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Katerstimmung

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03.10.2001
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Katerstimmung

Kennen Sie das?
Sie wachen mitten auf der Straße auf. Sie haben keine Ahnung, wie spät es ist. Eigentlich erinnern Sie sich noch nicht einmal an Ihren Namen. Nachdem Sie mit Mühe Ihre klebrigen Augenlider aufgequält haben, fällt Ihnen auf, dass Sie splitternackt sind. Aus Ihrem Rachen steigt ein ekelerregender Gestank, der Elefanten in Hypnose versetzen kann.
Kennen Sie das?
Nein?
Macht nichts. Bald werden Sie es wissen. Falls Sie gewillt sind, meine schicksalhafte Geschichte bis zum Ende zu lesen.

Es muss irgendwann Mitte August gewesen sein. Es war ein heißer Tag. Sehr heiß, um genau zu sein. Ein heißer Augustmorgen, an dem das Leben den Weg zurück in meinen Körper fand. Als ich die Augen öffnete, war von Leben in mir nicht mehr viel zu spüren. Eine viel zu heiße Sonne versengte mir die Haut. Was ich um mich herum sah, war mir völlig fremd. Ein paar Häuserreihen, in denen jedes Haus dem anderen glich, wie es sonst nur eineiige Zwillinge tun. Ein paar Gören, die ziemlich lautstark „Krieg“ spielten. Glatzköpfige Männer, die Sonntag morgen nichts besseres zu tun hatten, als für ihre zickigen Frauen und respektlosen Ausgeburten kindlicher Grausamkeit Brötchen zu holen. Mein Kopf war ein mutiertes Zentrum der Schmerzforschung und sendete viel zu viele, verwirrte Befehle an noch verwirrtere Gliedmaßen und Organe. An meinen ersten Gedanken, als ich die Augen aufschlug, kann ich mich nicht mehr erinnern. Der zweite war Durst. Brennender Durst. Durst nach zwanzig Liter Leitungswasser oder eisgekühlter Cola. Doch wenn man splitternackt mitten auf den Gehweg in einem unbekannten Stadtviertel aufwacht, ist man nicht in der Position, hohe Ansprüche zu stellen. Trotz der Hitze, dem unbändigen Verlangen nach Wasser und den unaussprechlichen Schmerzen im Kopf versuchte ich mich zu konzentrieren und in den benebelten Hirnwindungen meines Verstandes den Grund meiner derzeitigen Lage zu finden. Was dabei herauskam, ist kaum erwähnenswert. Das einzige, woran ich mich erinnern konnte, war die Party, die meine treue Lebensgefährtin anlässlich ihres fünfunddreißigsten Geburtstages gab und an die rothaarige Venusfalle, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken an diese Frau nicht die Überhand gewinnen zu lassen. Immerhin lagen jetzt wichtigere Probleme vor mir. Wenn ich wieder zu Hause in meinem molligwarmen Bett liegen würde, begraben unter meinen zwei Kopfkissen, dem Federbett und der Wolldecke meiner Mutter, blieb mir genug Zeit zum Träumen.
Die wichtigste Frage, die sich mir unwillkürlich aufdrängte, betraf das Ableben meiner Kleidung. Wo war sie? Die gleißende Sonne verschleierte meinen Blick, während ich mich erneut hilflos umsah. Sie mögen das jetzt vielleicht unheimlich komisch finden, aber in Anbetracht meiner Umstände können Sie sich vielleicht vorstellen, dass mir nicht unbedingt zum Lachen zu Mute war. Unrasiert, stinkend und nackt lag ich also auf der Straße, ohne Kleidung, ohne Geld, ohne meine Gattin und ohne meine Mama. Furchtbar. Schrecklich. Demütigend.
Eine Frauenstimme riss mich aus meiner Lache des Selbstmitleids. Ein ebenmäßig geformtes Gesicht blickte entwaffnend auf mich herab. Das Bedauern in ihren Augen war unverkennbar, genau wie das belustigte Lächeln in den selben. Ihre Beine erschienen mir wie Stelzen eines Zirkuskünstlers. Noch immer suchten meine aufblickenden Augen nach ihren Enden. Wieder unterbrach ihre honigsüße Stimme meine Gedanken.
„Ich glaube, das haben Sie letzte Nacht bei mir vergessen.“ Fassungslos starrte ich sie mit weitgeöffnetem Mund an. Vergessen war die Pein meines entblößten Körpers, übelriechende Absonderungen ausgeatmeter Luft, meine Schmerzen. Als ich wieder zu mir kam, war die Frau weg und ich hielt statt dessen meine Uhr in den Händen. Das war ein schlechter Witz. Einer der perversesten Sorte. Mein Kopf war mit einem Schlag wieder klar wie noch nie. ‚Großhirn an Beine! Laufen!‘ Der Impuls kam später als erwartet, sodass ich erst einmal stolperte und feststellen musste, wie hart Bordsteine wirklich sind. Ein neuer Impuls. Und diesmal setzen sich meine Beine in Bewegung, wenn auch nur widerwillig und unter schwerstem Protest. Ich rannte wie niemals zuvor. Natürlich waren mir einige Auswüchse meines Körpers, die nicht so fest mit ihm verankert waren wie der Rest, im Weg und erschwerten das Laufen. Aber ein Matthias Lang gibt niemals auf. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sich meine Frau an meiner Stelle fühlen würde. Rennend mit Körbchengröße 85 D. Bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht und mein Großhirn reagierte wieder etwas zu spät. Man kann sich unschwer denken, was bei einem akuten Anfall von Rückwärtsessen beim Laufen passiert. Inzwischen war mir alles egal. Diese diabolische Kreatur war der Schlüssel zu meiner Vergangenheit. Ich musste sie einfach einholen. Leider gelang es mir nicht so gut, wie ich gehofft hatte. Das letzte, was ich von ihr sah, waren die roten Haare und ein flüchtig zugeworfenes Lächeln, als sie hinter irgendeiner Hausecke verschwand. Jetzt machten sich auch meine Lungen und Bronchien bemerkbar. Keuchend, hechelnd, mit schmerzverzerrtem Gesicht sackte ich zu Boden. Tränen der Verzweiflung rannen mir über das Gesicht.

