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Katharina reitet wieder

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02.06.2002
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Katharina reitet wieder

Katharina wollte nicht länger warten: Sie striegelte und sattelte heimlich Laura, ihre bayrische Warmblut-Stute, stieg auf und ritt weg.
Sie hatte viele Wochen auf diesen Tag gewartet. Wochen, in denen sie nur zusehen konnte, wie sich Laura auf dem Reitplatz ohne Reiterin vergnügte. Einmal hatte sie stundenlang zugesehen, wie Laura und der befreundete Pony-Wallach im Januar einen abgehalfterten Weihnachtsbaum über den Platz schleiften, und an ihm knabberten bis nur noch ein dürres Gerippe ohne Nadeln übrig war.

Katharinas Aufgabe war schwierig: Sie durfte nicht zu schnell und nicht zu langsam reiten, sondern genau so, dass ihr am Ziel noch genug Kraft blieb, um Laura festzubinden, die Trense durch das Stallhalfter zu ersetzen und den Sattelgurt zu lockern. War sie zu schnell, würde sie am Ziel zu lange warten müssen; war sie zu langsam, war sie zu langsam, nein, zu langsam durfte sie auf keinen Fall reiten. Galoppieren kam zunächst nicht infrage - zuerst würde sie im Schritt den größten Teil der Strecke bewältigen.
Sie genoss es auf ihrer Stute zu sitzen. Die Welt von oben, die Luft, die Wiesen und der Wald dahinter. Es war wunderbar, wie immer, das Warten hatte sich gelohnt, bald war es vorbei.

Walter, ein Freund von Markus, ihrem Mann, sah sie unterwegs: Nein! Unglaublich! Katharina auf einem Pferd und sie reitet auch noch so als ob sie es nicht eilig hätte. „Hey Katharina, was tust du denn da oben? Ist das nicht gefährlich?" Katharina winkte ab. „Nein, nein, es geht mir wunderbar." Und schon war sie an Walters Hof vorbei, nur weg hier, Walter hätte sie nicht sehen sollen. „Er ruft bestimmt bei Markus an, jetzt nehme ich den Waldweg," dachte sie. Sie hielt kurz an, klopfte Laura am Hals, gab ihr ein Leckerli und ritt vorsichtig im Schritt weiter, in den Wald, da wo Markus sie nicht mit dem Auto einholen konnte. Dieser Weg war länger als sie es geplant hatte, aber sie fühlte, dass sie es schaffen konnte.

Nach Walters Anruf hatte Markus Angst um Katharina. Diese Aktion passte zu ihr, deshalb wunderte er sich nicht. Er stieg ins Auto, fuhr viel zu schnell und wartete vor der Klinik. Sie würde bald kommen, denn sie benahm sich meistens vernünftig. Eine große Suchaktion hielt er nicht für angebracht. Katharina hatte sicher ihr Handy mitgenommen und würde um Hilfe rufen, wenn es nötig war.

Zum Glück war ihr unterwegs nichts passiert, das sah Markus sofort, als Katharina im Trab am Eingang ankam. So, als ob sie es doch eilig hätte. Er half ihr vom Pferd, umarmte sie erleichtert, küsste sie und sagte all die Dinge, die ein Mann in so einer Situation sagt: „Ich hab mir solche Sorgen gemacht! Tu das nie wieder! Geht es dir gut? Ist es so weit?" Er legte Laura das Stallhalfter um, band sie an einem Geländer fest, lockerte den Sattelgurt und gab ihr Kraftfutter und die Rübschnitzel, die er mitgebracht hatte.

Dann begleitete er seine Frau in die Klinik und sie bekamen im Jahr des Pferdes eine Tochter, wie alle anderen auch.

 

Hallo Emma,
Ich versuche mal, zu interpretieren, was Du mit der Geschichte ausdrücken willst. Kannst mich ja berichtigen, wenn es nicht stimmt.
Katharina ist schwanger und getraut sich nicht, einen Ritt mit ihrer Stute zu wagen, solange sie das Kind noch verlieren könnte. Doch als endlich die Geburt einsetzt, hat sie es ja im Grunde geschafft. Die Schwangerschaft ist fast beendet, das Kind lebensfähig und somit beschließt sie, vor den schweren Stunden noch einmal ihr Pferd zu spüren.
Für unerfahrene nicht-Pferde-Leser ist die Geschichte vieleicht nicht so gut nachvollziebar, da sie sich nicht vorstellen können, wie es ist, lange auf seinen ersten Ausritt zu warten. Ich weiß es, weil ich ähnliches erlebt habe.
Mit hat die Geschichte jedenfalls gefallen. Auch sprachlich ist die Geschichte gut verständlich und das Ende überrascht.

wie Laura und der befreundete Pony-Wallach im Januar einen abgehalfterten Weihnachtsbaum über den Platz schleiften
Was ist ein abgehalfterter Weihnachtsbaum?

Gruß Anja

 

Hi friedfertig,
richtig! Katharina ist schwanger und steht kurz vor der Geburt. Das habe ich am Anfang nicht schreiben können, denn es hätte das Ende der Geschichte verhagelt.
Manche Schwangere kassiert halt ein Reitverbot vom Frauenarzt, eine andere darf reiten wie sie will.

Mongolinnen oder Hunninnen sollen angeblich ihre Kinder im Sattel zur Welt gebracht haben. Das hat meine Phantasie beflügelt, aber Katharina ist in der Geschichte eine Mitteleuropäerin und erledigt einen Teil des Brutgeschäfts im Krankenhaus. Es interessiert mich trotzdem, ob Wehen im Sattel zu überstehen wären oder nicht.

