzt den verdammten Arsch aufreißen!“ Bevor ihn jemand daran hindern konnte, hatte sich Dave bereits abgeschnallt und war ausgestiegen.
„Dave, nicht! Komm zurück“, hielt ihn Mia an, was Jens neidisch quittierte. Doch Dave hörte es gar nicht.
„Ihr bleibt im Wagen. Jens, du sorgst dafür, dass sie drin bleiben!“ Dann stapfte er davon. Jens hasste es, wenn er von ihm so bevormundet wurde; aber aussteigen und ihm folgen wollte er auch nicht.
Sie sahen ihm durch die Heckscheibe nach, wie er sich forschen Schrittes dem liegen gebliebenen Fahrzeug näherte. Dave war groß und kräftig. Jens wollte mit dem Fremden nicht tauschen.
Dave rief etwas, beleidigte den Fremden wohl wieder, und stand schließlich neben der Fahrertür.
Dann schrak er zurück.
„Was ist da los, Dave?“ Mia hatte sich von ihrer schluchzenden Freundin gelöst und verließ den Wagen noch ehe Jens seinen Schrecken überwunden hatte.
„Nein, bleib hier!“, rief er ihr hinterher, vergeblich. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ Er schnallte sich ab und stieg aus. „Komm zurück, Mia!“
Statt auf ihn zu hören stöckelte sie davon. Jens folgte ihr, den Blick erst von ihrem Minirock abwendend, als Mandy beim Aussteigen die Tür zuschlug.
„Hatte ich nicht gesagt, ihr sollt im Auto bleiben?!“, schnauzte Dave, der sich langsam vom Geländewagen entfernte, sie alle an. Er kramte etwas aus seiner Hosentasche hervor. Mia war schon fast bei ihm. „Nicht so nah“, meinte er scharf.
Jens gefiel diese herrschsüchtige Art nicht. Als wären sie alle noch kleine Kinder. Aber er hielt sich zurück. „Ist mit dem Fahrer irgendwas?“ Dabei ging er schnell auf den Wagen zu, wurde langsamer, als er an Dave vorbeikam und blieb schließlich stehen, bevor er Genaueres im Wagen erkennen konnte.
„Weiß ich nicht“, antwortete Dave. „Bleib lieber weg, ich glaub, der ist hinüber.“ Er hielt sich sein Handy ans Ohr. Die Mädchen blieben neben ihm stehen, reckten die Hälse um etwas sehen zu können, wagten sich jedoch nicht weiter.
Jens würde nur noch einen Schritt brauchen, um den Fahrer sehen zu können. Aber was ließ selbst Dave zurückschrecken? Sein Fuß schleifte ein Stück über den Asphalt. Die Dämmerung setzte ein.
„Ja, hallo? Hören Sie?“
Jens wandte sich um.
„Ich habe hier einen Toten zu melden. Haben Sie mich verstanden?“
Jens warf den Mädels fragende Blicke zu, dann verstand er, dass Dave den Notruf gewählt hatte. Er hasste ihn dafür, diese Idee als Erster gehabt zu haben.
„Wo ich bin? Verdammt! Keine Ahnung, so eine Scheiße!“ Dave sah zu den anderen. „Die wollen wissen, wo wir sind.“
Darum hättest du dir Gedanken machen sollen, bevor du dort angerufen hast, Idiot! Jens ließ sich nichts anmerken. „Wenn wir das wüssten, hätten wir uns nicht verfahren. Lass uns noch mal in der Karte nachsehen!“
„Ich mach das!“, bot sich Mia an. Dave nickte und sprach ins Handy: „Können Sie kurz warten?“ Zusammen mit Mia ging er zum Wagen zurück. Jens sah beiden schäumend vor Wut hinterher. Natürlich sollte er sie an so einen verlieren, letztlich liefen alle schöne Frauen zu Trotteln über. Allen anderen blieb dann nur die Hoffnung auf schnelles Vergessen.
„Wie kann so was denn passieren?“, fragte Mandy etwas atemlos.
Jens sah sich nach ihr um. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sie an ihm vorbei zum Geländewagen geschlichen war. Jetzt starrte sie mit offenem Mund hinein. Soweit hatte selbst er sich nicht getraut.
„Geh da weg!“, fuhr er sie an. Er stellte sich neben sie und schaute selbst auf den Toten. In ihm stieg eine unangenehme Hitze auf, die bald darauf vom Wind auf seiner Haut viel zu rasch abgekühlt wurde. Wie…?„War das ein Tier?“ Mandy stellte sich näher an ihn heran.