Als man mich fand, war ich nicht mehr ansprechbar. In meinem Delirium stammelte ich wildes Zeug von Hexenverbrennung und ähnlichem. Auch die zwei Wochen, die ich im Krankenhaus verbrachte, um mein Lungenversagen, Herzinfarkt und die Verbrennungen zweiten Grades auf Grund der Dermatis solaris auszukurieren, halfen mir nicht aus meiner Krise. Das Resultat, was sich daraus ergibt, hat vier Wände, ein sehr kleines Fenster, einen Schreibtisch und zwei Stühle. Für wen der zweite Stuhl ist, weiß ich bis heute nicht.

 

Jo, das erste, was ich mich gefragt habe, war: Worauf ist das eine Satire?
Hm, das hab ich nicht ganz verstanden, aber ansonsten hat es mir doch gefallen, obwohl es natürlich keine Auflösung gibt. Hoch anzurechnen ist, dass es nicht in Peinlichkeiten abdriftet wie der unfassbar miese Film "Ey Mann, wo is mein Auto", der ein ähnliches Thema behandelt.
Am Schluss landet er also im Irrenhaus, hmmm.
Was genau man aus dieser Geschichte für eine Bedeutung ziehen kann, weiß ich nicht, aber besser geschrieben als vieles hier ist sie gewiss.

Du solltest nur die Zahlen am Ende ausschreiben. Kleiner Kritikpunkt. ;)

 

danke, ben.
werde das mit den zahlen gleich ändern.
is mir gar nicht aufgefallen.

liebe grüße, pandora

 

Hm, nun noch den Rest der Zahlen in der Geschichte ausbessern, und dann ist es gut. :p :D

*kritisier*

 

Hi Ben,
demnächst Kritik über übersehene Zahlen nur noch mit Zeilen- und Wortangabe :-)

Ist es eigentlich möglich, die Geschichte im Nachhinein in eine andere Kathegorie zu verschieben?
In was für eine würde sie denn deiner Meinung nach besser passen?

bye, Pandora

 

Hm, in Alltag würde sie passen. Soll ich sie verschieben?
Aber wenn du meinst, dass es Satire ist, kann sie auch hier bleiben.

