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Katzenbeerdigung
Schlaff lag sie da, mit ihrem rötlichen Fell. Das feuchte Gras des Herbstes unter ihrem leblosen Körper unterstrich die Hoffnungslosigkeit der Situation zusätzlich. Peter stach noch einmal mit dem Spaten in die feuchte Erde, um das Loch, das Kittys Grab werden sollte, ein wenig zu vergrössern. Das Quietschen der Bremsen ging ihm nicht aus den Ohren, dann das Bellen von Felix, dem Schäferhund, eine Mischung von Wut und Verzweiflung. Stimmen, eine knallende Autotür. Und als er dann auf die Strasse rannte, sah er sie gleich, reglos, ein paar Schritte von der Stossstange entfernt, auf dem Asphalt. Felix bellte immer noch wie wahnsinnig. Felix und Kitty - das war fast wie eine Liebesgeschichte gewesen, ganz und gar nicht Hund und Katz’. Hing wohl damit zusammen, dass sie beide als Babys ins Haus gekommen waren, und sich alles geteilt hatten, bis hin zum Futternapf.
Er ging in die Wohnung hinein, denn das Telefon hatte geläutet. Es war Klaus, sein bester Freund. Der hörte gleich am Klang seiner Stimme, dass etwas nicht in Ordnung war. Die traurige Nachricht machte auch Klaus betroffen “Und was sagt Felix dazu?”, meinte er. “Der liegt seitdem mit eingezogenem Schwanz und angelegten Ohren vor dem Futternapf und winselt leise vor sich hin”, antwortete Peter. “Warst du noch beim Tierarzt mit ihr?”, fragte Klaus. Peter verneinte, hatte es doch gar keinen Sinn gehabt, Kitty war völlig regungslos gewesen, tot eben. Klaus brabbelte noch herum, von den Katzen mit den sieben Leben, das man hätte sicherstellen müssen, dass sie nicht zu leiden hatte, und so weiter. “Jetzt hör aber auf, du Klugscheisser, glaubst du nicht, mir tut das alles so schon weh genug?” Klaus war zornig, die Trauer um Kitty hatte seine Nerven blank gelegt. Mit ein paar kurzen Worten fertigte er Klaus ab und knallte den Hörer auf die Gabel. Er hockte sich zu Felix in die Küche auf den Boden und kraulte ihn hinter den Ohren. “Na, alter Junge, sie wird uns fehlen”. Und wie als Antwort liess Felix einen tiefen Hundeseufzer fahren.
“Komm, wir werden sie jetzt beerdigen!” Die sechs Beine Kurts und Felix’ trotteten langsam und traurig in den Garten hinaus. Das Wetter trug nichts zu ihrer Aufheiterung bei. Gott sei Dank hatte Peter am Vortag das Beet umgestochen und stark aufgelockert, dadurch war das Graben leicht gegangen. Dass der Platz nun statt Salat allerdings Kitty beherbergen wurde, darauf hätte er gerne verzichtet.
Der Hund sass da, blickte auf den reglosen Körper seines Freundes. Dann, wie um zu zeigen, dass er es nicht aushielte, dabei zu sein, schlich er hinter dem Gartenzaun davon. “Feigling,” raunte Peter, “und ich? Kann auch nicht davonlaufen!” Er blickte die Katze lange an. Klaus fiel ihm wieder ein, mit seinen blöden Bemerkungen. Und wenn Kitty aber doch nicht...? “Ein solcher Schwachsinn, er hat ja den Knall beim Aufprall nicht gehört.” Auf der anderen Seite sollte man doch sicherstellen...
Durch dieses Hin und Her seiner Gefühle gingen Peter endgültig die Nerven durch. “Na gut, Klaus, damit du auch ganz sicher sein kannst!” Er nahm den Spaten, den er an die Hauswand gelehnt hatte, und holte aus. Mit dumpfen Ton fiel das Metall schwer auf den reglosen Tierkörper. Nun schossen Peter die Tränen in die Augen. Er hielt es nicht mehr aus. Er konnte Kitty auch nicht mehr mit seinen Handen berühren, es schmerzte zu sehr. Mit dem Spaten schob er sie in das frische Erdloch und warf einige Haufen lockerer Erde darauf, machte einen kleinen Hügel, trat aber nichts fest, sondern lief durch die offene Hintertüre zurück ins Haus und warf sich schluchzend aufs Bett. “Warum war ich bloss jetzt auch noch so brutal zu ihr?”
Er wusste nicht, wie lange er so da gelegen hatte. Auf einmal vernahm er von draussen ein lautes Gebell. Felix! Doch was hatte er? Die Stimme seines Hundes klang jetzt anders, halb erschrocken, halb freudig. Er stand auf, sah durch das Fenster in den Garten. Da stand Felix, Vorderbeine im Beet, und ein Loch vor ihm! “Dieser Köter, er muss sie doch nicht wieder ausgraben, mein Gott!” Er rannte in den Garten und ... stolperte beinahe über Kitty, die gerade schnurrend durch die Hintertür hereinkam. Ihr Fell war verklebt mit Erde, genau so wie Felix’ Pfoten und Schnauze. Der führte sich auf wie toll, sprang herum wie ein Wilder.
Das Telefon läutete. Nicht wissend, wie ihm geschah in all dem Trubel, hob Peter ab. Es war Klaus. “Du, Peter, sei mir nicht böse, aber ich muss dir das noch sagen. Du solltest vielleicht doch noch mit Kitty zum Tierarzt gehen. Hast du das letzte Woche in der Zeitung gelesen mit der Katze, die nach einem Unfall vor Schreck wie tot war. Bevor die Leute sie vergruben, haben sie noch einmal mit einer Schaufel draufgeschlagen, und der erneute Schock hat ... Hallo? ... Hallo? ... Peter, bist du noch dran? ... Hallo?”