„Welches Tier sollte dafür denn verantwortlich sein?“, fragte Jens, dem selbst schon die abstrusesten Geschöpfe in den Sinn kamen.
„Kein Bekanntes“, fügte Mandy hinzu, „aber vielleicht…“ Sie sahen sich um. Das verebbende Licht zog lange Schatten zwischen den Baumreihen zu beiden Seiten der Straße. Genug Platz für Kreaturen der Dunkelheit.
„Vielleicht ist er aber auch krank“, dachte sie laut und Jens hätte sie am liebsten dafür geschlagen, dass sie diesen Einfall nicht für sich behalten hatte. Beide traten einem eigenartigen Gefühl im Magen folgend vom Wagen zurück.
Autotüren fielen zu, ein Motor wurde gestartet.
Mandy und Jens wandten sich um. Die Bremslichter von Daves Wagen glommen rot auf, dann erloschen sie zugunsten der grellweißen Rücklichter. Der Wagen setzte zurück, wendete und fuhr auf sie zu.
Auch wenn beide sich dagegen wehrten, war doch sowohl bei Mandy als auch bei Jens der erste Gedanke der, dass man sie zurücklassen wollte. Die Suche nach logischen Erklärungen setzte erst hinterher ein.
Dave hielt mit offenem Fenster neben ihnen.
„Los, steigt ein!“
Mandy gehorchte beinah aufs Wort, hatte schon die Hand am Türgriff. Jens hingegen bewegte sich nicht.
„Warum? Habt ihr jemanden erreicht? Schicken die ’ne Ambulanz, oder was?“
„Nein, das tun sie verdammt noch mal nicht. Und jetzt steig ein!“, knurrte Dave ihn an.
„Wir konnten ihnen den Weg nicht beschreiben“, schaltete sich Mia ein. „Wir wollen zur letzten Stadt zurück um von dort Hilfe zu holen.“
„Und wie wollt ihr dann wieder hierher finden? Wir haben uns doch eh schon gefühlte tausend Mal verfahren.“
Wäre es Dave möglich gewesen, wäre er wohl aus dem kleinen Fenster heraus auf Jens zu gesprungen. Er spannte die Muskeln und der Gurt zurrte, als er heftig nach vorn zuckte und brüllte: „Halt endlich dein Maul und steig in den Wagen! Ich finde den Weg zurück schon!“
Jens hielt Abstand. „Nein“, sagte er bloß.
„Nein?“, wiederholten Mia und Mandy im Chor. Ihre verwirrten, vielleicht nur erstaunten, möglicherweise aber auch bewundernden Blicke stärkten ihn.
„Nein“, wiederholte er bekräftigt. „Einer muss bei ihm bleiben, sonst fressen ihn vermutlich noch irgendwelche Tiere oder er wird ausgeraubt oder sonst irgendwas.“
Sie sahen ihn immer noch verwundert an, Dave schien vor Wut zu platzen.
„Fahrt ihr nur und holt mich dann zusammen mit dem Rettungswagen hier ab. Zur Not ruft mich an, wenn was sein sollte.“
„Ich bleibe auch“, sagte Mandy und stellte sich zu Jens. Ihm wäre Mia lieber gewesen, aber dann hätte Dave womöglich nicht nachgegeben. So schüttelte er mit einem gehässigen Grinsen den Kopf, vielleicht sogar froh darüber, die zwei losgeworden zu sein. Mia fand noch ein paar Widerworte, dann verschwand der Wagen im Dunkeln.
Zurück blieben Jens und Mandy, allein in der Nacht neben einem Geländewagen, in dem ein Toter saß.
Mit dem Verstreichen des Tages kam die Kälte. Die Fenster des Jeeps beschlugen, als würde noch immer Luft aus den toten Lungen des einstigen Besitzers strömen. Jens beobachtete das mit wachsendem Unbehagen. Ihm war nur allzu bewusst, dass seine Entscheidung, nicht mitzufahren, rein gar nichts mit dem Toten und seinem Schicksal zu tun hatte. Er wollte nur beeindrucken, was leider bei der Falschen gewirkt hatte.
Mandy umrundete den Wagen, hielt die Arme über kreuz vor der Brust und rieb sich die Oberarme. Die Kühle bildete einen Pockenteppich auf ihrer blassen Haut. Auf ihren Wangen hatte das verschmierte Make-up graue Schleier hinterlassen.
Jens stand dicht bei dem Wagen. Auch ihm kroch die Kälte unter die Kleider, er zog sich die Jacke enger um den Körper.
„Drinnen ist es sicher wärmer“, meinte er.