Also, zwei solcher Zahlen find ich noch...

ihres 35sten Geburtstages gab und an die rothaarige Venusfalle, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken an diese Frau nicht die Überhand gewinnen zu lassen. Immerhin lagen jetzt wichtigere Probleme vor mir. Wenn ich wieder zu Hause in meinem molligwarmen Bett liegen würde, begraben unter meinen 2 Kopfkissen, dem Federbett und der Wolldecke meiner Mutter, blieb mir genug Zeit zum Träumen.

Hehe, penibel-Ben.
;) :p

[Beitrag editiert von: Ben Jockisch am 07.12.2001 um 18:19]

 

Du findest auch wirklich alles :-)
werde es sofort ändern und würd mich freun, wenn du sie verschiebst.

so long, pandora

 

Da fällt mir gerade ein, ich bin hier ja gar nicht Moderator. Da musst du mal ne Message an entweder Kritiker oder den Webmaster abschicken.

Der Kritiker könnte sich auch mal wieder öfter hier blicken lassen...
Oder er tarnt sich gut. :D

 

ja? gibt es echt eine zahlenausschreibkonvention??? *urgs* - also ich schreibe weitmöglichst alle zahlen aus - nur zahlenketten natürlich nicht.
hi pandora,
eine geschichte beurteile ich am besten, indem ich auf meine emotionen, die beim lesen entstehen, achte.
nun, in diesem fall ist es einfach.
ich musste lachen. die ganze geschichte lang war ich vergnügt!
der erzählstil ist wirklich sauber und durchgehend amüsierend. wenn es deine intention war, deine leser mit deinem humor zu unterhalten, dann ist es dir gelungen. ich habe drei lieblingsstellen, worüber ich (im büro - wie peinlich *hehe*) laut lachen musste:

Doch wenn man splitternackt mitten auf den Gehweg in einem unbekannten Stadtviertel aufwacht, ist man nicht in der Position, hohe Ansprüche zu stellen.

und

war die Frau weg und ich hielt statt dessen meine Uhr in den Händen.

*herrlich* und

In meinem Delirium stammelte ich wildes Zeug von Hexenverbrennung und ähnlichem.

ach, ja und

die meine treue Lebensgefährtin anläßlich ihres fünfunddreißigsten Geburtstages gab und an die rothaarige Venusfalle

da dachte ich nur .. "oh-oh" *hehe* (waren das jetzt 4?)

also - ich muss sagen, wirklich gut.
der inhalt selbst hat nicht so viel zu bieten. die ganze geschichte ist auf sprache aufgebaut. deshalb kann ich mit dem ende nichts anfangen. gibt es für diese geschichte einen bezug? musste das ganze so bitterlich in der irrenanstalt enden? ein offenes ende hätte es doch auch getan, so im sinne von: "egal, ich konnte es nicht ändern, also versuchte ich, meinen knochen die motorik neu beizubringen und mich nach hause zu schleppen. mal sehen, ob das prachtweib irgendwas mitbekommen hatte, das die mir nun mit einer zweitagepredigt vergeben muss." oder so etwas.
geschmäcker sind verschieden.
einen weiteren kritikpunkt habe ich:

‚Großhirn an Beine! Großhirn an Beine! Laufen!‘

hast du das dem otto walkes geklaut? das klingt nach einem zitat!
wenn dem so ist (oder auch nicht), änder das lieber, das macht sich nur negativ auf deine wirklich gute geschichte!

bye
barde

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Barde,

danke für deine Kritik. Freut mich, dass dir die Story gefallen hat. Dass der eine Spruch an Otto Walkes erinnert, find ich bedauerlich. Aber es sei dir versichert, dass er nicht geklaut ist. Mal sehen, vielleicht ändere ich das.

Hi Paule,

danke für auch für deine Kritik, obwohl du ja zur Geschichte selbst so gut wie gar nichts gesagt hast ;)

Ich glaube, ich lasse sie verschieben.
Hendek? Sunny?

 

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