Der "abgehalfterte Weihnachtsbaum" - mir ist auf die Schnelle nichts besseres aus der Reitersprache eingefallen. Die Metapher lahmt, denn ein abgehalftertes (vom Stallhalfter befreites) Pferd ist nicht zu vergleichen mit einem Weihnachtsbaum im Januar.
Vielen Dank für deine verständnisvolle Antwort
Grüße von Emma

 

Hallo Emma,

Ich selbst habe beim ersten Kind 9 Monate lang auf das Reiten verzichtet. Doch beim zweiten dann bin ich doch noch bis zum 5ten Monat reiten gewesen und es hat mir auch nichts geschadet. Ich habe wärend der Zeit sehr gelitten und auch heute noch bietet mir mein Pferd die einzige Ausflucht aus dem manchmal doch zu tristen Alltag.
Ich hätte wohl vor der Geburt nicht mehr reiten gehen können, dafür ging es dann doch zu schnell! :D
Gruß Anja

 

Hallo Emma,

ich denke, die Geschichte kann man erst als Reiter(in) richtig nachvollziehen, so denkt man doch `warum geht sie das Risiko ein?´. Zum Glück hat sie einen verständnisvollen Mann.
„ war sie zu langsam“ - soll das wirklich zweimal in dem Satz stehen?
„Die Welt von oben“ erleben, oder etwas ähnliches müßte da wohl stehen.

Tschüß... Woltochinon

 

Hi Woltochinon,
War sie zu langsam (unvorstellbar); war sie zu langsam (dann würde Katharina 110 in ihr Handy tippen - Notarzt, Hubschrauber, Sturzgeburt, Nabelschnur, das Warmblut auf und davon, dann stünde diese Geschichte wahrscheinlich im Südkurier); war sie zu langsam (dann wäre es keine ungefährliche Fiktion mehr, die in einer Reithalle entstanden ist - wir befinden uns bis Februar 2003 noch im Jahr des Pferdes und denken dauernd an Mongolinnen und Hunninnen); war sie zu langsam (dann würde das Kind in Jodhpur-Hosen niederkommen - quasi als Hausgeburt, OGOTTOGOTTjetzreichtsaber).

Die Welt von oben, das Leben, der Weg, das Ziel, das Wetter: Mit diesen dürren Worten sind dir hunderte von Sätzen erspart geblieben. Stell' dir vor, ich würde aufschreiben, was eine Reiterin "erlebt", wenn sie auf dem Pferd sitzt. Allein die Beschreibung der Pferdeohren würde ungefähr drei Bildschirmseiten kosten. Zu teuer!

Ich geb's zu: In diesem Text ist ein Satz zu viel und ein Wort zu wenig - Jedoch - Es gehört zu den Freiheiten, die Stilistik und Rhetorik erlauben.
Danke für die Rückmeldung!
Grüße von Emma

 

Stell' dir vor, ich würde aufschreiben, was eine Reiterin "erlebt", wenn sie auf dem Pferd sitzt. Allein die Beschreibung der Pferdeohren würde ungefähr drei Bildschirmseiten kosten. Zu teuer!

Genau aus diesem Grunde ist die Geschichte für "nicht-Pferde-Menschen" so schwer zu begreifen! Aber für solche ist sie wohl eh nicht geschrieben, denke ich!
Danke noch für die PM!
Gruß Anja

 

Hi friedfertig,
es ist eine Geschichte von einer Reiterin für eine Reiterin über eine Reiterin. Insidriger geht es nicht. Deshalb habe ich die Geschichte unter "Sonstige" abgelegt.
Grüße von Emma

 

Hallo Emma!

Ich habe während der ganzen Geschichte nicht mitbekommen, dass deine Heldin schwanger ist. Auch am Ende nicht. Erst als ich Friedfertigs Interpretation gelesen habe, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Ich bin kein Reiter, und als Mann werde ich niemals wissen wie es ist, schwanger zu sein. Daher ist diese Geschichte emotional ziemlich weit weg von meiner persönlichen Realität, und ich kann gar nicht sagen, ob sie gut oder schlecht war. Sie ist einfach zu weit weg von mir. - Ich wußte auch nicht, dass wir jetzt das Jahr des Pferdes haben, daher konnte ich mit deinem letzten Satz auch nichts anfangen. Irgendwie war das mein Fehler, denn meine Schwester ist sogar ein Feuerpferd (das war 1966), und ich hätte nachdenken und nachrechnen können.

einen abgehalfterten Weihnachtsbaum
Das gefällt mir. Das passt zur Geschichte.

war sie zu langsam, war sie zu langsam, nein, zu langsam durfte sie auf keinen Fall reiten.
Das wurde ohnehin schon besprochen. Sätze wie "wenn ich groß bin, bin ich groß" oder "wenn ich wütend bin, bin ich eben wüten" sagen genau so viel aus wie "wenn Egon tarkat ist, ist er tarkat" ("tarkat" habe ich gerade erfunden), nämlich nichts.

Liebe Grüße
Hubert

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Hubert,
in der Presse habe ich neulich gelesen, dass Herta Däubler Gmelin eine abgehalfterte Ministerin sei, das hat mir gefallen.

Dass eine Frau die Wehen bekommt und auf dem Pferd in eine Klinik reitet, kommt wahrscheinlich nur in Wildwestfilmen vor.

Wir leben noch bis genau am 31. Januar 2003 um 24:00 Uhr im Jahr des Pferdes. Am 1. Februar 2003 beginnt das Jahr der Ziege. Dann werden viele Millionen Chinesen "das Neue Jahr" feiern, tagelang.
Viele Grüße von Emma

 

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