„Willst du dich da etwa reinsetzen?“, fragte Mandy, offenbar entsetzt. „Zu ihm…?“ Sie musste schlucken.
„Ist immer noch besser als hier draußen zu erfrieren“, versuchte er sich rauszureden. Zitternd empfand er die Gefahr, die von einem Toten ausging als weitaus geringer, als jene, die die Kälte mit sich brachte.
„Also ich setze mich da bestimmt nicht rein!“, gab Mandy ihre Meinung kund und verschränkte dir Arme nun trotzig vor der Brust.
Jens zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst“, dann öffnete er die hintere rechte Tür.
Der süßliche Geruch von Verwesung, wie ihn Bücher und Filme beschrieben, blieb aus. Nur der übliche Mief, wenn Sitzpolster ausdünsteten, schlug ihm entgegen. Jedenfalls war es warm. Er setzte sich hinein und schloss die Tür.
Beschissene Idee. Es war eine beschissene Idee hier in die Pampa rauszufahren. Es war eine beschissene Idee bei dem Toten zurückzubleiben. Die nächste beschissene Idee stand sicher schon in der Schlange und wartete auf ihren Einsatz, oder war bereits getätigt worden, ließ sich mit der Wirkung nur etwas mehr Zeit.
Jens saß in den Sitz gedrängt, die Leiche, die mit dem Gesicht voran über dem Lenkrand hing, nicht aus den Augen lassend. Es war, als würde sich der Tod im Wageninneren ausdehnen und Jens die Luft aus der Lunge drücken. Er atmete tief ein und geräuschvoll wieder aus um dieser unsichtbaren Wolke entgegenzuwirken. Es gelang, jedenfalls für den Moment.
Zwischen Schalthebel und Beifahrersitz hing eine zerknüllte Karte. Vermutlich hatte der Tote sie kurz vor seinem Ableben noch studiert. Jens stemmte die Fäuste in die Rückbank und drückte sich nach oben. Das Polster quengelte. Ohne den Blick abzuwenden rutschte er hinter den Toten. So war er zwar näher dran, ihm blieb aber die Sicht dank der hohen Lehne versperrt. Das war besser. Aus den Augen, aus dem Sinn. Fast.
Jens beugte sich vor und nahm die Karte.
Draußen schwamm Mandys Silhouette unruhig über die beschlagenen Fenster hinweg. Jens schaltete das Deckenlicht für die Rückbank ein.
Auf der Karte war ein großer See umkringelt. Zufälligerweise genau der, zu dem ihre Vierertruppe ebenfalls unterwegs gewesen ist. Feiern, entspannen, trinken. Ein absoluter Geheimtipp, weitab von Störenden und sich gestört Fühlenden. Wahrscheinlich wollte der Tote zum Angeln dorthin. Bis er sich ebenfalls verfuhr und sein Leben aushauchte. Einfach so.
Jens warf die Karte beiseite und lehnte sich weit ins Polster zurück. Er schlug die Arme über dem Kopf zusammen und fluchte leise in die Stille. Erschöpfung senkte seine Lider.
Vor ihm schlängelten sich ewig lang erscheinende Asphaltserpentinen durchs grün. Felder zur linken, ein Wald zur rechten, kaum Zivilisation, kaum Straßenschilder. Bei den vielen Kurven und Abzweigungen hatte er sich sicherlich schon einige Male verfahren. Dabei war der Weg auf der Karte noch klar gewesen, nun hatte die Umgebung aber gar nichts mehr mit den Linien des Plans gemein.
Ein Ort, den nur wenige kannten. Ein absoluter Geheimtipp – großartig!
Dann kam das Biest. Es war einfach da, dem Nichts entsprungen und attackierte ihn. Ein grausames Dröhnen ging vom dem Ungeheuer aus und versetzte ihn in unbändige Panik. Er schlug nach dem Biest, erst nur mit einer Hand, um den Wagen auf Kurs zu halten, dann jedoch auch mit beiden Händen. Aber sein Wehren fachte das Biest nur noch mehr an, verlieh ihm Kraft.
Es stach.
Die Luft wurde knapp, seine Haut schien sich in einem heißen Prickeln aufzulösen, die Augen traten aus ihren Höhlen und sein Herz trommelte im Rhythmus der ekstatischen Opferzeremonie eines primitiven Volkes.
Der Wagen schlingerte über die Fahrbahn und kam schließlich auf der falschen Straßenseite zum Stehen, ein Rad bereits im Graben.
Ein Vibrieren weckte ihn.
Jens schlug die Augen auf und schloss sie wieder, angesichts der Helligkeit der Deckenleuchte. Das Vibrieren verebbte.
Er taumelte zwischen Bewusstsein und Schlaf und beugte sich schließlich ruckartig nach vorn, um die Müdigkeit abzuschütteln. Sie verlor sich ein wenig. Er half nach indem er sich die Augen rieb.
Das Biest ist mit ihm gestorben… Der Gedanke kam so unvermittelt, dass er schlagartig alle Erschöpfung von ihm nahm. Jens richtete sich auf und beugte sich zu dem Toten nach vorn. Aber natürlich, die Lösung lag so klar und eindeutig auf der Hand, fast schon peinlich, was er sich für wilde Theorien hat einflößen lassen. Bloß weil die dumme Mandy so ängstlich war.
Er sah nach draußen. Drehte den Kopf, schaute nach vorn, nach links, nach rechts, sah hinter sich. Die Fenster waren noch immer beschlagen und tauchten die Dunkelheit in milchiges Trübsal. Aber keine Spur von Mandy.
Jens, der seine Theorie von Makeln befallen sah, öffnete langsam die Wagentür. Unbarmherzige Kälte schwoll herein. Mit letzter Mühe widerstand er dem Drang, sich einfach einzuschließen und stieg aus.
Dunkelheit war die Abwesenheit von Licht; in diesem Fall wohl auch von Leben, denn als Jens nach draußen trat, sah er niemanden. Um den Wagen herum glomm eine kleine Leuchtkuppel, die aus dem Inneren gespeist wurde. Alles außerhalb war, wie das Tageslicht selbst, verschwunden und starrte vor Finsternis.
Vielleicht war sie nur zum Pinkeln in die Büsche verschwunden. Jens wollte nach ihr rufen. Aber die dunkle Wand schien nur auf ein zu lautes Geräusch von ihm zu warten, damit sie sich auf ihn stürzen konnte. Wer weiß für wen oder was er sich mit seinem Geschrei bemerkbar machen würde.
Inzwischen war er sich alles andere als sicher, was seine Vermutung anbelangte.
„Mandy?“ Leise, gewagt, aber nur zaghaft über die Lippen getragen.
Keine Antwort.
Seine Theorie war von einem breiten Geflecht aus tiefen Rissen durchzogen und drohte, in sich zusammenzustürzen.
„Mandy!“, nun lauter.
„Ja?“
Erleichterung fiel scheppernd vom ihm ab. Er fühlte sich beflügelt und gleichzeitig verärgert, dass sie ihn so vorgeführt hatte.
„Was machst du denn da?“
„Nichts“, kam ihre Antwort leicht gehetzt. Es raschelte und eine Gürtelschnalle klackerte. „Ich musste nur mal. Sind sie denn jetzt endlich da?“
„Nein, noch nicht. Aber…“ Da war wieder das Vibrieren. „Warte.“ Er holte sein Handy hervor, Mias Nummer erschien auf dem Display.
„Ja?“
Sie klang nicht gerade heiter, zudem wurde sie immer wieder unterbrochen. Der Empfang war schlecht, offenbar fuhr sie.
„Was? Ihr habt was? Keine Hilfe?“, versuchte Jens das Wenige, was er verstand, zu wiederholen. „Ihr kommt was? Wohin? Ich verstehe dich kaum…“ Sein Ohr vernahm da schon das Geräusch eines sich schnell nähernden Fahrzeugs, sein Verstand war ganz auf Mia beschränkt. „Wie? Ihr kommt zurück? Was…?
Dann hörte er sie zweifach schreien, untermalt von kreischenden Reifen. Metall massakrierte Metall und katapultierte gegen seine Hüfte. Jens verlor das Telefon, als er durch die Luft wirbelte und im Gras am Straßenrand aufschlug.
Mandys Geschrei war so kurz wie schrill. Er sah die Lichtkuppel des Geländewagens sie überrollen, ihre Glieder unter sich zerquetschend.
Daves Wagen schepperte über den Asphalt, dann wurde es still. Nur ein leises Zischen lag noch irgendwo im Dunkeln.
Jens atmete stoßweise. Ihm blieb nicht viel zu denken, in seinem Kopf überschlug sich noch immer alles. Dagegen wurde eines immer deutlicher: es hatte unterschwellig begonnen, ein Summen so leise, als würde es einem Grashalm innewohnen. Nun wuchs es zu einem mächtigen Brummen heran, erzeugt von durchscheinenden Flügeln, die Luft in Fetzen schnitten. Dieses Biest hatte sie letztlich alle getötet. Immerhin dabei war sich Jens absolut sicher.
Als der Schock schließlich verging begann er als letzter in die Dunkelheit hinauszuschreien.